Kim
von Nimue1979
Kurzbeschreibung
TKKG lernen Kim kennen, als Dr Freund es ablehnt Kim einen Schulplatz anzubieten. Dieser Ungerechtigkeit müssen TKKG nachgehen.⚧️
GeschichteFreundschaft / P12 / Div
Gabriele "Gaby" Glockner
Karl "der Computer" Vierstein
Peter "Tim" Carsten
Willi "Klößchen" Sauerlich
23.06.2021
16.09.2021
15
19.549
10
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15.07.2021
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Der Sonntagabend kam viel zu früh. TKKG hatten viel Zeit mit Kim verbracht und sich inzwischen schnell an die Besonderheiten gewöhnt, die em mit sich brachte.
Em war nett und umgänglich, dankbar für den offenen Umgang, den sie em entgegen brachten. Es war leider deutlich zu erkennen, daß dies keine Selbstverständlichkeit für em war. Kim war ruhig und TKKG waren sich nicht sicher, ob es mangelndes Selbstvertrauen war, oder ob es die Trauer war, die em noch zusetzte.
Kim hatte ihnen erzählt, wie glücklich em war, daß em ems Namen ändern durfte, weil das hiesige Standesamt bereit war nichtbinär als eine Begründung zu akzeptieren für eine Namensänderung, aber nur für andere Jungennamen oder geschlechtsneutrale Namen. Ein Mädchenname hätte em nur wählen dürfen mit einem psychologischen Gutachten, das eine Transsexualität bescheinigt, ebenso die Änderung des Geschlechtseintrags. Doch Kim war nichtbinär und nicht transsexuell und somit gab es aktuell darauf keine Chance. Zum Glück war Kim mit einem geschlechtsneutralen Namen soweit zufrieden.
Kim hatte ihnen so sehr geholfen umfangreiche Fragebögen für Lehrer und Mitschüler zu erstellen, die immer doppelt beantwortet werden müssen, einmal mit ich glaube so ist es und einmal so sollte es meiner Meinung nach sein, falls es nicht so ist. Morgen würde es losgehen.
Jetzt war Gaby wieder Zuhause beim Abendessen, ebenso waren Karl und Kim wieder Zuhause und Tim und Klößchen waren auch bereits wieder mit ihren Fahrrädern ins Internat gefahren. Da ihr Vater nun Zeit hatte, begann Gaby ein Gespräch mit ihm. „Was sagt dir das Allgemeine Gleichstellungsgesetz?“, eröffnete sie das Gespräch mit ihrem Vater, kaum das er sich gesetzt hatte.
„Viel Gaby. Es ist ein Gesetz mit dem wir mehr oder weniger täglich zu tun haben“, antwortete Komissar Glockner.
„Kannst du es mir kurz erläutern?“, bat Gaby und tat ihrem Vater etwas vom Essen auf.
„Nun im Prinzip sagt es das Gleiche aus wie Artikel 3 des Grundgesetzes. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, sagte Komissar Glockner, probierte etwas vom Auflauf und meinte: „Schmeckt köstlich wie immer, Margot.“
„Wenn das Grundgesetz das doch schon besagt, wofür braucht es dann noch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz?“, hakte Gaby ungeduldig nach, als sich ihr Vater wieder ihr zuwandte.
„Nun weil das Grundgesetz vor allem für den Staat gilt, für Behörden und für das Arbeitsrecht. Du konntest es nicht bei Privatpersonen einfordern“, erklärte er, denn das wollte Gaby genauer wissen.
„Hast du ein Beispiel für mich?“, bat sie und zwang sich ebenfalls zum Essen.
„Ja, wenn du vor in Krafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes am Arbeitsplatz diskriminiert wurdest, weil du zum Beispiel im Rollstuhl sitzt und dein Arbeitgeber beispielsweise die Personalräume in einem Bereich untergebracht hat, der für dich nicht zugänglich ist, konntest du auch damals schon gerichtlich dagegen vorgehen, nicht so wenn der Vermieter dich diskriminiert hat. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist ein deutsches Bundesgesetz, das Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll. Zur Verwirklichung dieses Ziels erhalten die durch das Gesetz geschützten Personen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese ihnen gegenüber gegen die gesetzlichen Diskriminierungsverbote verstoßen. Es ist 2006 Inkraftgetreten und seitdem können Betroffene eben auch Rechtsschritte gegen Vermieter, Vereine und so einleiten“, erläuterte ihr Vater ausführlich.
