Eine besondere Nacht
von Kay-Cee2001
Kurzbeschreibung
Eine abenteuerliche Nacht mit einer kleinen Elfe, die Hilfe braucht. Aber was, wenn es kein Traum ist?
GeschichteFantasy, Freundschaft / P6 / Gen
08.08.2021
08.08.2021
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Eine besondere Nacht
Ich lag in meinem Bett und ließ meine Gedanken schweifen. Es war noch nicht sehr spät und ich hatte Sommerferien, weswegen ich eigentlich auch noch nicht schlafen wollte. Es war ja noch nicht mal ganz dunkel draußen.
Seufzend machte ich meine Nachttischlampe an und griff nach meinem Buch. Ich würde jetzt definitiv noch nicht schlafen können. Ich war gerade mitten in einer spannenden Szene vertieft, als ich ein Klopfen hörte; ganz leise, ganz zart, aber definitiv da. Wie erstarrt lag ich da und wartete ob ich es wieder hören würde. Es war sehr beängstigend, denn mein Zimmer war im ersten Stock und das Klopfen kam definitiv von meinem Fenster direkt über meinem Bett.
Ich dachte gerade, dass ich es mir wohl doch nur eingebildet hatte, als es schon wieder klopfte. Das Klopfen war so zart, dass es wohl eigentlich nicht von einem Menschen kommen konnte, aber wer oder was konnte denn sonst klopfen?
Ich lag da und überlegte, was ich tun sollte. Ich konnte jetzt das Plissee hochziehen und die Gewissheit haben, dass ich mir das nur einbildete oder ich blieb liegen und wartete, bis was auch immer da klopfte, verschwand. Dann könnte ich es auf einen Albtraum schieben.
Mir war klar, dass ich hier nie wieder ruhig schlafen könnte, wenn ich das Klopfen jetzt ignorierte. Also nahm ich all meinen Mut zusammen, schob meine Bettdecke zur Seite und setzte mich langsam auf. Genau in diesem Moment klopfte es auch wieder. Ich streckte meine zitternde Hand aus, packte das untere Ende des Plissees und riss es nach oben. Davor schwebte ein kleines Wesen - mit Flügeln!
Entsetzt sprang ich zurück und schob mich auf meinem Bett so weit vom Fenster weg, wie es nur ging. Das kleine Wesen flog durch den Spalt von meinem offenen Fenster rein und flatterte in meinem Zimmer rum.
Dann fing es an zu reden: “Hallo Maylin, ich hab mich so darauf gefreut, dich kennenzulernen! Ich hab mich extra freiwillig gemeldet, um dich nach Meliamer zu bringen. Das ist alles so aufregend! Wenn du dann endlich deine Bestimmung erfüllt hast und die Blumen wieder blühen, dann kannst du es auch in voller Pracht erleben. Natürlich musst du erstmal Filinya besiegen, aber das ist ja kein Problem.”
Erst jetzt schien das kleine Plappermaul zu bemerken, dass ich es nicht als selbstverständlich betrachtete, ein kleines geflügeltes Mädchen in meinem Zimmer zu haben.
“Du weißt gar nicht, wer ich bin, oder?”
Vorsichtig schüttelte ich den Kopf: “Ich weiß gar nicht, was du bist.”
Sie seufzte und fing nochmal von vorne an: “Also, ich bin Zoela. Ich komme aus Meliamer, einer wunderschönen Elfenstadt, die leider unter schlechter Kontrolle steht. Ich bin natürlich auch eine Elfe. Du musst uns helfen Filinya zu besiegen, die hat nämlich die Herrschaft an sich gerissen und deswegen blühen die Blumen nicht mehr und wir Elfen verlieren unsere Kraft. Also soll ich dich abholen, damit du deiner Bestimmung nachkommen kannst und uns alle rettest.”
Erwartungsvoll, als würde ich jetzt gleich aufspringen, mir mein Schwert schnappen und alles, was mir in den Weg käme, bekämpfen, sah mich das kleine Wesen an. Ich war aber immer noch bei der Tatsache hängen geblieben, dass hier eine Elfe vor mir rum flatterte. Nachdem ich mit mir selbst übereingekommen war, dass das nur ein Traum sein und ich deswegen auch einfach mitspielen konnte, stellte ich meine Fragen.
“Du willst mir also weiß machen, dass ich irgendeine Bestimmung erfüllen und eine böse Königin besiegen soll und das, weil irgendwelche Blumen nicht mehr blühen? Es verblühen doch jeden Tag Blumen. Sucht euch einfach neue”, beendete ich mit einem Schulterzucken.
“Naja, ganz so einfach ist das nicht”, antwortete Zoela. “Wir sind alle mit der Blüte verbunden, in der wir geboren sind. Stirbt die Blüte, sterben wir. Genauso anders herum. Wenn ich sterbe, stirbt meine Blüte. Und unsere Blüten brauchen die Kraft unserer rechtmäßigen Königin. Wenn eine Königin oder ein König ohne Erbe stirbt, erstrahlt eine Blüte am hellsten. Derjenige, der in dieser geboren wurde, wird der neue Herrscher und bekommt die Blumenkrone. Wenn allerdings jemand anderes die Krone aufsetzt, bevor der rechtmäßige Herrscher es tut, kommt es zu einer Katastrophe und genau dazu ist es gekommen. Tja, dreimal darfst du raten, was passiert ist. Filinya hat Lisanja, unsere alte Königin, vergiftet, bevor diese überhaupt daran denken konnte, einen Erben zu bekommen. Dann hat sie, sobald Lisanja gestorben war, sich die Krone auf den Kopf gesetzt und sich selbst zur Königin erklärt. Sie war sicher, dass unsere Stadt sie schon akzeptieren würde, doch jetzt wird unsere Stadt immer schwächer. Filinyas Blüte ist die einzige, die noch wächst und solange das so bleibt, wird sie ihre Krone nicht absetzen, um den wahren Herrscher zu erfahren.”
Völlig überwältigt von dieser Informationsflut sah ich Zoela an.
“Also das klingt schon sehr dramatisch, aber um es mal hart zu sagen: Es ist nicht mein Problem. Außerdem kann ich nicht einfach abhauen. Wenn meine Eltern aufwachen und ich nicht da bin, bekommen die eine Krise!”
