Tausendmal Berührt [Teil I]
von ninarina
Kurzbeschreibung
"Er brauchte Joko. Beruflich, das hatte er schon zu MTV Home Zeiten verstanden. Körperlich, das war sich ein wenig schwerer einzugestehen. Aber seelisch, emotional, das war für Klaas, für sein rational getriebenes Hirn, absolut inakzeptabel." — Was wäre, wenn es wirklich so wäre? Joko & Klaas. Damals und Heute. [Teil I von II]
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
14.06.2021
29.01.2022
20
134.433
126
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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22.06.2021
3.980
Tausend Dank für die lieben Rückmeldungen zum ersten Kapitel, ich habe nicht damit gerechnet, schon so früh mehr als einen ausführlichen Kommentar zu bekommen und hab ich echt sehr darüber gefreut. Ich wollte ja eigentlich nach Jahren splitten, habe aber dann gemerkt, dass Klaas' Sicht zumindest für dieses Mal besser funktioniert, wenn sie für sich steht. Dementsprechend wünsche ich viel Spaß mit Teil zwei.
MTV Home, März 2011
Es passierte wieder nach der letzten MTV Home Folge.
Klaas wusste, dass es vermutlich nicht die beste Idee war, Joko nach Drehschluss nah zu sein. Joko hatte in letzter Zeit viel gestrauchelt, war durch den plötzlichen Rausschmiss und das Ende ihrer Sendung deutlich aus dem Tritt geraten. Überraschen tat Klaas das nicht. Joko war Vater, hatte Freundin und Baby zuhause in einer Wohnung, die er sich gerade so leisten konnte. Und er ließ sich generell leichter verunsichern, nahm sich alles mehr zu Herzen.
Aber den Rausschmiss, den nahmen sie beide persönlich. Da war Klaas nicht besser als Joko. Es ging schließlich nicht nur um sie. Das ganze Team war hochkant rausgeflogen. Das waren Menschen, mit denen Klaas gerne zusammenarbeitete, mit denen er über Konzepten und Moderationen gebrütet hatte und die ihn selbst im größten Stress noch zum Lachen bringen konnten. Jeden einzelnen seiner Kollegen hatten desinteressierte MTV-Geschäftsführer aus der Ferne gefeuert; ihre Namen von der Liste gestrichen, als hätten sie sich nicht den Arsch aufgerissen, um noch ein wenig auf dem Schiff zu tanzen, bevor es ganz unterging.
Joko und Klaas hatten sich an dem Tag, an dem sie von ihrem Ende als MTV-Moderatoren erfahren hatten, so sehr aus dem Leben geschossen wie selten zuvor. Joko hatte erst am nächsten Nachmittag lang genug ohne zu Kotzen auf den Beinen bleiben können, sodass er Klaas‘ Wohnung verlassen konnte. Aber den Deal, den sie im Suff geschlossen hatten, den vergaß keiner. Sie würden gemeinsam weitermachen. Klaas konnte nicht benennen, was das mit Joko war, aber es funktionierte zu gut, um es aufzugeben. Es war genau die richtige Mischung aus Harmonie und Pulverfass, die sie medienwirksam nutzen konnten, um die nächsten Schritte zu gehen. Er hatte das Gefühl, sie waren es sich selbst – und ihrem Team – schuldig, jetzt nicht sang- und klanglos in der Belanglosigkeit zu verschwinden, sondern sich in den Köpfen aller festzusetzten. Und so setzten sie alle Hebel in Bewegung, nutzen ihre Zusammenarbeit mit ProSieben, unterschrieben Werbeverträge, allen voran den mit der Sparkasse.
Sie taten alles, um auffällig zu bleiben.
Es war ein Sprung ins Ungewisse, das wusste Klaas. Sie setzten alles auf eine Karte. Gingen das Risiko ein, um weiter zusammen zu arbeiten, anstatt es allein zu versuchen. Oft fragte er sich, wieso ausgerechnet er freiwillig die Doppelmoderation wählte, anstatt beispielsweise den Traum seiner eigenen Late Night Show zu verfolgen. Und die Antwort lief ihm leider sehr auffällig, sehr laut und viel zu kuschelbedürftig vor der Nase herum.
Die Antwort war Joko.
Joko, der gerade jeden einzelnen vom Team in eine herzliche Umarmung zog, für jeden die richtigen Worte fand, sie aufmunterte, ihnen zusprach. Klaas hingegen stand mit verschränkten Armen neben Thomas Schmitt und sah ihm dabei zu. Thomas warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und bat ihm dann stumm eine Zigarette an.
„Was wollen die schon tun, wenn wir jetzt hier rauchen? Uns feuern?“, kommentierte er Klaas‘ fragenden Blick und der stieß ein ehrliches Lachen aus, obwohl nichts an ihrer Situation so wirklich lustig war. Sie rauchten in leiser Zweisamkeit, beobachteten ihre Kollegen, die um sie herumwuselten und sich in den Armen lagen.
„Wir wollen dich dabeihaben, Joko und ich“, sagte Klaas unvermittelt. „Ich denke, das ist offensichtlich, aber ich sag’s zur Sicherheit trotzdem. Wir ziehen unser eigenes Ding durch und wollen jeden mitnehmen, der mitkommen will. Uns ist klar, dass das nicht bei allen funktionieren wird und das ist okay, aber dich brauchen wir schon, wenn wir uns nicht nach zwei Tagen ermorden wollen.“
Thomas stieß schnaubend den Rauch durch die Nase aus. „Das hätte mir im Studium mal jemand sagen können, dass ich als Paartherapeut für so zwei komische Vögel ausm Musikfernsehen ende.“
„Ich mein‘ das Ernst, Schmitt“, sagte Klaas. „Joko und ich haben darüber geredet. Du weißt selbst, dass wir gerade dabei waren, uns hier etwas Echtes aufzubauen, bevor die uns den Stecker gezogen haben. Und mit uns meine ich dich, mich und Joko. Wir wollen uns das nicht nehmen lassen, nur weil die da oben entschieden haben, dass die keinen Bock mehr auf uns haben. Da gibt es andere, die schon noch Bock haben.“
Thomas sah ihn fragend an und Klaas nickte. „ZDF zeigt immer noch Interesse. Die wollen uns haben. Mit allem Drum und Dran, mit Konzept und eigener Sendung. Aber wir wollten keine tieferen Gespräche führen, bis wir nicht wissen, ob du mitkommst.“
„Wo soll ich sonst hin?“, brummte Thomas mürrisch, doch Klaas sah das Lächeln, das an seinen Mundwinkeln zupfte. „Und bis dahin? Oder wenn das nichts wird?“
Klaas seufzte. „Das werden wir sehen.“
„Also erstmal Giro sucht Hero?“
„Den Spott kannste dir sparen, Schmitt, du wirst den Scheiß mit uns machen müssen“, grinste Klaas und sah wieder zu Joko herüber. „Immerhin ist es ein großer Werbevertrag mit stetigem Einkommen. Und immer noch besser als Müllermilch.“
Das brachte Thomas endgültig zum Lachen. „Besser als Müllermilch allemal.“ Er drückte die Zigarette auf dem Kuchenteller neben sich aus und räusperte sich. „Mal ganz im Ernst, Klaas. Natürlich komme ich mit. Ich glaube an euch, an dich und Joko. Das ist was Besonderes, das ihr miteinander habt und ich wäre ein Volltrottel, wenn ich den Weg nicht weiter mit euch gehen würde. Professionell gesehen sowieso, aber vor allem menschlich.“
Besonders. Das beschrieb das Verhältnis zwischen ihm und Joko vielleicht wirklich am besten, dachte Klaas. Es war besonders. Er hatte keinen Vergleich, da war keine andere Beziehung in seinem Leben oder in seinem Umfeld, die der von ihm und Joko auch nur im Ansatz ähnelte. Und Klaas konnte nicht umhin, Joko anzuschauen und darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht einfach nur Joko war, dessen Ausstrahlung allein sie beide so wirken ließ, wie sie wirkten.
