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Kurzgeschichten Sammlung #1

Kurzbeschreibung
SammlungKrimi, Freundschaft / P12 / Gen
Klaus Wiebel Marc Westerhoven Moritz Breuer Nico Berger Paul Richter Stephan Sindera
10.07.2021
25.09.2021
32
62.235
14
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Dieses Kapitel
1 Review
 
14.09.2021 1.429
 
(Spielt in der frühen Zeit in der alle so zwischen 18 und 23 Jahre alt sind)

Der Faustschlag erwischte Stephan völlig unvorbereitet. Ein kurzer, knallharter Aufwärtshaken, der ihm fast den Kiefer ausrenkte. Sterne blitzten in seinen Augen auf; er taumelte zurück. Nur blanker Instinkt rettete ihn, sonst hätte ihn die linke Gerade, die sofort dem Haken folgte, auf den Boden geschickt. Stephan blockte den Schlag mit dem Unterarm ab und antwortete mit einem Kick gegen den Oberkörper des Gegners. Aber er war angeschlagen und dem Kick fehlte die nötige Kraft.
Der Angreifer, ein 20 Jähriger mit Rastazöpfchen und einem durchtrainierten Oberkörper, der wie aus Stein gemeißelt schien, hatte kein Problem, den Kick abzuleiten. Sofort drang er mit kalter Wut auf Stephan ein. Stephan riss die Fäuste hoch, um sich gegen die schnelle Schlagkombination zu schützen, die nun auf ihn niederging.
»LOS, JET! SCHLAG IHN K.O.!«
In Stephans Ohren klangen die Rufe der Menge wie ein einziger, urgewaltiger Aufschrei, während Jets Schläge auf ihn einprasselten. Stephan tauchte weg, duckte sich, zuckte zurück, um dem brutalen Angriff auszuweichen. Aber Jet trieb ihn unerbittlich vor sich her in die Ecke.
Dann schrillte die Glocke durch das Gebrüll und der Schiedsrichter trat zwischen die Kämpfenden. Jet starrte Stephan an, wütend, dass er seinen Vorteil nicht mehr ausnutzen konnte.
Stephan kehrte in seine Ecke zurück. 18, mit schwarzen Haaren, blaugrünen Augen und einem athletischen Körper – den er acht Jahren intensivem Kampfsporttraining zu verdanken hatte. Er spuckte den Mundschutz aus und nahm dankbar die Wasserflasche, die ihm Dan hinhielt.
Sein Trainer war ein Mann mit kahlem Kopf, eng beieinanderstehenden Augen und einer platten Nase, die offensichtlich mehr als nur einmal einen Treffer abgekommen hatte. Im Moment sah Dan nicht sehr zufrieden aus.
»Nimm die Deckung hoch, verdammt!«, schimpfte er.
»Jet ist so schnell mit den Fäusten«, keuchte Stephan zwischen zwei großen Schlucken Wasser.
»Aber du bist schneller«, sagte Dan unbeirrbar. »Der Meistertitel gehört dir, aber du musst ihn dir holen. Statt Jet freundlich das Kinn hinzuhalten.«
Stephan nickte. Er raffte seine letzten Kraftreserven zusammen, schüttelte die Arme und atmete ein paarmal tief ein und aus. Jeder einzelne Muskel brannte wie Feuer. Die Gelenke fühlten sich steif an. Nach den sechs Kämpfen in den Vorausscheidungen war er hundemüde. Aber er hatte so lange und so hart für den »Battle of Britain«-Wettkampf trainiert, dass er jetzt, so kurz vor dem Ziel, nicht einfach aufgeben konnte.
Dan wischte Stephan mit dem Handtuch den Schweiß vom Gesicht. »Siehst du den Burschen dort in der zweiten Reihe?«
Stephan warf einen Blick auf den Mann – Ende vierzig, silbergraues, militärisch kurz geschnittenes Haar. Er saß ruhig mitten unter den aufgeregten Zuschauern, die der letzten Runde entgegenfieberten. Der Mann hielt das Turnierprogramm in der Hand und beobachtete Stephan unauffällig.
