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Tausendmal Berührt [Teil I]

von ninarina
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt Klaas Heufer-Umlauf
14.06.2021
29.01.2022
20
134.433
126
Alle Kapitel
146 Reviews
Dieses Kapitel
5 Reviews
 
01.07.2021 7.280
 
Teil drei ist unerwartet etwas ausgeufert, ich würde es aber dennoch ungerne splitten, weil das meine ganze Planung durcheinanderschmeißen würde. Außerdem wird es jetzt schon ein wenig emotionaler als gewollt, eigentlich sollte das erst später kommen, aber ich habe in letzter Zeit sehr viel an den späteren Teilen gearbeitet und ich glaube die Emotionalität von dort ist ein wenig hier reingeflossen. Die Zwei machen es mir nicht einfach.


Vielen Dank für die Reviews und Sternchen und viel Spaß mit dem nächsten Teil!






Part 3: My Bad Habits Lead To You




My bad habits lead to wide eyes stare into space,

And I know I lose control of the things that I say,

I was looking for a way out, now I can't escape

(Bad Habits by Ed Sheeran)





NeoParadise, September 2011



Ein weiteres Mal passierte es nach dem Unfall.

Das mit der Schadenfreude war so eine Sache. Klaas war kein Kind von Traurigkeit, er hatte früh in seiner Kindheit gelernt, dass austeilen genauso wichtig war wie einstecken, und dass es sich lohnte, immer einen passenden Spruch auf den Lippen zu haben, um sich nicht in die Ecke drängen zu lassen. Er war immer klein und schmächtig gewesen und hatte gelernt sich mit Worten und einer gewissen Listigkeit durch das Leben zu schleusen. Aber die Klappe zu halten, die Provokation nicht auf die Spitze zu treiben und ein Argument auch einfach mal ziehen zu lassen, das fiel ihm immer noch schwer. Das lag nicht in seiner Natur.

Und so kam es, dass er wenige Tage vor der Aufzeichnung der ersten NeoParadise Folge im Eishockeystadion stand und dabei zusehen musste, wie Joko mit aller Wucht ins Eis gerammt wurde. Auf den ersten Blick sah es zum Brüllen komisch aus, surreal, wie im schlechten Film. Als wäre Joko kein echter Mensch, sondern ein mit Plüschherzen ausgestatteter Pappaufsteller, der einfach nach hinten geschleudert wurde. Der Aufprall sah schlimm aus, viel schlimmer als geplant. Klaas lachte, ließ zur Erheiterung der Menge einen weiteren Spruch ab, weil er seinen verdammten Mund noch nie halten konnte. Wenige Sekunden später – viel zu spät – sickerte jedoch so langsam die Erkenntnis zu ihm durch, dass dort auf dem Eis keine Puppe lag, sondern ein regungsloser Joko. Und dass trotz der Kameras um sie herum niemand Cut rief, als Joko sich nicht bewegte, sondern nur ein Raunen durch das Stadion ging.

„Scheiße.“ Es war Thomas neben ihm, der Klaas endgültig in die Realität zurückholte und ihm sein Grinsen auf dem Gesicht gefrieren ließ. Thomas, der diese ganze bestimmte Art Scheiße zu sagen nur ausstieß, wenn etwas gänzlich schiefgelaufen war. „Der is‘ bewusstlos.“

Klaas war im Tunnel. Seine Sicht war eingeschränkt, die Gedanken stumm. Sanitäter liefen auf das Eis, nicht zum Spaß, wie von der Redaktion geplant, sondern aus bitterem Ernst. Klaas wusste nicht einmal mehr, ob er noch abmoderierte, er hörte nichts, nicht die Menge, nicht Thomas neben ihm, der sich angespannt die Haare raufte, nicht einmal sich selbst. Er starrte auf das Eis, auf Joko. Sah, wie dieser auf eine Trage gehoben und abtransportiert wurde. Spürte Druck auf seiner Schulter und riss seinen Blick los, wandte sich um. Wieder Thomas. Sein Mund bewegte sich, aber das Rauschen in Klaas‘ Ohren war zu laut. Er konnte nur ein Wort vernehmen. „Krankenhaus.“

Er nickte mechanisch. Krankenhaus. Joko würde ins Krankenhaus gebracht werden. Klaas musste ins Krankenhaus. Thomas hielt ihn immer noch an der Schulter fest, schüttelte ihn leicht. Ein paar mehr Worte sickerten zum ihm durch. „Klaas. Klaas, du kannst nicht alleine fahren.“

Klaas nahm den Satz nicht auf, da ein plötzlicher Gedanke durch den Nebel in seinem Kopf stieß. „Lisa“, brachte er hervor. Thomas verstand sofort, nickte. „Ich ruf sie an. Warte hier und dann fahren wir zusammen zu ihm, ja? Klaas?“

Klaas ruckte wieder mit dem Kopf. Wartete, bis Thomas um die Ecke verschwunden war und setzte sich sofort in Bewegung. Er eilte durch die Gänge, das Treppenhaus, dem Ausgang entgegen. Der Schock saß tief in seiner Brust, gleich über der Panik und der Angst, die er mit aller Macht herunterdrückte. Sie würden ihm jetzt nicht helfen. Dafür war später Zeit. Erst musste er zu seinem Auto, zum Krankenhaus, zu Joko.

Kurz vor dem Ausgang stieß er auf ihr Team, die ihn erschrocken anblickten, als er direkt an ihnen vorbeilief. „Klaas, warte mal“, rief Thomas Martiens ihm hinterher, die Stimme von Sorge und Angst getränkt und Klaas hielt es nicht aus, schüttelte nur den Kopf.

„Wartet auf Schmitti und kommt dann nach“, rief er zurück, die Augen auf seinen dunklen Wagen geheftet, der nicht weit vom Ausgang entfernt stand. Die Proteste von Thomas blendete er aus, griff mit einem eindeutigen Zittern in den Fingern in seine Jackentasche und umschloss seinen Autoschlüssel.

Die Fahrt ins Krankenhaus war kurz und das war gut so. Thomas hatte da schon Recht gehabt, er war in keiner Verfassung, um Auto zu fahren. Er war wie auf Autopiloten gestellt. Seine Füße trugen ihn in die Notaufnahme. „Joko Winterscheidt“, sagte er der Frau am Empfang, musste sich räuspern, damit ihm die Stimme nicht wegbrach.

Die Empfangsdame runzelte die Stirn. „Bitte?“

„Joachim Winterscheidt. Der müsste kürzlich erst eingeliefert worden sein. Verdacht auf Schädelhirntrauma.“ Offenbar hatte er doch mehr von dem mitbekommen, was Thomas ihm erzählt hatte. Wie aufs Stichwort genau vibrierte das Handy in seiner Tasche. Klaas zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Sind sie verwandt?“

„Bin ein Kollege.“

„Nun, ich weiß nicht, wie Sie vor ihm im Krankenhaus ankommen konnten, aber ein Krankenwagen mit einem Patienten mit Kopfverletzung ist auf dem Weg hierher.“ Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Ist relativ ruhig heute. Warum setzten Sie sich nicht und warten?“

Klaas gehorchte. Er setzte sich in den Warteraum und zog das Handy aus der Tasche, drückte Thomas‘ erneuten Anruf weg und schrieb Joko eine SMS.