“Naja, genau genommen, ist es auch ein bisschen dein Problem. Deine Eltern wissen es nicht mehr, aber du bist in Meliamer geboren. Ihr wart gerade im Wald spazieren, als deine Mutter zu früh wehen bekam. Wir haben beschlossen, uns zu zeigen und deiner Mutter zu helfen. Als du geboren warst, hast du nicht geatmet. Wir haben dich ein wenig geschrumpft und in eine der Blüten gelegt, bis du angefangen hast zu atmen. Wir wissen nicht, ob es dich beeinflusst wenn diese stirbt. Was deine Eltern angeht: Ich habe eine Schlafmittel mit. Es ist rein pflanzlich und wird ihnen nicht schaden, aber damit werden sie 24 Stunden schlafen, was uns 24 Stunden Zeit gibt unsere Stadt zu retten. Und, naja, ich bitte dich.”
Dabei sah sie mich mit einem so süßem flehentlichen Blick an, dass wahrscheinlich dieser schon gereicht hätte, um mich zu überzeugen.
“Na schön. Das sind leider gute Argumente und ich möchte auch nicht an dem Tod eines ganzen Dorfes von Elfen Schuld sein. Außerdem bist du echt niedlich und ich mag dich. Aber wie soll ich bitte in dein Dorf kommen?”
“Oh, nichts leichter als das. Auch dafür haben wir ein ganz spezielles Pulver hergestellt. Wir Elfen haben im Grunde viel weniger mit Magie zu tun, als in den Geschichten dargestellt. Du ziehst dir jetzt was an. Am besten etwas, in dem du dich gut bewegen kannst und ich kümmer mich um deine Eltern.”
Seufzend tat ich, wie mir aufgetragen, zog eine Sporthose und eine Pulli aus meinem Schrank und zog mich um.
Als Zoela wiederkam, verteilte sie ihr komisches Pulver auf mir und ich spürte, wie ich schrumpfte und mich ein komisches Kitzeln an meinen Schultern störte. Als ich mich umdrehte, sah ich zwei wunderschöne Spitzen über meinen Schultern funkeln. Ich bewegte einen Muskel, der vorher definitiv nicht gewesen war und spürte, wie der Boden unter meinen Füßen verschwand, als ich flog.
Völlig überwältigt von dem Gefühl schwebte ich eine Weile einfach nur auf dem Fleck, um mich daran zu gewöhnen. Dann verlagerte ich mein Gewicht ein wenig und flog erst in die eine Richtung und dann in die andere.
Nachdem ich mich ein wenig sicherer fühlte, nickte ich Zoela zu, um ihr zu zeigen, dass wir nun los konnten.
Als der Boden immer weiter unter mir verschwand, wurde mir sehr mulmig zumute, doch ich versuchte mich abzulenken. Wir hatten schließlich eine Mission. Zur Ablenkung beschloss ich, Zoela noch mehr Fragen zu stellen und sie stellte mir ihrerseits welche. Als unser Ziel unweigerlich immer näher kam, beschloss ich, die wichtigste aller Fragen zu stellen: „Du, Zoela, wie genau hast du dir eigentlich gedacht, dass ich Filinya besiege? Ich meine, ich hab keinerlei Kampffähigkeiten und ich kann ja auch nicht ihre Lebensblumendingsbums einfach aus der Erde zupfen, denn ich weigere mich jemanden umzubringen.”
Zoela lachte bei ihrer Antwort.
“Du sollst niemanden umbringen! Ganz so dramatisch ist das alles nicht. Eigentlich ist es ziemlich einfach. Das größte Problem war, dich zu überzeugen mitzukommen. Deswegen haben wir es auch erstmal so versucht, bevor wir dich miteinbezogen haben. Durch deine besondere Geburt und vor allem deine Zeit in einer Lebensblüte, hast du eine sehr spezielle Bindung zu unserer Stadt aufgebaut. Du bist zwar ein Mensch, aber trotzdem mit uns verbunden. Dadurch ist dein Blut sehr besonders. Menschlich, aber auch nicht menschlich. Wir wollen Filinyas Blüte durch ein Gift so schwächen, dass sie sich wieder erholt, wir ihr aber die Krone abnehmen können. Unser Gift funktioniert aber nur im Zusammenhang mit deinem Blut. Und bevor du fragst: Das Blut muss frisch sein, freiwillig gegeben und vom Spender, sag ich jetzt mal, selbst in das Gift und auf die Blüte gegeben werden.”
“Aber was macht ihr dann mit Filinya? Wer hält sie davon ab, die nächste Königin nicht auch wieder zu vergiften und genau das gleiche nochmal zu probieren?”
“Nachdem wir ihr die Krone abgenommen haben, wird sie in die Verbannung geschickt und ein Zauber über unsere Stadt gelegt, wodurch sie diese nicht mehr betreten kann. Sie könnte versuchen, in die nächste Elfenstadt zu gehen, aber das ist ein sehr weiter weg und sie wird weithin als Verräterin bekannt gegeben. Also muss sie draußen alleine überleben, was machbar ist, aber natürlich einsam.”
Ich nickte. Damit konnte ich leben. Ich würde niemanden umbringen, musste nicht kämpfen und generell schien es gut machbar. Wenn alles gut lief, würde ich vielleicht schon morgen Nachmittag wieder zu Hause sein.
Zoela schien genauso in Gedanken versunken zu sein wie ich. Zumindest blieb sie den Rest des Weges still. Als wir in Meliamer ankamen, war es bereits wieder hell geworden, sodass ich seine strahlende Schönheit bewundern konnte. Im Grunde sah es aus wie eine große Blumenwiese, doch teilweise war zwischen den Blüten eine kleine Brücke. Außerdem sah keine Blüte aus wie die andere. Die Blüten schienen so unterschiedlich zu sein, wie die Charaktere ihrer Elfen. Es war wunderschön und passte doch so perfekt in die Natur hier, dass jeder normale Mensch es wohl für eine normale Blumenwiese gehalten hätte, wenn nicht die Elfen darin fliegen würden.
Zoela bemerkte meine großen Augen und nickte betrübt.
“Ich weiß, es sieht furchtbar aus. Aber wenn wir erst Filinya besiegt haben und die Blüten ihre Kraft zurück haben, dann wirst du die Schönheit erkennen.“
Ich bekam meinen Mund nicht mehr zu, der bei jedem von Zoelas Worten weiter aufgegangen war.
“Hast du gerade gesagt, es sieht furchtbar aus?!”, rief ich aus. “Das ist das schönste was ich je gesehen habe. Ich kann es gar nicht erwarten, die wahre Pracht zu sehen!”