„Das heißt, wenn ich das richtig verstehe, daß Dr Freund ein nichtbinäres Kind nicht aufgrund seiner Geschlechtsidentität einen Platz im Internat vorenthalten darf, oder?“, fragte sie nun ganz klar nach.
„Hui, jetzt hast du mich. Schwierig. Das Internat ist ein reines Jungeninternat. Und nichtbinär ist nicht transsexuell. Also ganz sicher kann ich dir sagen, daß er einem Transjungen den Platz im Internat nicht aufgrund seiner Transsexualität vorenthalten darf, sofern eine psychologische Diagnose vorliegt, egal ob er dann noch weibliche Merkmale hat. Bei nichtbinären Menschen ist das komplizierter. Ich könnte mir vorstellen, daß man auf dem Rechtsweg Erfolg haben könnte, aber sicher bin ich mir nicht. Wahrscheinlich würde es Sinn machen eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, mit der beide Parteien gut leben können. Aber das ist definitiv schwieriger. Ich bin Komissar und kein Jurist“, gab ihr Vater nachdenklich zu.
„Hast du öfters mit solchen Themen zu tun?“, wollte Gaby wissen.
„Nein Gaby. Meistens geht es, so weit ich weiß, um Rassismus und auch noch sehr häufig, um die Benachteiligung von behinderten Menschen. Ich bin aber auch kein Streifenpolizist. Ich bin beruflich erst einmal einem Fall von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität begegnet und das war viel eindeutiger, als die Situation, die du beschreibst“, antwortete ihr Vater erklärend.
„Erzähst du mir, um was es da ging?“, hakte Gaby neugierig nach.
„Naja so ganz allgemein gehalten schon. Das war, als vor ein paar Jahren intersexuelle Menschen das Recht bekamen ihren Namen und ihre Geschlechtsidentität in divers zu ändern. In dem Fall hat das Jemand gemacht. Er_sie hat den Namen ändern lassen und ebenso den Geschlechtseintrag. Nun hat der Vermieter aber sich daran gestört und wollte allen Ernstes den Mietvertrag für ungültig erklären, weil er den Vertrag mit einem Herrn Alexander Müller gemacht hatte, den es ja jetzt nicht mehr so gab und nicht mit Alexis Müller und nun wollte er ihn_sie von heute auf morgen vor die Tür setzen. Nun damit kam er natürlich nicht durch“, erzählte Herr Glockner von dem Fall.
„Und wieso hattest du damit zu tun? Das klingt eigentlich auch nicht nach einem Fall für dich“, bemerkte Gaby sicher.
Gabys Mutter lauschte interessiert dem Interview und hielt sich zurück.
„Das hat sich zufällig so ergeben. Wir waren gerade in dem Haus, um einen weiteren Mieter zu verhaften. Wir hatten gerade festgestellt, daß unser Vögelchen ausgeflogen war, als die Situation zwischen Vermieter und ihm_ihr vollkommen eskaliert ist. Du kennst mich, ich habe mich der Sache angenommen“, meinte er zufrieden.
„Das heißt er_sie durfte in der Wohnung wohnen bleiben?“, vergewisserte sich Gaby noch einmal.
„Ja selbstverständlich ist eine offizielle Namensänderung, egal aus welchem Grund niemals ein Grund, das ein Vertrag ungültig wird und ganz klar auch die Änderung des Geschlechtseintrags nicht. Er_sie durfte solange in der Wohnung bleiben bis er_sie eine neue Wohnung gefunden hatte“, versicherte Herr Glockner seiner Tochter.
„Er_sie musste also doch aus der Wohnung raus?“, fragte Gaby empört nach.
„Nein, Gaby. Er_sie wollte aus der Wohnung raus. Wer will schon so einen Vermieter? Aber er_sie brauchte natürlich Zeit, um eine andere Wohnung zu finden und dann umzuziehen“, stellte er richtig.
„Verstehe“, meinte Gaby nachdenklich.