Bin schon hier. Warte auf dich.

Eine ganze Weile starrte er regungslos auf einen gelblichen Fleck an der Wand. Er versuchte, ihn sich zu horchen, um zu erkennen, wie viel von seiner Reaktion er auf aufrechte Sorge und wie viel auf das Schock-Panik-Angst Gemisch schieben konnte. Denn klar war es normal, sich um seinen Kollegen zu sorgen, wenn der nach einem Unfall ins Krankenhaus kam, aber wieso war er so von der Rolle, dass sein gesamtes Hirn auf Sparflamme stand? Wieso hatte er Thomas Lisa anrufen lassen und hatte es nicht selbst getan? Wieso hatte er weder auf Thomas gewartet noch war er bei seinem Team geblieben, die ebenfalls besorgt und unruhig gewesen waren?

Weil das anders ist, erwiderte eine Stimme in seinem Kopf. Weil die das nicht verstehen.

Er schloss die Augen, zählte rückwärts von zehn runter und wieder rauf. Sein Atem wurde allmählich gleichmäßiger. Der Fleck an der Wand war nicht mehr sein Fixpunkt, um im Hier und Jetzt zu bleiben und nicht zu versinken. Jemand reichte ihm ein Wasser, das er dankend annahm. Erst als er den Kopf hob, sah er, dass es Thomas Schmitt war, der ihn streng musterte. „Trink das.“

Klaas diskutierte nicht, sondern nippte an dem Getränk. Es tat gut. Es fühlte sich normal an.

„Du bist kreidebleich.“

Er reagierte nicht, nahm noch einen Schluck.

„Ich kann nicht fassen, dass du in dem Zustand Auto gefahren bist.“

Klaas schnaubte über das Wort Zustand, als wäre er ein nervenloses Wrack, dass hier auf dem Stuhl kauerte. „Hab’s ja so grade überstanden, hm?“

„Ich find‘ das nicht so witzig“, fauchte Thomas und ließ sich auf dem Sitz links neben ihm nieder. „Reicht schon, wenn einer meiner Moderatoren im Krankenhaus liegt.“

Auch das übergehend, beobachtete Klaas seinen Freund aus dem Augenwinkel. Der Anflug eines schlechten Gewissens flackerte kurz in ihm auf, aber das ging einher mit dem resignierenden Gedanken, dass er es beim nächsten Mal wieder so tun würde. „Gibt es irgendwas Neues?“, fragte er.

Jetzt musste Thomas kurz schmunzeln. „Abgesehen davon, dass die Empfangsdame fassungslos darüber war, dass du vor dem eigentlichen Notfall im Krankenhaus warst?“

„Das ist jetzt schon ein Klassiker“, stimmte Thomas Martiens zu, schwang sich auf den Stuhl zu Klaas‘ Rechten und tauschte sein Wasser gegen einen lauwarmen Kaffeebecher. „Hier.“ Er griff nach seiner freien Hand und sah ihm theatralisch in die Augen. „Joko wird durchkommen. Die Ärzte sagen, er schwebt nicht in akuter Lebensgefahr.“

Klaas biss sich auf die Lippe, aber das Lachen brach dennoch hervor. „Du bist ein alter Wichser.“

Thomas grinste zufrieden. „Ne mal im Ernst, es ist alles gut. Joko war auf dem Eis kurz weg, wird grade noch zur Sicherheit durchgecheckt und vielleicht für ein, zwei Tage hierbehalten. Aber mehr als eine Gehirnerschütterung ist das nicht.“

„Danke, Dr. Martiens“, erwiderte Klaas trocken.

„Gerne, Herr Häufchen-Einlauf.“

Thomas Schmitt tätschelte Klaas‘ Arm. „Hat uns einen ganz schön großen Schrecken eingejagt, der Joko.“

Klaas brummte nur. Das, was in ihm rumort hatte und zum Teil immer noch rumorte, ging tiefer als bloß ein „Schrecken“. Die Panik, die er verspürt hatte, sein irrationales Handeln, das Gefühl der Taubheit. Der Tunnel, in dem er sich befunden hatte. Das fühlte sich verdammt nochmal nach Verlustängsten an. Und hier, mitten im Krankenhaus, umgeben von seinen Kollegen, fragte er sich, wann zur Hölle Joko ein essenzieller Teil seines Lebens geworden war. Schlimmer noch, seit wann war sein Leben ohne den Mann, der nie mehr als sein Arbeitspartner sein sollte, unvorstellbar?

Wie konnte es passieren, dass Klaas sich ohne Joko… unvollständig fühlte? Sofort taumelte und den Halt zur Realität verlor?

Der Gedanke hing ihm noch lange nach. Verfolgte ihn, als er Joko endlich sah, wie er von einem Test zum nächsten geschoben wurde und Schmitti die Krankenschwester fragte, ob er kurz pausieren und mit ihnen sprechen könne, wenn sie ihn schon heute nicht mehr besuchen dürften.

Joko grinste ein wenig debil. „Die Medikamente kicken voll rein“, sabbelte er los und Klaas konnte nicht fassen, dass es ihn mit Wärme erfüllte. Joko nervte ihn so sehr, so oft, so durchgängig, und doch war es Balsam für seine Seele zu wissen, dass er vermutlich mit einem Schrecken davongekommen war.

„Wir sind froh, dass nichts passiert ist“, sagte Thomas Martiens und knuffte Joko vorsichtig in den Bauch. Schmitti deutete mit dem Daumen zu Klaas, der weiterhin stumm blieb und den Mann im Krankenhausbett nur anstarrte. „Klaasi war ganz apathisch.“

Jokos unstetiger Blick flackerte zu ihm herüber. „Haste dir Sorgen um mich gemacht, Hase?“

Sein ganzes Leben lang hatte Klaas immer einen dummen Spruch auf den Lippen, der nur darauf wartete, abgefeuert zu werden. Doch dieses Mal konnte er es nicht. Er konnte nur schlucken und nach Jokos Hand greifen. Er spürte Jokos weiche, warme Haut unter seinen Finger und drückte zu, konnte fühlen, wie Joko den Druck erwiderte. Joko war hier, so lebendig, und selbst ein Unfall und ein Arsch voll Medikamente konnten das Funkeln in seine Augen nicht löschen, als er Klaas anlächelte.

Und Klaas, der musste ganz, ganz schnell hier weg. Er ließ Jokos Hand los, mied es, mit irgendjemandem Blickkontakt aufzunehmen. „Ich geh eine rauchen“, murmelte er und ergriff die Flucht.

