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Tausendmal Berührt [Teil I]

von ninarina
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt Klaas Heufer-Umlauf
14.06.2021
29.01.2022
20
134.433
126
Alle Kapitel
146 Reviews
Dieses Kapitel
10 Reviews
 
17.10.2021 8.457
 
Die liebe Jure hat das 9. Kapitel „Heartbreak im Endstadium“ genannt und ich würde diesen Begriff gerne aufnehmen und auf dieses Kapitel klatschen, denn das verfluchte 13. Kapitel macht seiner Zahl alle Ehre. Ich danke jedem einzelnen, der bis hierhin gelesen hat und hoffentlich auch weiterhin lesen wird. Allen, die ihre Gedanken in Reviews unter den Kapiteln lassen, danke ich von Herzen. Ich weiß nicht, ob ich so hartnäckig geblieben wäre, wenn das Feedback nicht so überwältigend positiv wäre. Allen, die still mitlesen oder favorisieren oder eine Empfehlung dalassen, danke ich genauso.


Es ist ein absolutes Novum, dass ich während der Szene mehrmals die Perspektive wechsle, aber es ging nicht anders. Es ist für den Part und die ganze Geschichte extrem wichtig, sowohl Joko als auch Klaas in diesem Moment verstehen zu können und zu wissen, was in ihnen vorgeht. Jeder Perspektivwechsel ist durch die Unterbrechung mit dem Songtext gekennzeichnet, aber der Moment selbst unterbricht nicht wirklich, sodass ich hoffe, dass der Lesefluss bleibt.


Dieser Teil hat emotional wirklich alles von mir abverlangt. Ich bin ganz ausgelaugt und mitgenommen und hoffe, es hat sich gelohnt. Lasst mir gerne eure Meinung da.




Part 13: Sorry




I run away when things are good

And never really understood

The way you laid your eyes on me

In ways that no one ever could

(Sorry by Halsey)



Weihnachtsspezial, Dezember 2015



Es passierte, als es schon vorbei war. Als nichts mehr zu retten war. Als sie ein letztes Mal verzweifelt nacheinander griffen. Als sie versuchten, etwas zurückzuholen, das nicht mehr existierte.

Klaas verfluchte Joko im Stillen, weil er Recht behalten hatte. Seine Unruhe riss nicht ab. Sie war immer irgendwo in seinem Inneren, aber in der letzten Zeit war sie primär an Joko gekoppelt gewesen. Und dass Joko es nicht nur wusste, sondern offensichtlich auch so fühlte, warf ihn aus der Bahn. Klaas war kein unsicherer Typ. Er überdachte zwar zum Teil ein wenig manisch berufliche Situationen, aber das pushte ihn, über sich hinauszuwachsen. Das machte ihn nicht weniger spontan, das machte ihn auch nicht unbeweglich, lediglich kontrolliert in seinen Handlungen. Dieses Ungreifbare zwischen ihm und Joko war anders. Das war wie sich in Steinschleuder zu setzten und sich ins Ungewisse schleudern zu lassen. Das konnte so außer Kontrolle geraten, dass er sich selbst und niemanden in seiner Umgebung davor schützen konnte.

Wenn er sich so auf Joko einließ, wie der es von ihm verlangte, würde das sein ganzes Leben auf den Kopf stellen. Es würde die Mauer zwischen privat und beruflich aufreißen, es würde seine Familie in ein Chaos stürzen, welches sie nicht kommen sah und wofür sie nichts konnte. Niemand bei ihm zuhause hatte ihn in diese Lage gebracht, denn das war einzig und allein auf Klaas‘ Mist gewachsen, durch seine Unfähigkeit, körperliches Verlangen von emotionaler Abhängigkeit zu trennen, entstanden.

Er und Joko, das war unausweichlich gewesen. Immer schon. Er mochte ein Kopfmensch durch und durch sein, aber das hatte er von Anfang an gespürt. Ihre Verwicklung ineinander, aus der sie nun nicht mehr herausfanden, das war jedoch ihre gemeinsame Verantwortung, das war durch eine Verkettung von Entscheidungen passiert. Und er konnte nur schwer damit leben, dass Joko ihn damit jetzt allein ließ, obwohl sie sich immer versprochen hatten, ihren Zusammenhalt niemals aufzugeben. Es war wie ein Verrat für ihn, kein rationales, sondern ein emotionales Denken, das die tiefe Unruhe in ihm mit jedem Blick, den Joko sich weigerte, zu erwidern, geschürt wurde. Von Joko ging eine Kälte, eine Unnahbarkeit aus, die endgültig zu sein schien.

Es war wenig hilfreich, dass der Dezember vollgepackt war mit Drehs. Da war Halligalli, da war die nächste Duell um die Geld Ausgabe, da war die Aufzeichnung des Best Ofs, da waren langwierige Meetings, in denen Entscheidungen für das kommende Jahr gefällt wurden, bevor sie in die Winterpause gingen. Und zum Abschluss war da das Weihnachtsspezial. Sie versuchten, möglichst viel vorher aufzuzeichnen, alles abzuwickeln, damit sie sich nach der Folge gehen lassen konnten. Klaas bekam momentan Kopfschmerzen, sobald er Schmitti nur auf dem Flur begegnete, so sehr ging der ihm mit seiner Taktung und Anspannung auf den Sack.

Sie alle hatten ein hartes Jahr hinter sich. Sie alle brauchten eine Pause.

Für gewöhnlich mochte Klaas Aufzeichnungen, bei der viele Kollegen und Freunde kamen. Er ging gerne vor und hinter den Kulissen von Person zu Person, scherzte und gab den Showmacher und genoss die Aufmerksamkeit. Dieses Mal waren die Umstände jedoch so verkorkst, dass sich alles ein wenig unstimmig anfühlte. Die Aufzeichnung lief nicht schlecht, aber sie war eben auch nicht so harmonisch wie sonst. Sie waren professionell, aber das Herzliche fehlte und ein Blick in die Gesichter von Schmitti und dem Rest des Teams reichte, um zu wissen, dass sie es diesmal nicht so gekonnt überdecken konnten wie sonst.

Die Zeit schleppte sich dahin. Klaas hatte sich selten vor der Kamera so angestrengt gefühlt. Er spulte das Programm ab, Weltmeisterauftritt, Moderation, ein bisschen mit Joko witzeln, Maz-Ansage. Dann konnte er kurz durchatmen, Joko ging sich umziehen und Klaas fokussierte sich auf das Publikum und die Reaktionen zum Einspieler.

Seine Augen blieben an der ersten Reihe hängen.

Paul Ripke war auch da. Natürlich war er das. Sie hatten ihn vor einer Weile als Fotografen angestellt. Joko verstand sich blendend mit ihm, ging mit ihm privat aus, schwärmte von ihm, wie Joko das nun mal tat, wenn er eine neue Person dazu auserkoren hatte, um ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Klaas betrachtete das Schauspiel aus der Ferne, immer mit diesem brodelnden Gefühl, als würde ihm jeden Moment die Galle hochkommen. Joko umgarnte seine neuen Freunde gerne öffentlich und gestenreich und führte Klaas damit einmal mehr vor Augen, wie austauschbar er war. Bewies ihm dadurch immer wieder, dass Klaas im schlimmsten Fall alles riskieren würde, nur damit Joko irgendwann keinen Bock mehr auf ihn hatte und jemand anderem diesen Blick zuwarf, dieses Lächeln schenkte. Da war sie wieder, diese tiefe, alles überschattende Unsicherheit. Diese Unruhe.

Klaas schüttelte sich kurz.

Joko kam zurück, besprach etwas mit Jakob und beachtete ihn nicht.

Es ging weiter.

Es ging irgendwie.

Aber es war nicht mehr das, was es sein sollte.

