Tausendmal Berührt [Teil I]
von ninarina
Kurzbeschreibung
"Er brauchte Joko. Beruflich, das hatte er schon zu MTV Home Zeiten verstanden. Körperlich, das war sich ein wenig schwerer einzugestehen. Aber seelisch, emotional, das war für Klaas, für sein rational getriebenes Hirn, absolut inakzeptabel." — Was wäre, wenn es wirklich so wäre? Joko & Klaas. Damals und Heute. [Teil I von II]
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
14.06.2021
29.01.2022
20
134.433
128
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Dieses Kapitel
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18.09.2021
6.286
Bevor ihr in dieses Kapitel und das Drama einsteigt: Ich habe keine Ahnung, in welchen DUDW Ländern sie 2015 zuerst und zuletzt waren, da musste ich ausnahmsweise ein bisschen Fantasie miteinfließen lassen. Ich hoffe, ihr verzeiht es mir. Dafür gibt es big Thomas Martiens love.
Ich habe das Ende dieses Teils schon vor Monaten geschrieben, aber ich bin beim Überarbeiten trotzdem sehr emotional geworden. Wenn es einen Moment gibt, der mich immer schon fertig gemacht hat, dann ist das dieses verzweifelte „Ich will einfach nur nach Hause, Joko“. Ironischerweise hatte ich dadurch auch den Joko-kann-Klaas-nicht-leiden-sehen-Teil schon lange vor „Ich bin dafür nicht gemacht, dass dieser Mann leidet“ geschrieben. Mags sehr, wenn meine Theorien Wahrheit werden…
Gebt mir gerne eure Gedanken und Emotionsstufen durch, ab jetzt geht’s erstmal nur bergab und ich brauche Motivation. Juchu.
Part 11: Two Hands Digging In Each Others Wounds
Hate is spitting out each others mouths
But we’re still sleeping like we’re lovers
Still with feet touching
Still with eyes meeting
Still our hands match
Still with hearts beating
(Still by Daughter)
Kroatien, Sommer 2015
Es passierte in Kroatien.
Joko war müde. Es war nicht wie in Grönland, als Klaas ihm mehr als übel mitgespielt hatte und abgehauen war, sobald es für ihn möglich war. Es war auch nicht wie in den USA, als sie sich in der brütenden Hitze Nevadas wiedergetroffen hatten und nach dem Dreh förmlich übereinander hergefallen waren.
Joko stob immer noch die Wärme ins Gesicht, wenn er darüber nachdachte. Wie Klaas ihn gemustert, wie er ihn bis ans Äußerste getrieben hatte. Wie sie danach atemlos im Bett gelegen hatten, schweißüberströmt und überdreht und Klaas sich erst von ihm abgewandt hatte, als Joko seine Schulter küsste. Wie sie sich noch mit dem Team getroffen und getrunken hatten und Thomas Schmitt nur spöttisch die Brauen gehoben hatte, als sie kurz nacheinander und frisch geduscht zu ihnen gestoßen waren. Wie Klaas‘ Blick weiterhin auf ihm geklebt hatte, ruhelos und ungefiltert und es ihn so sehr in den Wahnsinn getrieben hatte, dass er sich keine Stunde später erneut auf Klaas‘ Hotelzimmer wiedergefunden hatte, Klaas‘ Schwanz in seinem Mund und dessen Stöhnen im Ohr.
Von seinem Team hatte keiner das Verhalten ihrer Chefs angesprochen, aber Thomas Martiens hatte ihn gebeten, ihre kurz darauffolgende und sehr wilde Partynacht in Russland für sich zu behalten. Das stumme „Wehe, du steckst Klaas, dass ich dir wieder Pillen gegeben habe“, schwang überdeutlich mit, aber es war vermutlich nicht der Hauptgrund, aus dem Thomas dem Treffen mit Team Klaas unentspannt entgegenblickte.