Draußen versuchte er seinen Kopf freizubekommen, aber es half nicht. Das Nikotin nicht, die Luft nicht. Der Gedanke vom Wartezimmer, der, dass er ohne Joko dem dunklen Abgrund entgegenstarrte, ließ ihn nicht mehr los.

Er ging nicht zurück ins Krankenhaus, sondern fuhr nach Hause.

Der Gedanke klebte an ihm, als er spät ins Bett ging und unruhig schlief, am nächsten Tag früh aufstand und Sachen zusammensuchte, die Joko gefallen und aufheitern könnten. Er fühlte sich getrieben, die Unruhe pulsierte unter seiner Haut, verzehrend und angsteinflößend. Er war nicht jemand, der schlecht schlief. Er war nicht einfach so aus der Ruhe zu bringen. Er kannte das Gefühl nicht, jemanden so sehr zu brauchen, dass man ohne ihn nicht mehr klarkam.

Joko schlief, als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete und sich ihm langsam näherte. Er versuchte, möglichst kein Geräusch zu machen, vergaß dabei die Tür, die laut ins Schloss fiel und zuckte zusammen, als Joko verwirrt die Augen aufschlug.

„Ich bin‘s nur“, sagte er, trat ein wenig verlegen von einem Bein auf das andere. Abgesehen von ihren Sendungen sahen er und Joko sich eher selten in einem privaten Rahmen. Und vor allem sah er Joko selten in einem Krankenhausbett, in das Klaas ihn quasi befördert hatte.

„Klaas“, nuschelte Joko. Seine Lippen kräuselten sich zu einem ehrlichen Lächeln. „Dich hätte ich als allerletztes hier erwartet.“

„Was denkst du denn von mir?“, echauffierte sich der Angesprochene, stellte seine Tüte demonstrativ vor dem Bett ab und verschränkte die Arme.

„Du warst gestern so plötzlich weg.“ Joko zuckte kurz mit den Schultern, aber sein Blick war wachsam. Er schien wieder bei vollem Verstand zu sein. „Und du wusstest ja, dass es mir gut geht.“

„Und dann denkst du, ich komme dich nicht besuchen?!“

Joko erwiderte Klaas‘ fassungslosen Blick nicht, hob nur erneut die Schultern. „Ist auch egal jetzt. Was hast du da?“ Er reckte neugierig den Hals, um einen Blick in die Tüte zu werfen.

Klaas grinste und ließ sich auf der Bettkante nieder. „Nur so Krams. Schokolade als Waffe gegen den Krankenhausfraß, Zeitschriften, ein Buch, das dein Hirn maßlos überfordern wird, Kassetten und ein paar von meinen Klamotten, weil ich nicht wusste, ob du heute schon Wechselsachen bekommen hast.“

Eine kurze, erstaunte Stille.

„Das ist sehr nett von dir“, sagte Joko dann ernst.

„Und wieder dieser überraschte Unterton“, murrte Klaas, versuchte zu ignorieren, dass seine Ohren ganz heiß wurden und Joko das wohl nicht entgehen konnte.

„Ach komm schon, Klaas. Wir wissen beide, dass das eher ungewöhnlich für dich ist.“

„Was ist so ungewöhnlich?“

„Deine… Fürsorge? Dein Stress gestern? Dieser Blick?“

Ertappt ließ Klaas die Augen sinken. Die Unsicherheit kroch durch ihn, aber sie war nicht stark genug, um die Unruhe zu vertreiben. Im Gegenteil, es wurde dadurch noch schlimmer. „Ich kann auch wieder gehen.“

Er war schon in der Bewegung, sich von der Bettkante zu erheben, als sich Jokos Finger um sein Handgelenk schlangen. „Oder du bleibst.“

Es sollte leicht daher gesagt wirken, aber Klaas konnte die Wahrheit in Jokos Augen sehen, die Wahrheit, die seine Unsicherheit verpuffen ließ, als wäre sie nie dagewesen. Denn Joko war Joko, und Joko verstand ihn. Joko teilte diese Unruhe, die Klaas seit dem Vortag nicht klar denken ließ. Joko konnte nicht ohne ihn, genauso wie er nicht ohne Joko konnte. Es war verrückt, aber es war da, genau vor ihm, in Jokos Augen.

„Und was soll ich dann tun?“, provozierte er ihn halbherzig. „Händchen halten, wenn der Arzt kommt?“

Ein spitzbübisches Grinsen stahl sich auf Jokos Gesicht. „Ich glaube, du hast da was wiedergutzumachen, Heufer-Umlauf.“

Klaas zog die Brauen hoch. „Ist das so?“

Joko nickte langsam, ließ sein Handgelenk nicht los und fuhr mit dem Daumen leicht über Klaas‘ Handrücken. „Man wird schließlich nicht alle Tage von einem Irren ins Eis gerammt.“

Klaas wusste, dass Joko keine Entschuldigung von ihm wollte. Er machte Klaas keine Vorwürfe, dafür machten sie ihre Sendungen schon zu lange. Sie taten sich gegenseitig genug Schwachsinn an, da war der eine nicht besser als der andere. Und manchmal liefen die Dinge aus dem Ruder und dann wurde durchgeatmet und es ging weiter. Beschuldigungen und Entschuldigungen waren nicht notwendig.

Sein eigenes Schuldgefühl wiederum, das war nicht so leicht abzuschalten. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass Joko gerade damit spielte. Klaas legte interessiert den Kopf schief. „Kann es sein, dass du mit ganz unfairen Mitteln kämpfst, Winterscheidt?“

Jokos Grinsen vertiefte sich. Seine Augen funkelten wieder und wie auf Knopfdruck begann es unter Klaas‘ Haut zu kribbeln. „Ich liege im Krankenhaus und bin nur knapp dem Tod entronnen. Ich denke, ich darf verdammt nochmal kämpfen, wie ich will.“

Klaas hatte ja mit vielem gerechnet, als er vor wenigen Minuten die Tür aufgestoßen hatte, aber dass seine Hand sich jetzt zielsicher auf Jokos Schritt zubewegte, das gehörte ganz sicher nicht dazu. Jokos Augen weiteten sich ein wenig, das Funkeln wurde intensiver. „In fünfzehn Minuten ist Visite“, murmelte er.

„Zehn Minuten, mehr brauch‘ ich nicht“, erwiderte Klaas.

„Jaja, große Töne spucken kann jeder, aber wirklich—“, Jokos Stimme brach abrupt weg. Er atmete scharf durch die Nase ein, weil sich Klaas‘ Hand ohne jegliches Triezen oder Hinhalten um seinen Schwanz legte, der nur von seinem dünnen Krankenhaushemd bedeckt war.

