Ein Harms kommt selten allein
von TanteHablieblieb
Kurzbeschreibung
OS zu "Forget Yesterday"
OneshotFamilie / P12 / Gen
Chris "The Lord" Harms
Class Grenayde
Gared Dirge
Niklas 'Nik' Kahl
OC (Own Character)
Pi Stoffers
22.07.2021
22.07.2021
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Hallo ihr Lieben,
seit Monaten liegt dieser OS auf meiner Festplatte und wartete darauf, endlich fertig geschrieben zu werden. Dank einem kleinen Zeitfenster heute bin ich wirklich zum Ende gekommen und kann euch noch vor meinem Urlaub mit diesen Zeilen beglücken.
Hiermit schließe ich mit meinen Charakteren aus "Forget Yesterday" ab und wer weiß, vielleicht nistet sich ja nochmal eine kleine Geschichte in meinem Kopf ein...
Kleine Warnung, es wird kitschig. Sehr kitschig, schnulzig, Rosamunde Pilcher lässt grüßen und natürlich gibt es ein Happy End.
Viel Spaß beim Lesen und lasst es euch gut gehen!
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„DU WIRST JETZT GANZ BESTIMMT NICHT NACH HAUSE FAHREN UM DEIN SCHEISS CELLO ZU HOLEN!“
„Aber Süße, hast du nicht gehört –“
„NEIN!“
„Entschuldigen Sie meine Frau meint das nicht…“
Die Worte des hoch gewachsenen Mannes gingen im lauten Stöhnen seiner Frau unter. Er hielt einen Moment inne und wandte sich dann erneut der dritten Person im Raum zu. Die kleine, etwas untersetzt wirkende Frau mit dem verbitterten Gesichtsausdruck ließ ihren Blick abschätzig über das Paar schweifen.
„Na, ich habe es ja nur vorgeschlagen, bei dem anderen Paar hat es Wunder gewirkt und wissen Sie, für uns war es auch eine schöne Abwechslung.“
„KOMMT TROTZDEM NICHT IN FRAGE!“
„Was gibt es denn sonst noch für Möglichkeiten um meiner Frau zu helfen? Irgendwas muss man doch machen können.“ Sein Gesicht war gezeichnet von echter Sorge und Hilflosigkeit.
„Wie ich es jetzt auch schon mehrmals gesagt habe“, der Ton der älteren Frau war so genervt wie nur irgend möglich, „Ihre Frau sollte sich ausruhen und zu Kräften kommen. Sie hat noch einen langen Weg vor sich und sollte jetzt endlich der PDA zustimmen.“
„NEIN!“
„Aber so hören Sie doch Frau Harms, lange werden Sie das bestimmt nicht mehr aushalten!“
„NEIN, VERDAMMT NOCHMAL! FÜR EINE PDA SCHREIE ICH NOCH NICHT LAUT GENUG! UND JETZT RAUS HIER!“
Während Maria mit aller Kraft die Worte aus sich heraus schrie, bahnte sich die nächste Welle an. Sie atmete tief ein und ließ den Schmerz auf sich zukommen. Nachdem die Welle abgeebbt war, realisierte sie, dass diese furchtbare Person endlich den Raum verlassen hatte. Selten war ihr ein Mensch so unsympathisch gewesen. Wie sie ständig über ihren Kopf hinweg mit ihrem Mann sprach, ganz ohne sie einzubeziehen. Dabei war sie hier verdammt nochmal die Hauptperson! Wobei die Hebamme mit einer Sache nicht ganz unrecht hatte. Anstatt laut rumzubrüllen, sollte sie wirklich ihre Kraft für die Wehen aufsparen. Denn diese würden schließlich nicht weniger intensiv werden.
„Chris, sorry, aber…“ Sie sah zu ihrem Mann hinüber, der das Gesicht in beiden Händen vergraben hatte. Er blickte langsam zu ihr auf und strich sich eine der blondierten Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte.
„Welcher Kerl kommt denn bitte auf die Idee sein Cello mit zur Geburt seines Kindes zu nehmen? Die arme Frau!“
Chris musste schmunzeln und verkniff sich den Spruch, dass man dann wenigstens das Geschrei nicht mehr so laut hören würde.
„Außerdem will ich nicht, dass du jetzt gehst. Es wird nicht mehr lange dauern, das habe ich im Gefühl. Egal was dieser Drachen sagt!“
Chris wollte noch sagen, dass er einen der Jungs schicken könnte um das Cello zu holen, aber da verkrampfte sich seine Frau erneut, die nächste Wehe war im Anmarsch.
Und im Grunde genommen gab er ihr recht, ein Cello im Kreissaal war wirklich eine dumme Idee. Wie hatte diese Hebamme so etwas nur vorschlagen können?
„Atmest du mit mir? Es ist einfacher, wenn ich mich an dir orientieren kann.“
Er nickte, ging einen Schritt hinüber zu Maria, nahm ihre Hand in seine und zog ihren Kopf gegen seine Brust und holte tief Luft. Dicht stand er so an ihrem Bett und konnte mit der anderen Hand ihren Rücken massieren. Das würde eine lange Nacht werden.
„Sind wir hier richtig?“
„Psst, jetzt schreit doch nicht alle so laut durcheinander. Wir sind immerhin in einem Krankenhaus und das spät in der Nacht!“
„Oh man, ist das aufregend!“
„Da vorne ist es! Ich klingel mal.“
Die drei dunkel gekleideten Gestalten waren vor der verschlossenen Tür des Kreissaales stehen geblieben und warteten. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und eine ältere Dame in weißem Kittel kam zum Vorschein.
„Ja bitte?“
„Wir, äh…“, Pi stammelte etwas unbeholfen vor sich hin und Gerrit sprang für ihn ein.
„Werte Dame, wären Sie so freundlich uns zu –“, mitten im Satz wurde er recht unhöflich unterbrochen.
„Das hier ist der Kreissaal, Sie haben sich wohl verlaufen?“, sie musterte die kleine Gruppe ganz genau von oben nach unten und schüttelte den Kopf.
„Aber nein, wir sind genau richtig hier! Wir suchen Frau Harms.“
„Frau Harms? Was soll das denn? Sie können nicht zu ihr!“, ihre Stimme klang recht energisch und Klaas versuchte die Dame freundlich umzustimmen.
„Aber wir müssen doch unbedingt rein. Wir sind auch ganz ruhig und stören nicht.“
„So weit kommt es noch! Frau Harms bekommt ein Kind und kann keine Störenfriede gebrauchen. Es kommt gar nicht in Frage, dass Sie drei auch nur einen Schritt durch diese Tür setzen! Und jetzt auf Wiedersehen!“
Die Tür wurde mit einem lauten „Rumms“ zugeschlagen und die drei Freunde standen wie begossene Pudel davor.
„Das war wohl Schwester Rabiata in Person.“, stellte Gerit trocken fest. „Und jetzt?“
Sie setzten sich auf eine kleine Bank, die gegenüber dem Eingang zum Kreissaal stand.
Bevor sie über ihr weiteres Vorgehen sprechen konnten, klingelte Pis Handy.
„Das ist Sven.“, sagte er und ging ran. Und sagte dann erst einmal eine Weile gar nichts, hielt das Handy mit viel Abstand zum Ohr und verdrehte die Augen. Die anderen lachten und zogen Grimassen. Als der Redefluss von Marias Bruder endlich verstummt war, konnte Pi ihm die Situation genau erklären. Sven ärgerte sich sehr, dass er genau jetzt mit seinem Mann nach Mallorca geflogen war. Dabei hatte er zuvor immer wieder behauptet, dass er Maria ja eh nicht helfen konnte, sollte das Kind kommen. Ergo war es egal, ob er in Hamburg auf der Couch oder am Strand von Malle lag. Doch jetzt wo es so weit war, hatte er seine Meinung scheinbar schlagartig geändert. Und wurde schier wahnsinnig, da er weder Chris, noch seine Schwester erreichen konnte.
Sein Schwager hatte nämlich nur eine kurze Nachricht an alle wichtigen Personen geschrieben und danach scheinbar sein Smartphone ausgeschaltet.
„Es geht los. Sind ab jetzt nicht mehr erreichbar.“
Leider gelang es Pi nicht wirklich, den aufgeregten werdenden Onkel zu beruhigen. Schließlich hatten sie bei der Enterung des Kreissaales keinen Erfolg gehabt, wussten nicht wie es Maria oder dem Kind ging. Er versprach, so lange im Krankenhaus zu warten, bis Chris sich wieder meldete und diese Eingangstür hier ganz genau zu bewachen.
Nachdem das Gespräch beendet war und alle in ein kurzes Schweigen verfallen waren, hatte Gerrit eine Idee:
„Lasst mal Nik anrufen. Der weiß doch, wie das mit dem Kinderkriegen läuft.“
„Ach ich weiß nicht, es ist mitten in der Nacht. Er hat als einziger nicht auf Chris´ Nachricht reagiert, der schläft bestimmt.“, Klaas hatte Zweifel, wurde aber schnell überstimmt.
Zur Überraschung aller nahm Nik direkt beim ersten Klingeln ab. Gerrit schaltete das Telefon auf Lautsprecher.
„Sorry, falls wir dich wecken, Nik…“, wollte Klaas sich entschuldigen.
„Mich wecken? Hahaha“, Nik begann schallend zu Lachen, im Hintergrund war Babygeschrei und das Jammern seiner Frau zu hören. Die drei schauten sich fragend an.
„Der Zwerg bekommt Zähne. Wir schieben hier Nachtschicht, es nimmt einfach kein Ende.“, Nik klang müde und erschöpft. Schnell erzählten Klaas, Pi und Gerrit abwechselnd, was sich bisher zugetragen hatte.