Zoela wollte gerade etwas antworten, als ein aufgeregter Schrei uns unterbrach.
“Zoooooozoooo! Da bist du ja endlich, ist sie das? Ist sie das?”
Zwei Elfen und ein Elf hatten uns fast erreicht, weiter im Hintergrund sah ich allerdings noch einen Elf. Die vordere der Elfen zog Zoela in eine schwungvolle Umarmung und sah sie dann erwartungsvoll an.
Zoela antwortete: „Ja, das ist Maylin.” Und an mich gerichtet sagte sie: „Maylin, das sind Zuri und Teleria”, und zeigte dabei erst auf die Elfe die gesprochen hatte und dann auf die hintere, “und Kiovar und Azariel.” Wieder zeigte sie auf den einen Elf, der schon bei uns war und dann auf den anderen, der ein Stück weiter hinten flog.
“Teleria ist unsere Chemiekünstlerin. Sie braut alle Tränke und bereitet alle Pulver vor. Wir brauchen sie also, um das Gift überhaupt herstellen zu können. Kiovar und ich werden dich begleiten und für deinen Schutz sorgen. Zuri und Azariel arbeiten beide für die Königin - also momentan leider für Filinya - und werden diese ablenken, damit sie nicht auf einmal bei ihrer Blüte aufkreuzt. Sie hat dort Wachen stehen, die darauf aufpassen, aber sie schaut trotzdem regelmäßig selber nach ihr.”
Zuri strahlte mich an. Sie schien genau so ein Wirbelwind wie Zoela zu sein, denn sie fing gleich an, auf mich ein zu plappern.
“Du glaubst ja gar nicht, was es für eine Ehre ist, dich kennenzulernen! Wir planen das alles schon so lange und jeder weiß von der Prophezeiung. Natürlich wollte auch jeder derjenige sein, der dir zur Unterstützung verhilft, aber wir haben Teleria bei uns, also hatten wir das Glück. Natürlich weiß niemand, dass du JETZT hier bist, sonst würde es bestimmt an die Königin getragen werden. Ach, das ist alles so aufregend!”
Sie flatterte wild im Kreis herum und bekam sich gar nicht mehr ein. Erst als Teleria sie am Arm packte, kam sie wieder zur Vernunft.
Dann trat Azariel an uns heran und meinte: „Wir sollten jetzt auch loslegen. Filinya legt sich gleich für ihre Mittagsruhe hin. Euer Flug hat leider etwas länger gedauert als geplant, also müssen wir uns beeilen.”
Ich war etwas überwältigt, ich hatte gehofft, ein bisschen Zeit zu haben, um mir alles anzusehen und mich vielleicht auch ein wenig auszuruhen. Schließlich hatte ich die Nacht nicht geschlafen, sondern mit Fliegen verbracht. Für das Bewundern bleib aber hoffentlich später noch Zeit. Unser Plan war im Grunde einfach und schnell zu erledigen. Wir teilten uns auf. Zuri und Azariel flogen Richtung Palast und wir anderen in Richtung der Blüte von Filinya.
Teleria sah dabei sehr konzentriert aus, Zoela total aufgeregt, Kiovar zu allem bereit und ich mit Sicherheit total verängstigt. Bei der Blüte angekommen, sahen wir drei Wachen darum herum stehen. Ich persönlich fand das etwas wenig, wenn man bedachte, dass Filinya die Krone unrechtmäßig erworben hatte und die Blüte im Grunde ihre Lebensversicherung war. Aber vielleicht wollten ihr ja nicht mehr helfen oder sie war so eingebildet, dass sie dachte, niemand würde sie angreifen.
Gemeinsam beschlossen wir, dass Zoela die Wachen ablenken sollte, gegebenenfalls mit Unterstützung von Kiovar. Teleria und ich sollten uns dahin begeben, wo der Stängel in der Erde verschwand. Dort sollte das Gift verteilt werden. Soweit der Plan.
Zoela flog auf die Blüte zu und tat dabei völlig unbedarft und in Gedanken versunken. Einer der Wächter wurde dabei auf sie aufmerksam.
“Ey, kleine Elfe, was machst du hier? Das ist die Blüte der Königin, der kommt niemand zu nahe!”
Zoela sah so echt erschrocken aus, dass sogar ich es ihr fast abgenommen hätte.
“Die Blüte der Königin? Da wollte ich gar nicht hin, oh Gott, bin ich soweit vom Weg abgekommen? Das tut mir ja so leid!”
Sie plapperte so laut vor sich hin, dass auch eine zweite Wache dazukam. Fehlte nur noch die Dritte. Und die wurde gerade auf Kiovar aufmerksam, der von der anderen Seite geflogen kam und sich auf Zoela und die beiden Wachen zubewegte. Schnell folgte die Wache Kiovar, vielleicht um ihn davon abzuhalten, seine Kollegen anzugreifen. Damit war unser Moment gekommen.
Teleria und ich flogen leise und im Schatten auf die Blüte zu und setzten uns so hin, dass uns die Wächter nicht sehen konnten. Teleria zog ein Fläschchen aus ihrer Tasche und ein kleines Messer, welches sie mir hinhielt.
“So, du musst jetzt einen Tropfen Blut in das Fläschchen geben und es dann sofort in die Erde vom Stängel geben, der gewünschte Effekt sollte innerhalb weniger Minuten eintreffen.”
Ich tat wie mir geheißen und stach mir vorsichtig mit der Messerspitze in den Finger, drückte, bis ein großer Tropfen auf meiner Fingerkuppe saß und gab diesen dann in das Fläschchen. Sobald der Tropfen angekommen war, drehte ich das Fläschchen um und gab das Gift in die Erde. Ich hatte irgendeinen Effekt erwartet, Rauch der aus der Erde stieg, ein Stängel der die Farbe verändert oder irgend sowas. Aber nichts passierte. Die Flüssigkeit sackte einfach in die Erde und dann zog Teleria mich auch schon fort.
Zoela und Kiovar sahen dies, verabschiedeten sich abrupt von den Wächtern und flogen ebenfalls davon. Wir trafen uns am vereinbarten Treffpunkt, Telerias Blüte, wieder. Telerias Blüte war dem Baum am nächsten, in dem das Refugium der Königin war. Noch bevor wir angekommen waren, rief Zoela uns entgegen:” Und? Habt ihr es geschafft? Ist die Blüte vergiftet? Können wir Filinya besiegen?”