„Das AGG schützt die Minderheiten vor der offenen Benachteiligung und gibt ihnen Mittel sich rechtlich zu Wehr zu setzen. Leider kann kein Gesetz der Welt die Menschen zu toleranten, offenen Mitmenschen machen. In dem Fall kann der Vermieter ihn_sie nicht rauswerfen, aber das heißt nicht, daß der Vermieter deswegen seinen Fehler einsieht, sich entschuldigt und wieder einen freundschaftlichen Umgang an den Tag legt. Gerade im gesellschaftlichen Miteinander ist es schwer. Man kann Freundschaft nicht einklagen und ein Rechtsurteil ist noch lange keine Einsicht“, stellte er klar.
„Also würdest du sagen, der Vater des nichtbinären Kindes sollte den Platz versuchen einzuklagen, oder nicht?“, fragte Gaby ihn nach seiner Meinung.
„Ich kann das nicht beantworten, Gaby. Auf der einen Seite gibt es bestimmt einen Weg und der Schulleiter muss nicht die gleiche Meinung seiner Lehrer und Schüler haben. Es könnte sein, daß der Vater Recht bekommt, das Kind eingeschult wird und gut aufgenommen wird. Dann ist alles super. Es kann aber auch sein, daß alle das Kind meiden, das Kind sich unwohl fühlt, weil es weiß, daß es unwillkommen ist und es dadurch mehr Schlechtes, als Gutes erfährt. Man bräuchte also ganz viele Informationen, die ich nicht habe und die man in einer hypothetischen Sache kaum alles berücksichtigen kann“, wiech ihr Vater einem klaren ja oder nein aus.
„Die Sache ist aber nicht hypothetisch. Tim, Karl, Klößchen und ich haben dieses Projektthema gewählt, weil Dr Freund tatsächlich abgelehnt hat Kim aufgrund der Geschlechtsidentität im Internat aufzunehmen."
„Jetzt verstehe ich. Ihr habt Kim kennengelernt und möchtet ihm_ihr helfen. So kenne ich euch!“, warf ihre Mutter stolz ein.
„Em. Kim möchte, daß das Personalpronomen em für em verwendet wird“, korregierte Gaby ihre Mutter.
„Em? Okay das kenne ich noch nicht. Mir ist nur er_sie und they geläufig. Wie verwendet man das?“, erkundigte sich nun ihr Vater bei ihr .
„Em als Personalpronomen und ems als Possessivpronomen“, antwortete Gaby prompt.
„Und wie wird es dekliniert?“, hakte nun ihre Mutter nach.
„Ähm,- jetzt wo du es sagst - gar nicht“, meinte Gaby nun irritiert.
„Das ist kurz und einfach. Ich nehme an, die Schüler lieben und die Deutschlehrer hassen es“, mutmaßte ihr Vater nun mit einem Grinsen.
„Zugegeben fanden wir es angenehm einfach, aber tatsächlich hat Kim erzählt, daß ems Deutschlehrer nicht ganz glücklich damit ist“, konnte Gaby ihn bestätigen.
„Ist Kim intersexuell?“, hakte nun ihr Vater nach.
„Nein, em ist bigender“, klärte Gaby ihre Eltern auf.
„Und biologisch ist em-?“, blieb er dran.
„Em wurde als Junge geboren.“
„Weswegen soll Kim nun auf ein Internat gehen?“, mischte sich Gabys Mutter nun richtig ein.
„Ems Mutter ist vor zwei Wochen gestorben, der Vater ist Langstreckenpilot und regelmäßig für ein paar Tage im Ausland“, deckte Gaby auf.
„Es ist also auch noch ein Notfall“, meinte sie kopfschüttelnd.
„Ja und es ist ein ganzes Zimmer frei, aber Dr Freund ist nur bereit Kim das Zimmer zu geben, wenn em angibt männlich zu sein“, sprach Gaby das an, was sie so ganz besonders empörte.