„Moment – ihr habt was? Das ist doch nicht euer Ernst!“, er unterbrach das Gespräch um seiner Frau zuzurufen: „Schaaatz, die haben wirklich versucht in den Kreissaal reinzukommen!“
Jetzt hörte man nur noch das leicht hysterische und überdrehte Lachen von Nik und seiner Frau, die sich beide scheinbar gar nicht mehr einkriegen konnten.
„Was soll daran denn so witzig sein? Wir sind echt verzweifelt, weil wir nicht weiter kommen!“ Klaas fand das alles überhaupt nicht zum Lachen.
„Jungs, ihr könnt da nicht rein. Das geht nicht. Jetzt hört mir mal zu, das läuft normal so ab…“
Und dann erzählte Nik den drei Jungs in aller Kürze, wie es hinter dieser verschlossenen Tür in der Regel abläuft. Als zweifacher Vater kannte er sich immerhin aus.
Nach dem Telefonat waren Pi, Gerrit und Klaas zwar etwas schlauer, aber immer noch ratlos.
Scheinbar konnten sie nichts tun, nur abwarten.
Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Jedenfalls fühlte es sich für Chris so an. Er verfluchte sich selbst dafür, dass er an diesem Abend noch so lange an neuen Songideen gebastelt hatte, anstatt früh ins Bett zu gehen. Dann hätte er wenigstens ein bisschen Kraft tanken können. Aber wer hätte schon ahnen können, dass es ausgerechnet heute so weit sein würde?
Sie waren jetzt seit zwei Stunden alleine. Nachdem die Hebamme abgerauscht war, hatte einfach niemand mehr nach ihnen geschaut. Also kämpften sie sich alleine hier durch. Nachdem Maria sich vorhin endlich ein bisschen beruhigen konnte, hatten sie schnell eine Art gemeinsamen Rhythmus gefunden und wie so oft im Leben waren sie ein gutes Team. Der Blonde war sehr froh darüber, dass er in den letzten Wochen mit Maria jeden Tag die Atemübungen gemeinsam gemacht hatte. Für ihn als Sänger war das ohnehin kein fremdes Metier und so konnte er seiner Frau in diesen Momenten eine große Stütze sein. Er war ihr Anker, ihr Fels in der Brandung. Zählte laut mit, wie lange sie einatmen und ausatmen musste, las ihr jeden Wunsch von den Lippen ab und war einfach da. Seine eigene Erschöpfung versuchte er dabei in den Hintergrund zu schieben.
Wenn das für ihn schon anstrengend war, wie musste es sich erst für seine Frau anfühlen?
Maria war in einer ganz anderen Welt. Sie wusste nicht, dass schon so viel Zeit vergangen war. Hätte man sie gefragt, so konnte sie nicht länger als zehn Minuten hier liegen. Sie versuchte sich ganz auf die Wehen und ihren Mann zu konzentrieren. In den Wehenpausen konnten sie sich immerhin unterhalten und etwas durch schnaufen. Doch wenn der Schmerz am Stärksten war, dann driftete sie ab. Fast so ein bisschen wie bei ihren Flashbacks. Doch zum Glück war sie sich dessen überhaupt nicht bewusst, sie war wie in Trance, bekam alles um sich herum nur schleierhaft mit. Sie lag auf der Seite, versuchte alle Wehen willkommen zu heißen und spürte Chris ganz nah bei sich und ihrem gemeinsamen Kind.
Anfangs war sie noch frustriert und sauer auf sich selbst gewesen, da sie scheinbar ans Bett gefesselt war. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie, Hand in Hand mit Chris, durch die Krankenhausflure laufen würde. Schließlich war Bewegung wehenfördernd und eine Geburt im Stehen sollte für Mutter und Kind am natürlichsten sein. Doch ihr Kreislauf hatte da andere Vorstellungen und es hatte ihr schon kurz nach der Ankunft im Krankenhaus den Boden unter den Füßen weg gerissen. Also lag sie hier und hatte sich inzwischen halbwegs damit arrangiert.
So hatten die beiden die letzten Stunden verbracht. Die Schmerzen waren mit Abstand die schlimmsten, die Maria in ihrem Leben jemals erlebt hatte. Doch es war trotz allem irgendwie auszuhalten und sie hatte es sich deutlich schlimmer vorgestellt. Sie schrie nicht laut rum, so wie man das aus Filmen kannte, sondern tönte beim Ausatmen ihrer Wehen etwas mit. Es floss kein Blut, es herrschte keine Panik, es gab keine Komplikationen.
Doch gerade als Maria dachte, es könne ruhig die ganze Nacht so weiter gehen, veränderte sich etwas in ihr. Diese Wehe war deutlich anders als alle anderen davor und schien sie förmlich zu zerreißen. Sie ließ einen überraschten Schrei los und blickte fassungslos zu ihrem Mann.
„Scheiße, was war das denn?“, keuchte sie atemlos.
Beide hatten sich gehörig erschreckt, Maria zitterte danach am ganzen Körper vor Anstrengung und Chris rannte zur Tür um nach der Hebamme zu rufen.
Müde und gelangweilt saßen die drei Musiker noch immer im Krankenhausflur.
Pi gähnte gerade herzhaft, da ertönten leise Schritte am Ende des Ganges, die immer lauter wurden. Eine junge Frau in Krankenhaustracht lief auf die Tür des Kreissaales zu. Ihr dunkelblonder Pferdeschwanz hüpfte im Takt ihrer Schritte auf und ab. Sie nickte den dreien freundlich zu.
„Kann ich euch irgendwie helfen? Ihr seht ein bisschen verloren aus.“
„Endlich, die erste nette Person hier!“, raunte Klaas den anderen zu und Gerrit begann direkt alles zu erzählen. Dass sie zu ihren Freunden wollten, die gerade ein Kind bekamen und jetzt hier saßen und nicht weiter wussten.
„Das ist echt süß von euch, ich kann euch aber auch nicht rein lassen. Normal ist nur eine Begleitperson erlaubt.“
Pi seufzte. „Das wissen wir ja inzwischen auch, aber es muss doch irgendwas geben, das wir tun können.“
„Hm…“, sie überlegte einen Moment lang, „Wisst ihr was, ich habe da vielleicht eine Idee! Ich bin übrigens Claudia.“
Die drei stellten sich jetzt auch vor und lauschten aufgeregt Claudias Plan. Dann schauten sie sich begeistert an und nickten mit den Köpfen.
„Also gut, dann gehe ich jetzt rein, meine Schicht beginnt nämlich gleich. Und wenn ich die Lage gecheckt habe, komme ich zu euch und erkläre wo es lang geht.“
„Und in der Zwischenzeit organisieren wir alles weitere. Danke, Claudia!“, sagte Gerrit und Claudia verschwand unter den zufriedenen Blicken der drei Jungs im Kreissaal.
Maria schrie. Das konnte doch nicht normal sein! Die Zeit zwischen den Wehen hatte sich plötzlich sehr verkürzt. Und die Wehen – man konnte sie jetzt nicht mehr als „Wellen“ bezeichnen, eher als Tsunami - waren nicht mehr auszuhalten! Wo blieb denn diese Hebamme? Oder der Arzt? Irgendwer musste doch schauen, ob es ihrem Kind gut ging! Doch bevor sie den nächsten klaren Gedanken fassen konnte, war ein neuer Tsunami über sie herein gebrochen. Sie krallte sich in den Arm ihres Mannes.
Mitten in der Wehe ging die Tür auf und eine ihr unbekannte Person kam in den Raum.
„Hallo, ich bin Hebamme Claudia. Wir hatten gerade Schichtwechsel und ich bin jetzt für Sie zuständig.“
Maria war noch immer benommen vor Schmerz und sehr froh, dass ihr Mann das Sprechen übernahm. Er schilderte kurz was geschehen war.
Die nächste Wehe kam, die junge Hebamme half Maria beim Atmen und beruhigte Sie, so gut es ging.
„Wenn es in Ordnung ist, würde ich Sie einmal untersuchen und dann im Zweifelsfall unsere Ärztin hinzuholen.“
Chris und Maria nickten.
Claudia machte sich an die Untersuchung. Wie sie eben bei der Übergabe erfahren hatte, war es Frau Harms erstes Kind und laut ihrer Kollegin Brigitte war sie überempfindlich und etwas hysterisch. Außerdem kämen die Wehen nicht regelmäßig genug und wären unwirksam. Hieß so viel wie, die Frau übertreibt und hat noch keine „echten“ Wehen. Claudia seufzte innerlich. Brigitte war eigentlich reif für die Rente. Immer öfter schätzte sie die Patientinnen falsch ein und sorgte dann für Aufruhr im Kreissaal. Ganz besonders gegen Ende der Schicht war sie einfach nicht mehr zu gebrauchen. Ja, die Arbeitsbedingungen für Hebammen waren einfach unter aller Sau und eigentlich war es kein Wunder, dass man es irgendwann nicht mehr aushielt. Trotzdem durften die Patientinnen nicht darunter leiden!
Nachdem sie die Herztöne des Kindes überprüft hatte und alles zu ihrer Zufriedenheit war, untersuchte sie die Mutter.
„Huch!“, entwich es ihr und als sie in die besorgten Augen der werdenden Eltern blickte, musste sie schmunzeln. Kein Wunder, dass Frau Harms die Wehen kaum mehr aushalten konnte! Da hatte Brigitte mal wieder was gerissen, sie war schon jetzt auf die Gesichter ihrer Kolleginnen gespannt, wenn sie später hiervon berichten würde. Von wegen unwirksame Wehen und so…
„Ja Frau Harms, was machen Sie denn? Ihr Kind kommt JETZT!“
Die drei Freunde warteten noch immer. Und warteten. Und warteten. Warum war Claudia nicht mehr aufgetaucht? Sie hatten inzwischen alles organisiert und konnten es kaum mehr aushalten. Ob etwas nicht in Ordnung war? Was spielte sich nur hinter dieser vermaledeiten Tür ab?