“Ja, hoffen wir doch und hoffen wir erst Recht”, beantwortete Teleria die Fragen.
Jetzt galt es nur noch zu Zuri und Azariel in das Refugium zu fliegen, Filinya die Krone zu entwenden und sie auf den Platz in der nie verblühenden Königsblume zu legen, wo die Krone hingehörte, wenn ein König oder eine Königin verschied.
Sie waren noch nicht ganz beim Baum angekommen, als Zuri und Azariel ihnen freudestrahlend entgegenkamen. Zuri hatte die Krone in den Händen.
Wir umarmten uns alle glücklich, trunken vor Erleichterung es geschafft zu haben und ich folgte den anderen zur Königsblume. Die Königsblume schien noch die gesündeste zu sein, denn sie blühte nicht nur in voller Pracht, sondern sie strahlte. Die Blütenblätter leuchteten.
“Was wird denn jetzt eigentlich geschehen?”, fragte ich Zoela leise.
“Zuri legt die Blumenkrone in die Blüte und eine unserer Lebensblumen, wird so hell erstrahlen, dass wir genau wissen, wer der wahre Erbe ist. Nachdem dieser sich die Krone aufgesetzt hat, werden hoffentlich auch alle anderen Lebensblumen ihre Kraft zurück gewinnen.”
Voller Ehrfurcht sah ich Zuri dabei zu, wie sie die Blumenkrone sanft in die Mitte der Blüte legte. Kaum hatte sie das getan, drehten wir uns zur Blumenwiese um, die ein wenig unter uns lag.
Und dort, erst sanft und dann immer stärker fing eine wunderschöne, violette Blüte an zu leuchten. Ihr Leuchten wurde so stark, dass ich mich irgendwann wegdrehen musste. Als ich rüber zu Zoela sah, sah ich, dass sie blass geworden war. Sanft stubste ich ihr in die Seite.
“Hey was ist denn los? Ist die Elfe zu dieser Lebensblüte so schlimm?”, fragte ich vorsichtig. Zoela schüttelte nur wie in Trance den Kopf. Ich versuchte immer noch herauszubekommen, was denn ihr Problem war, als mir auffiel, dass sich immer mehr Elfen um die Königsblume versammelten. Ein älterer ehrwürdig aussehender Elf schritt langsam auf uns zu. Dann verneigte er sich. Verwirrt sah ich erst ihn an, dann Zoela, die immer noch so unendlich blass war. Und dann sprach der Elf. Laut rief er: „Lang lebe Königin Zoela!”
Und alle antworteten: „Lang lebe Königin Zoela!”
Ich begriff, warum Zoela so blass geworden war. Es war ihre Blüte, die da leuchtete. Nach und nach ließen sich alle Elfen - auch unsere Gruppe - auf ein Knie sinken. Ich tat es ihnen nach, schließlich stand ich hier gerade neben einer Königin!
Der ehrwürdige Elf nahm die Blumenkrone hoch und ließ sie auf Zoelas Kopf nieder. Kaum hatte sie ihr Haupt berührt, erstrahlte die ganze Blumenwiese in einem gleißenden Licht. Wir hatten es geschafft. Wir hatten die Wiese gerettet!
Es wurde ein rauschendes Fest gefeiert, doch als die Sonne langsam unterging, trat ich an Zoelas Seite.
“Ist jetzt wahrscheinlich ein schlechter Zeitpunkt, aber ich glaube, ich sollte langsam zurück nach Hause.”
Traurig nickte Zoela.
“Du hast wohl Recht, aber ich hab was für dich!” Sie drückte mir eine wunderschöne Kette in die Hand, die aussah wie die Königsblüte, nur in klein und mit einem glänzenden Stein in der Mitte. Voller Ehrfurcht nahm ich sie entgegen, hielt sie dann aber noch einmal Zoela entgegen, mit der bitte, sie mir um den Hals zu legen. Während Zoela meine Haare hochnahm und meiner Bitte nachkam, erklärte sie mir: „Das ist nicht nur irgendeine Kette. Wenn du deine Hand darauf legst und fest an mich denkst, dann spüre ich es. Ich habe das passende Gegenstück. Du kannst mir entweder einfach nur zeigen, dass du gerade an unser Abenteuer denkst oder mich um Hilfe bitten. Ich hoffe, du denkst oft an unser Abenteuer.”
Ich dreht mich wieder um und nahm Zoela fest in den Arm.
“Ganz bestimmt werde ich das.”
Nachdem ich mich von allen verbschiedet hatte, begleitete Zoela mich auf meinem Rückflug. Die Aussicht war atemberaubend und ich beschloss, gleich wenn ich zu Hause ankam, alles aufzuschreiben, was ich heute erlebt hatte. Es war ein Traum, aber der Verrückteste und Wunderschönste den ich je hatte. Und ich war mir nun auch sicher, dass man auch im Traum Freunde finden konnte.
Irgendwann sagte ich nachdenklich zu Zoela: „Weißt du, ich bin wirklich froh, dass du ein Teil meines Traums warst. Unglaublich , was das Unterbewusstsein alles erfinden kann.”
Zoela lachte ihr glockenhelles Lachen und sah mich erstaunt an.
“Du glaubst also immer noch, dass du nur träumst?”
“Ja, wie bitte soll etwas so Verrücktes und Einzigartiges wie Elfen oder Meliamer existieren?”
“Du wirst schon sehen und wir werden uns auch wiedersehen. Schau, da vorne ist dein Haus.”
Wir umarmten uns noch einmal ganz fest, dann flog ich in mein Zimmer und spürte, wie meine Flügel schwanden und ich selbst wuchs. Eigentlich wollte ich das Abenteuer aufschreiben, aber ich war unendlich Müde. Kaum hatte mein Kopf mein Kissen berührt, war ich eingeschlafen. Mein letzter Gedanke galt der Hoffnung, dass ich mich morgen früh an diesen fantastischen Traum erinnern wollte.
“Maylin, meine Güte schläfst du immer noch? Es ist bereits halb zwölf! Wir wollen doch noch was vom Tag haben.“ Verschlafen wachte ich von der Stimme meiner Mutter auf. Halb zwölf? So lange schlief ich doch nie.
Dann erinnerte ich mich an meinen Traum. Ich kicherte leise bei der Vorstellung, dass ich vielleicht so lange geschlafen hatte, weil ich so ausgelaugt von dem Abenteuer war. Ich zog an etwas, dass mich an meinem Hals störte. Eine Kette? Ich trug nie eine Kette. Ich suchte nach dem Anhänger und fand ihn hinten an meinem Nacken. Es war eine wunderschöne Blüte mit einem glitzernden Diamanten in der Mitte.