Thomas beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, schmunzelte leicht. „Joko“, rief er dann plötzlich und winkte den Größeren zu ihnen herüber. Joko löste sich von Palina und schritt auf sie zu, strich sich gedankenverloren durch die langen Haare und dann kurz über das Gesicht. Klaas konnte die Tränen der letzten halben Stunde immer noch in seinen rötlichen Augen schimmern sehen. Sie hatten die letzte Maz gemeinsam mit dem Team geschaut. Joko hatte ihm einen Arm um die Schulter geschlungen und ihn eng an sich gezogen, hatte in sein Ohr geschnieft und geweint, während sie sich selbst und Palina dabei zusahen, begleitet von Sia’s Breathe Me mit dem Auto das Studio hinter sich zu lassen. Und Klaas hatte ihn gelassen, hatte ihnen beiden diesen Moment der Zweisamkeit inmitten des Sturms aus Unsicherheit und Schwermut erlaubt, hatte zugelassen, dass sich das Lied unwiderruflich unter seine Haut brannte, so wie Joko es getan hatte.
So wie Joko es immer schon getan hatte, aber vor allem während der denkwürdigen Gumball Woche, über die sie nie wieder ein Wort verloren hatten. Es gab nichts, das Klaas in seinem Leben mehr bereute als Amsterdam. Amsterdam, und Stockholm, und Toronto natürlich auch. Er bereute es, weil er es nicht bereute, weil er und Joko das Unmögliche geschafft hatten und danach weiterhin normal miteinander umgegangen waren und weil das wiederum neue Fragen und Möglichkeiten aufwarf. Klaas hatte sich in dieser einen Woche erlaubt, seinem Instinkt zu folgen und der hatte ihn geradewegs mit dem Winterscheidt in die Kiste geführt, und das mehrmals. Es war einfach gewesen. Aufregend. Berauschend. Natürlich. Als wäre es das Normalste der Welt.
Und bevor er sich noch weiter in diesem Netz verstricken konnte, in dem es sich normal anfühlte, Joko Winterscheidt einen runterzuholen, hatte Klaas die Reißleine gezogen. Die Nächte waren unkommentiert geblieben und Joko hatte es akzeptiert. Nur leider kam dieser grade mit einem breiten Grinsen und melancholischer Sehnsucht in den Augen auf ihn zu und Klaas fühlte sich heute selber zu weich, um dem groß entgegenhalten zu können.
„Na, was steht ihr Umarmungs-Phobiker hier an der Seite und raucht?“, bemerkte Joko süffisant, als er zu ihnen aufschloss.
„Klaas hat mich nur in eure Pläne eingeweiht, wie ihr zu zweit die Fernsehwelt auf den Kopf stellen wollt.“
Joko zuckte großspurig mit den Schultern. „Haben wir doch schon längst.“
Klaas konnte sich sein eigenes Grinsen nicht mehr verkneifen. Ja verdammt, das hatten sie. In dem kleinen Rahmen ihrer Möglichkeiten hatten sie aus dem Vollen geschöpft und sie wollten noch so, so viel mehr.
„Wie auch immer“, fuhr Thomas fort. „Irgendjemand muss euch ja ein wenig auf dem Teppich halten, damit ihr nicht völlig eurem gemeinsamen Größenwahnsinn verfallt. Und bevor es eine andere arme Sau machen muss, mach ich’s lieber selbst.“
Jokos Grinsen wurde eine Spur breiter, aber auch sanfter, als er Thomas in eine herzliche Umarmung zog und seiner Freude Luft machte. „Das wird mega, Schmitti. Erst machen wir die von der Sparkasse ein bisschen wuschig und dann ist das ZDF an der Reihe.“
„Ich hab‘ jetzt schon Kopfschmerzen“, grunzte Thomas und stieß Joko sachte, aber bestimmt von sich.
Sie blieben noch eine Weile so stehen, tranken das ein oder andere Bier, faselten vom großen Fernsehen und verabschiedeten sich nach und nach von ihren Mitarbeitern. Die Stimmung war gelöst, nicht zu vergleichen mit den Wochen davor, die von Verzweiflung und Zukunftsängsten und dem Schock geprägt gewesen waren. So langsam kamen sie alle wieder auf Spur, fanden neue Wege und schöpften neuen Mut.
„Wird ‘ne harte Zeit, Klaasi“, murmelte Joko irgendwann, nachdem nur noch vereinzelt Leute um sie herumstanden und selbst Thomas das Weite gesucht hatte. Klaas nickte. Ihre Aussichten waren nicht schlecht, aber sie standen auf wackeligen Beinen und eine falsche Bewegung würde alles zum Einsturz bringen. Die nächsten Monate würde zu einer Zerreißprobe werden und sie würden sich dauerhaft aufeinander stützen müssen, um dorthin zu gelangen, wo sie hinwollten.
„Komm.“ Joko stieß ihn leicht mit seiner Schulter an. „Wir holen unsere Sachen.“
Die kleine Garderobe, die sie sich die letzten zwei Jahre geteilt hatten, empfing sie still und leer und Klaas‘ Magen zog sich bei dem Anblick leicht zusammen. Das hässliche Sofa mit den Ketchup-Flecken stand noch, ebenso wie der Spiegel und eine unechte Topfpflanze, aber ansonsten wirkte die Garderobe seltsam verlassen, so als würde sie bereits von einer Vergangenheit erzählen, die noch nicht eingetroffen war. Klaas war versucht, einfach seine Tasche zu greifen und den Raum, genauso wie das Studio und das Kapitel MTV-Home, schnellstens hinter sich zu lassen. Er war bereits dabei, seine letzten Sachen in die Tasche zu stopfen, als ihn etwas aufhielt.
Joko.
Natürlich Joko.
Der hatte sich auf der Kante des Sofas niedergelassen und stierte nachdenklich aus dem Fenster.
„Alles klar?“, fragte Klaas, ohne wirklich eine Antwort zu wollen oder aufzuhören, seine Ersatzschuhe in die Seitentasche zu quetschen.
„Denkst du manchmal an Gumball?“, fragte Joko so unvermittelt zurück, dass Klaas mitten in der Bewegung erstarrte.
Ein paar qualvolle Sekunden verstrichen, in denen eine gähnende Leere in Klaas‘ Kopf herrschte. „Nein“, sagte er dann bloß.
„Lügner“, erwiderte Joko nur. So, als würden sie einfach nur über das Wetter reden.