Das Moderieren war ihr Rückzugsort, die Ebene, auf der sie sich am besten verstanden, auf der sie lachen und feixen konnten und es selten bösartig wurde.

Und Klaas konnte kaum fassen, dass er und Joko jetzt auch ihr Herzstück vergiftet hatten.

Er mied es krampfhaft, auf den Einspieler zu achten. Glücklicherweise hatten sie das Aushalten - Marktforschung schon Anfang November gedreht, Klaas war sich nicht sicher, was sonst dabei herumgekommen wäre. Aber er musste es sich nicht auch noch vor Augen führen, wie viel leichter er sich an dem Tag gefühlt hatte. Wie gut sie sich verstanden hatten, wie sehr sie über die Kritik der Anwesenden lachen mussten. Dieser Dreh, das waren sie gewesen.

Als er schlussendlich doch hochsah und einen kurzen Blick auf den Bildschirm erhaschte, kam Joko gerade ins Studio zurück und folgte seinen Augen. Der Klaas in der Maz grinste Joko von der Seite her an und fing im nächsten Moment an zu lachen. Und Klaas, der saß im Studio und sah sich das an, wusste genau, welch unglaubliche Wärme er da gefühlt hatte, und musste sich zwingen, kontrolliert auszuatmen. Joko beobachtete ihn eindringlich, setzte sich auf den Platz ihm gegenüber. Ihre Blicke streiften sich kurz. Klaas versuchte mit aller Macht die Traurigkeit zu ignorieren, die im sonst so fröhlichen Braun schimmerte. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf das Publikum, wartete, bis Joko seinen Blick von ihm abwendete und zählte dann im Kopf runter, bis es weiterging. Und es ging. Irgendwie. Auch wenn es heute verkrampfter war und der Abstand zwischen ihnen sich groß wie nie zuvor anfühlte. Auch wenn es ein bisschen so war, als hätte er innere Blutungen. Die Show lenkte sie ab, die Gäste, das Publikum, die Spiele.

Sie schafften es dadurch, gingen nach Drehschluss zügig in entgegengesetzte Richtungen und Klaas schnappte sich nach einer kurzen Dusche ein Bier von der Bar, während Jokos erster Weg ihn wenig überraschend zu Paul führte. Klaas stellte sich mit dem Rücken zu ihnen und ließ zu, dass die Lautstärke der Leute um ihn herum Jokos laute Stimme übertönte. Solange sie sich aus dem Weg gingen und niemand sich einmischte, hatten sie eine Chance, die Feier ohne Blutbad ausgehen zu lassen. Also blieb Klaas, wo er war, und belaberte Thomas Schmitt mit Belanglosigkeiten. Irgendwann ging er dazu über, sein Gegenüber aus Langeweile zu provozieren, weil das bei Thomas so herrlich einfach ging und ihn sonst kaum jemand aushielt, wenn er so konfrontativ war. Schmitti gab ihm kontra, mit dem konnte er sich fetzen und abreagieren und am Ende trotzdem noch anstoßen.

„Ich brauch ‘ne Kippe, Klaas, sonst halt ich deine Tiraden keine Sekunde länger aus“, murrte Thomas circa fünf Bier später und Klaas grinste zufrieden und zog ihn mit sich nach draußen.

Nur leider war Joko draußen.

Er hätte es ahnen müssen. Joko war ein klassischer Partyraucher. Er mochte weder den Geruch noch den Geschmack von Zigaretten, und dennoch war er sich nicht zu schade, um sich in Momenten der Angetrunkenheit eine Kippe von Klaas oder den Thomassen zu schnorren, Auswahl gab es da in ihrer Firma genug. Heute bekam er seine Zigaretten von Paul. Natürlich. Die waren ja momentan unzertrennlich. Die standen zusammen, tuschelten, fassten sich permanent an. Paul brachte Joko zum Lachen und das hohe Gackern ließ Klaas kurz die Augen schließen, damit er sich in seiner Wut nicht vergaß. Im nächsten Moment riss er die Augen erschrocken wieder auf, weil Paul seinen Namen rief, ihn zu der kleinen Gruppe hinüberwinkte, die da im Innenhof stand und ihren Spaß hatte. Joko schüttelte schnell den Kopf, raunte Paul etwas zu und Klaas reagierte augenblicklich. Er hob spottend die Augenbrauen und machte einen Schritt auf die Gruppe zu.

„Klaas“, sagte Thomas eindringlich und packte ihn am Arm. „Lass es einfach.“

Doch Klaas wollte nicht hören, riss sich los. „Halt dein Maul, Schmitt.“

Betont lässig schlenderte er zu Paul und Joko herüber. „Nach mir wird verlangt?“, fragte er ironisch interessiert.

Paul bejahte erfreut. „Wir haben gerade übers Kennenlernen geredet.“

„Revolutionär“, kommentierte Klaas.

Paul schien sich daran nicht zu stören, ganz im Gegensatz zu Joko, der ihn jetzt scharf musterte.

„Bei Joko ist das ja easy“, fuhr er unberührt fort, als merke er nicht, wie sehr die Stimmung in dem Moment gekippt war, in dem Klaas zu ihnen gestoßen war. „Über den weiß ich jetzt alles.“

Klaas schnaubte abfällig und grinste. „Bild‘ dir bloß nix drauf ein.“

Nur Paul lachte. Jokos Augen blitzten gefährlich, aber Klaas war immer noch darum bemüht, ihn zu ignorieren und all seine Aufmerksamkeit auf Paul zu richten. So, wie Joko das sonst tat.

„Und wie mach‘ ich das dann bei dir? Wie hat Joko das bei dir geschafft? Wie lernt man Klaas Heufer-Umlauf gut kennen?“

Joko sah Klaas direkt in die Augen, als er erwiderte: „Klaas kann man nicht gut kennen.“

Der Schmerz traf Klaas unerwartet. Mit voller Wucht. Fassungslos starrte er zurück, blickte in die vertrauten Augen, die nicht funkelten, die so lange nicht mehr gefunkelt hatten, als hätte Klaas das Licht, das durch keinen Tiefschlag lange gedämmt werden konnte, endgültig erlöschen lassen. Und es war unfair. Es war verdammt nochmal unfair und hinterlistig von Joko, ihm die Schuld für alles zuzuschieben, sich hinter seinem Schmerz zu verschanzen und Klaas mit den Konsequenzen im Regen stehen zu lassen. Es war unfair und es tat weh und es war kaum auszuhalten, weil er Joko im Stillen recht gab.

„Der hat gesessen, Joko.“ Er ließ seine Stimme betont ruhig, ohne Sarkasmus. Joko konnte den Schmerz eh in seinen Augen lesen. Joko konnte alles an ihm lesen. Man konnte Klaas nicht gut kennen, aber Joko kannte ihn trotzdem. Joko kannte alles.

„Fühlt sich nicht gut an, oder?", fragte Joko zurück. Die Spannung zwischen ihnen war greifbar. Längst hatten alle um sie herum verstanden, dass das kein Spaß mehr war. „So überfahren zu werden? So vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden?“

Klaas rieb sich die feuchten Hände an der Hose ab und wandte sich ab. „Ich geh‘ eine rauchen.“

„Wir sind draußen“, warf Joko spöttisch ein.

„Ich weiß.“ Klaas‘ Stimme war jetzt kalt und vernichtend. „Aber gerade ist alles besser, als weiterhin in dein beschissenes Gesicht schauen zu müssen.“

Seine Hände zitterten. Er ballte sie zu Fäusten, steckte sie in seine Tasche und lief los. Lief durch die Gänge des Studios, blind, kopflos, Hauptsache weg.

Klaas kann man nicht gut kennen, hallte es in seinem Kopf wider. Das Herz pochte ihm schmerzhaft gegen den Brustkorb.