Klaas erklärte den anderen gerade, dass er sich einen Röntgenblick wünschte um durch die Tür hindurch zu blicken. Alle mussten lachen und merkten so gar nicht, dass sich erneut eine Person aus Richtung des gegenüberliegenden Ganges näherte.
„Ah, ihr müsst die drei von dieser Band sein!“, stellte sie zufrieden fest und blieb genau vor Pi stehen. Dieser musterte die Krankenschwester mit den kurzen roten Haaren neugierig.
„Wir müssen wer sein?“
„Claudia hat mich eben angerufen. Sie hat alle Hände voll zu tun und ich soll euch abholen.“
Alle drei blickten sich begeistert an. Endlich war ihr Moment gekommen!
„Sowas haben wir hier noch nie erlebt! Ich glaube das ist auch der einzige Grund, weshalb die Stationsleitung zugestimmt hat. Na dann kommt mal mit.“
Die drei standen auf und jeder nahm eine der Taschen in die Hand, mit denen Pi vorhin nach seiner kurzen Abwesenheit wieder gekommen war.
Der kleine Trupp setzte sich in Bewegung und nachdem sie um viele Ecken gebogen, mit dem Aufzug gefahren und dann immer weiter ins Innere des Krankenhauses vorgedrungen waren, verabschiedetet sich der Orientierungssinn der drei Musiker mehr und mehr.
„Puh, so langsam wird mir schwindelig, ich weiß gar nicht mehr wo wir sind!“, flüsterte Pi.
Allerdings war er dabei nicht so leise, wie er es beabsichtigt hatte. Ihre Führerin lachte, fuhr sich amüsiert durch die roten Haare und erklärte, wo genau die Station lag, in welchem Stock sie sich befanden und um welche Zimmernummer es sich handelte.
Pi atmete erleichtert auf und auch seine zwei Freunde entspannten sich zusehends. Klaas notierte sich sogar alles im Smartphone, schließlich musste er gleich noch einige Besorgungen erledigen und dann wieder zu den anderen finden.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Nach einem kurzen Besuch im Schwesternzimmer wurden die Freunde in ein leeres Krankenhauszimmer gebracht.
„So, da wären wir. Tut was ihr zu tun habt, aber seid um Himmels Willen leise, verstanden? Bei dem geringsten Lärm muss ich euch leider vor die Türe setzen!“, sagte die Krankenschwester in gespielt strengem Tonfall.
Die drei nickten wie artige Kinder und versprachen hoch und heilig, dass kein Mucks von ihnen zu hören wäre.
„Na dann sind wir uns ja einig. Ihr dürft danach ruhig hier drin warten. Aus Datenschutzgründen darf ich euch ja keine Details nennen, nur so viel: ihr werdet wohl nicht mehr die ganze Nacht warten müssen.“
Freudig überrascht und trotz der langen Nacht mit neuer Energie aufgeladen begannen die drei ihr Werk. Wenn sie schon nicht helfen konnten, sollte das hier wenigstens perfekt werden.
Auch Chris wurde von einer nie da gewesenen Energie durchflutet. Das Adrenalin schoss nur so durch seine Adern und vor Aufregung hätte er fast das Atmen vergessen. Fassungslos und mit Tränen in den Augen blickte er in das blasse und erschöpfte Gesicht seiner Frau. Und auf das kleine Bündel, das da auf ihrem nackten Oberkörper lag.
Seine Tochter.
Er atmete tief ein und musste schlucken.
Das war seine Tochter!
So lange hatten sie auf sie gewartet, so lange hatten sie sich nach ihr gesehnt und endlich war sie da! Die letzte halbe Stunde war kaum in Worte zu fassen. Es ging alles so furchtbar schnell und plötzlich war sie da.
Maria strahlte trotz der großen Erschöpfung, trotz der Schmerzen und des unvorstellbaren Kraftaktes. Wie konnte es sein, dass dieses winzige Geschöpf noch vor wenigen Momenten in ihrem Bauch gewesen war?
„Magst du sie mal halten?“, flüsterte Maria ihrem Mann zu.
Dieser nickte und war zugleich wie gelähmt. Wie sollte man denn so ein Neugeborenes halten?
„Am besten ziehen Sie ebenfalls Ihr Shirt aus und ich gebe sie Ihnen in den Arm.“, sagte Claudia, die dem frischen Vater die Unsicherheit an der Nasenspitze ansehen konnte. Dann erklärte sie noch kurz, wie wichtig der direkte Hautkontakt für neugeborene Babys war.
Chris zog sich sein T-Shirt über den Kopf, rückte seine Brille auf der Nase zurecht und setzte sich dann auf den Stuhl, der neben dem Kopfende von Marias Bett stand. Claudia musterte einen Moment lang fasziniert die vielen Tätowierungen, die den Oberkörper des blonden Mannes zierten. Dann nahm sie geübt das frisch geborene, nackte Menschlein von Maria entgegen und übergab es mit einigen Anweisungen an Chris. Zum Schluss hüllte sie die beiden in eine Decke.
Während Chris ganz gerührt seine kleine Tochter bewunderte, half Claudia seiner Frau auf die Füße und ging mit ihr ins angrenzende Badezimmer. Nachdem sie wieder gekommen waren, verabschiedete sich die Hebamme kurz um der frisch gebackenen Familie einen Moment Privatsphäre zu gönnen.
„Das war unglaublich, oder?“
Chris nickte, konnte seinen Blick nicht von seiner Tochter nehmen und war noch immer sprachlos. Das hier war mit Abstand das aufregendste Abenteuer seines Lebens! Und wie es schien, war es erst der Anfang!
Maria atmete laut aus und schon wieder liefen ihr die Tränen über die Wangen. Diese unendliche Erleichterung, es endlich geschafft zu haben. Endlich waren die Schmerzen überstanden. Endlich waren sie vollkommen. Sie beobachtete ihren Mann und ihre Tochter, IHRE KLEINE FAMILIE!
Chris hielt das zarte Baby als wäre es ein rohes Ei, strich ihr immer wieder über den Kopf und nach einer gefühlten Ewigkeit suchte er Marias Blick.
Dann ging die Tür auf und Claudia kam zusammen mit einem Kinderarzt in den Raum. Bevor sie auf die Station kommen würde, musste ihre Kleine erst einige Untersuchungen über sich ergehen lassen. Schließlich musste sicher gestellt sein, dass sie auch wirklich ganz gesund war.
Nachdem das erledigt und alles völlig in Ordnung war, bereitete Claudia die frische Familie auf den kleinen Umzug vor. Chris hatte darauf bestanden ein Familienzimmer zu buchen, um die ganze Zeit dabei sein zu können. Und Maria war froh, das Zimmer nicht mit einer fremden Person teilen zu müssen. Die freundliche Hebamme erklärte den beiden gerade, wie alles vonstatten lief und auf was sie, insbesondere Chris zu achten hätten.
„So, dann können wir jetzt los. Es wartet übrigens ein kleiner Überraschungsbesuch auf Ihrem Zimmer. Ich hoffe das ist in Ordnung so, wir achten auch darauf dass Sie drei ganz schnell wieder Ihre Ruhe haben. Aber mehr will ich jetzt nicht verraten.“
Chris und Maria schauten sich ratlos an. Überraschungsbesuch? Maria wollte keinen Besuch, sie wollte sich ausruhen, schlafen und ihr Neugeborenes einfach nur verliebt anstarren. Sie fühlte sich so ausgelaugt, wie noch nie in ihrem Leben. Während sie in dem großen Krankenhausbett in den Flur in Richtung Aufzug geschoben wurde, dachte sie darüber nach, wer sie jetzt nur zur unmöglichsten Zeit überraschen konnte. Sven konnte es doch nicht innerhalb der kurzen Zeit geschafft haben? Wobei sie ihm auch zutraute, sich einen Privatjet zu mieten oder selbst in Rekordzeit übers Meer zu schwimmen.
Eine letzte, kurze Zeit des Wartens war angebrochen. Auf der Wöchnerinnen-Station warteten Pi, Klaas und Gerrit auf die frisch gebackene Familie. Und gerade durch die Flure laufend, bzw. fahrend, warteten Maria und Chris auf ihren Besuch. Alle waren aufgeregt.
Als sie endlich am richtigen Zimmer angekommen waren, öffnete Chris die Tür und Maria wurde, gemeinsam mit ihrer Tochter, die sie in den Armen hielt, hineingeschoben. Noch bevor sie die drei Freunde entdeckte, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung. Chris trat jetzt auch in den Raum und hielt sich für einen Moment der Überraschung die Hände vor den Mund. Das sonst so triste Krankenhauszimmer war geschmückt mit Luftballons und Girlanden. „Happy Birtday“ war auf der größten Girlande zu lesen. Überall im Raum waren Lichterketten und kleine Lampen verteilt, die alles in ein angenehmes, bernsteinfarbenes Licht tauchten. Besonders Klaas war stolz auf sich, er hatte sich nicht nur darüber informiert, welche Lichtfarbe für Babys am besten war, sondern auch noch die richtigen Lampen mitten in der Nacht besorgen können. Auf einem Tisch ganz in der hintersten Ecke hatten sie viele schön verpackte Geschenke aufgebaut.
Einen kleinen Moment lang herrschte Stille, dann flüsterten Gerrit, Klaas und Pi im Chor „Herzlichen Glückwunsch!“
Maria weinte schon wieder. Das mussten doch die Hormone sein, normal war sie keine solche Heulsuse. Chris zog einen der Jungs nach dem anderen in feste Umarmungen, auch hier flossen Tränen und es wurde sich freundschaftlich auf den Rücken geklopft. Danach standen alle rund um Marias Bett und bewunderten das kleine, verschrumpelte Wesen sprachlos.