Ich lag in meinem Bett und ließ meine Gedanken schweifen. Es war noch nicht sehr spät und ich hatte Sommerferien, weswegen ich eigentlich auch noch nicht schlafen wollte. Es war ja noch nicht mal ganz dunkel draußen.
Seufzend machte ich meine Nachttischlampe an und griff nach meinem Buch. Ich würde jetzt definitiv noch nicht schlafen können. Ich war gerade mitten in einer spannenden Szene vertieft, als ich ein Klopfen hörte; ganz leise, ganz zart, aber definitiv da. Wie erstarrt lag ich da und wartete ob ich es wieder hören würde. Es war sehr beängstigend, denn mein Zimmer war im ersten Stock und das Klopfen kam definitiv von meinem Fenster direkt über meinem Bett.
Ich dachte gerade, dass ich es mir wohl doch nur eingebildet hatte, als es schon wieder klopfte. Das Klopfen war so zart, dass es wohl eigentlich nicht von einem Menschen kommen konnte, aber wer oder was konnte denn sonst klopfen?
Ich lag da und überlegte, was ich tun sollte. Ich konnte jetzt das Plissee hochziehen und die Gewissheit haben, dass ich mir das nur einbildete oder ich blieb liegen und wartete, bis was auch immer da klopfte, verschwand. Dann könnte ich es auf einen Albtraum schieben.
Mir war klar, dass ich hier nie wieder ruhig schlafen könnte, wenn ich das Klopfen jetzt ignorierte. Also nahm ich all meinen Mut zusammen, schob meine Bettdecke zur Seite und setzte mich langsam auf. Genau in diesem Moment klopfte es auch wieder. Ich streckte meine zitternde Hand aus, packte das untere Ende des Plissees und riss es nach oben. Davor schwebte ein kleines Wesen - mit Flügeln!
Entsetzt sprang ich zurück und schob mich auf meinem Bett so weit vom Fenster weg, wie es nur ging. Das kleine Wesen flog durch den Spalt von meinem offenen Fenster rein und flatterte in meinem Zimmer rum.
Dann fing es an zu reden: “Hallo Maylin, ich hab mich so darauf gefreut, dich kennenzulernen! Ich hab mich extra freiwillig gemeldet, um dich nach Meliamer zu bringen. Das ist alles so aufregend! Wenn du dann endlich deine Bestimmung erfüllt hast und die Blumen wieder blühen, dann kannst du es auch in voller Pracht erleben. Natürlich musst du erstmal Filinya besiegen, aber das ist ja kein Problem.”
Erst jetzt schien das kleine Plappermaul zu bemerken, dass ich es nicht als selbstverständlich betrachtete, ein kleines geflügeltes Mädchen in meinem Zimmer zu haben.
“Du weißt gar nicht, wer ich bin, oder?”
Vorsichtig schüttelte ich den Kopf: “Ich weiß gar nicht, was du bist.”
Sie seufzte und fing nochmal von vorne an: “Also, ich bin Zoela. Ich komme aus Meliamer, einer wunderschönen Elfenstadt, die leider unter schlechter Kontrolle steht. Ich bin natürlich auch eine Elfe. Du musst uns helfen Filinya zu besiegen, die hat nämlich die Herrschaft an sich gerissen und deswegen blühen die Blumen nicht mehr und wir Elfen verlieren unsere Kraft. Also soll ich dich abholen, damit du deiner Bestimmung nachkommen kannst und uns alle rettest.”
Erwartungsvoll, als würde ich jetzt gleich aufspringen, mir mein Schwert schnappen und alles, was mir in den Weg käme, bekämpfen, sah mich das kleine Wesen an. Ich war aber immer noch bei der Tatsache hängen geblieben, dass hier eine Elfe vor mir rum flatterte. Nachdem ich mit mir selbst übereingekommen war, dass das nur ein Traum sein und ich deswegen auch einfach mitspielen konnte, stellte ich meine Fragen.
“Du willst mir also weiß machen, dass ich irgendeine Bestimmung erfüllen und eine böse Königin besiegen soll und das, weil irgendwelche Blumen nicht mehr blühen? Es verblühen doch jeden Tag Blumen. Sucht euch einfach neue”, beendete ich mit einem Schulterzucken.
“Naja, ganz so einfach ist das nicht”, antwortete Zoela. “Wir sind alle mit der Blüte verbunden, in der wir geboren sind. Stirbt die Blüte, sterben wir. Genauso anders herum. Wenn ich sterbe, stirbt meine Blüte. Und unsere Blüten brauchen die Kraft unserer rechtmäßigen Königin. Wenn eine Königin oder ein König ohne Erbe stirbt, erstrahlt eine Blüte am hellsten. Derjenige, der in dieser geboren wurde, wird der neue Herrscher und bekommt die Blumenkrone. Wenn allerdings jemand anderes die Krone aufsetzt, bevor der rechtmäßige Herrscher es tut, kommt es zu einer Katastrophe und genau dazu ist es gekommen. Tja, dreimal darfst du raten, was passiert ist. Filinya hat Lisanja, unsere alte Königin, vergiftet, bevor diese überhaupt daran denken konnte, einen Erben zu bekommen. Dann hat sie, sobald Lisanja gestorben war, sich die Krone auf den Kopf gesetzt und sich selbst zur Königin erklärt. Sie war sicher, dass unsere Stadt sie schon akzeptieren würde, doch jetzt wird unsere Stadt immer schwächer. Filinyas Blüte ist die einzige, die noch wächst und solange das so bleibt, wird sie ihre Krone nicht absetzen, um den wahren Herrscher zu erfahren.”
Völlig überwältigt von dieser Informationsflut sah ich Zoela an.
“Also das klingt schon sehr dramatisch, aber um es mal hart zu sagen: Es ist nicht mein Problem. Außerdem kann ich nicht einfach abhauen. Wenn meine Eltern aufwachen und ich nicht da bin, bekommen die eine Krise!”