Kroatien war nicht wie Grönland, und schon gar nicht wie Nevada. In Kroatien wirkten alle angespannt, übermüdet und gewillt, die letzte Aufgabe möglichst schnell über sich ergehen zu lassen, damit sie alle nach Hause konnten. Die Nähe zu Klaas konnte wenig über Jokos Stresslevel hinwegtäuschen, da er sich leider sehr gut an Russland erinnerte. Die Freude, Klaas wiederzusehen, konnte seine Nervosität nicht überdecken, wann immer er einen Blick mit Thomas Martiens wechselte. Klaas durchschaute seine nervöse Hampelei sofort, belagerte ihn mit fragenden, scharfen Blicken, die Joko unangenehm unter die Haut gingen. Die warnenden Blicke, die Thomas ihm auf der anderen Seite zuwarf, verstärkten seine Unsicherheit nur.
Kurz bevor Joko für das G-Kräfte-Battle in den Flieger musste, zog Klaas ihn beiseite. „Was ist los?“, fragte er ihn forsch.
„Nichts ist los, stress nicht rum“, wich Joko aus. Klaas packte ihn am Arm, sein Tonfall war jetzt bedrohlich. „Du bist ein elendig schlechter Lügner, Winterscheidt. Thomas und du, ihr behandelt mich wie ‘nen Staatsfeind.“
„Thomas hat damit nichts zu tun.“
„Ach.“ Klaas grinste falsch. „Wenn ich jetzt also zu ihm gehe und ihn frage, stört dich das nicht?“
Joko biss sich auf die Lippe. Seine nächsten Worte waren leiser. „Ich will nicht streiten.“
„Dann versteck’s beim nächsten Mal besser. Und jetzt raus mit der Sprache.“
Er überlegte, welches der beiden Optionen das geringere Übel war, entschied sich instinktiv. „Russland ist ein wenig aus dem Ruder gelaufen.“
Klaas hob kommentarlos die Brauen, ein klares Zeichen, dass Joko weitersprechen sollte. Dieser knetete nervös seine Finger.
„Naja, du hast dich beim Comedypreis so mit Thomas angelegt, wegen… du weißt schon.“
Jetzt sog Klaas scharf die Luft ein. „Der hat dir nicht schon wieder diese blöden Dreckspillen gegeben? Nachdem ich ihm ausdrücklich gesagt habe, er soll dich damit in Ruhe lassen? War dir das beim letzten Mal nicht genug?“
„Klaas“, flehte Joko, suchte seine Augen und fand nichts außer Verachtung in dem aufgebrachten Blau. „Es war anders diesmal. Besser. Ich war nicht so drauf wie beim letzten Mal, weil—“
Er unterbrach sich. Weil Klaas nicht dabei gewesen war. Er musste es nicht laut aussprechen, Klaas‘ Blick sprach Bände. Er öffnete den Mund, um sich weiter zu verteidigen, als Thomas‘ ungeduldige Stimme sie unterbrach.
„Joko, der Flieger wartet nicht ewig, rein da, bevor ich Schmitti anrufe.“
Der Angesprochene huschte zu ihm, hatte das Gefühl, Klaas‘ Augen verfolgten ihn und seine Blicke brannten ihm Löcher in den Rücken. Das Letzte, was er sah, bevor der Flieger mit ihm abhob, war Thomas und Klaas, die ein paar heftige Worte miteinander zu wechseln schienen.
Die Challenge war furchtbar. Eine der schlimmsten, die sie je machen mussten, zumindest wenn man den kotzenden, am Rande zur Ohnmacht stehenden Joko fragte, der eine gefühlte Ewigkeit später mit zitternden Fingern den Gurt löste und sich den Kameras auf dem Boden stellte. Klaas feixte halbherzig, gab zu, sich nicht wirklich an Jokos Leid ergötzen zu können, da er als nächstes dran war. Sie machten eine kurze Drehpause und Joko bekam Wasser, damit er sich ein bisschen fangen konnte, bevor es weiterging.
Klaas stellte sich neben ihn, blickte abschätzig auf den sitzenden Joko hinab und schnalzte mit der Zunge. „Willst du dir noch was von Martiens‘ Zeug schmeißen, damit du wieder auf der Höhe bist?“
„Lass es doch einfach“, knurrte Joko zurück.