Keiner wusste so recht, was er sagen sollte und es breitete sich eine angenehme Ruhe im Raum aus. Nach ein paar Minuten fand Chris als erster seine Sprache wieder. Während sich die anderen Stühle holten und neben das Bett setzten, hatte der Sänger sich zu seiner Frau gesetzt und einen Arm um sie gelegt. Langsam begann er die Einzelheiten der Geburt zu erzählen und auch Maria lauschte gespannt.
So also hatte ihr Mann das alles erlebt. Sie musste schmunzeln, noch vor wenigen Minuten hatte sie den unangekündigten Besuch verflucht und jetzt genoss sie die Situation regelrecht. Die Jungs waren so süß, wie sie hier etwas verlegen, mit roten Wangen und diesem Glitzern in den Augen vor ihr saßen. Ihre Freude und Ergriffenheit war echt, das spürte sie nur zu genau.
„Und dann, kurz vor Schluss hat sie angefangen mich zu beleidigen“, Chris spielte den Empörten, doch spätestens als er das Schmunzeln in Marias Gesicht entdeckte, lachte er laut los. Es war ein gutes Lachen, löste die Anspannung.
„Oh Gott, die Hebamme wird sich sonst was gedacht haben. Du bist aber auch ein elender Blondling, mein Schatz. Und irgendwie ist das alles hier auch deine schuld gewesen. Ich habe dich also nicht grundlos beschimpft.“
In diesem Augenblick räkelte sich das Baby in Marias Arm und öffnete die Augen. Ein leises „Ohhh“ und „Woow“ ging durch die Runde.
„So, wir wollen euch auch gar nicht länger stören. Es heißt doch immer, die erste Zeit muss man besonders genießen. Doch bevor wir gehen, haben wir hier etwas ganz besonderes für die Mama mitgebracht.“, Klaas grinste verschwörerisch, ging zum Tisch und holte eine Tüte hervor.
„Nik hat gesagt, dass du genau das hier jetzt brauchst“, sagte Pi und holte ebenfalls eine der kleinenTüten.
Mit einem kleinen „Tadaaaaa“ präsentierten sie ihre Geschenke.
„Jungs, das… das… ne, oder?“ Und schon wieder kullerten Tränen über Marias Wangen. Chris lachte und nahm dann, etwas umständlich, seine Tochter entgegen, damit Maria die Hände frei hatte.
Sie war noch immer sehr gerührt und konnte sich gar nicht direkt entscheiden, was sie als erstes probieren wollte.
„Also bis eben habe ich ja gezweifelt, dass das das richtige ist. Aber scheinbar hat Nik genau ins Schwarze getroffen“, auch Gerrit war amüsiert und brachte noch zwei weitere Tüten ans Bett.
Maria hatte sich inzwischen wieder beruhigt, wer hätte gedacht, dass sie wegen SOWAS mal in Tränen ausbrechen würde?
Sie holte alle Brötchen aus den Tüten und biss in jedes ein Mal hinein. Schloss kurz die Augen, lehnte sich ins Kissen und stöhnte vor Genuss.
„Ihr seid Engel! Ich wusste schon gar nicht mehr, wie Salami schmeckt. Und Lachs und Mett und ahhhhhh!“
„Ich hatte keine Ahnung, dass man in einer Schwangerschaft auf so vieles verzichten muss.“, warf Pi ein und musste ebenfalls schmunzeln, als er Marias zufriedenes Gesicht sah.
„Eigentlich mag ich ja gar keine Mettbrötchen. Aber dieses hier, geil! Wusstet ihr eigentlich, dass man bis zu 10.000 Kalorien während so einer Geburt verbrennt?“
Alle staunten. Und Maria spürte, wie sie langsam wieder zu Kräften kam. Tat das gut! Natürlich war der Geburtsschmerz direkt weg gewesen, aber ihr Körper fühlte sich alles andere als fit an.
Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so erschöpft und gleichzeitig voller Energie gefühlt. Sie war hundemüde, wusste aber, dass sie heute kein Auge zu bekommen würde.
„So, und noch ein letztes, bevor wir uns wirklich aus dem Staub machen.“
Pi überreichte Maria eines der Geschenke, es war ordentlich eingepackt und mit einer Schleife verziert. Sie riss es auf und war ein weiteres Mal sprachlos.
„Mit vielen Grüßen von Hamburg Records.“, sagte Gerrit und räumte das zerknüllte Papier zur Seite.
„Das gibt´s doch nicht. Sind die süß! Und das war eure Idee?“, jetzt hatte Chris Tränen der Rührung in den Augen.
„Lord of the Lost Bodies und Strampler! Und in so vielen Farben, das ist ja genial!“, Maria war begeistert und begutachtete die Babykleidung ganz genau.
„Und wenn der Lord damit zufrieden ist, können wir es in den Lordshop aufnehmen.“, sagte Klaas.
„Tolle Idee, das wird bestimmt der Renner. Aber zuerst werden die Teile genaustens geprüft, ob sie überhaupt was taugen. Wenn sie sich bewähren, werde ich mich in den nächsten Wochen wohl mal mit Flo zusammensetzen. Wirklich der Wahnsinn, was ihr hier für uns auf die Beine gestellt habt. Danke!“
„Doch nicht dafür! Und wartet erst mal, bis ihr die anderen Päckchen aufgemacht habt. Da ist noch die ein oder andere Überraschung dabei.“ Pi grinste von einem Ohr bis zum anderen und auch die anderen zwei waren mehr als zufrieden mit sich selbst.
Nach und nach verabschiedeten sich die drei Musiker. Umarmten erst Chris und dann Maria, bestaunten ein letztes Mal das Baby. Diese andächtige Stimmung, so direkt nach einer Geburt war ansteckend, genau wie das Hochgefühl und die Erschöpfung. Als hätten sie alle das gemeinsam durchgestanden. So fühlte es sich für Maria jedenfalls an, sie hatten wirklich die besten Freunde der Welt!
Chris setzte sich wieder neben seine Frau aufs Bett und gemeinsam riefen sie Nik an. Sie bedankten sich für die Geschenke und ganz besonders für die Insider-Tipps, die die Jungs von ihm erhalten hatten.
„Und, wie geht es dir?“, fragte Niks Frau, die ebenfalls am Telefon war.
„Hm, ehrlich gesagt fühlt es sich an, als wäre ein Zug durch mich hindurch gefahren.“, sagte Maria lachend. Und es stimmte, sie hatte einige Schürfungen und Blutergüsse davon getragen. Auf sowas bereitet einen wirklich keiner vor!
Niks Frau verstand und erzählte kurz von ihren Erfahrungen im Kreissaal.
„Und ehrlich gesagt, ich habe das Gefühl, dass all die Schmerzen und Sorgen jetzt erst richtig beginnen.“, sagte Maria. „Weißt du, was ich meine? Die ganze Zeit dachte ich, die Geburt wäre mein größtes Problem.“
Nik uns seine Frau lachten gemeinsam und Chris nickte. Ja, so ein Gefühl hatte er auch.
„Ach Süße, die Erfahrung macht jede! Das ist das wohl gehütete Geheimnis unter uns Müttern, wüsste man das vorher, würde niemand freiwillig Kinder bekommen.“
„Aber es ist es wert! Jede einzelne Sekunde ist es wert!“, Nik klang ebenfalls gerührt. Er hatte endlich seinen Sohn zum Schlafen gebracht, er trug ihn noch immer im Arm, wippte auf und ab, während seine Frau das Telefon vor ihn hielt.
Sie verabschiedeten sich und Maria atmete tief ein, um nichtschon wieder in Tränen auszubrechen.
Kurz darauf ging die Tür auf und die Krankenschwester mit den roten Haaren betrat den Raum.
„Hallo, ist hier soweit alles in Ordnung?“
Beide nickten.
„Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit mitgebracht, das wird Ihnen gleich gut tun.“
Auf einem kleinen Tablett lagen zwei Gegenstände. Doch Moment mal, das kam Chris seltsam vertraut vor.
„Sind das…?“
„Ja, zum Kühlen.“
Chris lachte und auch Maria hatte erkannt um was es sich handelte.
„Also in der Form kenne ich das auch nicht. Ob Crystal sowas schon mal gesehen hat? Wäre vielleicht im Sommer eine gute Alternative für sie…“
Sie grinsten sich verschwörerisch an und mussten einen heftigen Lachanfall unterdrücken. Die Krankenschwester schaute leicht verwirrt von dem Paar zu den gefrorenen, mit Wasser gefüllten Kondomen und wieder zurück.
In diesem Moment begann das Baby herzzerreißend zu weinen. Maria versuchte sie zu beruhigen, doch es wollte nicht wirklich gelingen.
„Sie hat bestimmt Hunger. Soll ich Ihnen beim Anlegen helfen?“
Maria war dankbar für die Hilfe, das mit dem Stillen schien komplizierter zu sein, als sie sich das vorgestellt hatte. Währenddessen machte Chris Fotos von den Eiskondomen und schickte sie in den LOTL-Gruppenchat.
Dann bedankte auch er sich bei der Rothaarigen für die Hilfe und ließ sich das mit dem Stillen und dem richtigen Anlegen noch einmal kurz erklären. Bald wären sie zuhause und müssten das gemeinsam hinbekommen.
Klein Harms war jetzt satt und zufrieden, genau wie die junge Mama. Und auch Chris hatte inzwischen eine Kleinigkeit essen können. Er konnte immer noch nicht wirklich realisieren, dass er jetzt Papa war.
Papa, das klang noch so fremd und doch schon seltsam vertraut.
Sie kuschelten sich zu dritt in das viel zu enge Bett und hielten einander in den Armen. Erneut wurden sie von einer Woge des Glücks ergriffen und die Tränen liefen, so wie sie es noch öfter an diesem Tag tun würden.