„Tschuldige, wolltest du was sagen?“, fragte Klaas gehässig nach. Joko schüttelte den Kopf, bog seinen Körper vorsichtig durch und kam der leichten Bewegung entgegen. Klaas beobachtete ihn mit einem brennenden Gefühl in seinem Unterleib. Ein Gefühl, das er bereits kannte, weil es sich immer in ihm festsetzte, wenn er Joko berührte. Weil dieses Gefühl das einzige Mittel für diese innere Unruhe war, die ihn gänzlich eingenommen hatte.

Wenn Joko so auf ihn reagierte wie jetzt, war all das Chaos in seinem Kopf für ein paar Augenblicke verschwunden. Alles, was zählte, war Joko. Das hier war der einzige Weg, seine Zuneigung für ihn unausgesprochen auszudrücken. Es wurde nicht hinterfragt, nicht von Joko und nicht von ihm. Es war eine stumme Abmachung, in der Klaas Emotionen freilassen konnte, die in seinen Worten keinen Platz fanden.

Er spielte nicht lange herum, sondern schob das Hemd hoch, bis Jokos Unterkörper nackt vor ihm lag und er mit seinen Fingerspitzen über die Oberschenkel fahren konnte. Zügig, aber nicht hektisch glitt seine Hand vorwärts, streichelte über Jokos Hoden, bis er das erwartete Keuchen wahrnahm und umschloss dann seine Erektion. Ein wenig erregt stellte Klaas fest, dass ihm dieser Teil schon vertraut vorkam. Er kannte es schon und doch war es jedes Mal aufs Neue aufregend.

So nahe war er Jokos Schritt noch nie gewesen. Fasziniert, mit schwerem Atem, heftete er seinen Blick auf das Geschehen vor ihm, rieb Joko langsam und mit viel Druck, sah dabei zu, wie seine Hand den Schaft entlangfuhr und sich oben etwas verengte, weil Joko es so mochte. Er strich mit dem Daumen über die Unterseite der Eichel, lächelte zufrieden, als er das Zucken spürte, dass durch den Körper vor ihm fuhr.

Am Kopfende des Bettes fluchte Joko leise, aber Klaas war zu sehr mit dem Geschehen vor ihm beschäftigt, um den Kopf zu heben. Er schob sich näher heran, wollte plötzlich viel mehr, wollte seinen Namen auf Jokos Lippen wissen, genauso verzweifelt, wie der ihn manchmal ausstieß, kurz bevor er kam.

Klaas atmete tief durch und begann vorsichtig, die Innenseite von Jokos Oberschenkel zu küssen. Es war lächerlich, es länger zu leugnen, er wollte Joko auf seiner Zunge spüren. Er wollte ihm beweisen, dass sie nicht allein in diesem Wahnsinn umherwanderten, sondern zusammen. Der Schock der letzten Nacht, das nicht zur Ruhe kommen, das Flackern in Jokos Augen, all das floss in seine Verzweiflung mit ein, Joko stumm zu zeigen, wie viel es ihm bedeutete, an seiner Seite nicht einsam zu sein.

Joko schien überwältigt, keuchte ununterbrochen. Seine Hände fuhren immer wieder über Klaas‘ Haare, als der sich seinen Weg zu Jokos steifen Schwanz hochküsste, mit der Zunge über die Muskeln fuhr, aber sie griffen nicht zu.

„Klaas…“, flüsterte Joko. „Du musst das nicht machen.“

„Ich weiß, dass ich nicht muss.“ Klaas stoppte kurz seine Bewegungen und sah eindringlich zu ihm hoch. „Ich will. Wenn—wenn das für dich okay ist.“

Für einen Moment haderte Joko mit sich. Sein Blick ruhte auf Klaas‘ Lippen und für eine Sekunde huschte ein dunkler, fast sehnsuchtsvoller Schatten über sein Gesicht. Bevor Klaas auch nur versuchen konnte, es einzuordnen, glätteten sich Jokos Züge und seine Augen fanden die von Klaas.

Und dann, endlich, nickte er leicht. Ein tiefes Schnaufen durch die Nase. Er spreizte die Beine und ließ Klaas dazwischen Platz nehmen. „Okay.“

Klaas ließ sich nicht lange bitten. Alle Gedanken, Zweifel und jegliche Vernunft aus seinem Kopf verbannend, nahm er die Spitze von Jokos Schwanz in den Mund. Dessen Becken zuckte so stark hoch, ihm entgegen, dass Klaas sofort eine Hand darauf ablegen und es zurück auf das Bett pressen musste, damit Joko ihm nicht zu tief in den Mund stieß. Klaas atmete durch die Nase ein und aus, nahm Jokos Geruch dadurch viel intensiver wahr und fühlte sich automatisch, als würde sich ein dichter Nebel in seinem Kopf ausbreiten.

Ein paar Mal fuhr er mit der Zunge Jokos Schaft hoch, begann an seinen Hoden und stoppte an seiner Eichel, war unfassbar betört von Jokos erstickten Lauten, die zu ihm durchdrangen, als er mit der Zunge darüber glitt. Genau dieses Gefühl, dass Joko vor Verlangen fast zerbarst, dass Joko sich nach ihm verzehrte, genau das wollte Klaas immer haben. Sie waren beide unerfahren, so unerfahren, dass sie nicht den leisesten Hauch einer Ahnung hatten, was sie hier taten, und genau dieser Sprung ins Nirgendwo machte den besonderen Rausch aus, in den sie sich gegenseitig beförderten.

Vorsichtig nahm Klaas die linke Hand von Jokos Becken, um den Reißverschluss seiner eigenen Hose zu öffnen. Er hielt es nicht mehr aus, dieses brennende Gefühl, das durch ihn peitschte, diese Bestätigung, dass Joko ihn machen ließ, was er wollte. Sich selbst anzufassen, während er mit der Zunge die Adern an Jokos Schwanz nachfuhr, war da unausweichlich.

„Klaas“, keuchte Joko und da war es endlich, das Geräusch, auf das Klaas gewartet hatte. Fahrig bewegte er den Mund über seine Länge, stöhnte auf und öffnete die Augen erst, als er Jokos Hand in seinem Nacken spürte, die leicht zudrückte. Er stillte seine Bewegungen, hob minimal den Kopf und sah ihn an. Sah die ungezügelte Lust in dem tiefen Braun, die angespannten Züge um seinen Mund und den leichten Schweißfilm auf seiner Stirn.

Jokos Atem ging stockweise, die Augen wanderten über Klaas‘ Gesicht, schienen nicht fassen zu können, was sie sahen. „Fuck, kannst—kannst du“, hektisch sog er mehr Luft ein, „kannst du—mit der Hand—?“

Obwohl er den Satz nicht beendete, glaubte Klaas zu verstehen und nickte. Seine Lippen schlossen sich wieder um die Spitze, nahm sie diesmal ein wenig tiefer in den Mund, wodurch Joko ein erneutes Stöhnen hervorpresste, und legte seine rechte Hand an dem Schaft an. Er versuchte, die Bewegungen einander anzupassen und beobachtete, wie Joko mit einem verzweifelten Ächzen den Kopf nach hinten warf. Mehr, dachte er. Mehr Joko. Mehr davon.