“Naja, genau genommen, ist es auch ein bisschen dein Problem. Deine Eltern wissen es nicht mehr, aber du bist in Meliamer geboren. Ihr wart gerade im Wald spazieren, als deine Mutter zu früh wehen bekam. Wir haben beschlossen, uns zu zeigen und deiner Mutter zu helfen. Als du geboren warst, hast du nicht geatmet. Wir haben dich ein wenig geschrumpft und in eine der Blüten gelegt, bis du angefangen hast zu atmen. Wir wissen nicht, ob es dich beeinflusst wenn diese stirbt. Was deine Eltern angeht: Ich habe eine Schlafmittel mit. Es ist rein pflanzlich und wird ihnen nicht schaden, aber damit werden sie 24 Stunden schlafen, was uns 24 Stunden Zeit gibt unsere Stadt zu retten. Und, naja, ich bitte dich.”
Dabei sah sie mich mit einem so süßem flehentlichen Blick an, dass wahrscheinlich dieser schon gereicht hätte, um mich zu überzeugen.
“Na schön. Das sind leider gute Argumente und ich möchte auch nicht an dem Tod eines ganzen Dorfes von Elfen Schuld sein. Außerdem bist du echt niedlich und ich mag dich. Aber wie soll ich bitte in dein Dorf kommen?”
“Oh, nichts leichter als das. Auch dafür haben wir ein ganz spezielles Pulver hergestellt. Wir Elfen haben im Grunde viel weniger mit Magie zu tun, als in den Geschichten dargestellt. Du ziehst dir jetzt was an. Am besten etwas, in dem du dich gut bewegen kannst und ich kümmer mich um deine Eltern.”
Seufzend tat ich, wie mir aufgetragen, zog eine Sporthose und eine Pulli aus meinem Schrank und zog mich um.
Als Zoela wiederkam, verteilte sie ihr komisches Pulver auf mir und ich spürte, wie ich schrumpfte und mich ein komisches Kitzeln an meinen Schultern störte. Als ich mich umdrehte, sah ich zwei wunderschöne Spitzen über meinen Schultern funkeln. Ich bewegte einen Muskel, der vorher definitiv nicht gewesen war und spürte, wie der Boden unter meinen Füßen verschwand, als ich flog.
Völlig überwältigt von dem Gefühl schwebte ich eine Weile einfach nur auf dem Fleck, um mich daran zu gewöhnen. Dann verlagerte ich mein Gewicht ein wenig und flog erst in die eine Richtung und dann in die andere.
Nachdem ich mich ein wenig sicherer fühlte, nickte ich Zoela zu, um ihr zu zeigen, dass wir nun los konnten.
Als der Boden immer weiter unter mir verschwand, wurde mir sehr mulmig zumute, doch ich versuchte mich abzulenken. Wir hatten schließlich eine Mission. Zur Ablenkung beschloss ich, Zoela noch mehr Fragen zu stellen und sie stellte mir ihrerseits welche. Als unser Ziel unweigerlich immer näher kam, beschloss ich, die wichtigste aller Fragen zu stellen: „Du, Zoela, wie genau hast du dir eigentlich gedacht, dass ich Filinya besiege? Ich meine, ich hab keinerlei Kampffähigkeiten und ich kann ja auch nicht ihre Lebensblumendingsbums einfach aus der Erde zupfen, denn ich weigere mich jemanden umzubringen.”
Zoela lachte bei ihrer Antwort.
“Du sollst niemanden umbringen! Ganz so dramatisch ist das alles nicht. Eigentlich ist es ziemlich einfach. Das größte Problem war, dich zu überzeugen mitzukommen. Deswegen haben wir es auch erstmal so versucht, bevor wir dich miteinbezogen haben. Durch deine besondere Geburt und vor allem deine Zeit in einer Lebensblüte, hast du eine sehr spezielle Bindung zu unserer Stadt aufgebaut. Du bist zwar ein Mensch, aber trotzdem mit uns verbunden. Dadurch ist dein Blut sehr besonders. Menschlich, aber auch nicht menschlich. Wir wollen Filinyas Blüte durch ein Gift so schwächen, dass sie sich wieder erholt, wir ihr aber die Krone abnehmen können. Unser Gift funktioniert aber nur im Zusammenhang mit deinem Blut. Und bevor du fragst: Das Blut muss frisch sein, freiwillig gegeben und vom Spender, sag ich jetzt mal, selbst in das Gift und auf die Blüte gegeben werden.”
“Aber was macht ihr dann mit Filinya? Wer hält sie davon ab, die nächste Königin nicht auch wieder zu vergiften und genau das gleiche nochmal zu probieren?”
“Nachdem wir ihr die Krone abgenommen haben, wird sie in die Verbannung geschickt und ein Zauber über unsere Stadt gelegt, wodurch sie diese nicht mehr betreten kann. Sie könnte versuchen, in die nächste Elfenstadt zu gehen, aber das ist ein sehr weiter weg und sie wird weithin als Verräterin bekannt gegeben. Also muss sie draußen alleine überleben, was machbar ist, aber natürlich einsam.”
Ich nickte. Damit konnte ich leben. Ich würde niemanden umbringen, musste nicht kämpfen und generell schien es gut machbar. Wenn alles gut lief, würde ich vielleicht schon morgen Nachmittag wieder zu Hause sein.
Zoela schien genauso in Gedanken versunken zu sein wie ich. Zumindest blieb sie den Rest des Weges still. Als wir in Meliamer ankamen, war es bereits wieder hell geworden, sodass ich seine strahlende Schönheit bewundern konnte. Im Grunde sah es aus wie eine große Blumenwiese, doch teilweise war zwischen den Blüten eine kleine Brücke. Außerdem sah keine Blüte aus wie die andere. Die Blüten schienen so unterschiedlich zu sein, wie die Charaktere ihrer Elfen. Es war wunderschön und passte doch so perfekt in die Natur hier, dass jeder normale Mensch es wohl für eine normale Blumenwiese gehalten hätte, wenn nicht die Elfen darin fliegen würden.
Zoela bemerkte meine großen Augen und nickte betrübt.
“Ich weiß, es sieht furchtbar aus. Aber wenn wir erst Filinya besiegt haben und die Blüten ihre Kraft zurück haben, dann wirst du die Schönheit erkennen.“
Ich bekam meinen Mund nicht mehr zu, der bei jedem von Zoelas Worten weiter aufgegangen war.
“Hast du gerade gesagt, es sieht furchtbar aus?!”, rief ich aus. “Das ist das schönste was ich je gesehen habe. Ich kann es gar nicht erwarten, die wahre Pracht zu sehen!”
Zoela wollte gerade etwas antworten, als ein aufgeregter Schrei uns unterbrach.
“Zoooooozoooo! Da bist du ja endlich, ist sie das? Ist sie das?”