„Was willst du, Joko?“, blaffte Klaas ihn gereizt an. Er spürte das Kribbeln unter seiner Haut. Da war ein allzu bekanntes Verlangen, die Finger nach Joko auszustrecken und ihn zu berühren, weil es andersherum nicht möglich war. Weil er sich betont lässig selbst erzählen konnte, dass nichts dabei war, Joko ab und zu einen runterzuholen, wenn diese undefinierbare Spannung zwischen ihnen mal wieder überhandnahm. Weil alles andere ihm zu viel Angst machte. Weil alles andere bedeutete, Kontrolle abzugeben und er dazu nicht bereit war.
Kontrolle war gut. Kontrolle war sicher.
Kontrolle hatte ihn bis hierhin gebracht.
Joko warf ihm einen Blick zu, einen kurzen nur, aber er verfehlte sein Ziel nicht, genauso wenig wie seine nächsten Worte. „Ich glaube, du möchtest nicht wissen, was ich grade will.“
Die Hitze kroch Klaas in den Nacken, heiß und schnell.
Das war ein brandgefährliches Pflaster, auf dem sie sich hier bewegten. Gumball konnte man immer noch auf den Alkohol schieben, auf die Tatsache, dass sie Tag und Nacht aufeinander gehockt und einfach Druck gehabt hatten. Gumball konnte eine klassische What happens in Vegas, stays in Vegas Erinnerung werden, die einem irgendwann vorkam wie ein unwirklicher Traum. Und vor allem hatte Joko sich nicht schuldig gemacht. Klaas hatte angefangen, Klaas hatte ihn angefasst, nicht andersherum. Joko hatte danach in sein Leben zurückgehen können, ohne sich Vorwürfe machen zu müssen.
So war es zumindest von Klaas geplant gewesen.
Aber das Gefühl der Spannung zwischen ihnen, dieses gegenseitige Abtasten, das Provozieren, das hatte nicht aufgehört; im Gegenteil, Klaas hatte oft den Eindruck, dass da von Tag zu Tag mehr Funken durch die Luft stoben, desto länger sie nicht darauf eingingen.
Auch jetzt wollte er es ignorieren. Diesen Berg an Anspannung, der sich zwischen ihnen aufgeladen hatte und nach einer Form von Erlösung schrie.
Da waren so viele Möglichkeiten.
Er musste sich einfach nur umdrehen und gehen.
Da war so viel zu entdecken.
Joko würde ihn vermutlich nie wieder darauf ansprechen, wenn Klaas ihn heute abblitzen ließ. Der Berg würde in sich zusammenfallen, die Spannung würde weichen.
Da war so ein Reiz, sich einfach gehen zu lassen.
Er musste bloß die Tür hinter sich schließen, und das Thema wäre für immer begraben.
Loszulassen und zu sehen, wie tief man fiel.
Jokos Blick traf seinen. „Klaas“, sagte er nur, ganz ruhig, ganz ohne Klamauk.
„Scheiße“, sagte Klaas.
Verdammte Scheiße, dachte er, ging auf ihn zu und griff in Jokos Haare. Seine Finger glitten durch die blonden Strähnen, bevor er zupackte und Jokos Kopf leicht nach hinten zog.
Sie sahen sich an.
Joko kam ihm näher und Klaas drehte den Kopf hastig ein wenig weg, versuchte ihn abzulenken, indem er mit ruhelosen Händen über seinen Körper fuhr, ihn noch stärker auf das Sofa drückte und frustriert aufatmete, weil Joko auf der Lehne wenig Halt finden würde. Wie die letzten Male setzte sich dieser Gedanke in Klaas fest, dass sie nur heile aus der ganzen Sache rauskommen würden, wenn Klaas den Ton angab, wenn er Joko mit Reizen überflutete und ihm nicht die Gelegenheit ließ, einen klaren Gedanken zu fassen.
Er versuchte es genau so. Mit Joko auf der zerfledderten Lehne sitzend, der stumm seine Beine öffnete und ihn dazwischentreten ließ, ihn aber aufmerksam beobachtete. Nicht so wie beim letzten Mal, sondern eher… lauernd. Als würde sich ein Gedanke in seinem Kopf bilden, der dort nichts zu suchen hatte. Hektisch griff Klaas nach Jokos weißem Shirt, zog es ein wenig hoch und glitt mit seinen Fingern über die weiche Haut. Er ignorierte Jokos stechenden Blick, weil der ihn machen ließ, ihm erlaubte, erst seinen Gürtel und dann seine Hose zu öffnen. Joko sagte sogar nichts, als Klaas seine Hand unwirsch abschüttelte, bevor sie sich ganz auf Klaas‘ Hüfte legen konnte. Und doch, das konnte er spüren, gelang es ihm diesmal nicht, Joko zu überwältigen, wie es ihm die anderen Male möglich gewesen war.
Joko ließ ihn machen, bis Klaas seinen Schwanz in der Hand hatte und ihn ungeduldig rieb, erregt feststellte, dass Joko seiner Hand wieder entgegenkam, aber das Gefühl nicht loswurde, dass dieser nicht ganz bei der Sache war.
„Klaas“, hörte er da auch schon, und er wusste, wonach Joko ihn fragte. Er wollte Augenkontakt. Er wollte herausfinden, was hier lief. Klaas reagierte nicht, drehte sein Handgelenk und unterdrückte sein eigenes Verlangen, dass mit jedem Atemzug schneller durch seinen Körper schoss. Joko stöhnte auf, drängte sich ihm noch einmal entgegen, und Klaas war schon fast überzeugt, gewonnen zu haben, als er Jokos Fingerspitzen wahrnahm, die gegen sein Kinn stupsen. Bevor er darüber nachdenken konnte, hob er den Kopf und war Jokos Augen ausgeliefert.
Joko murmelte wieder seinen Namen und Klaas‘ Mund wurde ganz trocken. „Was?“, blaffte er, versuchte seiner Stimme einen möglichst genervten Klang zu geben. In der Realität klang es eher atemlos, vielleicht sogar ein wenig unsicher.
Die sonst so sanften Augen seines Gegenübers schienen vor Determination fast zu lodern. Eine Hand legte sich in seinen Nacken und Klaas war irgendwo zwischen dem Drang, der Berührung auszuweichen oder sich ihr entgegenzulehnen, gefangen. „Ich will, dass du auch kommst.“
„Fuck.“ Es rutschte ihm einfach so raus, denn viel mehr war da nicht mehr in Klaas‘ Kopf. Bloß ein einziges, großes Fuck, weil er verstand, dass er Jokos Worten und noch viel mehr Jokos Händen nicht länger wiederstehen konnte. Er hatte es aus gutem Grund vermieden, sich bis zum heutigen Tag von ihm anfassen zu lassen. Denn wenn Klaas eines nicht wollte, dann war das ganz klar, unter Jokos Händen zu zerfallen. Diese Genugtuung, diese Macht würde er niemals jemandem geben, schon gar nicht Joko. Aber die Versuchung war verdammt groß.
„Bitte“, hauchte Joko gegen seine Lippen und die Gänsehaut, die sich dank der Nähe ihrer Münder auf Klaas‘ ganzem Körper ausbreitete, war nichts gegen die Panik, die in selbem Moment zielsicher in seinen Kopf schoss und sich dort entfaltete. Er zuckte leicht zurück, nahm seine Hände von Jokos Schritt, um ihn stattdessen an den Schultern ein Stück zurückzuschieben und nach Luft zu schnappen. Natürlich war Joko nichts davon entgangen und Klaas hasste die Unsicherheit, die unter seinem taxierenden Blick durch ihn rauschte und ihn nicht mehr klar denken ließ. Alles kam nur noch verspätet an, drang mit Verzögerung zu seinem Hirn durch und so verpasste er den entscheidenden Moment, einen Schritt zurückzuweichen und zu verhindern, dass Jokos Hände über seinen Hals und das Schlüsselbein strichen, bevor sie sich seinem Oberkörper widmeten und langsam unter das Hemd schlüpften.