Er rieb sich selbst mittlerweile erbarmungslos schnell, wusste, dass er es bei diesem Tempo nicht mehr lange aushalten würde und intensivierte seine Berührungen an Jokos Schwanz. Die Hand jetzt näher an der Wurzel, wo sie druckvoll und schnell auf und ab fuhr, der Mund fahriger und offener, aber auch mit weniger Zurückhaltung. Er lauschte Jokos Reaktionen, sog an der Spitze und umschloss möglichst viel seiner Erektion mit dem Mund, stieß mit der Zunge gegen die Unterseite und begann, seinen Kopf schneller zu bewegen.

„Klaas“, raunte Joko. Finger fanden erneut den Weg in Klaas‘ Haar und diesmal blieben sie an Ort und Stelle, krallten sich fest, zogen leicht. Klaas stöhnte auf, konnte es dumpf an seinen Lippen vibrieren spüren und Joko stieß einen weiteren Fluch aus, klang heiser und verzweifelt. Klaas stierte zu ihm hoch, sah Jokos Blick bereits auf ihm liegen, den Hals gerötet, die Augen weit und flackernd, den Mund offen. Er sog den Anblick in sich auf und vergaß kurz, was er tat, kam fast durch die bloße Vorstellung, dass er Joko so weit getrieben hatte.

Jokos Finger glitten durch seine Strähnen und packten dann heftig zu. „Klaas, bitte mach einfach“, flüsterte er erstickt. „Ich brauch‘ nicht mehr viel.“

Klaas tat ihm den Gefallen. Er nahm ihn nochmal auf, so tief er konnte, bemerkte, wie der Speichel aus seinem Mund trat und die Länge herunterrann, hörte Jokos dunkles Stöhnen, dass durch seinen eigenen Körper fuhr und ihn weiter anpeitschte und atmete mehrmals scharf durch die Nase ein, als Joko unter ihm bockte und ihm entgegenkam.

Gott, war das geil.

Ein letztes Mal fuhr seine Zunge über die zuckende Eichel, dann ließ er von ihm ab und suchte seinen Blick, wichste ihn schnell und grob mit seiner rechten Hand, während seine Linke immer noch auf seinem eigenen Schwanz lag.

Joko betrachtete die Szene vor ihm mit offenem Mund, bewegte sein Becken und kam plötzlich und schnell in Klaas‘ Hand, der ihm Sekunden später folgte.

Klaas brauchte gefühlte Minuten, um wieder runterzukommen, um irgendeinen klaren Gedanken fassen zu können. Nur so konnte er sich erklären, dass seine Fingerspitzen sanft über Jokos Haut fuhren, alles von seinen Lenden bis zu seinem Bauch hin erkundeten, bis er schließlich realisierte, was er tat und die Hand langsam zurückzog. Jokos Blick ruhte auf ihm, verschleiert und doch merkwürdig klar, und eine Gänsehaut kroch Klaas‘ Nacken hoch. Aus einer Übersprungshandlung heraus sah er auf seine Armbanduhr und musste unmittelbar grinsen. „Visite ist in vier Minuten. Hab’ doch gesagt, ich brauche nur zehn.“

Joko schnaubte. Sein Kopf fiel zurück ins Kissen. Er starrte an die Decke, regungslos abgesehen von seinem sich heftig bewegenden Brustkorb. Und Klaas war mit einem Mal wieder äußerst zufrieden mit sich und der Welt.

„Alter“, brachte Joko irgendwann hervor. „Du bringst mich wirklich irgendwann ins Grab.“



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Yes, I’ll admit that I’m a fool for you,

Because you’re mine, I walk the line

(Walk The Line by Halsey)




NeoParadise, Dezember 2011



Es passierte nach einer Aufzeichnung von NeoParadise.

Es passierte zum ersten Mal, weil Joko sich nicht anders helfen konnte.

Es passierte, weil Jan Böhmermann zu ihnen in die Sendung kam.

Joko hatte nichts gegen Jan. Er machte eine gute Arbeit, war ein guter Moderator. Er hatte, ähnlich wie Klaas, seine zynische, bissige Art mit seinem natürlichen Charisma und seiner Intelligenz verbunden und setzte es bewusst ein, um Aufmerksamkeit zu generieren. Normalerweise würde Joko ihm mit distanzierter Freundlichkeit begegnen und ansonsten keinen Gedanken an ihn verschwenden.

Aber da war etwas, das ihn unruhig machte.

Da war etwas zwischen Klaas und Jan.

Sie waren befreundet. Nicht so wie Joko und Klaas, die zusammengewürfelt wurden und dann gucken mussten, wie sie klarkamen. Nein, Klaas und Jan mochten sich. Sie trafen sich privat, fachsimpelten über Politik, gingen gemeinsam auf Tour und erzählten sich dieselben Witze. Sie teilten denselben Humor, waren auf einer Wellenlänge.

Sie waren all das, was Joko und Klaas nicht waren.

Sie waren komplementär, nicht gegensätzlich.

Und es störte ihn. Die Vertrautheit, mit der Klaas Jan ansah, ihn ansprach, sich mit ihm bewegte, das kratzte an Jokos Innerem und ließ sein sonst so fröhliches Gemüt pechschwarz werden.

Am meisten störte ihn, dass er keine Chance hatte, sobald Jan und Klaas bei NeoParadise aufeinandertrafen. Er kannte das schon von MTV Home, aber diesmal war es schlimmer. Klaas führte wie geplant das Interview und Joko wurde augenblicklich überflüssig. Klaas sah ihn nicht einmal an, er hing an Jans Lippen, lachte mit ihm und ging auf ihn ein.

Jan genoss die Aufmerksamkeit sichtlich, witzelte über Sex mit Klaas, stichelte mit Blicken und Gesten gegen Joko und der lachte, zu laut und unecht, und Klaas merkte es nicht. Klaas, dessen Augen sonst sofort zu ihm schnellten und der die Brauen spöttisch hochzog, wenn er Joko bei einem falschen Lachen erwischte, war ganz in das Gespräch mit seinem Freund vertieft und würdigte ihn keines Blickes.

Und Joko, der verstand an diesem Tag, dass er diese Vertrautheit mit Klaas niemals haben würde. Dieser Moment im Krankenhaus war Klaas‘ schlechtem Gewissen und dem Schock geschuldet gewesen, das hatten ihm die Wochen danach schon zur Genüge bewiesen. Seine Brust zog sich bei dem Gedanken schmerzhaft zusammen. Klaas würde ihm vielleicht einen runterholen und seinen Schwanz lutschen, wann immer er gerade Bock dazu hatte oder etwas wiedergutmachen wollte, aber näher würde er Joko nicht lassen. Er trennte das Körperliche strikt vom Emotionalen und Joko wusste, dass es ihm nicht erlaubt war, Klaas‘ andere Mauern zu durchbrechen.