„Ehrlich gesagt verstehe ich sogar, daß es unbequem ist. Ich kann mir vorstellen, daß es Probleme aufwirft, für die man eine Lösung finden muss, aber ich muss sagen von einem engagierten Pädagogen erwarte ich eigentlich, daß er nach einer guten Lösung sucht. Weißt du was? Ich werde morgen Dr Freund eine E-Mail deswegen schreiben und wie ich euch kenne plant ihr auch etwas, vielleicht lässt er sich ja doch noch umstimmen“, meinte Emil Glockner motivierend.
„Genau das haben wir vor“, bestätigte Gaby.
Em war nett und umgänglich, dankbar für den offenen Umgang, den sie em entgegen brachten. Es war leider deutlich zu erkennen, daß dies keine Selbstverständlichkeit für em war. Kim war ruhig und TKKG waren sich nicht sicher, ob es mangelndes Selbstvertrauen war, oder ob es die Trauer war, die em noch zusetzte.
Kim hatte ihnen erzählt, wie glücklich em war, daß em ems Namen ändern durfte, weil das hiesige Standesamt bereit war nichtbinär als eine Begründung zu akzeptieren für eine Namensänderung, aber nur für andere Jungennamen oder geschlechtsneutrale Namen. Ein Mädchenname hätte em nur wählen dürfen mit einem psychologischen Gutachten, das eine Transsexualität bescheinigt, ebenso die Änderung des Geschlechtseintrags. Doch Kim war nichtbinär und nicht transsexuell und somit gab es aktuell darauf keine Chance. Zum Glück war Kim mit einem geschlechtsneutralen Namen soweit zufrieden.
Kim hatte ihnen so sehr geholfen umfangreiche Fragebögen für Lehrer und Mitschüler zu erstellen, die immer doppelt beantwortet werden müssen, einmal mit ich glaube so ist es und einmal so sollte es meiner Meinung nach sein, falls es nicht so ist. Morgen würde es losgehen.
Jetzt war Gaby wieder Zuhause beim Abendessen, ebenso waren Karl und Kim wieder Zuhause und Tim und Klößchen waren auch bereits wieder mit ihren Fahrrädern ins Internat gefahren. Da ihr Vater nun Zeit hatte, begann Gaby ein Gespräch mit ihm. „Was sagt dir das Allgemeine Gleichstellungsgesetz?“, eröffnete sie das Gespräch mit ihrem Vater, kaum das er sich gesetzt hatte.
„Viel Gaby. Es ist ein Gesetz mit dem wir mehr oder weniger täglich zu tun haben“, antwortete Komissar Glockner.
„Kannst du es mir kurz erläutern?“, bat Gaby und tat ihrem Vater etwas vom Essen auf.
„Nun im Prinzip sagt es das Gleiche aus wie Artikel 3 des Grundgesetzes. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, sagte Komissar Glockner, probierte etwas vom Auflauf und meinte: „Schmeckt köstlich wie immer, Margot.“
„Wenn das Grundgesetz das doch schon besagt, wofür braucht es dann noch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz?“, hakte Gaby ungeduldig nach, als sich ihr Vater wieder ihr zuwandte.
„Nun weil das Grundgesetz vor allem für den Staat gilt, für Behörden und für das Arbeitsrecht. Du konntest es nicht bei Privatpersonen einfordern“, erklärte er, denn das wollte Gaby genauer wissen.
„Hast du ein Beispiel für mich?“, bat sie und zwang sich ebenfalls zum Essen.
„Ja, wenn du vor in Krafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes am Arbeitsplatz diskriminiert wurdest, weil du zum Beispiel im Rollstuhl sitzt und dein Arbeitgeber beispielsweise die Personalräume in einem Bereich untergebracht hat, der für dich nicht zugänglich ist, konntest du auch damals schon gerichtlich dagegen vorgehen, nicht so wenn der Vermieter dich diskriminiert hat. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist ein deutsches Bundesgesetz, das Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll. Zur Verwirklichung dieses Ziels erhalten die durch das Gesetz geschützten Personen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese ihnen gegenüber gegen die gesetzlichen Diskriminierungsverbote verstoßen. Es ist 2006 Inkraftgetreten und seitdem können Betroffene eben auch Rechtsschritte gegen Vermieter, Vereine und so einleiten“, erläuterte ihr Vater ausführlich.