„Ich sag’s ja nur. Ist deine Sache.“
„Dann weiß ich nicht, wieso du dazu so viel zu sagen hast.“
„Weil ihr offensichtlich versucht habt, mir was vorzulügen.“
Nicht deswegen, dachte Joko.
„Weißt du was, Klaas?“, murrte er, weiterhin, ohne ihn anzusehen. „Wenn du nicht immer so ein Fass aufzumachen würdest, könnte man dir solche Dinge problemlos sagen.“
Klaas schnaubte, nestelte an dem Reißverschluss seiner Fliegeruniform. Er sah gut aus, dachte Joko. Der Bart nicht zu lang und nicht zu kurz, die Haare gepflegt und doch ein wenig wirr auf seinem Kopf liegend. Die Augen leuchteten hellwach, aber auch kalt. Er war unnahbar und schrecklich anziehend zugleich. Joko hätte in seinem Leben deutlich weniger Probleme, wenn er nicht den Drang hätte, Klaas jederzeit und überall gegen jede Wand drücken zu wollen, weil er sonst umkam vor Verlangen. Sogar jetzt noch.
„Wie immer machst du‘s dir ganz leicht. Du baust Scheiße und ich bin schuld, weil man mit mir angeblich nicht reden kann? Aber nachts anrufen und mich vollheulen, das ist okay?“
Da schwang etwas in Klaas‘ Stimme mit, etwas, das Joko in den falschen Hals bekam. Vielleicht war es die Andeutung, dass Joko ohne Klaas nicht klarkam. Vielleicht war es auch Joko selbst, der verdammt gut wusste, wie heftig er nach Jamaika auf dem Boden der Tatsachen gelandet war, ohne Warnung, ohne Abfederung. Was es auch war, es ging zu tief, traf zu empfindlich.
„Ich kann nicht alles so wegstecken wie du. Dafür werd‘ ich mich nicht entschuldigen.“ Joko hasste, wie sehr seine Stimme bebte. Er war wütend, aber natürlich musste die verletzte, selbstverachtende Stimme in seinem Kopf stärker sein. „Es ist schlimm genug, dass du mir das Gefühl gibst, dir alle Fehltritte oder Aktionen, die vielleicht nur ein bisschen danebengegangen sind, verheimlichen zu müssen. Das mit dem Ecstasy, der Ku—“
Fuck.
Oh, fuck.
Es war ihm einfach so herausgerutscht. Klaas‘ Augen schnappten zu ihm. Sein Körper war ruhig, fast starr. Es war die Art von Ruhe, die Joko Angst machte, weil es normalerweise darin endete, dass Klaas seine Umgebung nur mit Worten in Schutt und Asche legte. „Welcher Kuss?“
Joko versuchte, den eisernen Blick zu erwidern. Das versuchte er wirklich. Aber Thomas Martiens stand unglücklicherweise genau in seinem Blickfeld, einige Meter hinter Klaas, und sah gerade zu ihnen hinüber. Und Joko machte den Fehler, seinen Blick zu ihm gleiten zu lassen, ganz kurz nur, aber Klaas konnte er nicht verarschen. Klaas kannte ihn, konnte ihn lesen wie kein Zweiter.
Ihre Augen fanden sich wieder. Joko versuchte mit aller Macht, Trotz in seinen Blick zu legen, um das nagende, schlechte Gewissen zu überdecken, das ihn seit Russland plagte. Seit er sich auf dieser Privatparty von einem dahergelaufenen Russen entgegen Thomas‘ Protesten erneut Ecstasy geschmissen hatte und der Rausch dieses Mal gut gewesen war. Sehr gut. Fantastisch. Weil Klaas so weit weg gewesen war. Weil alles so weit entfernt schien, jede Verpflichtung, jede Konsequenz, alles, was nicht im Hier und Jetzt passierte.