Klaas ging.



Sorry I could be so blind

Didn't mean to leave you

And all of the things that we had behind




Joko brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was passiert war. Genauer gesagt war es Thomas‘ Stimme, die ihn zurück in die Realität brachte.

„Joko, habt ihr völlig den Verstand verloren?“ Sein Tonfall war leise, irgendwo zwischen aufgebracht und fassungslos. Joko reagierte nicht. Er starrte auf die Tür, durch die Klaas verschwunden war. Nicht nur verschwunden, sondern abgehauen. Das konnte er gut, abhauen, wenn es schwierig wurde. Abhauen, wenn man sein Verhalten spiegelte.

Klaas war davongerannt.

Joko rannte ihm nach. Zögerte nicht, ignorierte Thomas‘ Flehen neben ihm und rannte Klaas nach.

Alles wie immer, dachte er bitter.

Gehetzt huschte er durch die Flure, bog an wahllosen Ecken ab, dachte nicht nach, ob es einen Sinn ergab, wie er hier konfus und wütend den Gang entlang stolperte. Er war getrieben von dem unerklärlichen Wissen, dass er Klaas finden würde. Er wusste selbst nicht, was er sich davon erhoffte. Nichts Gutes, so viel war klar. Es wäre für sie beide sicher besser, wenn sie sich jetzt nicht sehen würden. Es wäre besser, wenn sie sich endlich voneinander fernhalten würden. Aber Jokos Herzschlag trieb ihn voran, seine Halsschlagader pulsierte spürbar, während er die Flure abging, ins Treppenhaus wechselte und ein Stockwerk hochlief. Seine Hand umschloss die Türklinke auf der nächsten Etage, drückte sie herunter und betrat den nächsten langen Flur.

Die schwere Tür krachte hinter ihm ins Schloss.

Und da, am anderen Ende des Ganges, stand Klaas. Musste seine Schritte gehört und sich umgedreht haben, denn da stand er, den Körper im zugewandt. Sie starrten sich an. Starrten sich an durch einen nicht enden wollenden Gang aus unzähligen Türen, weißen Wänden, einem grauen Boden und viel zu heller Deckenbeleuchtung. Sie waren regungslos, der Moment wie in einem Stillleben gefangen, von dem keiner von ihnen wollte, dass es Risse bekam. Joko hörte nichts außer seinen eigenen Atem, konnte Klaas‘ Mimik aufgrund der Entfernung nicht ausmachen, aber seine Körpersprache würde er immer lesen können. Klaas‘ Körper war in einer Art lautlosen Anspannung verkrampft, wie bei einem Raubtier, das auf ein Zucken seiner Beute wartete, um zuzuschlagen.

Sekunden vergingen, fühlten sich wie Jahre an.

Jokos Finger zuckten heftig.

Wie auf Knopfdruck kam Bewegung in ihre Glieder. Sie bewegten sich aufeinander zu. Schnell und endgültig, wie zwei Züge auf dem gleichen Gleis, die jeden Moment ineinanderkrachen und nichts als das pure Chaos hinterlassen würden. Joko schmiss seine Jacke achtlos neben sich, Klaas pfefferte Zigarettenschachtel und Feuerzeug auf den Boden. Jeder seiner Schritte erklang wie ein Donnern in Jokos Ohren, während er sich Klaas unaufhaltsam näherte. Wenige Meter trennten sie noch, als er Klaas zum ersten Mal wieder bewusst ins Gesicht sehen konnte.

Klaas‘ Züge waren vor Wut verzerrt, er lief den letzten Schritt auf ihn zu und packte ihn, schubste ihn weg, packte ihn wieder. Joko gab nicht nach, auch nicht, als die Spannung unweigerlich umschlug, und dann küsste Klaas ihn plötzlich, tief und wollend und zornig. Und für Joko war es, als würde sich zum letzten Mal ein Monster in seiner Seele regen und ihn mit Haut und Haaren verschlingen. Er presste Klaas an sich, der ließ ihn nicht zu Atem kommen und drang mit der Zunge in seinen Mund und Joko war so hoffnungslos verloren. Ein gewaltsamer Schmerz schnitt durch seinen Körper, als würde eine kaum zusammengeflickte Wunde wieder aufklaffen. Er umrahmte Klaas‘ Gesicht mit seinen Händen, schwankte kurz auf der Stelle und erwiderte den Kuss, obwohl es ihm den Boden unter den Füßen wegriss.

Einer von ihnen – oder vielleicht waren es auch sie beide – hatte die Eingebung, durch die Tür neben ihnen zu stolpern, damit nicht die halbe Firma mitbekam, wie sie eng umschlungen mitten im Studioflur standen. Joko schob Klaas achtlos in den kleinen Raum, wusste nicht, wo genau sie waren, wusste nur, dass es ihm am Arsch vorbeiging. Klaas stieß gegen einen kleinen Tisch neben dem Fenster, biss ihm bestimmt in die Lippe und begann, an Jokos Gürtel zu nesteln. Joko keuchte überfordert in seinen Mund, als er spürte, wie Klaas‘ Zunge beinahe entschuldigend über seine Unterlippe fuhr, während seine linke Hand sich eilig an seinem Reißverschluss zu schaffen machte. Joko tat es ihm gleich, zerrte ungeduldig an Klaas‘ Hose und fuhr die Konturen seines Schaftes über dem Stoff der Boxershorts nach.

Klaas stöhnte leise, vergrub die Finger seiner anderen Hand in Jokos Haaren und zog einmal kräftig daran. Ihre Münder lösten sich voneinander, als ein tiefes Raunen Jokos Lippen verließ und er auf Klaas hinabstarrte, atem- und fassungslos. Seine Hände verselbständigten sich, suchten sich ihren Weg unter den Bund von Klaas‘ Hose, strichen über die weiche Haut auf seinem Hintern und packten dann heftig zu. Noch ein Stöhnen entfloh Klaas‘ Mund, in seinen Augen loderte die Gier, die Joko in sich selbst spürte, da sie sich gerade erfolgreich ihren Weg durch seinen Körper suchte, ein heißes Ziehen auslöste, das ihm direkt in die Lenden zog. Klaas legt den Kopf gänzlich in den Nacken, presste sich an ihn, presste ihre Lippen aufeinander, und Jokos Schwanz zuckte jetzt schon verdächtig stark in seiner zur engen Hose. Wut, Gier und Überforderung vermischten sich zu einem gefährlichen Cocktail, der jederzeit drohte, in der Luft zwischen ihnen zu explodieren.

Wieder war der Kuss hektisch und feucht, wieder stahl sich Klaas‘ Zunge in Jokos Mund, löste dieses heftige Fallgefühl in seiner Magengegend aus, das immer da war, wenn er Klaas küsste. Wieder brannte alles in Joko lichterloh, weil Klaas ihm so gierig und willig entgegenkam. Weil Klaas ihn mit fast schon strafender Intensität küsste und dann genauso schnell wieder auf Abstand ging, um seinen Blick zu suchen.

In seinen Augen flackerte es wild.

„Ich will, dass du mich fickst.“

Joko schluckte, konnte nicht denken, konnte nichts tun, außer auf die Lippen zu starren, die unter Klaas‘ Führung drei seiner Finger umschlossen und tief in den Mund nahmen. „Klaas“, murmelte er überfordert. „Wir—wir haben nichts hier, es geht ni…“

Seine Stimme verlor sich, weil Klaas ihm den Rücken zudrehte, leicht an die Wand und leicht über den Tisch gelehnt, seine Finger immer noch um Jokos Handgelenk geklammert, um Jokos feuchte Finger zurück an seinen Steiß zu führen. Jokos Herz schlug so vehement und schnell, dass er es bis in seine Kehle pochen spürte. Er war weiterhin unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, alles wurde überlagert von der Lust, die Klaas‘ schamlose Bewegungen, mit denen er sich Jeans und Boxershorts in die Kniekehlen schob, in ihm auslösten.