Jokos Intensität, mit der er gerne jede Situation in seinem Leben bewältigte, spiegelte sich auch in seinen Berührungen auf Klaas‘ Haut wider. Joko liebte es, ganz in der Emotionalität der Dinge aufzugehen, und mit der gleichen Motivation glitten seine Fingerkuppen über Klaas, über seine Brust, seinen Bauch, über die weiche, sensible Haut in der Nähe seines Gürtels. Es war nicht auszuhalten. Aber es war auch unwiderstehlich. Also tat Klaas das Einzige, was er tun konnte. Er griff nach Jokos Hand und führte sie, damit er wenigstens noch den Überrest der Kontrolle behielt, die ihm mit jeder Sekunde mehr durch die Finger rann.
Ihre Blicke trafen sich kurz, aber es reichte aus, um Klaas einen Schauder über den Rücken zu jagen, da er Jokos Hand in derselben Sekunde zu seiner Hose führte. Sie atmeten gleichzeitig aus, blickten runter auf Klaas‘ Schritt und sahen dabei zu, wie Jokos Finger unter der Hand von Klaas vorsichtig über die Erektion strich. Und leider machte ihn das viel zu sehr an.
Joko griff fester zu, seine Augen ruhten nun wieder auf Klaas‘ Gesicht, schienen immer noch vor Verlangen zu brennen, als sich ein Stöhnen von Klaas‘ Lippen stahl. Überwältigt schloss Klaas die Augen. Er ritt sich hier gehörig in die Scheiße, aber jetzt war es viel zu spät, um aufzuhören. Da half nur, es möglichst schnell zu beenden. Seine Hand drückte die von Joko kurz bestimmt, und der stellte seine Bewegungen sofort ein, ließ sich weiter von ihm führen, öffnete unter Klaas stummer Anweisung kurzerhand seinen Gürtel. Klaas konnte ein weiteres Keuchen nicht verhindern, als Jokos lange Finger sich sofort an seinem Knopf und Reißverschluss zu schaffen machten.
Er vergaß, ihn weiter zu dirigieren, legte den Kopf in den Nacken und genoss das Gefühl der Fingerkuppen auf der erhitzten Haut. Joko zog ihm die Hose bis in die Kniekehlen und dann ging es plötzlich ganz schnell. Seine rechte Hand, auf der die linke von Klaas immer noch vergessen lag, bewegte sich über der Boxershorts an seinem steifen Schwanz entlang, während die Linke unter die Shorts und direkt auf Klaas‘ Hintern glitt und zudrückte.
Für einen Moment vergaß Klaas völlig, wo er gerade war und wer ihn berührte. Die Realität kippte weg. Das Verlangen stob ihm bis in die Fingerspitzen, ließ ihn laut fluchen und nicht minder laut stöhnen, als die Bewegungen an seinem Schwanz und Hintern mutiger wurden, die Boxershorts ganz heruntergezogen wurde und die Finger auf einmal überall waren. An seinem Steiß, an seinem Schwanz, an seinem Hoden. Halt suchend griff Klaas nach vorne und fand eine Schulter, in die er seine Finger krallen konnte. Sein Kopf fiel auf die Brust und erst als er seine Augen minimal öffnete und er das Bild sah, dass sich ihm bot, fand er wieder zu sich.
Joko saß immer noch auf der Lehne, die Augen erregt auf Klaas‘ Mitte gerichtet, während sein eigener Schwanz vergessen auf seinem Bauch lag. Seine Finger hatten sich jetzt endgültig um Klaas‘ Erektion geschlossen und wichsten ihn schnell und erbarmungslos, aber es war Jokos andere Hand, die ihm immer noch über den Hintern fuhr, die Klaas völlig aus dem Leben katapultierte. Er war zu erregt, um sich zu fragen warum, es war zu spät für Scham oder Zurückhaltung. Er wusste, dass er nicht mehr lange brauchen würde.
„Joko“, raunte er unwillkürlich und Jokos Augen schossen zu ihm hoch, ihre Blicke verhakten sich ineinander und Klaas griff blind nach Jokos Schwanz, und wenn es nur war, um zu sehen, wie Joko überrascht der Mund aufklappte. Sie stöhnten gemeinsam auf, Klaas‘ Fingernägel gruben sich heftig in Jokos Schulter und er stieß sein Becken einmal mit aller Kraft nach vorne, als sein Orgasmus ihn überrollte. Alles, was er tun konnte, war Jokos Hand weiterhin entgegenzukommen und gleichzeitig seine Faust ein wenig zu verengen, sodass Joko nach Luft schnappte und diese leisen Laute von sich gab, die Klaas schon kannte. Es waren die Geräusche, die er machte, kurz bevor er kam.
Völlig in seiner eigenen Lust gefangen, keuchte Klaas noch einmal laut. Denn der Gedanke, dass er wusste, wie Joko klang, wenn er kam, war zu viel für ihn. Es gab ihm die Energie, die er brauchte, um Joko zügig und effektiv zum Abspritzen zu bringen, auch wenn er selbst am ganz Körper zitterte.
Erschöpft lehnte er sich mit seinem Arm auf Jokos Schulter, ließ ihm die Zeit, die er brauchte, um wieder runterzukommen; musste sich ehrlich eingestehen, dass er die Zeit selbst brauchte. Seine Gedanken waren nichts als nebulöse Schwaden erfüllten Verlangens und das kurze Aufblitzen des Wunsches, Joko jetzt in den Arm zu nehmen.
Ein wenig erschrocken von seiner eigenen Sentimentalität drückte er noch einmal etwas unbeholfen Jokos Schulter und löste sich dann von ihm. Mit einem Räuspern begann er in seiner Tasche nach Tüchern zu kramen, damit sie sich wenigstens ein bisschen säubern konnten. Im Endeffekt reichte Joko ihm schulterzuckend ein altes Hemd und Klaas nahm es dankbar entgegen. Es hatte sich wieder eine Stille über den Raum gelegt, unterbrochen nur von dem Klimpern ihrer Gürtelschnallen und der leichten Asynchronität ihres Atems, der sich nur langsam wieder regulierte.
Klaas war als erster fertig und wollte nur raus. Weg von Jokos Intensität und seinen Blicken, raus aus der Garderobe und dem Studio.
Für sie begann jetzt ein neues Kapitel.
Vielleicht wäre es besser, wenn sich das hier nie mehr wiederholen würde.
Ein Blick in Jokos Gesicht reichte, um zu wissen, dass das nichts weiter war als Fantasie.
Klaas hatte Joko für wenige Minuten Freiraum gegeben und damit unwissentlich eine Lawine losgetreten, die sich nun nicht mehr aufhalten ließ. Joko wollte ihn, er wollte Joko.
Sie mussten das hinbekommen, irgendwie.
„Alles klar?“, fragte er leise, zum zweiten Mal an diesem Tag, und warf sich seine Tasche über die Schulter.