„Das heißt, wenn ich das richtig verstehe, daß Dr Freund ein nichtbinäres Kind nicht aufgrund seiner Geschlechtsidentität einen Platz im Internat vorenthalten darf, oder?“, fragte sie nun ganz klar nach.
„Hui, jetzt hast du mich. Schwierig. Das Internat ist ein reines Jungeninternat. Und nichtbinär ist nicht transsexuell. Also ganz sicher kann ich dir sagen, daß er einem Transjungen den Platz im Internat nicht aufgrund seiner Transsexualität vorenthalten darf, sofern eine psychologische Diagnose vorliegt, egal ob er dann noch weibliche Merkmale hat. Bei nichtbinären Menschen ist das komplizierter. Ich könnte mir vorstellen, daß man auf dem Rechtsweg Erfolg haben könnte, aber sicher bin ich mir nicht. Wahrscheinlich würde es Sinn machen eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, mit der beide Parteien gut leben können. Aber das ist definitiv schwieriger. Ich bin Komissar und kein Jurist“, gab ihr Vater nachdenklich zu.
„Hast du öfters mit solchen Themen zu tun?“, wollte Gaby wissen.
„Nein Gaby. Meistens geht es, so weit ich weiß, um Rassismus und auch noch sehr häufig, um die Benachteiligung von behinderten Menschen. Ich bin aber auch kein Streifenpolizist. Ich bin beruflich erst einmal einem Fall von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität begegnet und das war viel eindeutiger, als die Situation, die du beschreibst“, antwortete ihr Vater erklärend.
„Erzähst du mir, um was es da ging?“, hakte Gaby neugierig nach.
„Naja so ganz allgemein gehalten schon. Das war, als vor ein paar Jahren intersexuelle Menschen das Recht bekamen ihren Namen und ihre Geschlechtsidentität in divers zu ändern. In dem Fall hat das Jemand gemacht. Er_sie hat den Namen ändern lassen und ebenso den Geschlechtseintrag. Nun hat der Vermieter aber sich daran gestört und wollte allen Ernstes den Mietvertrag für ungültig erklären, weil er den Vertrag mit einem Herrn Alexander Müller gemacht hatte, den es ja jetzt nicht mehr so gab und nicht mit Alexis Müller und nun wollte er ihn_sie von heute auf morgen vor die Tür setzen. Nun damit kam er natürlich nicht durch“, erzählte Herr Glockner von dem Fall.
„Und wieso hattest du damit zu tun? Das klingt eigentlich auch nicht nach einem Fall für dich“, bemerkte Gaby sicher.
Gabys Mutter lauschte interessiert dem Interview und hielt sich zurück.
„Das hat sich zufällig so ergeben. Wir waren gerade in dem Haus, um einen weiteren Mieter zu verhaften. Wir hatten gerade festgestellt, daß unser Vögelchen ausgeflogen war, als die Situation zwischen Vermieter und ihm_ihr vollkommen eskaliert ist. Du kennst mich, ich habe mich der Sache angenommen“, meinte er zufrieden.
„Das heißt er_sie durfte in der Wohnung wohnen bleiben?“, vergewisserte sich Gaby noch einmal.
„Ja selbstverständlich ist eine offizielle Namensänderung, egal aus welchem Grund niemals ein Grund, das ein Vertrag ungültig wird und ganz klar auch die Änderung des Geschlechtseintrags nicht. Er_sie durfte solange in der Wohnung bleiben bis er_sie eine neue Wohnung gefunden hatte“, versicherte Herr Glockner seiner Tochter.
„Er_sie musste also doch aus der Wohnung raus?“, fragte Gaby empört nach.
„Nein, Gaby. Er_sie wollte aus der Wohnung raus. Wer will schon so einen Vermieter? Aber er_sie brauchte natürlich Zeit, um eine andere Wohnung zu finden und dann umzuziehen“, stellte er richtig.
„Verstehe“, meinte Gaby nachdenklich.