»Er ist der Manager eines Kickbox-Stalls. Sucht nach neuen Talenten.«
Stephan verspürte plötzlich einen neuen Energieschub – und zusätzlichen Erfolgsdruck. Das könnte seine große Chance sein, endlich in die internationale Kickboxszene aufzusteigen, wo um die großen Weltmeistertitel gekämpft wurde und man sich vielleicht sogar einen Sponsorenvertrag angeln konnte. Für Stephan ging es nicht nur um den eigenen Ehrgeiz; auch seine Familie konnte ein bisschen Geld ganz gut gebrauchen.
Die Glocke läutete. Die dritte und letzte Runde begann.
»Los, hol dir den Titel!«, drängte Dan und klopfte ihm ermutigend auf den Rücken.
Stephan schob den Mundschutz ein und stand auf, um sich Jet entgegenzustellen. Er war mehr denn je entschlossen, diesen Kampf zu gewinnen.
Sein Gegner tänzelte leichtfüßig in der Mitte des Rings, offenbar noch genauso frisch wie in der ersten Runde. Die Menge brüllte und jubelte, als sich die beiden Kämpfer im grellweißen Licht der Strahler gegenübertraten. Sie starrten sich an; keiner wollte auch nur die geringste Schwäche zeigen. Kaum hatten sich ihre Boxhandschuhe berührt, als Jet auch schon zum Angriff überging – eine eigentlich vernichtende Kombination von Gerader, Haken, Seitwärtshaken.
Stephan wich den Schlägen geschickt aus und konterte mit einem frontalen Kick. Seine Ferse krachte in Jets Magen und Jet krümmte sich zusammen. Stephan wusste, dass er jetzt Druck machen musste. Er trieb Jet mit einem schnellen Schlagwirbel in die Seile.
Aber so leicht gab Jet nicht auf. Wild wie ein in die Ecke getriebener Tiger bearbeitete er Stephan mit mehreren Körpertreffern. Jeder Schlag schwächte Stephan noch ein wenig mehr, bis er gezwungen war zurückzuweichen. Und genau in diesem Augenblick erwischte ihn Jet mit einem äußerst schmerzhaften Shinkick in die Hüfte. Stephan krümmte sich zusammen und gab Jet dadurch die Möglichkeit, mit einem schnellen Haken nachzusetzen. Jetzt stürzte sich Jet mit einem neuen Angriff auf ihn, doch Stephan gelang es in letzter Sekunde, unter dem Schlag wegzutauchen, sodass Jets Faust über seinen Kopf hinwegging.
Stephan war klar, dass er dieses Mal die Niederlage nur mit knappster Not vermieden hatte – und dass Jet jetzt mit einem gewaltigen Haken nachsetzen würde, um ihn endgültig von den Füßen zu holen.
Der Kampf ging durch den Ring hin und her. Schweiß rann Stephan über das Gesicht und in die Augen; er keuchte heftig, das Blut pochte durch seine Adern – und immer noch ließ Jet die Schläge und Kicks schnell und hart auf Stephan niedergehen. Stephan spürte, dass seine letzten Kraftreserven schwanden. Aber aufgeben kam nicht infrage, nicht bei diesem Kampf. Zu viel stand für ihn auf dem Spiel.
»Fußarbeit! Leicht bleiben!«, brüllte Dan aus der Ecke.