Zwei Elfen und ein Elf hatten uns fast erreicht, weiter im Hintergrund sah ich allerdings noch einen Elf. Die vordere der Elfen zog Zoela in eine schwungvolle Umarmung und sah sie dann erwartungsvoll an.
Zoela antwortete: „Ja, das ist Maylin.” Und an mich gerichtet sagte sie: „Maylin, das sind Zuri und Teleria”, und zeigte dabei erst auf die Elfe die gesprochen hatte und dann auf die hintere, “und Kiovar und Azariel.” Wieder zeigte sie auf den einen Elf, der schon bei uns war und dann auf den anderen, der ein Stück weiter hinten flog.
“Teleria ist unsere Chemiekünstlerin. Sie braut alle Tränke und bereitet alle Pulver vor. Wir brauchen sie also, um das Gift überhaupt herstellen zu können. Kiovar und ich werden dich begleiten und für deinen Schutz sorgen. Zuri und Azariel arbeiten beide für die Königin - also momentan leider für Filinya - und werden diese ablenken, damit sie nicht auf einmal bei ihrer Blüte aufkreuzt. Sie hat dort Wachen stehen, die darauf aufpassen, aber sie schaut trotzdem regelmäßig selber nach ihr.”
Zuri strahlte mich an. Sie schien genau so ein Wirbelwind wie Zoela zu sein, denn sie fing gleich an, auf mich ein zu plappern.
“Du glaubst ja gar nicht, was es für eine Ehre ist, dich kennenzulernen! Wir planen das alles schon so lange und jeder weiß von der Prophezeiung. Natürlich wollte auch jeder derjenige sein, der dir zur Unterstützung verhilft, aber wir haben Teleria bei uns, also hatten wir das Glück. Natürlich weiß niemand, dass du JETZT hier bist, sonst würde es bestimmt an die Königin getragen werden. Ach, das ist alles so aufregend!”
Sie flatterte wild im Kreis herum und bekam sich gar nicht mehr ein. Erst als Teleria sie am Arm packte, kam sie wieder zur Vernunft.
Dann trat Azariel an uns heran und meinte: „Wir sollten jetzt auch loslegen. Filinya legt sich gleich für ihre Mittagsruhe hin. Euer Flug hat leider etwas länger gedauert als geplant, also müssen wir uns beeilen.”
Ich war etwas überwältigt, ich hatte gehofft, ein bisschen Zeit zu haben, um mir alles anzusehen und mich vielleicht auch ein wenig auszuruhen. Schließlich hatte ich die Nacht nicht geschlafen, sondern mit Fliegen verbracht. Für das Bewundern bleib aber hoffentlich später noch Zeit. Unser Plan war im Grunde einfach und schnell zu erledigen. Wir teilten uns auf. Zuri und Azariel flogen Richtung Palast und wir anderen in Richtung der Blüte von Filinya.
Teleria sah dabei sehr konzentriert aus, Zoela total aufgeregt, Kiovar zu allem bereit und ich mit Sicherheit total verängstigt. Bei der Blüte angekommen, sahen wir drei Wachen darum herum stehen. Ich persönlich fand das etwas wenig, wenn man bedachte, dass Filinya die Krone unrechtmäßig erworben hatte und die Blüte im Grunde ihre Lebensversicherung war. Aber vielleicht wollten ihr ja nicht mehr helfen oder sie war so eingebildet, dass sie dachte, niemand würde sie angreifen.
Gemeinsam beschlossen wir, dass Zoela die Wachen ablenken sollte, gegebenenfalls mit Unterstützung von Kiovar. Teleria und ich sollten uns dahin begeben, wo der Stängel in der Erde verschwand. Dort sollte das Gift verteilt werden. Soweit der Plan.
Zoela flog auf die Blüte zu und tat dabei völlig unbedarft und in Gedanken versunken. Einer der Wächter wurde dabei auf sie aufmerksam.
“Ey, kleine Elfe, was machst du hier? Das ist die Blüte der Königin, der kommt niemand zu nahe!”
Zoela sah so echt erschrocken aus, dass sogar ich es ihr fast abgenommen hätte.
“Die Blüte der Königin? Da wollte ich gar nicht hin, oh Gott, bin ich soweit vom Weg abgekommen? Das tut mir ja so leid!”
Sie plapperte so laut vor sich hin, dass auch eine zweite Wache dazukam. Fehlte nur noch die Dritte. Und die wurde gerade auf Kiovar aufmerksam, der von der anderen Seite geflogen kam und sich auf Zoela und die beiden Wachen zubewegte. Schnell folgte die Wache Kiovar, vielleicht um ihn davon abzuhalten, seine Kollegen anzugreifen. Damit war unser Moment gekommen.
Teleria und ich flogen leise und im Schatten auf die Blüte zu und setzten uns so hin, dass uns die Wächter nicht sehen konnten. Teleria zog ein Fläschchen aus ihrer Tasche und ein kleines Messer, welches sie mir hinhielt.
“So, du musst jetzt einen Tropfen Blut in das Fläschchen geben und es dann sofort in die Erde vom Stängel geben, der gewünschte Effekt sollte innerhalb weniger Minuten eintreffen.”
Ich tat wie mir geheißen und stach mir vorsichtig mit der Messerspitze in den Finger, drückte, bis ein großer Tropfen auf meiner Fingerkuppe saß und gab diesen dann in das Fläschchen. Sobald der Tropfen angekommen war, drehte ich das Fläschchen um und gab das Gift in die Erde. Ich hatte irgendeinen Effekt erwartet, Rauch der aus der Erde stieg, ein Stängel der die Farbe verändert oder irgend sowas. Aber nichts passierte. Die Flüssigkeit sackte einfach in die Erde und dann zog Teleria mich auch schon fort.
Zoela und Kiovar sahen dies, verabschiedeten sich abrupt von den Wächtern und flogen ebenfalls davon. Wir trafen uns am vereinbarten Treffpunkt, Telerias Blüte, wieder. Telerias Blüte war dem Baum am nächsten, in dem das Refugium der Königin war. Noch bevor wir angekommen waren, rief Zoela uns entgegen:” Und? Habt ihr es geschafft? Ist die Blüte vergiftet? Können wir Filinya besiegen?”
“Ja, hoffen wir doch und hoffen wir erst Recht”, beantwortete Teleria die Fragen.