Er beobachtete die beiden still von seinem Sofa aus, fühlte sich übergangen und klein und war wütend auf Klaas, aber vor allem auf sich selbst, weil er sich von so etwas Lächerlichem überhaupt beeinflussen ließ. Er war weiß Gott kein eifersüchtiger Mensch, doch jetzt kribbelte etwas unter seine Haut. Etwas, dass sich verdächtig nach Besitzansprüchen anfühlte.

Nur so konnte er erklären, warum er einen verdutzten Klaas am Ende der Show in eine Umarmung zog. Er machte sich möglichst groß und drückte Klaas an seine Brust, der ihm sachte den Rücken tätschelte und nicht viel mit sich oder ihm anzufangen wusste, und Joko hätte vor Frust am liebsten gegen die Studiowände getreten.

Mit einem heißen Knoten im Magen, der ihn ganz unstetig machte, rauschte er nach der Abmoderation sofort hinter die Kulissen und lief natürlich prompt in Jan Böhmermann rein, der ihn aufmerksam musterte. Paranoia brannte sich durch Jokos Inneres, als er glaubte einen wissenden Blick in Jans Augen zu sehen.

„Gute Show, Joko“, sagte der und Joko bildete sich sofort einen spöttischen Unterton ein.

„So gut, wie es mit dir als Gast werden kann, ne“, schoss Joko zurück und klopfte ihm kollegial, und eindeutig zu fest, auf die Schulter.

„Keine Sorge, sobald ich nicht mehr da bin, bekommst du auch deine Redezeit wieder.“ Jan grinste. Seine Augen waren nun auf etwas hinter Jokos Rücken gerichtet. „Und wenn ich‘s ganz gut mit dir meine, klaue ich dir Klaas einfach und du kannst das ganze Ding hier allein machen.“

Es war ein Witz. Ein harmloser Spaß unter Kollegen. Dennoch kochte die Frustration in diesem Moment in Joko über. Er spürte die gewollte Provokation, nahm wieder diesen wissenden Unterton wahr, weil Jan so verflucht aufmerksam war und Klaas es ihm vielleicht sogar erzählt hatte. Vielleicht machten sie sich gemeinsam über Joko lustig, den Trottel, der anhänglich wurde, nur weil Klaas ein paar Mal seinen Schwanz angefasst hatte.

Mit einem Mal wusste Joko, wer hinter ihm stand und wen Jan so schelmisch angrinste. Mit einem Ruck drehte er sich um und lief auf Klaas zu, sah kaum etwas, weil der Zorn ihm die Sicht verschleierte. „Mitkommen“, zischte er Klaas im Vorbeigehen zu und ging weiter, die Hände zu Fäusten geballt.

Ein paar Meter weiter warf er zum ersten Mal einen kurzen Blick über die Schulter, sah, dass Klaas ihm folgte, und stürmte weiter den Gang hinunter. Er lief an seiner Garderobe vorbei und konnte Klaas Unruhe immer stärker spüren, als diesem klarwurde, dass Joko direkt auf Klaas‘ Garderobe zusteuerte. „Joko—“

„Mund halten“, unterbrach Joko ihn sofort, packte Klaas am Kragen und schob ihn ungeduldig in seine Garderobe.

Plötzlich blitzte etwas in Klaas‘ Augen auf, etwas, das gefährlich nah an Erkenntnis kam. „Echt jetzt? Hier?“

Joko ignorierte ihn, schloss mit Nachdruck die Tür und versuchte, Klaas nicht in das feixende Gesicht zu sehen, als dieser näher kam und schon mit der Hand an seinen Gürtel wollte. „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Winterscheidt gerne öffentl—“

„Ich hab‘ gesagt, du sollst den Mund halten.“ Jokos Stimme war weitaus ruhiger, als er sich fühlte. Er stieß Klaas‘ Hand beiseite, der ihn nun lauernd musterte.

Joko drängte ihn rückwärts, Schritt für Schritt. Er musste ihn dafür nicht einmal berühren, denn Klaas wich seiner Annäherung aus, damit er ihn weiterhin genau beobachten konnte. In Joko brodelte es. Die Mischung aus Wut, Verzweiflung und Gier war gefährlich, aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Klaas‘ Rücken stieß gegen die Wand und zwang ihn, stehen zu bleiben. Unsicherheit flackerte in seinem Blick, als Joko zu ihm aufschloss und die Hände neben seinem Kopf an der Wand anlegte, aber da war noch mehr. Da war Verwirrung, da war Verlangen, und plötzlich war da auch Verständnis.

„Es geht um Jan…“

Joko schüttelt sofort den Kopf und warf Klaas einen warnenden Blick zu. Er konnte Klaas‘ Spott, sein Triezen gerade nicht aushalten. Er würde daran zerbersten. Denn noch viel eher als Eifersucht fühlte er tiefe Unsicherheit in sich flackern. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Das Gefühl, es ohne Klaas niemals schaffen zu können, während der ohne Joko problemlos weitermachen könnte. Das Gefühl, von allen, aber vor allem von Klaas, bloß als Trottel von nebenan gesehen zu werden.

Und Jan Böhmermann hatte die Kunst, tief und zielsicher in diese Wunde zu pieken. Jan griff alles an, was ihm wichtig war. Seine Integrität als Moderator. Seine Selbstsicherheit.

Klaas.

Und jetzt grade hatte Joko das unbändige Bedürfnis, sich etwas zurückzuholen.

Jetzt grade brauchte Joko einfach nur absolute Kontrolle.

„Beweg dich nicht“, forderte er Klaas auf, in dessen Augen es schon wieder blitzte. „Keinen Mucks will ich hören, verstanden?“

Sie sahen sich an. Klaas‘ Überheblichkeit traf auf Jokos Zorn und beides schmolz dahin, als Klaas kurz, aber bedächtig nickte. Zum ersten Mal gab er Joko die Erlaubnis, ihn anzufassen und ganz offensichtlich behagte es ihm nicht. Ganz offensichtlich war das so ein Ding bei Klaas. Entweder hatte er generell ein Problem damit, oder es war speziell Joko, von dem er nicht so berührt werden wollte, obwohl er es genoss. Joko dachte an den letzten Abend in ihrem alten MTV Home Studio zurück und schauderte, als die Erinnerungen seinen Kopf fluteten. Klaas, der seine Hand führte. Klaas, der sich von ihm anfassen ließ. Klaas, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Klaas, der sich mit einem Stöhnen in Jokos Schulter krallte.