Und deswegen hatte es irgendwie Sinn gemacht, ihm war schlichtweg danach gewesen, Thomas grinsend an sich zu ziehen und ihm unter Jubel und Geschrei einen Kuss aufzudrücken. Und dann noch einen. Und dann noch einen, ein bisschen länger diesmal. Nur, um Klaas nach diesem Mal so deutlich vor seinen geschlossenen Augen zu sehen, dass er erschrocken zurückgezuckt war. Thomas hatte nur gelacht und Frank gleich darauf einen feuchten Kuss auf die Wange gegeben und ihm am nächsten Tag versichert, dass das für ihn nichts weiter als Spaß gewesen war. Und Joko wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er es genauso nehmen und darüber lachen könnte, ohne das Gefühl zu haben, er hätte Klaas verraten.
Er schluckte. „In Russland halt.“
Klaas lachte und das Geräusch rann Joko eiskalt den Rücken hinunter. „Du bist dir auch wirklich für nix zu schade, oder?“
„Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen“, flüsterte Joko, wusste nicht, ob er sich selbst überzeugen wollte oder Klaas, der ihn immer noch unleserlich anstarrte und jetzt die Arme vor der Brust verschränkte.
„Und trotzdem wolltest du es unbedingt vor mir verheimlichen“, gab er zurück. Seine Stimme triefte vor Hohn. Klaas verhöhnte ihn. Als wäre er ein unerfahrener, sich nach körperlicher Nähe sehnender Junkie, der sich im Rausch an alles und jeden schmiss und für den Klaas nur eine von vielen Eroberungen war. Joko konnte förmlich dabei zusehen, wie sich genau dieses Bild von Joko in Klaas‘ Kopf zusammensetzte. Stück für Stück. Weil es einfacher war, als über die Alternative nachzudenken. Weil es besser war, als die überlegene Position in dem Gespräch aufzugeben und zuzugeben, dass es ihn störte.
Joko musste sich nicht verteidigen, aber er tat es dennoch. „Ich wollte nicht… es war überhaupt nicht so gemeint. Das war kaum mehr als ein Schmatzer.“
War es wohl. Er hatte Thomas nicht so geküsst, wie er Klaas küssen würde, aber es einen Schmatzer zu nennen, war eine wüste Untertreibung und das wusste Klaas. Es war nicht ernst gewesen, aber das würde für ihn nicht zählen. Das Geschehen selbst zählte und das ließ sich nicht rückgängig machen.
„Alles gut, Joko“, sagte Klaas gönnerhaft und Jokos Fingerspitzen kribbelten schon wieder vor Wut aufgrund des überlegenen Tonfalls. „Jetzt haste immerhin gekriegt, was du wolltest. Ist dann auch egal von wem, ne.“
Und damit ließ er Joko stehen, sprachlos, mit offenem Mund. Stapfte zum Flieger, ließ sich anschnallen und würdigte Joko keines Blickes mehr. Wie betäubt fiel Joko auf den Stuhl und starrte auf den Monitor vor sich. Er konnte Klaas durch die Kamera sehen, unberührt, bereit für den Dreh, bereit für die Aufgaben.
„Du bringst das Idiot-sein wirklich auf ein ganz eigenes Level, Joko“, fuhr Thomas ihn so harsch von der Seite an, dass er zusammenzuckte.
„Er hätte so lange nachgebohrt, bis ich es ihm gesagt hätte“, zischte Joko zurück.
Thomas raufte sich die Haare. „Ich will da nicht mit reingezogen werden, hörst du mich?“
„In was solltest du reingezogen werden?“
„In genau das hier. In euer Ding. Niemand darf auch nur in Schlagweite kommen, ohne Stress zu bekommen. Ich hab‘ da kein‘ Bock drauf.“
„Dann misch dich nicht ein und lass mich das regeln.“
Thomas‘ Blick war jetzt fast mitleidig und das traf Joko wesentlich mehr als seine Wut. „Ich weiß, ihr seid… anders, was sowas angeht, aber du kannst dir von ihm nicht vorschreiben lassen, was du zu tun und zu lassen hast.“
Joko schloss die Augen und atmete tief durch, während Thomas sich ein paar wenige Schritte entfernte und den Drehbeginn ausrief.