Für einen unendlich wirkenden Moment sah Joko ihn mit einem unergründlichen Blick an.
Dann nickte er vorsichtig. „Wird schon schiefgehen, ne?“
Ja, dachte Klaas, als er das Gebäude verließ und sich sofort eine Zigarette anzündete. Ja, es wird schon schiefgehen.
Part 2: Feel You Running On My Mind
Think about you most of the time,
Then I think about losing my mind
I want to stop before we’re caught,
But don’t stop, don’t stop, don't stop
(Sick Thoughts – Deep Version by Lewis Blissett)
(Sick Thoughts – Deep Version by Lewis Blissett)
MTV Home, März 2011
Es passierte wieder nach der letzten MTV Home Folge.
Klaas wusste, dass es vermutlich nicht die beste Idee war, Joko nach Drehschluss nah zu sein. Joko hatte in letzter Zeit viel gestrauchelt, war durch den plötzlichen Rausschmiss und das Ende ihrer Sendung deutlich aus dem Tritt geraten. Überraschen tat Klaas das nicht. Joko war Vater, hatte Freundin und Baby zuhause in einer Wohnung, die er sich gerade so leisten konnte. Und er ließ sich generell leichter verunsichern, nahm sich alles mehr zu Herzen.
Aber den Rausschmiss, den nahmen sie beide persönlich. Da war Klaas nicht besser als Joko. Es ging schließlich nicht nur um sie. Das ganze Team war hochkant rausgeflogen. Das waren Menschen, mit denen Klaas gerne zusammenarbeitete, mit denen er über Konzepten und Moderationen gebrütet hatte und die ihn selbst im größten Stress noch zum Lachen bringen konnten. Jeden einzelnen seiner Kollegen hatten desinteressierte MTV-Geschäftsführer aus der Ferne gefeuert; ihre Namen von der Liste gestrichen, als hätten sie sich nicht den Arsch aufgerissen, um noch ein wenig auf dem Schiff zu tanzen, bevor es ganz unterging.
Joko und Klaas hatten sich an dem Tag, an dem sie von ihrem Ende als MTV-Moderatoren erfahren hatten, so sehr aus dem Leben geschossen wie selten zuvor. Joko hatte erst am nächsten Nachmittag lang genug ohne zu Kotzen auf den Beinen bleiben können, sodass er Klaas‘ Wohnung verlassen konnte. Aber den Deal, den sie im Suff geschlossen hatten, den vergaß keiner. Sie würden gemeinsam weitermachen. Klaas konnte nicht benennen, was das mit Joko war, aber es funktionierte zu gut, um es aufzugeben. Es war genau die richtige Mischung aus Harmonie und Pulverfass, die sie medienwirksam nutzen konnten, um die nächsten Schritte zu gehen. Er hatte das Gefühl, sie waren es sich selbst – und ihrem Team – schuldig, jetzt nicht sang- und klanglos in der Belanglosigkeit zu verschwinden, sondern sich in den Köpfen aller festzusetzten. Und so setzten sie alle Hebel in Bewegung, nutzen ihre Zusammenarbeit mit ProSieben, unterschrieben Werbeverträge, allen voran den mit der Sparkasse.
Sie taten alles, um auffällig zu bleiben.
Es war ein Sprung ins Ungewisse, das wusste Klaas. Sie setzten alles auf eine Karte. Gingen das Risiko ein, um weiter zusammen zu arbeiten, anstatt es allein zu versuchen. Oft fragte er sich, wieso ausgerechnet er freiwillig die Doppelmoderation wählte, anstatt beispielsweise den Traum seiner eigenen Late Night Show zu verfolgen. Und die Antwort lief ihm leider sehr auffällig, sehr laut und viel zu kuschelbedürftig vor der Nase herum.
Die Antwort war Joko.
Joko, der gerade jeden einzelnen vom Team in eine herzliche Umarmung zog, für jeden die richtigen Worte fand, sie aufmunterte, ihnen zusprach. Klaas hingegen stand mit verschränkten Armen neben Thomas Schmitt und sah ihm dabei zu. Thomas warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und bat ihm dann stumm eine Zigarette an.
„Was wollen die schon tun, wenn wir jetzt hier rauchen? Uns feuern?“, kommentierte er Klaas‘ fragenden Blick und der stieß ein ehrliches Lachen aus, obwohl nichts an ihrer Situation so wirklich lustig war. Sie rauchten in leiser Zweisamkeit, beobachteten ihre Kollegen, die um sie herumwuselten und sich in den Armen lagen.
„Wir wollen dich dabeihaben, Joko und ich“, sagte Klaas unvermittelt. „Ich denke, das ist offensichtlich, aber ich sag’s zur Sicherheit trotzdem. Wir ziehen unser eigenes Ding durch und wollen jeden mitnehmen, der mitkommen will. Uns ist klar, dass das nicht bei allen funktionieren wird und das ist okay, aber dich brauchen wir schon, wenn wir uns nicht nach zwei Tagen ermorden wollen.“
Thomas stieß schnaubend den Rauch durch die Nase aus. „Das hätte mir im Studium mal jemand sagen können, dass ich als Paartherapeut für so zwei komische Vögel ausm Musikfernsehen ende.“
„Ich mein‘ das Ernst, Schmitt“, sagte Klaas. „Joko und ich haben darüber geredet. Du weißt selbst, dass wir gerade dabei waren, uns hier etwas Echtes aufzubauen, bevor die uns den Stecker gezogen haben. Und mit uns meine ich dich, mich und Joko. Wir wollen uns das nicht nehmen lassen, nur weil die da oben entschieden haben, dass die keinen Bock mehr auf uns haben. Da gibt es andere, die schon noch Bock haben.“
Thomas sah ihn fragend an und Klaas nickte. „ZDF zeigt immer noch Interesse. Die wollen uns haben. Mit allem Drum und Dran, mit Konzept und eigener Sendung. Aber wir wollten keine tieferen Gespräche führen, bis wir nicht wissen, ob du mitkommst.“
„Wo soll ich sonst hin?“, brummte Thomas mürrisch, doch Klaas sah das Lächeln, das an seinen Mundwinkeln zupfte. „Und bis dahin? Oder wenn das nichts wird?“
Klaas seufzte. „Das werden wir sehen.“
„Also erstmal Giro sucht Hero?“
„Den Spott kannste dir sparen, Schmitt, du wirst den Scheiß mit uns machen müssen“, grinste Klaas und sah wieder zu Joko herüber. „Immerhin ist es ein großer Werbevertrag mit stetigem Einkommen. Und immer noch besser als Müllermilch.“
Das brachte Thomas endgültig zum Lachen. „Besser als Müllermilch allemal.“ Er drückte die Zigarette auf dem Kuchenteller neben sich aus und räusperte sich. „Mal ganz im Ernst, Klaas. Natürlich komme ich mit. Ich glaube an euch, an dich und Joko. Das ist was Besonderes, das ihr miteinander habt und ich wäre ein Volltrottel, wenn ich den Weg nicht weiter mit euch gehen würde. Professionell gesehen sowieso, aber vor allem menschlich.“
Besonders. Das beschrieb das Verhältnis zwischen ihm und Joko vielleicht wirklich am besten, dachte Klaas. Es war besonders. Er hatte keinen Vergleich, da war keine andere Beziehung in seinem Leben oder in seinem Umfeld, die der von ihm und Joko auch nur im Ansatz ähnelte. Und Klaas konnte nicht umhin, Joko anzuschauen und darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht einfach nur Joko war, dessen Ausstrahlung allein sie beide so wirken ließ, wie sie wirkten.