Klaas blickte ihm über die Schulter entgegen. „Joko“, hauchte er. Es klang berechnend und konnte trotzdem nichts daran ändern, dass Jokos Schwanz schon wieder aufgeregt zuckte. Er beugte sich vor, war überfordert und benebelt von der Intensität seines eigenen Wollens, aber noch vielmehr fachte ihn Klaas‘ unverhohlenes Verlangen und diese dringliche Wut an. Ungeduldig schoben sich seine nassen Finger in Klaas‘ Spalte, tasteten sich vor, drangen ein. Klaas drückte seine Stirn gegen die Wand, seufzte rau und stockend, als wäre ihm die Stimme ein wenig weggekippt. Seine Muskeln zogen sich sofort um Jokos Fingerkuppen zusammen, es ging zu schnell, war zu eng. Er wollte Mittel- und Ringfinger wieder zurückziehen, es sein lassen, aber Klaas packte sein Handgelenk ein weiteres Mal, stieß den Atem schnaufend durch Nase und Mund aus und schüttelte den Kopf.

„Weiter“, knurrte er, und Joko kapitulierte. Er wusste nicht genau worauf Klaas hinauswollte. Ob er sich selbst bestrafen wollte, oder Joko, oder sie beide. Aber im Endeffekt war es irrelevant, denn eigentlich zählte nur, dass Klaas ihn wollte, egal warum. Seine Finger vergruben sich in Klaas, langsam, aber gleichzeitig grob und heftig. Klaas stieß mit der Stirn gegen die Wand, keuchte, bewegte sich ihm entgegen. Der Kopf ganz leer, der Körper ganz verzückt von dieser eindeutigen Reaktion, stieß Joko ein Mal in ihn, konnte an seinen Fingern spüren, wie viel stärker die Reibung ohne Gleitgel für Klaas sein musste. Die sensiblen Enden seiner Fingerkuppen ertasteten jedes Zucken, fanden fast schon automatisch die leichte Erhebung und pressten dagegen.

„Fuck, Joko.“ Klaas‘ rechte Hand schlug flach auf den Tisch. Joko war berauscht von der bedingungslosen Hingabe, die ihm entgegenschlug und alles auslöschte, keinen Platz für etwas anderes ließ. Keine Ängste, keine Zweifel, keine Rücksicht. Nur die hilflosen, eindeutigen Laute zählten, die dem Mann vor ihm über die Lippen stolperten. Klaas gefiel das. Es wirkte fast so, als würde er sich an Jokos Grobheit aufgeilen, dadurch noch lauter werden, noch intensiver fühlen können. Joko wusste, dass es wie eine Sucht für ihn war, Klaas so zu sehen. Hemmungslos und völlig entrückt, als würde er sich in einer anderen Welt befinden, einer Welt der Ekstase, in die er Joko zog, der ihm jedes Mal aufs Neue folgte.

Benebelt von dem Gefühl stieß Joko gegen die Prostata, merkte, wie Klaas sich absichtlich anspannte und versuchte, die Reibung wirksamer zu machen, bis er plötzlich noch stärker zuckte, mit der Hand wieder auf den Tisch schlug und „Reicht“, murmelte. Joko zog die Finger aus ihm zurück, ignorierte das Schaudern, das im Gegenzug durch Klaas‘ Körper fuhr und strich ihm stattdessen ein wenig verklärt über die geschorenen Haare an seinem Nacken. Erst, als Klaas in einer offensichtlichen Bewegung die Beine weiter spreizte, hielt er für einen Moment inne. Zorn und Verlangen hin oder her, das konnten sie nicht machen.

„Klaas“, versuchte er es ein letztes Mal. „Ich kann nicht einfach—“

Klaas drehte sich zu ihm um, der Blick voller Provokation und Lust. Ohne zu zögern, ohne Joko eine Zeit zur Reaktion zu geben, sank er vor ihm auf die Knie. „Ich will, dass du mich fickst“, wiederholte er, spuckte in seine Hand, rieb über Jokos Schwanz, nahm ihn in den Mund.

Jokos Blut schien zu kochen. Hitze fuhr durch jede Zelle seines Körpers, weil Klaas den herausfordernden Blick nicht von ihm löste, ihn hektisch blies und ihm dabei der Speichel über die Lippen rann. Tief und heiß schloss sich die Wärme um Jokos Schwanz, nass fuhr Klaas‘ Zunge die pulsierenden Adern nach. Jetzt war Joko es, dessen Kopf vor Gier schwirrte und der seine Hand gegen die Wand schlug, weil er nicht wusste, wohin mit sich. Er war so erregt, seine Nerven waren bei dem bloßen Anblick und den Implikationen dahinter so zum Zerreißen gespannt, dass er Klaas nach erbärmlich kurzer Zeit an den Haaren packte, ihn wieder auf die Füße zog und zurück gegen die Wand drückte. Sein Schwanz presste sich ungeduldig in die Spalte, und obwohl das hier sich gegen so ziemlich alles richtete, was er sich vorgenommen hatte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, seine bereits verdächtig nasse Spitze gegen Klaas‘ Eingang zu drücken.

Etwas zwischen ihnen entflammte, als Vernunft, Zärtlichkeit und Verstand endgültig aus dem Fenster geschmissen wurden, um Platz zu machen für das pure Bedürfnis nach Befriedigung. Das Verlangen, das sie fütterten, war zu mächtig, weil es nur miteinander funktionierte, weil es in diesem Moment irrelevant war, ob es noch mehr zerstörte, weil das nicht der Platz für Gefühle und Vorsicht war. Sie implodierten, und da blieb keine Zeit für Zimperlichkeiten.

Joko schob sich in Klaas. Es war beinahe unerträglich eng und heiß, trockener, als er es von den beiden letzten Malen kannte, viel intensiver, weil Klaas‘ Muskeln um ihn herum zuckten und sich zusammenzogen. Joko presste seine Stirn gegen Klaas‘ Nacken, erhöhte den Druck, drang langsam weiter vor und wurde von Klaas‘ innerer Wärme umhüllt. Der ganze Körper vor ihm war angespannt wie eine Bogensehne, kurz bevor der Pfeil abgeschossen wurde, und doch schob er sich Joko entgegen, holte sich mehr, wann immer Joko das Gefühl hatte, es ging nicht mehr weiter. Joko konnte nicht umhin, Klaas‘ außergewöhnliche Kontrolle über seinen Körper zu bewundern, wie sein Kopf bewusst steuern konnte, dass er sich für Joko öffnete. Diese schiere Willenskraft erregte Joko fast so sehr wie das unbeschreiblich starke Gefühl der Reibung, als sein Schaft ganz in Klaas verschwunden war und der den Kopf zur Seite drehte und geräuschvoll ausatmete.

Joko zog sich ein Stück zurück, fand das Augenpaar, das ihm so vertraut war und ihm erneut einen brennenden Blick über die Schulter zuwarf, vergrub sich mit einer langen, fließenden Bewegung in Klaas‘ Körper und hatte das Gefühl, die Welt würde entzweibrechen. Er war machtlos gegen diesen einzigartigen Moment, an dem alles stillstand und es nur sie gab. Nur ihn und Klaas. Klaas, der die Zähne zusammenbiss, Schmerzen haben musste, sich ihm aber dennoch entgegendrängte und dem erneut ein rauer Laut aus dem Mund entfloh, als Jokos Hüfte auf sein Becken traf.