Showtime.
Keine Zeit für Befindlichkeiten.
Keine Zeit, sich darüber aufzuregen, wie unfair Klaas sein konnte.
Keine Zeit, darüber nachzudenken, dass sie nur in dieser Situation waren, weil Joko Klaas immer und immer wieder gewähren ließ.
Keine Zeit, um Panik zu bekommen, weil Thomas Martiens irgendetwas wusste oder zumindest ahnte.
Jetzt hieß es volle Konzentration, um den Dreh möglichst zügig hinter sich zu bringen. Und dann wartete da ein sehr weiches, sehr großes Bett auf Joko, weil hier nicht Schmitti sondern Thomas Martiens das Sagen hatte und der ihnen allen ein eigenes Zimmer spendiert hatte. Joko beobachtete Klaas, wie er sich durch seine Aufgaben quälte, lachte, gab seine Kommentare ab und amüsierte sich auf seine Kosten. Innerlich atmete er erleichtert auf, weil es ging. Diese Ebene, die sie vor der Kamera fanden, die war anders. Mühelos, rein, perfekt aufeinander abgestimmt. Keine Komplikation, und sei sie noch so vertrackt, konnte ihnen das nehmen, weil sie diesen Zusammenhalt niemals aufgeben würden.
Es war das Quartett-Spiel, welches alles veränderte. Joko war auf seine Karten fokussiert, wissend, dass es Klaas´ letzte Aufgabe war und sie danach frei sein würden. Nur drei Runden Quartett und es war vorbei. Klaas wiederholte seine Antwort, atmete schwer und reagierte nicht mehr auf das, was Joko ihm entgegnete. Sein Satz wurde immer unverständlicher und Jokos Blick glitt stirnrunzelnd gerade wieder hoch zum Monitor, als Klaas in sich zusammensackte. Den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund einen Spalt breit geöffnet und die Augen geschlossen. Er rührte sich nicht mehr.
Joko sagte seinen Namen. Und dann nochmal. Und dann nochmal.
Klaas reagierte nicht.
Joko bat Matthias, den Piloten, nach ihm zu schauen. Hilflos blickte Joko hinter die Kamera, zu Thomas und Rauli, die in ihren Bewegungen wie erstarrt wirkten und die besorgten Blicke auf den Monitor geheftet hatten. „Der’s weg“, murmelte Joko, die Stimme von Fassungslosigkeit geprägt.
Wieder sagte er Klaas‘ Namen, lauter jetzt, und für einen surrealen Moment schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass sie das würden rausschneiden müssen. Sein Kopf weigerte sich zu arbeiten, alles war lahmgelegt und auf den Bildschirm vor ihm fokussiert. Sein Gedächtnis schob ihm Bilder zu, Erinnerungen von seinem Halo-Jump, die Stimme seines Arztes. Etwas rastete ein und Joko riss es von seinem Stuhl, bebend vor unterdrückter Panik, die ihm dennoch bis in die klammen Fingerspitzen schoss.
„Holt ihn da runter“, flüsterte er.
Klaas bewegte sich nicht. Der Pilot warf immer wieder einen Blick über die Schulter, sprach Klaas an.
„Holt ihn da runter, verdammt.“ Die Hysterie in Jokos Stimme war unverkennbar. Seine Beine zitterten. Er fühlte sich gelähmt vor Angst und gleichzeitig so vollgepumpt mit Adrenalin, dass er Klaas am liebsten eigenhändig vom Himmel gezerrt hätte. „Sofort, Thomas!“
Thomas schritt auf ihn zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter, die Joko sofort abschüttelte. Er wollte keinen Trost. Er wollte Klaas wieder auf dem Boden wissen, dort, wo er ihn sehen und sichergehen konnte, dass er okay war.