Thomas beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, schmunzelte leicht. „Joko“, rief er dann plötzlich und winkte den Größeren zu ihnen herüber. Joko löste sich von Palina und schritt auf sie zu, strich sich gedankenverloren durch die langen Haare und dann kurz über das Gesicht. Klaas konnte die Tränen der letzten halben Stunde immer noch in seinen rötlichen Augen schimmern sehen. Sie hatten die letzte Maz gemeinsam mit dem Team geschaut. Joko hatte ihm einen Arm um die Schulter geschlungen und ihn eng an sich gezogen, hatte in sein Ohr geschnieft und geweint, während sie sich selbst und Palina dabei zusahen, begleitet von Sia’s Breathe Me mit dem Auto das Studio hinter sich zu lassen. Und Klaas hatte ihn gelassen, hatte ihnen beiden diesen Moment der Zweisamkeit inmitten des Sturms aus Unsicherheit und Schwermut erlaubt, hatte zugelassen, dass sich das Lied unwiderruflich unter seine Haut brannte, so wie Joko es getan hatte.
So wie Joko es immer schon getan hatte, aber vor allem während der denkwürdigen Gumball Woche, über die sie nie wieder ein Wort verloren hatten. Es gab nichts, das Klaas in seinem Leben mehr bereute als Amsterdam. Amsterdam, und Stockholm, und Toronto natürlich auch. Er bereute es, weil er es nicht bereute, weil er und Joko das Unmögliche geschafft hatten und danach weiterhin normal miteinander umgegangen waren und weil das wiederum neue Fragen und Möglichkeiten aufwarf. Klaas hatte sich in dieser einen Woche erlaubt, seinem Instinkt zu folgen und der hatte ihn geradewegs mit dem Winterscheidt in die Kiste geführt, und das mehrmals. Es war einfach gewesen. Aufregend. Berauschend. Natürlich. Als wäre es das Normalste der Welt.
Und bevor er sich noch weiter in diesem Netz verstricken konnte, in dem es sich normal anfühlte, Joko Winterscheidt einen runterzuholen, hatte Klaas die Reißleine gezogen. Die Nächte waren unkommentiert geblieben und Joko hatte es akzeptiert. Nur leider kam dieser grade mit einem breiten Grinsen und melancholischer Sehnsucht in den Augen auf ihn zu und Klaas fühlte sich heute selber zu weich, um dem groß entgegenhalten zu können.
„Na, was steht ihr Umarmungs-Phobiker hier an der Seite und raucht?“, bemerkte Joko süffisant, als er zu ihnen aufschloss.
„Klaas hat mich nur in eure Pläne eingeweiht, wie ihr zu zweit die Fernsehwelt auf den Kopf stellen wollt.“
Joko zuckte großspurig mit den Schultern. „Haben wir doch schon längst.“
Klaas konnte sich sein eigenes Grinsen nicht mehr verkneifen. Ja verdammt, das hatten sie. In dem kleinen Rahmen ihrer Möglichkeiten hatten sie aus dem Vollen geschöpft und sie wollten noch so, so viel mehr.
„Wie auch immer“, fuhr Thomas fort. „Irgendjemand muss euch ja ein wenig auf dem Teppich halten, damit ihr nicht völlig eurem gemeinsamen Größenwahnsinn verfallt. Und bevor es eine andere arme Sau machen muss, mach ich’s lieber selbst.“
Jokos Grinsen wurde eine Spur breiter, aber auch sanfter, als er Thomas in eine herzliche Umarmung zog und seiner Freude Luft machte. „Das wird mega, Schmitti. Erst machen wir die von der Sparkasse ein bisschen wuschig und dann ist das ZDF an der Reihe.“
„Ich hab‘ jetzt schon Kopfschmerzen“, grunzte Thomas und stieß Joko sachte, aber bestimmt von sich.
Sie blieben noch eine Weile so stehen, tranken das ein oder andere Bier, faselten vom großen Fernsehen und verabschiedeten sich nach und nach von ihren Mitarbeitern. Die Stimmung war gelöst, nicht zu vergleichen mit den Wochen davor, die von Verzweiflung und Zukunftsängsten und dem Schock geprägt gewesen waren. So langsam kamen sie alle wieder auf Spur, fanden neue Wege und schöpften neuen Mut.
„Wird ‘ne harte Zeit, Klaasi“, murmelte Joko irgendwann, nachdem nur noch vereinzelt Leute um sie herumstanden und selbst Thomas das Weite gesucht hatte. Klaas nickte. Ihre Aussichten waren nicht schlecht, aber sie standen auf wackeligen Beinen und eine falsche Bewegung würde alles zum Einsturz bringen. Die nächsten Monate würde zu einer Zerreißprobe werden und sie würden sich dauerhaft aufeinander stützen müssen, um dorthin zu gelangen, wo sie hinwollten.
„Komm.“ Joko stieß ihn leicht mit seiner Schulter an. „Wir holen unsere Sachen.“
Die kleine Garderobe, die sie sich die letzten zwei Jahre geteilt hatten, empfing sie still und leer und Klaas‘ Magen zog sich bei dem Anblick leicht zusammen. Das hässliche Sofa mit den Ketchup-Flecken stand noch, ebenso wie der Spiegel und eine unechte Topfpflanze, aber ansonsten wirkte die Garderobe seltsam verlassen, so als würde sie bereits von einer Vergangenheit erzählen, die noch nicht eingetroffen war. Klaas war versucht, einfach seine Tasche zu greifen und den Raum, genauso wie das Studio und das Kapitel MTV-Home, schnellstens hinter sich zu lassen. Er war bereits dabei, seine letzten Sachen in die Tasche zu stopfen, als ihn etwas aufhielt.
Joko.
Natürlich Joko.
Der hatte sich auf der Kante des Sofas niedergelassen und stierte nachdenklich aus dem Fenster.
„Alles klar?“, fragte Klaas, ohne wirklich eine Antwort zu wollen oder aufzuhören, seine Ersatzschuhe in die Seitentasche zu quetschen.
„Denkst du manchmal an Gumball?“, fragte Joko so unvermittelt zurück, dass Klaas mitten in der Bewegung erstarrte.
Ein paar qualvolle Sekunden verstrichen, in denen eine gähnende Leere in Klaas‘ Kopf herrschte. „Nein“, sagte er dann bloß.
„Lügner“, erwiderte Joko nur. So, als würden sie einfach nur über das Wetter reden.
„Was willst du, Joko?“, blaffte Klaas ihn gereizt an. Er spürte das Kribbeln unter seiner Haut. Da war ein allzu bekanntes Verlangen, die Finger nach Joko auszustrecken und ihn zu berühren, weil es andersherum nicht möglich war. Weil er sich betont lässig selbst erzählen konnte, dass nichts dabei war, Joko ab und zu einen runterzuholen, wenn diese undefinierbare Spannung zwischen ihnen mal wieder überhandnahm. Weil alles andere ihm zu viel Angst machte. Weil alles andere bedeutete, Kontrolle abzugeben und er dazu nicht bereit war.