Nur Klaas und er. Und all der Schmerz und die Hilflosigkeit und der Zorn auf die Situation, die sich in ihren Berührungen entluden und in immer neuen Wellen durch sie schwappten. Er konnte die Gänsehaut Klaas‘ Nacken hochkriechen sehen und folgte ihr hypnotisiert mit seinen Augen, bevor er sich vorbeugte und mit flatternder Zunge über die warme Haut strich. Er ließ seinen Mund, wo er war, stieß seinen heißen Atem gegen Klaas‘ Haut, konnte sich nicht mehr zurückhalten und begann, ihn in einem stetigen, schnellen Rhythmus zu ficken. Er verlor sich in dem Gefühl, wie sich alles um seinen Schwanz zusammenzog, wie er in Klaas pulsierte und anschwoll und es mit jedem Stoß noch besser wurde.

„Härter.“ Klaas‘ Stimme war rau wie Sandpapier, klang fast heiser.

Joko nahm ihn weiter, rücksichtslos und hungrig, und Klaas wand sich, presste sich ihm entgegen, nur um daraufhin wieder gegen die Wand zu stoßen, als wüsste er nicht, wohin mit sich. Zuckte und nickte und leckte sich die Lippen, als Joko den Winkel leicht änderte.

„Nochmal. Genau so.“

Für einen kurzen Moment musste Joko sich fast schon panisch dazu zwingen, noch nicht zu kommen. Ein Klaas, der ihn jetzt auch noch verbal leitete und ihm sagte, was ihm gefiel, ließ das Blut heftig in seine Lenden schießen und ihn vor Erregung erbeben. Er gehorchte, behielt den Winkel und die Bewegung bei und bekam als Dank ein geflüstertes Ja von Klaas, das ihm effektiv den Verstand raubte. Er wollte, dass Klaas die Welt genauso entglitt wie ihm. Er wollte diesen Rausch, die Gier, die sich beinahe brutal anfühlte, mit Klaas teilen, weil sie sonst überhaupt nichts mehr einte.

Es war, als befänden sie sich in einem einstürzenden Haus. Der Boden unter ihnen, ihr letzter Halt, brach weg und Joko klammerte sich stattdessen an Klaas, warf seinen Körper über ihn und legte seine Arme um seinen Kopf, als wolle er ihn schützen. Ganz so, als wäre das Problem alles Drumherum, nur nicht sie selbst. Alles krachte und splitterte, als sie sich sehenden Auges ins Verderben stürzten. All die angestaute Wut und Spannung und das mühsam zurückgehaltene Leid, dass sie ineinander ausgelöst hatten, brach auf. Brach über ihnen zusammen.

Und fallen würden sie sowieso, da konnte Joko auch bis dahin nach Klaas‘ Schwanz greifen und ihm ins Ohr keuchen und ihn ficken, bis sie beide nicht mehr atmen konnten. Bis es Klaas auf die Zehenspitzen trieb und er den Rücken durchdrückte und diese Laute ausstieß, die sich nicht so verboten gut anhören sollten.

Hilflos leckte Joko über Klaas‘ Nacken, spürte sein Beben, als der ihm über die Hand spritze, sich um Jokos Schwanz zusammenzog und die Muskeln unaufhörlich pulsierten. Das Feuer in Jokos Unterleib wurde unerträglich, während er seine Finger in die schmale Hüfte presste und verzweifelt zustieß. Klaas beugte sich ein Stück weiter vor, damit Joko ihn tiefer nehmen konnte und spannte sich noch einmal um ihn an, bis Joko ein dunkler Laut aus der Kehle drang.

Klaas‘ Atem ging abgehakt, aber seine nächsten Worte waren deutlich vernehmbar. „Komm in mir.“

Joko fluchte, jede Barriere in seinem Inneren riss ein. Der Satz traf ihn wie ein Faustschlag, ein letztes, unkontrolliertes Aufbäumen regte sich in ihm, als er Klaas mit harten und fahrigen Stößen fickte, und dann kam er, völlig erschöpft, das Gesicht in Klaas‘ Nacken vergraben. Konnte nicht aufhören, ein paar letzte Male in ihn zu stoßen, weil das Gefühl zu groß war, zu einzigartig, und er im selben Moment begriff, dass er es nie mehr spüren würde.

Alles um sie herum war eingestürzt, und alles in ihm auch.

Ein wenig verloren fuhr Joko mit den Fingerspitzen über Klaas‘ Kiefer, konnte es in ihm immer noch ziehen und brennen spüren, während er versuchte, seinen Atem zu regulieren. Klaas hatte seine Stirn wieder gegen die Wand gedrückt und blieb bis auf seine sich heftig hebende Brust ganz still. Unbedacht wanderten Jokos Finger weiter. Klaas‘ Wange war weich, als er darüberstrich, weicher als sonst, da sein Bart nur langsam nachwuchs. Immer weicher, je näher er dem Mundwinkel kam. Die Woge an Zuneigung, die ihn dabei durchfuhr, wurde beinahe gänzlich überdeckt von dem bitteren Geschmack, der dabei mitschwang, weil Klaas fast unmerklich leicht den Kopf schüttelte. Er sich ihm entzog, in Richtung seiner Knie griff, um sich die Hose wieder über den Hintern zu ziehen und sich zu ihm umzudrehen. Wie in Trance folgte Joko der Handlung, sah Klaas erst wieder an, als er den Knopf seiner Hose geschlossen hatte.

Klaas warf ihm einen letzten prüfenden, emotionslosen Blick zu, schob sich dann wortlos an ihm vorbei, um zu gehen, und etwas in Joko zerbrach endgültig, als er das tat.

Seine Augen brannten. Jetzt schüttelte auch er den Kopf. Er wollte keinen harten und groben Fick mit Klaas und ihn danach nicht einmal in den Arm nehmen können. Er wollte sich nicht jedes Mal so fühlen, als würde etwas in ihm sterben, wenn Klaas ging.

Er wollte alles, nur nicht das.

„Warte.“



And so it seems I broke your heart

My ignorance has struck again




Klaas’ Magen zog sich panisch zusammen. Er wollte nicht warten. Er wollte hier raus. Er wollte nicht hören, was Joko zu sagen hatte. Sein Herzschlag hatte sich von dem eben Geschehenen immer noch nicht beruhigt, da brauchte er nicht auch noch Jokos Emotionalität obendrauf, um ihm den Rest zu geben.

„Wieso sollte ich?“, fragte er kühl. Konnte förmlich spüren, wie die Temperatur im Raum einhergehend mit seiner Stimme kälter wurde und versuchte sich zu wappnen für das, was kommen würde. Er sah Joko nicht an.

„Klaas.“ Die Art, mit der Joko seinen Namen aussprach, brachte etwas unter seiner Haut zum Kribbeln. Hatte es schon immer. Normalerweise konnte er das besser von sich schieben.

Er sah Joko immer noch nicht an.

Joko räusperte sich. „Wenn du jetzt gehst, dann…“

„Was dann?“, blaffte Klaas zurück. „Was willst du dann tun, hm?“

Stille hinter ihm. Fürchterliche Stille, die an Klaas‘ Nerven zerrte.

Er brauchte noch einen Schritt zur Tür. Hinter dieser Tür warteten mehrere Wochen Winterpause auf ihn. Wochen ohne Joko. Wochen, um sich zu sammeln und wieder in den Griff zu bekommen. Oder zumindest die Illusion zu erschaffen, dass er sich retten konnte.

„Alabama“, sagte Joko plötzlich.

Versaute ihm seine Flucht, seine letzte Chance.

Das war’s dann wohl.

Er drehte sich um. Sah Joko an. Nahm den Anblick in sich auf, blickte auf das, was er angerichtet hatte, war mehr verletzt als wütend, weil er sich diese Wunden selbst zufügte, jedes Mal aufs Neue, wenn er Joko wehtat. Vielleicht war es eine kranke Form der Selbstgeißelung, weil er doch alles im Leben hatte, was er brauchte, und trotzdem nicht aufhören konnte, nach Joko zu greifen und sich mehr zu holen.