„Herzlich Willkommen auf der Welt, kleine Ava.“, flüsterte Chris und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
seit Monaten liegt dieser OS auf meiner Festplatte und wartete darauf, endlich fertig geschrieben zu werden. Dank einem kleinen Zeitfenster heute bin ich wirklich zum Ende gekommen und kann euch noch vor meinem Urlaub mit diesen Zeilen beglücken.
Hiermit schließe ich mit meinen Charakteren aus "Forget Yesterday" ab und wer weiß, vielleicht nistet sich ja nochmal eine kleine Geschichte in meinem Kopf ein...
Kleine Warnung, es wird kitschig. Sehr kitschig, schnulzig, Rosamunde Pilcher lässt grüßen und natürlich gibt es ein Happy End.
Viel Spaß beim Lesen und lasst es euch gut gehen!
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„DU WIRST JETZT GANZ BESTIMMT NICHT NACH HAUSE FAHREN UM DEIN SCHEISS CELLO ZU HOLEN!“
„Aber Süße, hast du nicht gehört –“
„NEIN!“
„Entschuldigen Sie meine Frau meint das nicht…“
Die Worte des hoch gewachsenen Mannes gingen im lauten Stöhnen seiner Frau unter. Er hielt einen Moment inne und wandte sich dann erneut der dritten Person im Raum zu. Die kleine, etwas untersetzt wirkende Frau mit dem verbitterten Gesichtsausdruck ließ ihren Blick abschätzig über das Paar schweifen.
„Na, ich habe es ja nur vorgeschlagen, bei dem anderen Paar hat es Wunder gewirkt und wissen Sie, für uns war es auch eine schöne Abwechslung.“
„KOMMT TROTZDEM NICHT IN FRAGE!“
„Was gibt es denn sonst noch für Möglichkeiten um meiner Frau zu helfen? Irgendwas muss man doch machen können.“ Sein Gesicht war gezeichnet von echter Sorge und Hilflosigkeit.
„Wie ich es jetzt auch schon mehrmals gesagt habe“, der Ton der älteren Frau war so genervt wie nur irgend möglich, „Ihre Frau sollte sich ausruhen und zu Kräften kommen. Sie hat noch einen langen Weg vor sich und sollte jetzt endlich der PDA zustimmen.“
„NEIN!“
„Aber so hören Sie doch Frau Harms, lange werden Sie das bestimmt nicht mehr aushalten!“
„NEIN, VERDAMMT NOCHMAL! FÜR EINE PDA SCHREIE ICH NOCH NICHT LAUT GENUG! UND JETZT RAUS HIER!“
Während Maria mit aller Kraft die Worte aus sich heraus schrie, bahnte sich die nächste Welle an. Sie atmete tief ein und ließ den Schmerz auf sich zukommen. Nachdem die Welle abgeebbt war, realisierte sie, dass diese furchtbare Person endlich den Raum verlassen hatte. Selten war ihr ein Mensch so unsympathisch gewesen. Wie sie ständig über ihren Kopf hinweg mit ihrem Mann sprach, ganz ohne sie einzubeziehen. Dabei war sie hier verdammt nochmal die Hauptperson! Wobei die Hebamme mit einer Sache nicht ganz unrecht hatte. Anstatt laut rumzubrüllen, sollte sie wirklich ihre Kraft für die Wehen aufsparen. Denn diese würden schließlich nicht weniger intensiv werden.
„Chris, sorry, aber…“ Sie sah zu ihrem Mann hinüber, der das Gesicht in beiden Händen vergraben hatte. Er blickte langsam zu ihr auf und strich sich eine der blondierten Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte.
„Welcher Kerl kommt denn bitte auf die Idee sein Cello mit zur Geburt seines Kindes zu nehmen? Die arme Frau!“
Chris musste schmunzeln und verkniff sich den Spruch, dass man dann wenigstens das Geschrei nicht mehr so laut hören würde.
„Außerdem will ich nicht, dass du jetzt gehst. Es wird nicht mehr lange dauern, das habe ich im Gefühl. Egal was dieser Drachen sagt!“
Chris wollte noch sagen, dass er einen der Jungs schicken könnte um das Cello zu holen, aber da verkrampfte sich seine Frau erneut, die nächste Wehe war im Anmarsch.
Und im Grunde genommen gab er ihr recht, ein Cello im Kreissaal war wirklich eine dumme Idee. Wie hatte diese Hebamme so etwas nur vorschlagen können?
„Atmest du mit mir? Es ist einfacher, wenn ich mich an dir orientieren kann.“
Er nickte, ging einen Schritt hinüber zu Maria, nahm ihre Hand in seine und zog ihren Kopf gegen seine Brust und holte tief Luft. Dicht stand er so an ihrem Bett und konnte mit der anderen Hand ihren Rücken massieren. Das würde eine lange Nacht werden.
Zur selben Zeit, nur ein paar Flure weiter
„Sind wir hier richtig?“
„Psst, jetzt schreit doch nicht alle so laut durcheinander. Wir sind immerhin in einem Krankenhaus und das spät in der Nacht!“
„Oh man, ist das aufregend!“
„Da vorne ist es! Ich klingel mal.“
Die drei dunkel gekleideten Gestalten waren vor der verschlossenen Tür des Kreissaales stehen geblieben und warteten. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und eine ältere Dame in weißem Kittel kam zum Vorschein.
„Ja bitte?“
„Wir, äh…“, Pi stammelte etwas unbeholfen vor sich hin und Gerrit sprang für ihn ein.
„Werte Dame, wären Sie so freundlich uns zu –“, mitten im Satz wurde er recht unhöflich unterbrochen.
„Das hier ist der Kreissaal, Sie haben sich wohl verlaufen?“, sie musterte die kleine Gruppe ganz genau von oben nach unten und schüttelte den Kopf.
„Aber nein, wir sind genau richtig hier! Wir suchen Frau Harms.“
„Frau Harms? Was soll das denn? Sie können nicht zu ihr!“, ihre Stimme klang recht energisch und Klaas versuchte die Dame freundlich umzustimmen.
„Aber wir müssen doch unbedingt rein. Wir sind auch ganz ruhig und stören nicht.“
„So weit kommt es noch! Frau Harms bekommt ein Kind und kann keine Störenfriede gebrauchen. Es kommt gar nicht in Frage, dass Sie drei auch nur einen Schritt durch diese Tür setzen! Und jetzt auf Wiedersehen!“
Die Tür wurde mit einem lauten „Rumms“ zugeschlagen und die drei Freunde standen wie begossene Pudel davor.
„Das war wohl Schwester Rabiata in Person.“, stellte Gerit trocken fest. „Und jetzt?“
Sie setzten sich auf eine kleine Bank, die gegenüber dem Eingang zum Kreissaal stand.
Bevor sie über ihr weiteres Vorgehen sprechen konnten, klingelte Pis Handy.
„Das ist Sven.“, sagte er und ging ran. Und sagte dann erst einmal eine Weile gar nichts, hielt das Handy mit viel Abstand zum Ohr und verdrehte die Augen. Die anderen lachten und zogen Grimassen. Als der Redefluss von Marias Bruder endlich verstummt war, konnte Pi ihm die Situation genau erklären. Sven ärgerte sich sehr, dass er genau jetzt mit seinem Mann nach Mallorca geflogen war. Dabei hatte er zuvor immer wieder behauptet, dass er Maria ja eh nicht helfen konnte, sollte das Kind kommen. Ergo war es egal, ob er in Hamburg auf der Couch oder am Strand von Malle lag. Doch jetzt wo es so weit war, hatte er seine Meinung scheinbar schlagartig geändert. Und wurde schier wahnsinnig, da er weder Chris, noch seine Schwester erreichen konnte.
Sein Schwager hatte nämlich nur eine kurze Nachricht an alle wichtigen Personen geschrieben und danach scheinbar sein Smartphone ausgeschaltet.
„Es geht los. Sind ab jetzt nicht mehr erreichbar.“
Leider gelang es Pi nicht wirklich, den aufgeregten werdenden Onkel zu beruhigen. Schließlich hatten sie bei der Enterung des Kreissaales keinen Erfolg gehabt, wussten nicht wie es Maria oder dem Kind ging. Er versprach, so lange im Krankenhaus zu warten, bis Chris sich wieder meldete und diese Eingangstür hier ganz genau zu bewachen.
Nachdem das Gespräch beendet war und alle in ein kurzes Schweigen verfallen waren, hatte Gerrit eine Idee:
„Lasst mal Nik anrufen. Der weiß doch, wie das mit dem Kinderkriegen läuft.“
„Ach ich weiß nicht, es ist mitten in der Nacht. Er hat als einziger nicht auf Chris´ Nachricht reagiert, der schläft bestimmt.“, Klaas hatte Zweifel, wurde aber schnell überstimmt.
Zur Überraschung aller nahm Nik direkt beim ersten Klingeln ab. Gerrit schaltete das Telefon auf Lautsprecher.
„Sorry, falls wir dich wecken, Nik…“, wollte Klaas sich entschuldigen.
„Mich wecken? Hahaha“, Nik begann schallend zu Lachen, im Hintergrund war Babygeschrei und das Jammern seiner Frau zu hören. Die drei schauten sich fragend an.
„Der Zwerg bekommt Zähne. Wir schieben hier Nachtschicht, es nimmt einfach kein Ende.“, Nik klang müde und erschöpft. Schnell erzählten Klaas, Pi und Gerrit abwechselnd, was sich bisher zugetragen hatte.
„Moment – ihr habt was? Das ist doch nicht euer Ernst!“, er unterbrach das Gespräch um seiner Frau zuzurufen: „Schaaatz, die haben wirklich versucht in den Kreissaal reinzukommen!“
Jetzt hörte man nur noch das leicht hysterische und überdrehte Lachen von Nik und seiner Frau, die sich beide scheinbar gar nicht mehr einkriegen konnten.