Jetzt galt es nur noch zu Zuri und Azariel in das Refugium zu fliegen, Filinya die Krone zu entwenden und sie auf den Platz in der nie verblühenden Königsblume zu legen, wo die Krone hingehörte, wenn ein König oder eine Königin verschied.
Sie waren noch nicht ganz beim Baum angekommen, als Zuri und Azariel ihnen freudestrahlend entgegenkamen. Zuri hatte die Krone in den Händen.
Wir umarmten uns alle glücklich, trunken vor Erleichterung es geschafft zu haben und ich folgte den anderen zur Königsblume. Die Königsblume schien noch die gesündeste zu sein, denn sie blühte nicht nur in voller Pracht, sondern sie strahlte. Die Blütenblätter leuchteten.
“Was wird denn jetzt eigentlich geschehen?”, fragte ich Zoela leise.
“Zuri legt die Blumenkrone in die Blüte und eine unserer Lebensblumen, wird so hell erstrahlen, dass wir genau wissen, wer der wahre Erbe ist. Nachdem dieser sich die Krone aufgesetzt hat, werden hoffentlich auch alle anderen Lebensblumen ihre Kraft zurück gewinnen.”
Voller Ehrfurcht sah ich Zuri dabei zu, wie sie die Blumenkrone sanft in die Mitte der Blüte legte. Kaum hatte sie das getan, drehten wir uns zur Blumenwiese um, die ein wenig unter uns lag.
Und dort, erst sanft und dann immer stärker fing eine wunderschöne, violette Blüte an zu leuchten. Ihr Leuchten wurde so stark, dass ich mich irgendwann wegdrehen musste. Als ich rüber zu Zoela sah, sah ich, dass sie blass geworden war. Sanft stubste ich ihr in die Seite.
“Hey was ist denn los? Ist die Elfe zu dieser Lebensblüte so schlimm?”, fragte ich vorsichtig. Zoela schüttelte nur wie in Trance den Kopf. Ich versuchte immer noch herauszubekommen, was denn ihr Problem war, als mir auffiel, dass sich immer mehr Elfen um die Königsblume versammelten. Ein älterer ehrwürdig aussehender Elf schritt langsam auf uns zu. Dann verneigte er sich. Verwirrt sah ich erst ihn an, dann Zoela, die immer noch so unendlich blass war. Und dann sprach der Elf. Laut rief er: „Lang lebe Königin Zoela!”
Und alle antworteten: „Lang lebe Königin Zoela!”
Ich begriff, warum Zoela so blass geworden war. Es war ihre Blüte, die da leuchtete. Nach und nach ließen sich alle Elfen - auch unsere Gruppe - auf ein Knie sinken. Ich tat es ihnen nach, schließlich stand ich hier gerade neben einer Königin!
Der ehrwürdige Elf nahm die Blumenkrone hoch und ließ sie auf Zoelas Kopf nieder. Kaum hatte sie ihr Haupt berührt, erstrahlte die ganze Blumenwiese in einem gleißenden Licht. Wir hatten es geschafft. Wir hatten die Wiese gerettet!
Es wurde ein rauschendes Fest gefeiert, doch als die Sonne langsam unterging, trat ich an Zoelas Seite.
“Ist jetzt wahrscheinlich ein schlechter Zeitpunkt, aber ich glaube, ich sollte langsam zurück nach Hause.”
Traurig nickte Zoela.
“Du hast wohl Recht, aber ich hab was für dich!” Sie drückte mir eine wunderschöne Kette in die Hand, die aussah wie die Königsblüte, nur in klein und mit einem glänzenden Stein in der Mitte. Voller Ehrfurcht nahm ich sie entgegen, hielt sie dann aber noch einmal Zoela entgegen, mit der bitte, sie mir um den Hals zu legen. Während Zoela meine Haare hochnahm und meiner Bitte nachkam, erklärte sie mir: „Das ist nicht nur irgendeine Kette. Wenn du deine Hand darauf legst und fest an mich denkst, dann spüre ich es. Ich habe das passende Gegenstück. Du kannst mir entweder einfach nur zeigen, dass du gerade an unser Abenteuer denkst oder mich um Hilfe bitten. Ich hoffe, du denkst oft an unser Abenteuer.”
Ich dreht mich wieder um und nahm Zoela fest in den Arm.
“Ganz bestimmt werde ich das.”
Nachdem ich mich von allen verbschiedet hatte, begleitete Zoela mich auf meinem Rückflug. Die Aussicht war atemberaubend und ich beschloss, gleich wenn ich zu Hause ankam, alles aufzuschreiben, was ich heute erlebt hatte. Es war ein Traum, aber der Verrückteste und Wunderschönste den ich je hatte. Und ich war mir nun auch sicher, dass man auch im Traum Freunde finden konnte.
Irgendwann sagte ich nachdenklich zu Zoela: „Weißt du, ich bin wirklich froh, dass du ein Teil meines Traums warst. Unglaublich , was das Unterbewusstsein alles erfinden kann.”
Zoela lachte ihr glockenhelles Lachen und sah mich erstaunt an.
“Du glaubst also immer noch, dass du nur träumst?”
“Ja, wie bitte soll etwas so Verrücktes und Einzigartiges wie Elfen oder Meliamer existieren?”
“Du wirst schon sehen und wir werden uns auch wiedersehen. Schau, da vorne ist dein Haus.”
Wir umarmten uns noch einmal ganz fest, dann flog ich in mein Zimmer und spürte, wie meine Flügel schwanden und ich selbst wuchs. Eigentlich wollte ich das Abenteuer aufschreiben, aber ich war unendlich Müde. Kaum hatte mein Kopf mein Kissen berührt, war ich eingeschlafen. Mein letzter Gedanke galt der Hoffnung, dass ich mich morgen früh an diesen fantastischen Traum erinnern wollte.
“Maylin, meine Güte schläfst du immer noch? Es ist bereits halb zwölf! Wir wollen doch noch was vom Tag haben.“ Verschlafen wachte ich von der Stimme meiner Mutter auf. Halb zwölf? So lange schlief ich doch nie.
Dann erinnerte ich mich an meinen Traum. Ich kicherte leise bei der Vorstellung, dass ich vielleicht so lange geschlafen hatte, weil ich so ausgelaugt von dem Abenteuer war. Ich zog an etwas, dass mich an meinem Hals störte. Eine Kette? Ich trug nie eine Kette. Ich suchte nach dem Anhänger und fand ihn hinten an meinem Nacken. Es war eine wunderschöne Blüte mit einem glitzernden Diamanten in der Mitte.