„Alabama“, wiederholte Joko. Seine Stimme war nun fester. Er erwiderte Klaas‘ Blick und der sah sofort den Sturm, der im tiefen Braun tobte. „Ich kann nicht mehr, Klaas.“

Klaas nickte. Hatte es kommen sehen, konnte es dennoch nicht verarbeiten, wollte immer noch ganz schnell raus aus diesem Zimmer, in dem er nicht atmen konnte. „Kann ich jetzt gehen?“

Joko schüttelte den Kopf. „Nein. Du kannst nicht abhauen, nicht schon wieder.“

Kurz biss er die Zähne aufeinander, konnte die Worte, die er so lange schon in sich trug, aber nicht länger zurückhalten. „Du bist doch abgehauen, Joko. Du bist einfach nach München abgehauen, ohne das vorher mit mir zu besprechen.“

„Dafür bin ich dir keine Rechenschaft schuldig.“

„Ach, und wieso nicht?“

„Weil du zuerst gegangen bist.“ Joko schluckte. „Jedes Mal.“

„Das ist etwas völlig anderes.“

„Für mich nicht. Für mich war das alles irgendwann das gleiche, alles irgendwie eins.“

Mit einem Schlag wurde Klaas kalt. Er verengte die Augen. „Das hättest du mir sagen müssen“, zischte er, versuchte, Jokos fassungslosen Blick zu ignorieren.

„Oh, wirklich? Versuchst du mir grad zu verklickern, dass du nach Jamaika nicht ganz genau gewusst hast, wie dreckig es mir ging?“

Doch, hatte er.

„War ich dir nicht deutlich genug in der Nacht vom Comedypreis und jeden verfickten Tag danach auch?“

Doch, war er.

„Und überhaupt, haben wir jemals definiert, was das zwischen uns ist? Haben wir jemals darüber gesprochen?“

Nein, hatten sie nicht. Jedes Gespräch wäre nicht der Anfang von etwas gewesen, sondern das Ende.

Aber das war nicht allein Klaas‘ Schuld. Er war sich um seinen Anteil an der Misere mehr als bewusst, aber sein schlechtes Gewissen wurde überlagert von der tiefen Irritation, die er fortwährend bei dem Gedanken spürte, dass Joko ihm die volle Verantwortung zuschob.

„Soweit ich weiß, gehören dazu immer zwei. Das war nicht immer nur ich. Das waren wir.“

„Du brauchst mir das gar nicht in die Schuhe schieben. Es war das, was du wolltest.“

„Ach, und du nicht?“, schnaubte Klaas. „Verarschen kann ich mich alleine, Winterscheidt.“

Joko lachte humorlos. Fuhr sich durch die ungemachten Haare und wirkte jetzt auf eine andere Art und Weise wütend. „Du bist wirklich so dämlich“, zischte er aufgebracht. „Alles, was ich je wollte, war deine Nähe. Ab dem Moment, an dem wir uns kennengelernt haben, wollte ich dir einfach nur nah sein.“

Klaas‘ Kopf war auf einmal ganz leer. Weg war die Wut, der bissige Sarkasmus. Da war nur Leere. Leer und Kälte, weil Jokos Worte bei ihm im Inneren ankamen, etwas lang Verschüttetes an die Oberfläche brachten, langsam und qualvoll.

„Aber du musstest mir ja wieder und wieder und wieder klarmachen, dass du mich an der Backe hast und mich eigentlich nicht haben willst. Du wolltest Abstand und klare Grenzen und nicht mehr Kontakt als nötig, schon gar keine Freundschaft, und ich hab‘ das alles akzeptiert, weil mir das mit uns zu wichtig war; weil du mir zu wichtig warst. Du hast mit der ganzen Scheiße angefangen damals, weißte noch, Gumball in Amsterdam, und du hast es nie für nötig gehalten, mir zu erklären warum. Du hast mich geküsst und danach so getan, als hätte es nichts verändert. Du hast gemauert und mich von dir gestoßen und ich hab‘ mich lächerlich und aufdringlich gefühlt und bin trotzdem nie gegangen. Weil ich weiß, dass ich dir nicht komplett scheißegal bin. So erbärmlich, wie es klingt, das hat mich jahrelang über Wasser gehalten. Aber weißt du, warum es wirklich irgendwann wehgetan hat? Nach der ganzen Scheiße, nach Jamaika?“

Klaas blieb stumm, wollte schreien, wollte etwas kaputtschlagen. Wollte sein Innerstes nach außen kehren, so wie Joko es gerade tat, weil sie es erfolgreich geschafft hatten, aneinander vorbeizureden, ohne, dass sie jemals darüber geredet hatten.

„Zum Ficken hab‘ ich dir immer noch gereicht.“

Es war ein wenig so, als würde ihm mit voller Wucht eine Faust in den Magen gerammt. Klaas‘ Innerstes zog sich zusammen, verkrampfte komplett und ließ kein Raum für irgendetwas, nicht einmal atmen. Er sah Jokos stumpfen, resignierten Blick und konnte nicht fassen, wie dumm er die ganze Zeit gewesen war. Er konnte nicht fassen, wie sehr Joko sich irrte, wie falsch er lag. Sein Verhalten hatte Joko in diese Ecke getrieben, so viel war klar, aber er hatte nie das ganze Ausmaß von Jokos gespenstisch schlechter Selbstwahrnehmung verstanden. Er hatte nie verstanden, nie verstehen wollen, wie sehr er aktiv dazu beigetragen hatte, dass Joko sich von ihm benutzt fühlte und es weiter mit sich machen ließ, weil es besser war, als gar nichts zu bekommen.

Und jetzt wurde Klaas auch klar, was ihr Kuss beim letzten Mal wirklich zu bedeuten hatte.

Joko hatte nach etwas gesucht, bei diesem letzten Mal. Klaas hatte es da schon gespürt, hatte es aber nicht verarbeiten können, weil Jokos Finger ihm gelinde gesagt das Hirn zu Matsch zerschossen hatten. Joko hatte die Bestätigung für seine Gedanken gesucht, jene Stimmen, die ihm zuraunten, dass Klaas ihn zum Ficken benutzte und alles andere immer abblocken würde. Und Klaas hatte diesen Zweifeln in die Hände gespielt. Auch heute wieder. Jetzt erst begriff er, dass der Kuss seine letzte Chance gewesen war. Dass es Jokos letztes Greifen nach Klaas sein sollte, eine letzte stumme Bitte, zu bleiben. Ein letztes Mal zu sagen, bitte stoß mich nicht immer von dir. Aber Klaas hatte genau das getan, hatte Jokos Annahme bestätigt und jetzt konnte er Joko mit Worten schwindelig reden, so viel er wollte, gegen diese tiefe, von Selbstverachtung geprägte Überzeugung hatte er keine Chance

Wut auf sich selbst, regelrechter Ekel, kochte in Klaas hoch. Es machte ihn sprachlos. Es machte ihn hilflos. Er war immer davon ausgegangen, dass Joko, und wenn es auch nur unterbewusst war, sehr wohl wusste, wie viel er Klaas bedeutete; wie sehr Klaas ihm vertraute, wie er sowohl sein Leben als auch seinen Körper kommentarlos in Jokos Hände legte und er es niemand anderem je erlauben würde, über beides zu entscheiden. Es war für ihn so offensichtlich, wie unwiderruflich nah er Joko an sich rangelassen hatte, aber er hatte sich nie mit dem Bild konfrontiert, dass er selbst schuf, indem er sich Joko ausschließlich körperlich näherte.