Jet kam mit einem Roundhouse gegen den Kopf. Stephan blockte ihn mit beiden Armen und konterte mit einem Sidekick. Jet sprang zurück, drang aber sofort wieder mit fliegenden Fäusten auf ihn ein. Die Zuschauer gerieten außer sich – nicht alle Tage wurde ihnen ein derart spannender Kampf geboten, der so lange hin und her wogte. Stephans Freunde vom »Tiger Martial Arts Doˉjoˉ« skandierten rhythmisch seinen Namen, der vom Dach zurückhallte: »CON-NOR! CON-NOR!«
Aber Jets Fans brüllten genauso wild zurück. Das Toben der Menge steigerte sich zum Höhepunkt, als die letzten Sekunden des Kampfes anbrachen. Stephan wurde plötzlich klar, dass er nach Punkten verlieren würde, wenn es ihm jetzt nicht gelang, den Gegner niederzuschlagen. Aber die Erschöpfung hatte ihn bereits voll im Griff.
»Deckung hoch!«, schrie Dan total frustriert aus der Ecke.
Jet sah die Lücke in Stephans Deckung und nutzte sie erbarmungslos aus. Gerade, Haken, Fußkantenschlag!
Aber Stephan hatte die Deckungsschwäche nur vorgetäuscht, um seinen Gegner näher an sich heranzulocken … und der schluckte den Köder. Blitzschnell wich Stephan den Schlägen aus und konterte mit einer Geraden mit der Führhand. Jet stutzte, momentan aus dem Rhythmus gebracht. Stephan holte aus und führte einen gedrehten Hook-Kick aus. Jet wurde kalt erwischt. Stephans Ferse krachte gegen Jets Schläfe. Jets schwarzer Mundschutz schoss heraus und Jet fiel wie ein Stein zu Boden. Keine Sekunde später kam auch schon die Glocke und beendete den Kampf.
Der Schiedsrichter half dem völlig benommenen Jet auf die Füße. Stephan verbeugte sich anerkennend, und Jet erwiderte die sportliche Geste mit einem mürrischen Nicken. Der Vorsitzende Ringrichter trat in den Ring. Er griff nach dem Mikro und verkündete: »Der Sieger des Finalkampfes um den Titel des britischen Meisters der Altersgruppe unter sechzehn Jahre ist … CONNOR REEVES!«
Die Menge jubelte, als Stephan die Trophäe überreicht wurde, die silberne Figur eines Kickboxers auf einem kleinen Sockel aus weißem Marmor. Erst jetzt wurde Stephan von der Begeisterung überwältigt; mit der hoch erhobenen Trophäe bedankte er sich bei den Zuschauern, die ihn angefeuert hatten.
Dan legte ihm den Arm um die Schultern. »Gratuliere, Champion!«, rief er breit grinsend. »Dein Vater wäre total stolz auf dich!«
Stephan blickte zu der glitzernden Trophäe hinauf, dann auf das begeisterte Publikum. Ja, nichts hätte er sich sehnlicher erwünscht, als diesen triumphalen Augenblick mit seinem Vater gemeinsam zu feiern. Denn sein Vater hatte ihn dazu ermutigt, sich mit dem Kampfsport zu beschäftigen. Der Kampfsport war seine Leidenschaft gewesen – und jetzt war er auch Stephans Leidenschaft.
»Ich muss zugeben, für eine Sekunde oder so hab ich mir echt Sorgen gemacht«, sagte Dan.
»Täuschen und zuschlagen. Das hast du mir doch selbst beigebracht«, antwortete Stephan. »Du hast die Trophäe genauso verdient wie ich.«
Er übergab seinem Trainer die Trophäe, dann warf er einen Blick auf die zweite Reihe, musste aber zu seiner Enttäuschung feststellen, dass der silberhaarige Mann bereits verschwunden war.
»Der Kickbox-Manager war wohl nicht besonders beeindruckt, wie?«
»Der was? Ach so … Um den brauchst du dir keine Gedanken zu machen«, sagte Dan breit grinsend, während er sich mit der Trophäe bei Stephans Fans bedankte. »Keine Ahnung, wer der Typ war. War nur ein Trick. Ich wollte, dass du alles gibst und zeigst, was du draufhast. Hat doch ganz gut funktioniert, oder nicht?«
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Hier mal eine neue Kurzgeschichte, die andere wird auch bald fortgeführt.
eure Lele
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