Jokos Blick wanderte über Klaas Gesicht, nahm die Anspannung in seinen Zügen wahr. Er würde nicht die Geduld haben, es langsam angehen zu lassen, aber gleichzeitig war ihm auch bewusst, dass er Klaas damit entgegenkam. Klaas musste ja schließlich direkt nach der Sendung mit Jan weiter. Entschlossenheit ertränkte jeden Rest Zweifel in Jokos Kopf. Wenn Klaas mit Jan ging, dann nicht, ohne dass Joko ihm vorher zeigte, was er verpasste.

Seine Augen waren auf Klaas‘ Lippen geheftet, als er ihm das Hemd aufknöpfte. Er war herrisch, fühlte sich fast schon taub, weil da nicht diese Wärme war, die er normalerweise in seinem Magen kribbeln spürte, wenn er Klaas ansah. Unzeremoniell entledigte er Klaas seines Hemdes und zog ihm das T-Shirt einen Moment später über den Kopf.

Er konnte sehen, dass Klaas ein Kommentar auf der Zunge lag und warf ihm noch einen warnenden Blick zu. Klaas hatte den Mund schon geöffnet als Joko sich kurzerhand vorbeugte und seinen Hals küsste. Nicht sachte und vorsichtig, sondern fordernd, immer noch von dieser Ungeduld getrieben und mit einer Hand in Klaas‘ Nacken. Klaas stieß ein überraschtes Keuchen aus. Ein Beben fuhr durch seinen Körper, bevor dieser ganz schlaff wurde und gegen die Wand sackte, an der Joko ihn mit seinem eigenen Körper noch fester drückte.

Joko fuhr mit der Zunge über die weiche Haut, holte sich zufrieden ein weiteres Keuchen ab und strich mit seinen Fingern über Klaas‘ Oberkörper. Solange schon hatte er genau das hier tun wollen und immer war es ihm verwehrt geblieben. Immer hatte er Klaas‘ Wünsche respektiert, für ihn zurückgesteckt. Immer kam er Klaas entgegen, damit sie nicht streiten mussten. Aber das hier würde er sich nicht nehmen lassen. Nicht heute.

Nicht, wenn Jan ein paar Räume weiter auf Klaas wartete, um mit ihm in die Nacht zu verschwinden.

Betäubt von Klaas‘ Geruch, von dem sich windenden Körper unter ihm, küsste Joko sich seinen Weg herab, ließ seine Lippen über das Schlüsselbein des anderen fahren, stoppte an seiner Brust, seinen Schultern. Er fühlte sich, als hätte er Fieber, während er Klaas‘ Haut erkundete, jede Unebenheit zur Kenntnis nahm, sich jedes Muttermal merkte. Wieder und wieder schoss der Gedanke durch seinen Kopf, dass Klaas niemand anderem erlaubte, ihn so zu spüren.

Das war seins.

„Joko“, stieß Klaas mühsam aus. „Wir können hier nicht…“ Die Worte liefen ins Leere.

„Ich kann sehr wohl“, murmelte Joko erhitzt. Wenn Klaas ihm keine Viertelstunde vor der Visite im Krankenhaus einen blasen durfte, dann durfte Joko sich garantiert dafür revanchieren. Mit dem Knie drückte er die Beine von Klaas auseinander, wanderte tiefer mit der Hand. Er öffnete Knopf und Reißverschluss von Klaas‘ Hose, tastete sich blind vor, da sein Kopf nun wieder in Klaas‘ Halsbeuge vergraben war, und griff nach seinem Schwanz. Ein lautes Stöhnen drang direkt an sein Ohr, als Klaas‘ Kopf nach vorne fiel. Ihre Schläfen berührten sich und Joko musste kurz durchatmen, weil sein Magen bei dem Gefühl nun doch anfing zu kribbeln. Er würde nur den Kopf leicht drehen müssen und dann wären da Klaas‘ Lippen. Nur ein bisschen bewegen und er könnte ihn küssen.

Klaas stieß mit seinem Becken gegen Jokos Hand, feuerte ihn stumm an und Joko ließ seinen vorherigen Gedanken für den Moment los. Er zog Klaas den Schwanz aus der Hose, spuckte demonstrativ in seine Hand und spürte Klaas‘ hitzigen Blick auf ihm, als er anfing, ihn mit hoher Geschwindigkeit zu wichsen. Klaas biss sich auf die Lippe, wand sich wieder ein wenig, als könne er sich nicht entscheiden, wie sehr er sich fallen lassen wollte. Sein Keuchen war gedämpft.

Joko ließ seine Zunge vorschnellen und leckte über die weiche Haut hinter Klaas‘ Ohr. „Lauter“, raunte er ihm zu und Klaas stöhnte, laut und ungehemmt und der Laut schoss Joko direkt in die Lenden. Seine linke Hand gesellte sich zur Rechten, er fuhr mit dem Daumen über die Eichel, während er Klaas weiter rieb, schnell und gezielt. Klaas‘ Kopf schlug heftig gegen die Wand, als er sich zurücklehnte und einen Fluch ausstieß, dem ein weiteres Stöhnen folgte.

Ohne seine Bewegungen einzustellen, wanderte Jokos andere Hand tiefer. Seine Finger umspielten Klaas‘ Hoden, erkundeten die samtige Haut. Er beobachtete sein Gesicht jetzt genau, um herauszufinden, was Klaas besonders erregte. Streichelte sanft und verspielt, nur um im nächsten Moment fest und bestimmt zuzudrücken, und wie immer bevorzugte Klaas die gröberen Bewegungen.

„Gefällt dir das?“, fragte Joko, die Augen auf seinem Gegenüber fixiert, eine Hand erbarmungslos über Klaas‘ Erektion reibend und die andere leicht an seinen Hoden ziehend. Klaas biss sich auf die Zähne, der Kopf schlug wieder gegen die Wand, die Augen waren zusammengepresst. Joko sah ihn an, als wäre es das erste Mal, weil er Klaas noch nie so gesehen hatte. So… unterwürfig.

Jetzt war Joko derjenige, der sich auf die Unterlippe beißen musste, um sich nicht zu verraten. „Komm schon, Klaas“, sagte er stattdessen. „Ich will dich hören.“

Als hätte er einen Knopf gedrückt, von dem Klaas selbst nicht wusste, dass er existierte, klappte diesem der Mund auf. Hemmungslose Geräusche verließen seine Lippen, rau und wimmernd, während er sich Jokos Körper wieder und wieder entgegenbewegte. Klaas so zu sehen, brannte sich direkt und unwiderruflich unter Jokos Haut, es machte seine Bewegungen noch dringlicher, noch fahriger. Seine Finger glitten noch ein wenig tiefer, strichen über die weiche Haut hinter Klaas‘ Hoden und Klaas sog scharf die Luft ein, riss die Augen auf.