Kontrolle war gut. Kontrolle war sicher.
Kontrolle hatte ihn bis hierhin gebracht.
Joko warf ihm einen Blick zu, einen kurzen nur, aber er verfehlte sein Ziel nicht, genauso wenig wie seine nächsten Worte. „Ich glaube, du möchtest nicht wissen, was ich grade will.“
Die Hitze kroch Klaas in den Nacken, heiß und schnell.
Das war ein brandgefährliches Pflaster, auf dem sie sich hier bewegten. Gumball konnte man immer noch auf den Alkohol schieben, auf die Tatsache, dass sie Tag und Nacht aufeinander gehockt und einfach Druck gehabt hatten. Gumball konnte eine klassische What happens in Vegas, stays in Vegas Erinnerung werden, die einem irgendwann vorkam wie ein unwirklicher Traum. Und vor allem hatte Joko sich nicht schuldig gemacht. Klaas hatte angefangen, Klaas hatte ihn angefasst, nicht andersherum. Joko hatte danach in sein Leben zurückgehen können, ohne sich Vorwürfe machen zu müssen.
So war es zumindest von Klaas geplant gewesen.
Aber das Gefühl der Spannung zwischen ihnen, dieses gegenseitige Abtasten, das Provozieren, das hatte nicht aufgehört; im Gegenteil, Klaas hatte oft den Eindruck, dass da von Tag zu Tag mehr Funken durch die Luft stoben, desto länger sie nicht darauf eingingen.
Auch jetzt wollte er es ignorieren. Diesen Berg an Anspannung, der sich zwischen ihnen aufgeladen hatte und nach einer Form von Erlösung schrie.
Da waren so viele Möglichkeiten.
Er musste sich einfach nur umdrehen und gehen.
Da war so viel zu entdecken.
Joko würde ihn vermutlich nie wieder darauf ansprechen, wenn Klaas ihn heute abblitzen ließ. Der Berg würde in sich zusammenfallen, die Spannung würde weichen.
Da war so ein Reiz, sich einfach gehen zu lassen.
Er musste bloß die Tür hinter sich schließen, und das Thema wäre für immer begraben.
Loszulassen und zu sehen, wie tief man fiel.
Jokos Blick traf seinen. „Klaas“, sagte er nur, ganz ruhig, ganz ohne Klamauk.
„Scheiße“, sagte Klaas.
Verdammte Scheiße, dachte er, ging auf ihn zu und griff in Jokos Haare. Seine Finger glitten durch die blonden Strähnen, bevor er zupackte und Jokos Kopf leicht nach hinten zog.
Sie sahen sich an.
Joko kam ihm näher und Klaas drehte den Kopf hastig ein wenig weg, versuchte ihn abzulenken, indem er mit ruhelosen Händen über seinen Körper fuhr, ihn noch stärker auf das Sofa drückte und frustriert aufatmete, weil Joko auf der Lehne wenig Halt finden würde. Wie die letzten Male setzte sich dieser Gedanke in Klaas fest, dass sie nur heile aus der ganzen Sache rauskommen würden, wenn Klaas den Ton angab, wenn er Joko mit Reizen überflutete und ihm nicht die Gelegenheit ließ, einen klaren Gedanken zu fassen.
Er versuchte es genau so. Mit Joko auf der zerfledderten Lehne sitzend, der stumm seine Beine öffnete und ihn dazwischentreten ließ, ihn aber aufmerksam beobachtete. Nicht so wie beim letzten Mal, sondern eher… lauernd. Als würde sich ein Gedanke in seinem Kopf bilden, der dort nichts zu suchen hatte. Hektisch griff Klaas nach Jokos weißem Shirt, zog es ein wenig hoch und glitt mit seinen Fingern über die weiche Haut. Er ignorierte Jokos stechenden Blick, weil der ihn machen ließ, ihm erlaubte, erst seinen Gürtel und dann seine Hose zu öffnen. Joko sagte sogar nichts, als Klaas seine Hand unwirsch abschüttelte, bevor sie sich ganz auf Klaas‘ Hüfte legen konnte. Und doch, das konnte er spüren, gelang es ihm diesmal nicht, Joko zu überwältigen, wie es ihm die anderen Male möglich gewesen war.
Joko ließ ihn machen, bis Klaas seinen Schwanz in der Hand hatte und ihn ungeduldig rieb, erregt feststellte, dass Joko seiner Hand wieder entgegenkam, aber das Gefühl nicht loswurde, dass dieser nicht ganz bei der Sache war.
„Klaas“, hörte er da auch schon, und er wusste, wonach Joko ihn fragte. Er wollte Augenkontakt. Er wollte herausfinden, was hier lief. Klaas reagierte nicht, drehte sein Handgelenk und unterdrückte sein eigenes Verlangen, dass mit jedem Atemzug schneller durch seinen Körper schoss. Joko stöhnte auf, drängte sich ihm noch einmal entgegen, und Klaas war schon fast überzeugt, gewonnen zu haben, als er Jokos Fingerspitzen wahrnahm, die gegen sein Kinn stupsen. Bevor er darüber nachdenken konnte, hob er den Kopf und war Jokos Augen ausgeliefert.
Joko murmelte wieder seinen Namen und Klaas‘ Mund wurde ganz trocken. „Was?“, blaffte er, versuchte seiner Stimme einen möglichst genervten Klang zu geben. In der Realität klang es eher atemlos, vielleicht sogar ein wenig unsicher.
Die sonst so sanften Augen seines Gegenübers schienen vor Determination fast zu lodern. Eine Hand legte sich in seinen Nacken und Klaas war irgendwo zwischen dem Drang, der Berührung auszuweichen oder sich ihr entgegenzulehnen, gefangen. „Ich will, dass du auch kommst.“
„Fuck.“ Es rutschte ihm einfach so raus, denn viel mehr war da nicht mehr in Klaas‘ Kopf. Bloß ein einziges, großes Fuck, weil er verstand, dass er Jokos Worten und noch viel mehr Jokos Händen nicht länger wiederstehen konnte. Er hatte es aus gutem Grund vermieden, sich bis zum heutigen Tag von ihm anfassen zu lassen. Denn wenn Klaas eines nicht wollte, dann war das ganz klar, unter Jokos Händen zu zerfallen. Diese Genugtuung, diese Macht würde er niemals jemandem geben, schon gar nicht Joko. Aber die Versuchung war verdammt groß.
„Bitte“, hauchte Joko gegen seine Lippen und die Gänsehaut, die sich dank der Nähe ihrer Münder auf Klaas‘ ganzem Körper ausbreitete, war nichts gegen die Panik, die in selbem Moment zielsicher in seinen Kopf schoss und sich dort entfaltete. Er zuckte leicht zurück, nahm seine Hände von Jokos Schritt, um ihn stattdessen an den Schultern ein Stück zurückzuschieben und nach Luft zu schnappen. Natürlich war Joko nichts davon entgangen und Klaas hasste die Unsicherheit, die unter seinem taxierenden Blick durch ihn rauschte und ihn nicht mehr klar denken ließ. Alles kam nur noch verspätet an, drang mit Verzögerung zu seinem Hirn durch und so verpasste er den entscheidenden Moment, einen Schritt zurückzuweichen und zu verhindern, dass Jokos Hände über seinen Hals und das Schlüsselbein strichen, bevor sie sich seinem Oberkörper widmeten und langsam unter das Hemd schlüpften.