Er fragte sich, warum er Joko nicht widersprach. Warum er es nicht wenigstens versuchte. Er fragte sich, was so monumental war, dass es jedes Eingeständnis in Richtung Joko blockierte. Und dann sah er zwei Augenpaare vor seinem inneren Auge, ein erwachsenes und ein ganz kleines. Unschuldige Augen, die seinen so sehr ähnelten, die sein Blau spiegelten, aber von einer Reinheit zeugten, die er schon lange nicht mehr in sich trug.

Panik schoss durch seinen Körper, mächtig, überwältigend. Es lähmte ihn und ließ ihn gleichzeitig seltsam klar sein. Verzweifelt und doch entschlossen.

„Was hast du denn anderes erwartet?“, flüsterte er schließlich, den Kopf leicht gesenkt. Kurz flackerte Scham in ihm auf, als er sah, wie der Schmerz in Jokos Augen erglomm. Etwas Flatterndes regte sich in seiner Brust, ein bekanntes Gefühl, das an seine Zuneigung zu Joko geknüpft war, das vor allem ausbrach, wenn Joko ihn küsste. Jetzt kam es durch das Leid, das Joko dank ihm ertragen musste und das ihn aus der Bahn zu schleudern drohte, wenn er dem nachgab. Die Panik und Verzweiflung auf der anderen Seite würden ihm helfen, den Kopf über Wasser zu halten, unabhängig davon, was Joko als nächstes tat.

Er stach das Ungetüm nieder, das da schon so lange in seiner Brust saß und flatterte. Er hieb darauf ein, bis es nur noch leicht mit den Flügeln zuckte, ganz schwach, kaum merklich. Bis er sich einbilden konnte, dass es nicht mehr da war.



I failed to see it from the start

And tore you open 'til the end




„Ich erwarte gar nichts mehr“, murmelte Joko nach einer kurzen, angespannten Pause. Klaas wirkte unruhig, derart vor den Kopf gestoßen, seit Joko ihm Satz für Satz entgegengeworfen hatte, dass er kaum zu reagieren schien. „Ich pack‘ das nicht“, sagte er schließlich. Im Gegensatz zu Klaas war er ruhig. „Du weißt genau, dass ich dich—“

„Halt den Mund, Joko“, zischte Klaas sofort. „Du kannst mich nicht vor der halben Firma vorführen, mich ficken und mir dann das vor die Füße werfen. Ich will das nicht hören.“

Joko schnaubte. Er hatte es so satt, sich wegen Klaas schlecht zu fühlen, sich zurückhalten zu müssen, weil ihm jede Form der aufrichtigen Affektion zuwider war. Da war es wieder, das Gefühl, dass er Klaas bedrängte, dass er ihm zu viel war.

Klaas nahm Joko das, woran er sich sein Leben lang orientiert hatte. Seine Selbstsicherheit, sein Optimismus und seine Fähigkeit, sich auf andere Leute einzustellen, um sie glücklich zu machen. Bei Klaas war das anders gewesen, bei dem hatte er sich verrenkt und verbogen und es hatte trotzdem nicht gereicht. Nie hatte Joko gereicht, und mit jedem neuen Versuch hatte es ihn innerlich mehr zerrissen. Schon in Toronto, bei der Gumball Ralley, war der Gedanke durch Jokos Kopf gespukt. Dass er sich von Klaas ruinieren lassen würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Und jetzt sah er Klaas in die Augen, sah die vorgeschobene Kälte in ihnen und die mühsam zurückgehaltene Panik direkt dahinter und verstand, dass es genauso passiert war. Joko hatte sich in Klaas‘ Hände gelegt, hatte ihm alles gegeben, hatte sich ihm schutzlos ausgeliefert und Klaas hatte ihn ruiniert.

Und hassen konnte Joko ihn dennoch nicht.

Aber es tat weh. Es tat so weh, Klaas nur anzusehen. Und das konnte er nur ändern, indem er die Reißleine zog. Klaas würde er damit endgültig davonjagen, aber das war immer eine Schlacht gewesen, die er verloren hätte. Da konnte er auch mit wehenden Fahnen untergehen. Er würde es sagen, er musste es sagen, und Klaas würde mit der Wahrheit genauso leben lernen müssen wie er.

„Ich liebe dich schon mein halbes Erwachsenenleben, aber so kann ich nicht weitermachen, Klaas. Es zerreißt mich irgendwann. Es hat mich ehrlich gesagt schon zerrissen.“

Klaas machte reflexartig einen Schritt zurück. Seine Verzweiflung, die Panik, die durch seinen ganzen Körper strömte, als er versuchte, das Gesagte anzunehmen, war für Joko fast greifbar. Er konnte sich denken, was die Worte mit Klaas‘ Kopf anrichten würden. Es gab einen guten Grund, aus dem er sie immer zurückgehalten hatte, auch wenn es für sie beide glasklar gewesen war. Es fühlte sich beschissen an, für Joko wie für Klaas. Joko fühlte sich schwach und Klaas fühlte sich angegriffen. Joko verstand nicht ganz, wie er je hatte denken können, dass sie nicht schon immer unausweichlich auf diesen Punkt zugesteuert waren.

Klaas sagte nichts. Sah ihn nur mit diesem unsteten, flackernden Blick an, aus diesen wunderschönen blauen Augen, die zum Niederknien waren, zumindest für Joko. Immer noch. Trotz allem noch. Daran würde sich nie etwas ändern.

Aber an ihnen musste sich etwas ändern.

Er räusperte sich und zwang sich, ruhig zu bleiben. Er brauchte diese Ruhe, um es zu Ende zu bringen. „Ich weiß, du hasst mich dafür, dass ich das sage. Du hasst mich noch viel mehr dafür, dass ich das überhaupt fühle. Dass ich das zugelassen habe und nicht wie du wegdrücke. Du bist im richtigen Moment abgesprungen, nach Jamaika, bevor es dir zu krass wurde. Du hast das ausgeschaltet und kontrolliert und ich sehe dir die Verachtung an, weil du weißt ich kann das nicht. Ich hab‘ da nicht die Kraft zu.“

Ein merkwürdiges Geräusch entfloh Klaas‘ Kehle. Es hörte sich unterdrückt an, unabsichtlich und von derselben Verzweiflung geprägt wie sein Bick. Es ließ Joko kurz stocken und innehalten. Klaas hielt etwas zurück, versteckte weiterhin alles vor ihm, was über aufrichtigen Schock und kalte Wut hinausging und Joko war jetzt zu weit gekommen, um erneut nachzugeben und sich in den Strudel zurückziehen zu lassen. Es war nicht seine Aufgabe, das Mysterium um Klaas‘ verborgene Schätze zu lösen. Klaas wollte nicht, dass er sie fand, und er wollte nicht weiterhin daran kaputtgehen.

Er hatte aufgegeben, nach etwas zu suchen, das vermutlich gar nicht existierte.



Sorry that I can't believe that anybody ever really

Starts to fall in love with me




Joko schien durch ihn durchzublicken. Schien ihn mit einer Selbstverständlichkeit zu sehen, wie selten zuvor, und gleichzeitig kaum wahrzunehmen, dass sie sich gegenüberstanden. Die Wut in Klaas war längst abgeklungen, aber die Panik schlang sich immer noch kalt und überwältigend über sein Herz. Jokos Worte setzten Nadelstiche, fügten heftige und verdiente Wunden zu. Klaas wollte ihn bitten, nicht weiterzureden, wissend, dass er nicht das Recht dazu hatte. Nach all der Scheiße, in die er sie manövriert hatte, schuldete er es Joko, ihn ausreden zu lassen, auch wenn er ihm nichts zu erwidern hatte. Da waren Worte in seinem Kopf, vermutlich mehr als jemals zuvor, aber alles ging kreuz und quer, war verknotet und chaotisch.