„Dreh mir jetzt nicht durch, Joko.“ Die Stimme neben ihm war eindringlich und wachsam, während Rauli die Anweisungen direkt an Matthias weitergab, der den Flieger langsam Richtung Boden senkte.
So plötzlich, wie Klaas ohnmächtig geworden war, so unvermittelt regte er sich wieder. Joko stieß Thomas beiseite, ließ sich auf den Stuhl fallen und griff nach dem Walkie-Talkie. Seine zitternde Tonlage ignorierend, sagte er erneut Klaas‘ Namen und diesmal antwortete dieser. Er befolgte die Anweisung des Piloten und rückte seinen Kopf gerade und Joko zwang sich mit aller Macht zu beherrschen. Thomas hatte Recht, es brachte Klaas überhaupt nichts, wenn er durchdrehte. Er forcierte die Kraft in seine Stimme zurück, erklärte Klaas betont ruhig, beinahe heiter, dass er ohnmächtig gewesen war.
„Ey, das ist der letzte Scheiß“, stöhnte Klaas. Selten hatte Joko ihn so hilflos, so ungefiltert erlebt. Und vermutlich zum ersten Mal schien Klaas zu vergessen, dass er gefilmt wurde.
„Du bist gleich bei uns“, erwiderte Joko, dem gerade alles am Arsch vorbeiging. Sollte sich Rauli doch im Schnitt die Haare raufen und nicht wissen, wie zur Hölle er daraus einen Beitrag zwischen zwei Konkurrenten machen konnte, die hier um einen beschissenen Länderpunkt kämpften.
„Ich will nach Hause, ich will einfach nur nach Hause, Joko“, sagte Klaas da und Joko musste kurz die Augen zusammenpressen und die Nägel in seinen Unterarm krallen, weil sich sein Herz bei den Worten derart schmerzhaft zusammenzog. Er konnte hier nicht völlig die Fassung verlieren, aber er spürte die Tränen unter seinen Lidern brennen, wusste, dass es gerade schwer war zu schlucken, fühlte sich übermannt von der Wucht, die dieser eine Satz auf ihn hatte. Diese Wucht, mit der Klaas seine Welt anhielt, wenn er für eine Sekunde sein verletzliches, sein poröses Ich offenbarte und ihm anvertraute. Er murmelte etwas beruhigendes in das Walkie-Talkie, was Klaas über die Lautstärke des Flugzeugs nicht hören konnte, atmete einmal zitternd aus und öffnete dann die Augen.
Klaas befand sich bereits im Landeanflug, als Thomas Joko eindringlich ansah und ihm die Anweisung gab, wenigstens einmal etwas Triumphierendes in die Kamera zu sprechen, damit sie den Beitrag retten konnten. Joko tat es, stellte auf Autopilot, brachte ein „Der hat verloren“ raus, das überzeugend klang und schaffte es schlussendlich sogar, aufzustehen und mit der Kamera im Rücken auf den Flieger zuzugehen, obwohl ihm die Knie schlotterten. Das Erste, was er von Klaas sah, war sein Haarschopf. Es waren Leute bei ihm, die ihn losschnallten, aber war kaum ansprechbar. Er sah elendig aus, verschwitzt und so fertig, wie Joko sich fühlte und urplötzlich musste Joko die Hand vor den Mund schlagen und lachen, obwohl nichts an der Situation lustig war. Die Absurdität des Geschehens überforderte ihn, die Angst, die endlich seinen Körper verließ und für einen Moment eine wunderbare Leere in seinem Kopf zurückließ, sorgte dafür, dass er sich ein bisschen high fühlte.
Klaas drehte seinen Kopf, pfefferte ihm mit letzter Kraft einen Satz entgegen und das letzte bisschen Panik löste sich von Jokos Seele, splitterte ab wie kleine Scherben von einem Glas und nochmal lachte Joko, lachte und spürte Klaas‘ Präsenz, als dieser endlich neben ihm stand und sie abmoderieren sollten. Er zitterte immer noch, stand völlig neben sich und wollte Klaas umarmen, hier und jetzt, aber riss sich zusammen, weil er sehen konnte, wie sehr Klaas am Ende war. Was zählte, war, dass Klaas wieder neben ihm stand. Da konnte er warten, bis sich eine bessere Gelegenheit anbot. Warten, bis er sich Klaas endlich richtig zuwenden und überprüfen konnte, ob bei ihm alles okay war. Also wartete er, wartete, bis Rauli einen Cut setzte und zufrieden wirkte. Klaas atmete konzentrierte aus.