„Was soll daran denn so witzig sein? Wir sind echt verzweifelt, weil wir nicht weiter kommen!“ Klaas fand das alles überhaupt nicht zum Lachen.
„Jungs, ihr könnt da nicht rein. Das geht nicht. Jetzt hört mir mal zu, das läuft normal so ab…“
Und dann erzählte Nik den drei Jungs in aller Kürze, wie es hinter dieser verschlossenen Tür in der Regel abläuft. Als zweifacher Vater kannte er sich immerhin aus.
Nach dem Telefonat waren Pi, Gerrit und Klaas zwar etwas schlauer, aber immer noch ratlos.
Scheinbar konnten sie nichts tun, nur abwarten.
Zurück im Kreissaal
Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Jedenfalls fühlte es sich für Chris so an. Er verfluchte sich selbst dafür, dass er an diesem Abend noch so lange an neuen Songideen gebastelt hatte, anstatt früh ins Bett zu gehen. Dann hätte er wenigstens ein bisschen Kraft tanken können. Aber wer hätte schon ahnen können, dass es ausgerechnet heute so weit sein würde?
Sie waren jetzt seit zwei Stunden alleine. Nachdem die Hebamme abgerauscht war, hatte einfach niemand mehr nach ihnen geschaut. Also kämpften sie sich alleine hier durch. Nachdem Maria sich vorhin endlich ein bisschen beruhigen konnte, hatten sie schnell eine Art gemeinsamen Rhythmus gefunden und wie so oft im Leben waren sie ein gutes Team. Der Blonde war sehr froh darüber, dass er in den letzten Wochen mit Maria jeden Tag die Atemübungen gemeinsam gemacht hatte. Für ihn als Sänger war das ohnehin kein fremdes Metier und so konnte er seiner Frau in diesen Momenten eine große Stütze sein. Er war ihr Anker, ihr Fels in der Brandung. Zählte laut mit, wie lange sie einatmen und ausatmen musste, las ihr jeden Wunsch von den Lippen ab und war einfach da. Seine eigene Erschöpfung versuchte er dabei in den Hintergrund zu schieben.
Wenn das für ihn schon anstrengend war, wie musste es sich erst für seine Frau anfühlen?
Maria war in einer ganz anderen Welt. Sie wusste nicht, dass schon so viel Zeit vergangen war. Hätte man sie gefragt, so konnte sie nicht länger als zehn Minuten hier liegen. Sie versuchte sich ganz auf die Wehen und ihren Mann zu konzentrieren. In den Wehenpausen konnten sie sich immerhin unterhalten und etwas durch schnaufen. Doch wenn der Schmerz am Stärksten war, dann driftete sie ab. Fast so ein bisschen wie bei ihren Flashbacks. Doch zum Glück war sie sich dessen überhaupt nicht bewusst, sie war wie in Trance, bekam alles um sich herum nur schleierhaft mit. Sie lag auf der Seite, versuchte alle Wehen willkommen zu heißen und spürte Chris ganz nah bei sich und ihrem gemeinsamen Kind.
Anfangs war sie noch frustriert und sauer auf sich selbst gewesen, da sie scheinbar ans Bett gefesselt war. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie, Hand in Hand mit Chris, durch die Krankenhausflure laufen würde. Schließlich war Bewegung wehenfördernd und eine Geburt im Stehen sollte für Mutter und Kind am natürlichsten sein. Doch ihr Kreislauf hatte da andere Vorstellungen und es hatte ihr schon kurz nach der Ankunft im Krankenhaus den Boden unter den Füßen weg gerissen. Also lag sie hier und hatte sich inzwischen halbwegs damit arrangiert.
So hatten die beiden die letzten Stunden verbracht. Die Schmerzen waren mit Abstand die schlimmsten, die Maria in ihrem Leben jemals erlebt hatte. Doch es war trotz allem irgendwie auszuhalten und sie hatte es sich deutlich schlimmer vorgestellt. Sie schrie nicht laut rum, so wie man das aus Filmen kannte, sondern tönte beim Ausatmen ihrer Wehen etwas mit. Es floss kein Blut, es herrschte keine Panik, es gab keine Komplikationen.
Doch gerade als Maria dachte, es könne ruhig die ganze Nacht so weiter gehen, veränderte sich etwas in ihr. Diese Wehe war deutlich anders als alle anderen davor und schien sie förmlich zu zerreißen. Sie ließ einen überraschten Schrei los und blickte fassungslos zu ihrem Mann.
„Scheiße, was war das denn?“, keuchte sie atemlos.
Beide hatten sich gehörig erschreckt, Maria zitterte danach am ganzen Körper vor Anstrengung und Chris rannte zur Tür um nach der Hebamme zu rufen.
Vor dem Kreissaal
Müde und gelangweilt saßen die drei Musiker noch immer im Krankenhausflur.
Pi gähnte gerade herzhaft, da ertönten leise Schritte am Ende des Ganges, die immer lauter wurden. Eine junge Frau in Krankenhaustracht lief auf die Tür des Kreissaales zu. Ihr dunkelblonder Pferdeschwanz hüpfte im Takt ihrer Schritte auf und ab. Sie nickte den dreien freundlich zu.
„Kann ich euch irgendwie helfen? Ihr seht ein bisschen verloren aus.“
„Endlich, die erste nette Person hier!“, raunte Klaas den anderen zu und Gerrit begann direkt alles zu erzählen. Dass sie zu ihren Freunden wollten, die gerade ein Kind bekamen und jetzt hier saßen und nicht weiter wussten.
„Das ist echt süß von euch, ich kann euch aber auch nicht rein lassen. Normal ist nur eine Begleitperson erlaubt.“
Pi seufzte. „Das wissen wir ja inzwischen auch, aber es muss doch irgendwas geben, das wir tun können.“
„Hm…“, sie überlegte einen Moment lang, „Wisst ihr was, ich habe da vielleicht eine Idee! Ich bin übrigens Claudia.“
Die drei stellten sich jetzt auch vor und lauschten aufgeregt Claudias Plan. Dann schauten sie sich begeistert an und nickten mit den Köpfen.
„Also gut, dann gehe ich jetzt rein, meine Schicht beginnt nämlich gleich. Und wenn ich die Lage gecheckt habe, komme ich zu euch und erkläre wo es lang geht.“
„Und in der Zwischenzeit organisieren wir alles weitere. Danke, Claudia!“, sagte Gerrit und Claudia verschwand unter den zufriedenen Blicken der drei Jungs im Kreissaal.
Kurze Zeit später im Kreissaal
Maria schrie. Das konnte doch nicht normal sein! Die Zeit zwischen den Wehen hatte sich plötzlich sehr verkürzt. Und die Wehen – man konnte sie jetzt nicht mehr als „Wellen“ bezeichnen, eher als Tsunami - waren nicht mehr auszuhalten! Wo blieb denn diese Hebamme? Oder der Arzt? Irgendwer musste doch schauen, ob es ihrem Kind gut ging! Doch bevor sie den nächsten klaren Gedanken fassen konnte, war ein neuer Tsunami über sie herein gebrochen. Sie krallte sich in den Arm ihres Mannes.
Mitten in der Wehe ging die Tür auf und eine ihr unbekannte Person kam in den Raum.
„Hallo, ich bin Hebamme Claudia. Wir hatten gerade Schichtwechsel und ich bin jetzt für Sie zuständig.“
Maria war noch immer benommen vor Schmerz und sehr froh, dass ihr Mann das Sprechen übernahm. Er schilderte kurz was geschehen war.
Die nächste Wehe kam, die junge Hebamme half Maria beim Atmen und beruhigte Sie, so gut es ging.
„Wenn es in Ordnung ist, würde ich Sie einmal untersuchen und dann im Zweifelsfall unsere Ärztin hinzuholen.“
Chris und Maria nickten.
Claudia machte sich an die Untersuchung. Wie sie eben bei der Übergabe erfahren hatte, war es Frau Harms erstes Kind und laut ihrer Kollegin Brigitte war sie überempfindlich und etwas hysterisch. Außerdem kämen die Wehen nicht regelmäßig genug und wären unwirksam. Hieß so viel wie, die Frau übertreibt und hat noch keine „echten“ Wehen. Claudia seufzte innerlich. Brigitte war eigentlich reif für die Rente. Immer öfter schätzte sie die Patientinnen falsch ein und sorgte dann für Aufruhr im Kreissaal. Ganz besonders gegen Ende der Schicht war sie einfach nicht mehr zu gebrauchen. Ja, die Arbeitsbedingungen für Hebammen waren einfach unter aller Sau und eigentlich war es kein Wunder, dass man es irgendwann nicht mehr aushielt. Trotzdem durften die Patientinnen nicht darunter leiden!
Nachdem sie die Herztöne des Kindes überprüft hatte und alles zu ihrer Zufriedenheit war, untersuchte sie die Mutter.
„Huch!“, entwich es ihr und als sie in die besorgten Augen der werdenden Eltern blickte, musste sie schmunzeln. Kein Wunder, dass Frau Harms die Wehen kaum mehr aushalten konnte! Da hatte Brigitte mal wieder was gerissen, sie war schon jetzt auf die Gesichter ihrer Kolleginnen gespannt, wenn sie später hiervon berichten würde. Von wegen unwirksame Wehen und so…
„Ja Frau Harms, was machen Sie denn? Ihr Kind kommt JETZT!“
Zur selben Zeit vor dem Kreissaal
Die drei Freunde warteten noch immer. Und warteten. Und warteten. Warum war Claudia nicht mehr aufgetaucht? Sie hatten inzwischen alles organisiert und konnten es kaum mehr aushalten. Ob etwas nicht in Ordnung war? Was spielte sich nur hinter dieser vermaledeiten Tür ab?