Jokos Intensität, mit der er gerne jede Situation in seinem Leben bewältigte, spiegelte sich auch in seinen Berührungen auf Klaas‘ Haut wider. Joko liebte es, ganz in der Emotionalität der Dinge aufzugehen, und mit der gleichen Motivation glitten seine Fingerkuppen über Klaas, über seine Brust, seinen Bauch, über die weiche, sensible Haut in der Nähe seines Gürtels. Es war nicht auszuhalten. Aber es war auch unwiderstehlich. Also tat Klaas das Einzige, was er tun konnte. Er griff nach Jokos Hand und führte sie, damit er wenigstens noch den Überrest der Kontrolle behielt, die ihm mit jeder Sekunde mehr durch die Finger rann.
Ihre Blicke trafen sich kurz, aber es reichte aus, um Klaas einen Schauder über den Rücken zu jagen, da er Jokos Hand in derselben Sekunde zu seiner Hose führte. Sie atmeten gleichzeitig aus, blickten runter auf Klaas‘ Schritt und sahen dabei zu, wie Jokos Finger unter der Hand von Klaas vorsichtig über die Erektion strich. Und leider machte ihn das viel zu sehr an.
Joko griff fester zu, seine Augen ruhten nun wieder auf Klaas‘ Gesicht, schienen immer noch vor Verlangen zu brennen, als sich ein Stöhnen von Klaas‘ Lippen stahl. Überwältigt schloss Klaas die Augen. Er ritt sich hier gehörig in die Scheiße, aber jetzt war es viel zu spät, um aufzuhören. Da half nur, es möglichst schnell zu beenden. Seine Hand drückte die von Joko kurz bestimmt, und der stellte seine Bewegungen sofort ein, ließ sich weiter von ihm führen, öffnete unter Klaas stummer Anweisung kurzerhand seinen Gürtel. Klaas konnte ein weiteres Keuchen nicht verhindern, als Jokos lange Finger sich sofort an seinem Knopf und Reißverschluss zu schaffen machten.
Er vergaß, ihn weiter zu dirigieren, legte den Kopf in den Nacken und genoss das Gefühl der Fingerkuppen auf der erhitzten Haut. Joko zog ihm die Hose bis in die Kniekehlen und dann ging es plötzlich ganz schnell. Seine rechte Hand, auf der die linke von Klaas immer noch vergessen lag, bewegte sich über der Boxershorts an seinem steifen Schwanz entlang, während die Linke unter die Shorts und direkt auf Klaas‘ Hintern glitt und zudrückte.
Für einen Moment vergaß Klaas völlig, wo er gerade war und wer ihn berührte. Die Realität kippte weg. Das Verlangen stob ihm bis in die Fingerspitzen, ließ ihn laut fluchen und nicht minder laut stöhnen, als die Bewegungen an seinem Schwanz und Hintern mutiger wurden, die Boxershorts ganz heruntergezogen wurde und die Finger auf einmal überall waren. An seinem Steiß, an seinem Schwanz, an seinem Hoden. Halt suchend griff Klaas nach vorne und fand eine Schulter, in die er seine Finger krallen konnte. Sein Kopf fiel auf die Brust und erst als er seine Augen minimal öffnete und er das Bild sah, dass sich ihm bot, fand er wieder zu sich.
Joko saß immer noch auf der Lehne, die Augen erregt auf Klaas‘ Mitte gerichtet, während sein eigener Schwanz vergessen auf seinem Bauch lag. Seine Finger hatten sich jetzt endgültig um Klaas‘ Erektion geschlossen und wichsten ihn schnell und erbarmungslos, aber es war Jokos andere Hand, die ihm immer noch über den Hintern fuhr, die Klaas völlig aus dem Leben katapultierte. Er war zu erregt, um sich zu fragen warum, es war zu spät für Scham oder Zurückhaltung. Er wusste, dass er nicht mehr lange brauchen würde.
„Joko“, raunte er unwillkürlich und Jokos Augen schossen zu ihm hoch, ihre Blicke verhakten sich ineinander und Klaas griff blind nach Jokos Schwanz, und wenn es nur war, um zu sehen, wie Joko überrascht der Mund aufklappte. Sie stöhnten gemeinsam auf, Klaas‘ Fingernägel gruben sich heftig in Jokos Schulter und er stieß sein Becken einmal mit aller Kraft nach vorne, als sein Orgasmus ihn überrollte. Alles, was er tun konnte, war Jokos Hand weiterhin entgegenzukommen und gleichzeitig seine Faust ein wenig zu verengen, sodass Joko nach Luft schnappte und diese leisen Laute von sich gab, die Klaas schon kannte. Es waren die Geräusche, die er machte, kurz bevor er kam.
Völlig in seiner eigenen Lust gefangen, keuchte Klaas noch einmal laut. Denn der Gedanke, dass er wusste, wie Joko klang, wenn er kam, war zu viel für ihn. Es gab ihm die Energie, die er brauchte, um Joko zügig und effektiv zum Abspritzen zu bringen, auch wenn er selbst am ganz Körper zitterte.
Erschöpft lehnte er sich mit seinem Arm auf Jokos Schulter, ließ ihm die Zeit, die er brauchte, um wieder runterzukommen; musste sich ehrlich eingestehen, dass er die Zeit selbst brauchte. Seine Gedanken waren nichts als nebulöse Schwaden erfüllten Verlangens und das kurze Aufblitzen des Wunsches, Joko jetzt in den Arm zu nehmen.
Ein wenig erschrocken von seiner eigenen Sentimentalität drückte er noch einmal etwas unbeholfen Jokos Schulter und löste sich dann von ihm. Mit einem Räuspern begann er in seiner Tasche nach Tüchern zu kramen, damit sie sich wenigstens ein bisschen säubern konnten. Im Endeffekt reichte Joko ihm schulterzuckend ein altes Hemd und Klaas nahm es dankbar entgegen. Es hatte sich wieder eine Stille über den Raum gelegt, unterbrochen nur von dem Klimpern ihrer Gürtelschnallen und der leichten Asynchronität ihres Atems, der sich nur langsam wieder regulierte.
Klaas war als erster fertig und wollte nur raus. Weg von Jokos Intensität und seinen Blicken, raus aus der Garderobe und dem Studio.
Für sie begann jetzt ein neues Kapitel.
Vielleicht wäre es besser, wenn sich das hier nie mehr wiederholen würde.
Ein Blick in Jokos Gesicht reichte, um zu wissen, dass das nichts weiter war als Fantasie.
Klaas hatte Joko für wenige Minuten Freiraum gegeben und damit unwissentlich eine Lawine losgetreten, die sich nun nicht mehr aufhalten ließ. Joko wollte ihn, er wollte Joko.
Sie mussten das hinbekommen, irgendwie.
„Alles klar?“, fragte er leise, zum zweiten Mal an diesem Tag, und warf sich seine Tasche über die Schulter.
Für einen unendlich wirkenden Moment sah Joko ihn mit einem unergründlichen Blick an.
Dann nickte er vorsichtig. „Wird schon schiefgehen, ne?“
Ja, dachte Klaas, als er das Gebäude verließ und sich sofort eine Zigarette anzündete. Ja, es wird schon schiefgehen.
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