Joko raunte seinen Namen, griff nach ihm, aber Klaas machte einen deutlichen Schritt nach hinten.
„Fass mich nicht an“, sagte er. Immer noch ruhig, auf Außenstehende wirkte es fast gelassen, aber Joko wusste es besser. Klaas bestrafte ihn. Klaas verzieh ihm nicht. Klaas würde ihm keine Nähe mehr erlauben.
Der Schmerz fuhr heftig, mit der Gewalt eines Peitschenschlags, durch ihn. Die Leere in seinem Kopf war wie weggewischt.
„Wir sind dann fertig, oder?“, fragte Klaas in die Runde. Sein Blick blieb für eine Sekunde abschätzig an Thomas Martiens hängen, der kurz die Augen verdrehte und dann nickte.
„Gut, ich muss nämlich duschen.“
Joko taumelte immer noch, obwohl seine Beine wie versteinert auf dem Boden hafteten. Wie paralysiert sah er dabei zu, wie Klaas sich von ihnen entfernte, in eines der verfügbaren Produktionsautos stieg und sich zum Hotel fahren ließ.
Die Verzweiflung brannte sich durch Jokos Körper, auch noch eine Stunde später, als er selbst in seinem Hotelzimmer unter der Dusche stand und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das seine Hände beschäftigte, seit Klaas ohnmächtig geworden war. Der Schock saß tief in ihm, setzte sich fest und betäubte alle anderen Gedanken. Normalerweise erfuhr er immer erst im Nachhinein von Situationen, in denen Klaas sich in Gefahr gebracht hatte oder es plötzlich eng wurde. Aber diesmal war er direkt vor Ort gewesen, hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Klaas‘ Glieder schlaff wurden, sein Kopf zurückfiel und er sich nicht mehr regte.
Die Bilder von dem bewusstlosen Klaas war alles, was Joko vor seinem inneren Auge sehen konnte. Er kniff die Augen zu und ließ das heiße Wasser auf seinen Nacken prasseln, während er sich mit einer Hand an der Wand abstützte, aber es half nicht. Er würde sich nicht entspannen können, bis er sichergestellt hatte, dass es Klaas gutging; dass er klarkam und nicht nach dem Dreh abseits besorgter Gesichter in sich zusammenfiel. Er musste für ihn da sein, es noch einmal versuchen, auch, wenn er damit das Risiko einging, erneut von Klaas abgewiesen zu werden. Er musste zu ihm, auch, wenn Klaas ihm wieder verwehren würde, ihm nahe zu sein.
Er würde sonst durchdrehen.
Mechanisch zog er sich an, streifte sich eine Jogginghose und ein T-Shirt über den feuchten Körper und dachte im letzten Moment daran, seine Zimmerkarte in die Hosentasche zu stecken, bevor seine Beine ihn zu Klaas‘ Zimmer trugen. Seine Schritte hallten nicht durch den Flur, wurden von dem dicken Teppich geschluckt, klangen dumpf und monoton, so, wie Joko sich fühlte.
Er klopfte an Klaas‘ Tür, spürte den Knoten in seiner Magengegend pochen und schluckte schwer gegen die sich ausbreitende Übelkeit.
Nichts rührte sich.
Er klopfte nochmal. Sein Herz, das klopfte nicht, das donnerte vielmehr gegen seinen Brustkorb und dann, gottseidank, öffnete sich die schwere schwarze Tür und Klaas stand vor ihm, die Haare klamm, ebenfalls in Jogginghose und Shirt.
„Was willst du?“ Er klang nicht mehr kalt oder wütend, nur müde.