Klaas erklärte den anderen gerade, dass er sich einen Röntgenblick wünschte um durch die Tür hindurch zu blicken. Alle mussten lachen und merkten so gar nicht, dass sich erneut eine Person aus Richtung des gegenüberliegenden Ganges näherte.
„Ah, ihr müsst die drei von dieser Band sein!“, stellte sie zufrieden fest und blieb genau vor Pi stehen. Dieser musterte die Krankenschwester mit den kurzen roten Haaren neugierig.
„Wir müssen wer sein?“
„Claudia hat mich eben angerufen. Sie hat alle Hände voll zu tun und ich soll euch abholen.“
Alle drei blickten sich begeistert an. Endlich war ihr Moment gekommen!
„Sowas haben wir hier noch nie erlebt! Ich glaube das ist auch der einzige Grund, weshalb die Stationsleitung zugestimmt hat. Na dann kommt mal mit.“
Die drei standen auf und jeder nahm eine der Taschen in die Hand, mit denen Pi vorhin nach seiner kurzen Abwesenheit wieder gekommen war.
Der kleine Trupp setzte sich in Bewegung und nachdem sie um viele Ecken gebogen, mit dem Aufzug gefahren und dann immer weiter ins Innere des Krankenhauses vorgedrungen waren, verabschiedetet sich der Orientierungssinn der drei Musiker mehr und mehr.
„Puh, so langsam wird mir schwindelig, ich weiß gar nicht mehr wo wir sind!“, flüsterte Pi.
Allerdings war er dabei nicht so leise, wie er es beabsichtigt hatte. Ihre Führerin lachte, fuhr sich amüsiert durch die roten Haare und erklärte, wo genau die Station lag, in welchem Stock sie sich befanden und um welche Zimmernummer es sich handelte.
Pi atmete erleichtert auf und auch seine zwei Freunde entspannten sich zusehends. Klaas notierte sich sogar alles im Smartphone, schließlich musste er gleich noch einige Besorgungen erledigen und dann wieder zu den anderen finden.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Nach einem kurzen Besuch im Schwesternzimmer wurden die Freunde in ein leeres Krankenhauszimmer gebracht.
„So, da wären wir. Tut was ihr zu tun habt, aber seid um Himmels Willen leise, verstanden? Bei dem geringsten Lärm muss ich euch leider vor die Türe setzen!“, sagte die Krankenschwester in gespielt strengem Tonfall.
Die drei nickten wie artige Kinder und versprachen hoch und heilig, dass kein Mucks von ihnen zu hören wäre.
„Na dann sind wir uns ja einig. Ihr dürft danach ruhig hier drin warten. Aus Datenschutzgründen darf ich euch ja keine Details nennen, nur so viel: ihr werdet wohl nicht mehr die ganze Nacht warten müssen.“
Freudig überrascht und trotz der langen Nacht mit neuer Energie aufgeladen begannen die drei ihr Werk. Wenn sie schon nicht helfen konnten, sollte das hier wenigstens perfekt werden.
Erneut im Kreissaal
Auch Chris wurde von einer nie da gewesenen Energie durchflutet. Das Adrenalin schoss nur so durch seine Adern und vor Aufregung hätte er fast das Atmen vergessen. Fassungslos und mit Tränen in den Augen blickte er in das blasse und erschöpfte Gesicht seiner Frau. Und auf das kleine Bündel, das da auf ihrem nackten Oberkörper lag.
Seine Tochter.
Er atmete tief ein und musste schlucken.
Das war seine Tochter!
So lange hatten sie auf sie gewartet, so lange hatten sie sich nach ihr gesehnt und endlich war sie da! Die letzte halbe Stunde war kaum in Worte zu fassen. Es ging alles so furchtbar schnell und plötzlich war sie da.
Maria strahlte trotz der großen Erschöpfung, trotz der Schmerzen und des unvorstellbaren Kraftaktes. Wie konnte es sein, dass dieses winzige Geschöpf noch vor wenigen Momenten in ihrem Bauch gewesen war?
„Magst du sie mal halten?“, flüsterte Maria ihrem Mann zu.
Dieser nickte und war zugleich wie gelähmt. Wie sollte man denn so ein Neugeborenes halten?
„Am besten ziehen Sie ebenfalls Ihr Shirt aus und ich gebe sie Ihnen in den Arm.“, sagte Claudia, die dem frischen Vater die Unsicherheit an der Nasenspitze ansehen konnte. Dann erklärte sie noch kurz, wie wichtig der direkte Hautkontakt für neugeborene Babys war.
Chris zog sich sein T-Shirt über den Kopf, rückte seine Brille auf der Nase zurecht und setzte sich dann auf den Stuhl, der neben dem Kopfende von Marias Bett stand. Claudia musterte einen Moment lang fasziniert die vielen Tätowierungen, die den Oberkörper des blonden Mannes zierten. Dann nahm sie geübt das frisch geborene, nackte Menschlein von Maria entgegen und übergab es mit einigen Anweisungen an Chris. Zum Schluss hüllte sie die beiden in eine Decke.
Während Chris ganz gerührt seine kleine Tochter bewunderte, half Claudia seiner Frau auf die Füße und ging mit ihr ins angrenzende Badezimmer. Nachdem sie wieder gekommen waren, verabschiedete sich die Hebamme kurz um der frisch gebackenen Familie einen Moment Privatsphäre zu gönnen.
„Das war unglaublich, oder?“
Chris nickte, konnte seinen Blick nicht von seiner Tochter nehmen und war noch immer sprachlos. Das hier war mit Abstand das aufregendste Abenteuer seines Lebens! Und wie es schien, war es erst der Anfang!
Maria atmete laut aus und schon wieder liefen ihr die Tränen über die Wangen. Diese unendliche Erleichterung, es endlich geschafft zu haben. Endlich waren die Schmerzen überstanden. Endlich waren sie vollkommen. Sie beobachtete ihren Mann und ihre Tochter, IHRE KLEINE FAMILIE!
Chris hielt das zarte Baby als wäre es ein rohes Ei, strich ihr immer wieder über den Kopf und nach einer gefühlten Ewigkeit suchte er Marias Blick.
Dann ging die Tür auf und Claudia kam zusammen mit einem Kinderarzt in den Raum. Bevor sie auf die Station kommen würde, musste ihre Kleine erst einige Untersuchungen über sich ergehen lassen. Schließlich musste sicher gestellt sein, dass sie auch wirklich ganz gesund war.
Nachdem das erledigt und alles völlig in Ordnung war, bereitete Claudia die frische Familie auf den kleinen Umzug vor. Chris hatte darauf bestanden ein Familienzimmer zu buchen, um die ganze Zeit dabei sein zu können. Und Maria war froh, das Zimmer nicht mit einer fremden Person teilen zu müssen. Die freundliche Hebamme erklärte den beiden gerade, wie alles vonstatten lief und auf was sie, insbesondere Chris zu achten hätten.
„So, dann können wir jetzt los. Es wartet übrigens ein kleiner Überraschungsbesuch auf Ihrem Zimmer. Ich hoffe das ist in Ordnung so, wir achten auch darauf dass Sie drei ganz schnell wieder Ihre Ruhe haben. Aber mehr will ich jetzt nicht verraten.“
Chris und Maria schauten sich ratlos an. Überraschungsbesuch? Maria wollte keinen Besuch, sie wollte sich ausruhen, schlafen und ihr Neugeborenes einfach nur verliebt anstarren. Sie fühlte sich so ausgelaugt, wie noch nie in ihrem Leben. Während sie in dem großen Krankenhausbett in den Flur in Richtung Aufzug geschoben wurde, dachte sie darüber nach, wer sie jetzt nur zur unmöglichsten Zeit überraschen konnte. Sven konnte es doch nicht innerhalb der kurzen Zeit geschafft haben? Wobei sie ihm auch zutraute, sich einen Privatjet zu mieten oder selbst in Rekordzeit übers Meer zu schwimmen.
Das Zusammentreffen
Eine letzte, kurze Zeit des Wartens war angebrochen. Auf der Wöchnerinnen-Station warteten Pi, Klaas und Gerrit auf die frisch gebackene Familie. Und gerade durch die Flure laufend, bzw. fahrend, warteten Maria und Chris auf ihren Besuch. Alle waren aufgeregt.
Als sie endlich am richtigen Zimmer angekommen waren, öffnete Chris die Tür und Maria wurde, gemeinsam mit ihrer Tochter, die sie in den Armen hielt, hineingeschoben. Noch bevor sie die drei Freunde entdeckte, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung. Chris trat jetzt auch in den Raum und hielt sich für einen Moment der Überraschung die Hände vor den Mund. Das sonst so triste Krankenhauszimmer war geschmückt mit Luftballons und Girlanden. „Happy Birtday“ war auf der größten Girlande zu lesen. Überall im Raum waren Lichterketten und kleine Lampen verteilt, die alles in ein angenehmes, bernsteinfarbenes Licht tauchten. Besonders Klaas war stolz auf sich, er hatte sich nicht nur darüber informiert, welche Lichtfarbe für Babys am besten war, sondern auch noch die richtigen Lampen mitten in der Nacht besorgen können. Auf einem Tisch ganz in der hintersten Ecke hatten sie viele schön verpackte Geschenke aufgebaut.
Einen kleinen Moment lang herrschte Stille, dann flüsterten Gerrit, Klaas und Pi im Chor „Herzlichen Glückwunsch!“
Maria weinte schon wieder. Das mussten doch die Hormone sein, normal war sie keine solche Heulsuse. Chris zog einen der Jungs nach dem anderen in feste Umarmungen, auch hier flossen Tränen und es wurde sich freundschaftlich auf den Rücken geklopft. Danach standen alle rund um Marias Bett und bewunderten das kleine, verschrumpelte Wesen sprachlos.