„Das AGG schützt die Minderheiten vor der offenen Benachteiligung und gibt ihnen Mittel sich rechtlich zu Wehr zu setzen. Leider kann kein Gesetz der Welt die Menschen zu toleranten, offenen Mitmenschen machen. In dem Fall kann der Vermieter ihn_sie nicht rauswerfen, aber das heißt nicht, daß der Vermieter deswegen seinen Fehler einsieht, sich entschuldigt und wieder einen freundschaftlichen Umgang an den Tag legt. Gerade im gesellschaftlichen Miteinander ist es schwer. Man kann Freundschaft nicht einklagen und ein Rechtsurteil ist noch lange keine Einsicht“, stellte er klar.
„Also würdest du sagen, der Vater des nichtbinären Kindes sollte den Platz versuchen einzuklagen, oder nicht?“, fragte Gaby ihn nach seiner Meinung.
„Ich kann das nicht beantworten, Gaby. Auf der einen Seite gibt es bestimmt einen Weg und der Schulleiter muss nicht die gleiche Meinung seiner Lehrer und Schüler haben. Es könnte sein, daß der Vater Recht bekommt, das Kind eingeschult wird und gut aufgenommen wird. Dann ist alles super. Es kann aber auch sein, daß alle das Kind meiden, das Kind sich unwohl fühlt, weil es weiß, daß es unwillkommen ist und es dadurch mehr Schlechtes, als Gutes erfährt. Man bräuchte also ganz viele Informationen, die ich nicht habe und die man in einer hypothetischen Sache kaum alles berücksichtigen kann“, wiech ihr Vater einem klaren ja oder nein aus.
„Die Sache ist aber nicht hypothetisch. Tim, Karl, Klößchen und ich haben dieses Projektthema gewählt, weil Dr Freund tatsächlich abgelehnt hat Kim aufgrund der Geschlechtsidentität im Internat aufzunehmen."
„Jetzt verstehe ich. Ihr habt Kim kennengelernt und möchtet ihm_ihr helfen. So kenne ich euch!“, warf ihre Mutter stolz ein.
„Em. Kim möchte, daß das Personalpronomen em für em verwendet wird“, korregierte Gaby ihre Mutter.
„Em? Okay das kenne ich noch nicht. Mir ist nur er_sie und they geläufig. Wie verwendet man das?“, erkundigte sich nun ihr Vater bei ihr .
„Em als Personalpronomen und ems als Possessivpronomen“, antwortete Gaby prompt.
„Und wie wird es dekliniert?“, hakte nun ihre Mutter nach.
„Ähm,- jetzt wo du es sagst - gar nicht“, meinte Gaby nun irritiert.
„Das ist kurz und einfach. Ich nehme an, die Schüler lieben und die Deutschlehrer hassen es“, mutmaßte ihr Vater nun mit einem Grinsen.
„Zugegeben fanden wir es angenehm einfach, aber tatsächlich hat Kim erzählt, daß ems Deutschlehrer nicht ganz glücklich damit ist“, konnte Gaby ihn bestätigen.
„Ist Kim intersexuell?“, hakte nun ihr Vater nach.
„Nein, em ist bigender“, klärte Gaby ihre Eltern auf.
„Und biologisch ist em-?“, blieb er dran.
„Em wurde als Junge geboren.“
„Weswegen soll Kim nun auf ein Internat gehen?“, mischte sich Gabys Mutter nun richtig ein.
„Ems Mutter ist vor zwei Wochen gestorben, der Vater ist Langstreckenpilot und regelmäßig für ein paar Tage im Ausland“, deckte Gaby auf.
„Es ist also auch noch ein Notfall“, meinte sie kopfschüttelnd.
„Ja und es ist ein ganzes Zimmer frei, aber Dr Freund ist nur bereit Kim das Zimmer zu geben, wenn em angibt männlich zu sein“, sprach Gaby das an, was sie so ganz besonders empörte.
„Ehrlich gesagt verstehe ich sogar, daß es unbequem ist. Ich kann mir vorstellen, daß es Probleme aufwirft, für die man eine Lösung finden muss, aber ich muss sagen von einem engagierten Pädagogen erwarte ich eigentlich, daß er nach einer guten Lösung sucht. Weißt du was? Ich werde morgen Dr Freund eine E-Mail deswegen schreiben und wie ich euch kenne plant ihr auch etwas, vielleicht lässt er sich ja doch noch umstimmen“, meinte Emil Glockner motivierend.
„Genau das haben wir vor“, bestätigte Gaby.