„Scheiße, Joko.“ Noch ein Wimmern. Joko hatte das Gefühl, er würde gleich unberührt in seiner Hose abspritzen, wenn Klaas weiterhin so hilflose Laute von sich gab. Er drückte mit den Fingern zu, beobachtete fasziniert Klaas‘ Reaktion „Fuck, ich komm gleich.“

Er streckte sich seinen Händen entgegen, gierig und schamlos, und Joko hatte das Gefühl, komplett durchzudrehen. Wie schon zuvor drängten sich bei Klaas‘ Anblick Gedanken auf, aber diesmal erstickte er sie nicht im Keim, sondern ließ zu, dass sie sich gänzlich entfalten konnten. Er spürte Klaas unter seinen Händen erzittern, konnte ihm die Erregung und Kontrolllosigkeit so deutlich ansehen und er wollte mehr. Er wollte auf die Knie fallen und Klaas einen blasen, bis der kein Wort mehr über die Lippen brachte. Er wollte tiefer gehen, noch ganz andere Ecken von Klaas‘ Körper erkunden, um zu sehen, was ihn geil machte. Er wollte Klaas ficken, genauso, gegen die Wand gepresst, bis sie beide komplett den Verstand verlieren würden, nicht mehr atmen konnten.

Und er wollte Klaas küssen. Er wollte Klaas‘ Stöhnen gegen seine Lippen vibrieren spüren, wenn er kam. Er wollte seinen Atem fühlen, ihn schmecken.

„Klaas“, keuchte er, rieb seinen Schritt kurz an dessen Bein und ließ die Lust verzehrend durch sich strömen. Verzweifelt machte er weiter, wollte Klaas so gut kommen lassen wie nie zuvor, fuhr mit seinem Daumen erneut über Klaas‘ nasse Spitze und presste seinen Zeigefinger fest gegen die Stelle hinter Klaas‘ Hoden. Der stieß einen lauten, hohen Laut aus, seine Finger krallten sich schmerzhaft in Jokos Arm. Sein ganzer Körper schien an der Wand hochzurutschen und mit einem weiteren atemlosen Japsen kam er heftig in Jokos Hand, konnte gar nicht aufhören, ihm entgegenzukommen, spritzte auf seinen Bauch und Jokos Hemd.

Joko zitterte, fühlte seine eigene Erregung durch sich pulsieren, nahm die Erektion wahr, die schmerzhaft gegen seine Hose presste und konnte doch den Blick nicht von Klaas wenden, der sich mit offenem Mund und zusammengepressten Augen in seinem Rausch zu verlieren schien. Der leise keuchte, wieder und wieder, mit bebender Unterlippe und rasendem Atem. Jokos Herzschlag raste bei dem Anblick, er sog es in sich auf und ließ Klaas die Zeit, die er brauchte, bis der langsam wieder zu sich kam und ihn fassungslos anstarrte. Einen langen, atemlosen Moment lang sahen sie sich an, so intensiv, dass Joko leicht zusammenzuckte, als Klaas‘ warme Hand sich auf seine legte und behutsam von seinem Schwanz zog, den er bis eben noch massiert hatte.

„Glaub, du bist fertig.“ Klaas‘ Stimme war kratzig, so belegt, als hätte er den letzten Tag durchgehend gebrüllt. Seine Augen leuchteten hell und wild, die Haare standen ihm vom Kopf ab und seine Zähne gruben sich wieder in die Unterlippe. Und ja, hiervon wollte Joko auf jeden Fall mehr. Hiernach war er sofort süchtig. Das war fast besser, als von Klaas angefasst zu werden. Das war neu, so neu, dass sich in Jokos Kopf alle Einzelteile neu zusammensetzten.

„Das war…“, Klaas unterbrach sich und sah ihn mit funkelnden Augen an. Joko bekam kurz Panik. Hatte er Klaas überrumpelt? War er zu weit gegangen? Hatte er es vermasselt und jetzt würde Klaas ihn nie wieder so nah an sich ranlassen?

Schnell trat er einen Schritt zurück, räusperte sich. „…anders“, beendete er Klaas‘ Satz vorsichtig. Anders war gut. Anders war neutral. Anders schob ihnen keine wertenden Rollen zu.

Klaas musterte ihn eindringlich, wie nur er es konnte. „Anders“, bestätigte er. Es klang wie ein Friedensangebot. Er begann sich anzuziehen, war dabei wie immer flink und ergebnisorientiert, und kurz durchzuckte Joko der Gedanke, dass Klaas ihm genauso einen geblasen hatte: schnell und humorlos. Und doch so verdammt einzigartig, so verdammt gut. Er schnaubte bei dem Gedanken, vor allem, weil seine Jeans dadurch noch unangenehmer spannte.

Sein Gegenüber ignorierte das Geräusch beflissen, war wie immer darauf bedacht, dem Ganzen möglichst schnell ein Ende zu setzten, bevor Joko in Versuchung kam, etwas Dummes zu tun. Joko war klar, dass er der Grund für Klaas‘ Hektik war. Er traute Joko in diesen Momenten nicht über den Weg, weil er ihn zu gut kannte. Weil Joko vor Erregung die Gedanken schwirrten, in ihm neue Reize auslösten. Weil er Klaas am liebsten umarmt und gehalten hätte. Weil er Klaas am liebsten küssen würde, da er von unaufhaltsamer Zuneigung für ihn überschwemmt wurde.

Klaas, mittlerweile wieder vollständig hergerichtet, obwohl die Haare ein wenig platt und wirr auf seinem Kopf lagen, brummte ihm ein „Muss dann mal“ zu und schob sich an ihm vorbei. Er drückte kurz Jokos Schulter, eine ungewohnt sanfte und freundschaftliche Geste und Gott, Joko wollte ihn einfach nur an sich drücken und ihm sagen, wie viel er ihm bedeutete. Er hatte es ihm im Krankenhaus sagen wollen, als Klaas seine Hand genommen hatte, den Blick völlig untypisch voll ungefilterter Emotionen. Oder am nächsten Tag, als er ihn besuchen gekommen war, als er ihn berührt hatte, bis er in völlig neue Sphären katapultiert worden war. Aber Klaas wollte das nicht hören, er wollte nur raus, zu seinem Freund Jan, mit dem er freiwillig den Abend verbrachte.

Joko überging den Stich in seiner Brust.

Es war, wie es war.

„Klaas“, sagte er schließlich doch, bevor er darüber nachdenken konnte und grinste leicht. „Ich hab‘n Ständer.“

Klaas drehte sich auf dem Absatz um und starrte ihn an. Seine Brauen schossen überrascht in die Höhe, dann lachte er ungläubig. Seine Augen glitten zu Jokos Schritt, bevor sie wieder seinen Blick fanden und erwiderten. Langsam fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen.

Joko brannte lichterloh, aber Klaas grinste ihm nur schadenfroh zu.

„Nächstes Mal“, sagte er und drückte die Klinke hinunter, um aus dem Raum zu huschen.

Sie küssten sich nicht.



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