Keiner wusste so recht, was er sagen sollte und es breitete sich eine angenehme Ruhe im Raum aus. Nach ein paar Minuten fand Chris als erster seine Sprache wieder. Während sich die anderen Stühle holten und neben das Bett setzten, hatte der Sänger sich zu seiner Frau gesetzt und einen Arm um sie gelegt. Langsam begann er die Einzelheiten der Geburt zu erzählen und auch Maria lauschte gespannt.
So also hatte ihr Mann das alles erlebt. Sie musste schmunzeln, noch vor wenigen Minuten hatte sie den unangekündigten Besuch verflucht und jetzt genoss sie die Situation regelrecht. Die Jungs waren so süß, wie sie hier etwas verlegen, mit roten Wangen und diesem Glitzern in den Augen vor ihr saßen. Ihre Freude und Ergriffenheit war echt, das spürte sie nur zu genau.
„Und dann, kurz vor Schluss hat sie angefangen mich zu beleidigen“, Chris spielte den Empörten, doch spätestens als er das Schmunzeln in Marias Gesicht entdeckte, lachte er laut los. Es war ein gutes Lachen, löste die Anspannung.
„Oh Gott, die Hebamme wird sich sonst was gedacht haben. Du bist aber auch ein elender Blondling, mein Schatz. Und irgendwie ist das alles hier auch deine schuld gewesen. Ich habe dich also nicht grundlos beschimpft.“
In diesem Augenblick räkelte sich das Baby in Marias Arm und öffnete die Augen. Ein leises „Ohhh“ und „Woow“ ging durch die Runde.
„So, wir wollen euch auch gar nicht länger stören. Es heißt doch immer, die erste Zeit muss man besonders genießen. Doch bevor wir gehen, haben wir hier etwas ganz besonderes für die Mama mitgebracht.“, Klaas grinste verschwörerisch, ging zum Tisch und holte eine Tüte hervor.
„Nik hat gesagt, dass du genau das hier jetzt brauchst“, sagte Pi und holte ebenfalls eine der kleinenTüten.
Mit einem kleinen „Tadaaaaa“ präsentierten sie ihre Geschenke.
„Jungs, das… das… ne, oder?“ Und schon wieder kullerten Tränen über Marias Wangen. Chris lachte und nahm dann, etwas umständlich, seine Tochter entgegen, damit Maria die Hände frei hatte.
Sie war noch immer sehr gerührt und konnte sich gar nicht direkt entscheiden, was sie als erstes probieren wollte.
„Also bis eben habe ich ja gezweifelt, dass das das richtige ist. Aber scheinbar hat Nik genau ins Schwarze getroffen“, auch Gerrit war amüsiert und brachte noch zwei weitere Tüten ans Bett.
Maria hatte sich inzwischen wieder beruhigt, wer hätte gedacht, dass sie wegen SOWAS mal in Tränen ausbrechen würde?
Sie holte alle Brötchen aus den Tüten und biss in jedes ein Mal hinein. Schloss kurz die Augen, lehnte sich ins Kissen und stöhnte vor Genuss.
„Ihr seid Engel! Ich wusste schon gar nicht mehr, wie Salami schmeckt. Und Lachs und Mett und ahhhhhh!“
„Ich hatte keine Ahnung, dass man in einer Schwangerschaft auf so vieles verzichten muss.“, warf Pi ein und musste ebenfalls schmunzeln, als er Marias zufriedenes Gesicht sah.
„Eigentlich mag ich ja gar keine Mettbrötchen. Aber dieses hier, geil! Wusstet ihr eigentlich, dass man bis zu 10.000 Kalorien während so einer Geburt verbrennt?“
Alle staunten. Und Maria spürte, wie sie langsam wieder zu Kräften kam. Tat das gut! Natürlich war der Geburtsschmerz direkt weg gewesen, aber ihr Körper fühlte sich alles andere als fit an.
Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so erschöpft und gleichzeitig voller Energie gefühlt. Sie war hundemüde, wusste aber, dass sie heute kein Auge zu bekommen würde.
„So, und noch ein letztes, bevor wir uns wirklich aus dem Staub machen.“
Pi überreichte Maria eines der Geschenke, es war ordentlich eingepackt und mit einer Schleife verziert. Sie riss es auf und war ein weiteres Mal sprachlos.
„Mit vielen Grüßen von Hamburg Records.“, sagte Gerrit und räumte das zerknüllte Papier zur Seite.
„Das gibt´s doch nicht. Sind die süß! Und das war eure Idee?“, jetzt hatte Chris Tränen der Rührung in den Augen.
„Lord of the Lost Bodies und Strampler! Und in so vielen Farben, das ist ja genial!“, Maria war begeistert und begutachtete die Babykleidung ganz genau.
„Und wenn der Lord damit zufrieden ist, können wir es in den Lordshop aufnehmen.“, sagte Klaas.
„Tolle Idee, das wird bestimmt der Renner. Aber zuerst werden die Teile genaustens geprüft, ob sie überhaupt was taugen. Wenn sie sich bewähren, werde ich mich in den nächsten Wochen wohl mal mit Flo zusammensetzen. Wirklich der Wahnsinn, was ihr hier für uns auf die Beine gestellt habt. Danke!“
„Doch nicht dafür! Und wartet erst mal, bis ihr die anderen Päckchen aufgemacht habt. Da ist noch die ein oder andere Überraschung dabei.“ Pi grinste von einem Ohr bis zum anderen und auch die anderen zwei waren mehr als zufrieden mit sich selbst.
Nach und nach verabschiedeten sich die drei Musiker. Umarmten erst Chris und dann Maria, bestaunten ein letztes Mal das Baby. Diese andächtige Stimmung, so direkt nach einer Geburt war ansteckend, genau wie das Hochgefühl und die Erschöpfung. Als hätten sie alle das gemeinsam durchgestanden. So fühlte es sich für Maria jedenfalls an, sie hatten wirklich die besten Freunde der Welt!
Chris setzte sich wieder neben seine Frau aufs Bett und gemeinsam riefen sie Nik an. Sie bedankten sich für die Geschenke und ganz besonders für die Insider-Tipps, die die Jungs von ihm erhalten hatten.
„Und, wie geht es dir?“, fragte Niks Frau, die ebenfalls am Telefon war.
„Hm, ehrlich gesagt fühlt es sich an, als wäre ein Zug durch mich hindurch gefahren.“, sagte Maria lachend. Und es stimmte, sie hatte einige Schürfungen und Blutergüsse davon getragen. Auf sowas bereitet einen wirklich keiner vor!
Niks Frau verstand und erzählte kurz von ihren Erfahrungen im Kreissaal.
„Und ehrlich gesagt, ich habe das Gefühl, dass all die Schmerzen und Sorgen jetzt erst richtig beginnen.“, sagte Maria. „Weißt du, was ich meine? Die ganze Zeit dachte ich, die Geburt wäre mein größtes Problem.“
Nik uns seine Frau lachten gemeinsam und Chris nickte. Ja, so ein Gefühl hatte er auch.
„Ach Süße, die Erfahrung macht jede! Das ist das wohl gehütete Geheimnis unter uns Müttern, wüsste man das vorher, würde niemand freiwillig Kinder bekommen.“
„Aber es ist es wert! Jede einzelne Sekunde ist es wert!“, Nik klang ebenfalls gerührt. Er hatte endlich seinen Sohn zum Schlafen gebracht, er trug ihn noch immer im Arm, wippte auf und ab, während seine Frau das Telefon vor ihn hielt.
Sie verabschiedeten sich und Maria atmete tief ein, um nichtschon wieder in Tränen auszubrechen.
Kurz darauf ging die Tür auf und die Krankenschwester mit den roten Haaren betrat den Raum.
„Hallo, ist hier soweit alles in Ordnung?“
Beide nickten.
„Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit mitgebracht, das wird Ihnen gleich gut tun.“
Auf einem kleinen Tablett lagen zwei Gegenstände. Doch Moment mal, das kam Chris seltsam vertraut vor.
„Sind das…?“
„Ja, zum Kühlen.“
Chris lachte und auch Maria hatte erkannt um was es sich handelte.
„Also in der Form kenne ich das auch nicht. Ob Crystal sowas schon mal gesehen hat? Wäre vielleicht im Sommer eine gute Alternative für sie…“
Sie grinsten sich verschwörerisch an und mussten einen heftigen Lachanfall unterdrücken. Die Krankenschwester schaute leicht verwirrt von dem Paar zu den gefrorenen, mit Wasser gefüllten Kondomen und wieder zurück.
In diesem Moment begann das Baby herzzerreißend zu weinen. Maria versuchte sie zu beruhigen, doch es wollte nicht wirklich gelingen.
„Sie hat bestimmt Hunger. Soll ich Ihnen beim Anlegen helfen?“
Maria war dankbar für die Hilfe, das mit dem Stillen schien komplizierter zu sein, als sie sich das vorgestellt hatte. Währenddessen machte Chris Fotos von den Eiskondomen und schickte sie in den LOTL-Gruppenchat.
Dann bedankte auch er sich bei der Rothaarigen für die Hilfe und ließ sich das mit dem Stillen und dem richtigen Anlegen noch einmal kurz erklären. Bald wären sie zuhause und müssten das gemeinsam hinbekommen.
Klein Harms war jetzt satt und zufrieden, genau wie die junge Mama. Und auch Chris hatte inzwischen eine Kleinigkeit essen können. Er konnte immer noch nicht wirklich realisieren, dass er jetzt Papa war.
Papa, das klang noch so fremd und doch schon seltsam vertraut.
Sie kuschelten sich zu dritt in das viel zu enge Bett und hielten einander in den Armen. Erneut wurden sie von einer Woge des Glücks ergriffen und die Tränen liefen, so wie sie es noch öfter an diesem Tag tun würden.
„Herzlich Willkommen auf der Welt, kleine Ava.“, flüsterte Chris und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
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