Jeder Atemzug tat weh. Jedes weitere Wort, das über Jokos Lippen kam, tat es ebenfalls. Klaas sog es alles auf, wartete darauf, dass nichts mehr ging, dass er sein Limit erreichte, aber der Moment kam nicht.

Stattdessen sprach Joko weiter, erbarmungslos und ehrlich. „Ich habe deine Grenzen versucht zu respektieren, bin dein Tempo gegangen, jahrelang. Nicht monatelang, Klaas. Jahrelang. Und jetzt sag‘ ich dir: Ich will das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr. Aber alleine pack‘ ich es nicht, das durchzuziehen. Du…“

Er biss sich auf die Lippe, würgte den Satz ab. „Wenn du nicht mitmachst, werde ich immer wieder nachgeben. Ich weiß das. Aber ich will es nicht mehr. Ich will mich nicht mehr so fühlen, so…“

Hilflos.

Zerrüttet.

Entmächtig.

Alles Dinge, die in den Worten mitschwangen.

Alles Dinge, die Klaas auch gefühlt hatte.

Alles Dinge, von denen er sich eingeredet hatte, mit ihnen allein zu sein.

Klaas nickte, grub die Nägel seiner Finger so fest in seine Handinnenfläche, bis der Schmerz kurz von außen und nicht von innen kam, damit er durchatmen konnte. Damit er sich die Worte bereitlegen und den Satz herauspressen konnte. „Und wie sollen wir aus der ganzen Sache rauskommen?“

„Als Kollegen“, sagte Joko sofort, um Fassung bemüht. „Hoffentlich vielleicht irgendwann als Freunde. Aber nicht so wie jetzt. Nie mehr so wie jetzt.“

Da war so viel Schmerz in seinen Augen. Es war ein Schmerz, der Klaas‘ Innerstes widerspiegelte.

„Ich kann dich kaum mehr angucken.“

Klaas biss sich auf die bebende Lippe, versuchte, sich zusammenzureißen und um den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung zu kämpfen. Joko hatte recht. Es tat weh, ihn anzugucken.

„Dann geh einfach.“ Klaas konnte reden. Er konnte mit Worten umgehen, mit ihnen spielen, sie auseinanderpflücken und wieder zusammensetzten. Mit Gefühlen konnte er das auch. Er konnte die Welt um sich herum mit einem fast klinischen, wissenschaftlichen Interesse beobachten und Geschehnisse aufnehmen, sie verwenden oder nach Belieben steuern. Er hatte sich deswegen nie herzlos gefühlt, ein wenig unterkühlt vielleicht, vor allem im Zusammenspiel mit Joko und all seinem Drang, das Leben überschwänglich zu genießen. Aber so schlimm wie jetzt, in diesem Moment, war es noch nie gewesen. So schwer war es ihm noch nie gefallen, den Mund aufzumachen und zu tun, was er tun musste, obwohl er am liebsten hier und jetzt in sich zusammengefallen wäre.

„Geh und dann war’s das.“

Jokos Augen waren feucht, aber er weinte nicht. Weil Klaas es hasste, wenn Joko vor ihm weinte. Weil Joko dachte, dass Klaas ihn für das Weinen als Schwäche verachtete und Klaas in Wirklichkeit schlichtweg nicht mit Jokos Leid umgehen konnte, es nicht aushielt. Weil Klaas ein Arschloch war und Joko ihm dennoch alles von ihm gegeben hatte.

Alles von Joko, aber nicht alles von Klaas.

Der Schmerz war beinahe unerträglich. Klaas konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob er je wieder ganz verschwinden würde.

Nicht so wie jetzt, hatte Joko gesagt. Nie mehr so wie jetzt.

Er schloss die Augen. Wollte nicht sehen, wie Joko ging, aber hörte es natürlich trotzdem. Sackte gegen die Wand, während sich Jokos Schritte entfernten und die große Tür im Flur mit einer Finalität zuschlug, die Klaas den Atem raubte. Die Panik machte sich in seiner ganzen Brust breit, drückte auf seine Lungen, drückte ihn auf den Boden, bis sein schmerzender Hintern Bekanntschaft mit dem Teppichboden machte. Er ging zu Boden, ging zugrunde, presste die Hände gegen die schmerzenden Schläfen und versuchte krampfhaft, seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Es dauerte lange, bis er bereit war, seine Augen wieder zu öffnen, und wäre er in einem ansatzweise normalen Zustand gewesen, hätte er sich zu Tode erschrocken, als er sah, dass Thomas Schmitt im Türrahmen stand. Blitzartig flammte eine Erinnerung in ihm auf, vom letzten Mal, an dem Schmitti in einer Tür gestanden und auf ihn hinabgeblickt hatte. Er sah sich im Bett liegen, Jokos Wärme beruhigend in seinem Rücken, Jokos Wärme tief in seiner Brust, da, wo jetzt nur Panik und Trauer war.

Seine Unterlippe bebte wieder gefährlich und er biss hart auf sie, unterdrückte ein Schluchzen, welches ihm daraufhin quer in der Kehle saß.

Schmittis Blick ruhte immer noch auf ihm, stumm und wissend und doch beruhigend, weil er nicht wertend war und weil Schmitti vermutlich der einzige Mensch auf dieser Welt war, der das konnte; der es schaffte, Klaas nicht zu verurteilen, obwohl er nichts Besseres verdient hatte. Stattdessen kam Thomas nach unendlich langen Momenten des Schweigens schließlich näher, öffnete ein Fenster und setzte sich neben ihn. Nicht zu nah, aber auch nicht zu weit. Er kramte kurz in seiner Tasche, reichte Klaas eine Zigarette. Zündete sie ihm an, nahm sich seine eigene. Ließ die Packung und das Feuerzeug zwischen sie auf den Boden fallen und sank mit dem Kopf gegen die Wand.

Erneut fühlte sich Klaas an Duell um die Welt Reisen erinnert. Er und Thomas hatten schon überall gesessen, in jedem Dschungel, auf jedem Berg, nach jedem beschissenen Dreh, und hatten zusammen geraucht. Stumm. Verstehend.

Und gerade jetzt, wo er nicht damit gerechnet hatte, diente es ihm wie ein Rettungsanker.

Klaas rauchte und rauchte, bis sein Mund nur noch nach Asche und nicht mehr nach Jokos Küssen schmeckte, bis sich der Zigarettengeruch in seiner Kleidung und unter seiner Haut festsetzte und Jokos Geruch übertünchte. Nach der nächsten Dusche würde er vielleicht auch Jokos Berührungen von seiner Haut schrubben können.

Aber alles darunter, das konnte er nicht heilen. Aus seinen Zellen konnte er Joko nicht mehr löschen, da war er unwiderruflich eingebrannt, hatte sich eingenistet, schleichend und mit einer Endgültigkeit, bei der es Klaas flammend vor Schmerz durch die Brust stob.

Bei jedem Einatmen inhalierte er das Nikotin, versuchte Joko auszulöschen, versuchte das Zittern zu unterdrücken, versuchte gegen die Tränen anzukämpfen.

So saß er stumm mit Schmitti auf dem Boden, eine ganze Ewigkeit lang, fror und rauchte und Schmitti sah ihn nicht an, fror und rauchte mit ihm, blickte aus dem Fenster der Sonne entgegen, die langsam den Raum mit Licht flutete.

Und wenn Klaas der Sonne lang genug entgegen starrte und zusah, wie sie über den Horizont kroch und sich ihren Weg in den Himmel bahnte, konnte sich vielleicht dieses Bild in seine Netzhaut einbrennen und das Bild von Joko ersetzen, das ihn nicht mehr losließ.

Joko, der sagte, dass er ihn liebte.

Und Klaas, der immer nur gesagt hatte, dass er Joko hasste.




x



And someone will love you

Someone will love you

Someone will love you

But someone isn't me.
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