Bei dir sein, dachte Joko. Ich will einfach nur bei dir sein. Bei dir sitzen, mit dir schweigen.
Schweigen konnten sie gut.
Vögeln noch viel besser.
Reden eher weniger.
Fühlen schon gar nicht.
„Kann ich reinkommen?“, fragte er schließlich. Alles andere war zu viel. Alles andere war nicht genug.
Klaas sah ihn still an, schüttelte den Kopf und öffnete die Tür dennoch einen weiteren Spalt, sodass Joko noch hindurchkonnte, bevor sie hinter ihm ins Schloss schnappte. Klaas stand schon in der Mitte des Zimmers. Er war bleich, wirkte kleiner und nervöser als sonst, fuhr sich durch die feuchten Haare und ließ nicht zu, dass sich ihre Blicke nochmal kreuzten. Seine Worte waren nicht geflüstert, aber leise.
„Was willst du von mir, Joko?“
Joko biss sich auf die Wange. Klaas stand halb von ihm abgewandt, fast schon belanglos in seinem Zimmer und alles in ihm schrie danach, ihn in den Arm zu nehmen. „Kann ich… mich entschuldigen? Für Russland, für heute, für alles irgendwie? Bei dem Dreh da grad eben, das war…“
Er stockte, als er sah, dass Klaas zitterte. Ganz leicht, aber Joko erkannte es trotzdem. Es war dieselbe Art von Zittern, die er selbst seit Klaas‘ Flug nicht mehr abschütteln konnte.
Und das war zu viel.
Er konnte nicht anders. Er hielt es nicht aus.
Joko kam unaufhaltsam näher. Es war wie ein Band, das zwischen ihnen war und eingerollt wurde, sie zueinander brachte, ob sie wollten oder nicht. Er stoppte erst, als er direkt vor Klaas stand, der die Augen geschlossen hatte und hektisch atmete. Zu kurz ein, zu lange aus.
Jokos Hand schwebte unsicher zwischen ihren Körpern.
„Nicht.“ Es klang wie ein leiser, fast erstickter Laut, der da aus Klaas herausbrach. Eine Hand legte sich zitternd auf Jokos Brust, übte leichten Druck aus und hielt ihn auf Abstand. „Besser nicht. Nicht heute.“
„Ich…“ Joko brach überfordert ab, wollte Klaas anfassen, ihn beruhigen aber wollte gleichzeitig die Grenze nicht überschreiten, die Klaas ganz klar gesetzt hatte. „Ich wollte nicht—“
Klaas sah vorsichtig zu ihm hoch und Joko hatte das Gefühl, bei dem Anblick entzweizubrechen. Er hielt es nicht aus, Klaas leiden zu sehen. Echtes, tiefes Leid, dass er nicht mit schlechten Witzen und Wärme in den Augen heilen konnte, das ließ ihn komplett durchdrehen. Klaas war der, der sie zusammenhielt. Wenn Klaas zerbrach, dann folgte Joko ihm sofort.
„Ich wollte dir nur helfen“, brachte er schließlich stockend hervor. Wie wenig musste Klaas wohl von ihm halten, wenn er dachte, dass Joko ihm mit jeder Berührung bloß an die Wäsche wollte? Allein der Gedanke daran schnürte ihm die Kehle zu. „Es tut mir leid. Ich wollte nur für dich da sein, falls du mich brauchst. Ich will doch nur, dass es dir gut geht.“
Die Hand auf seiner Brust griff urplötzlich zu, zog ihn an sich, sodass Joko taumelte und haltsuchend die Arme um Klaas schlang. Der fuhr ihm mit zitternden Fingern durch die Haare, vergrub das Gesicht an seinem Nacken und versuchte, seinen rasselnden Atem unter Kontrolle zu bringen.
„Als du auf einmal weg warst, da dacht‘ ich kurz—“ Die Stimme versagte Joko wieder und er drückte Klaas noch fester an sich, der pfeifend Luft holte und kaum merkliche Küsse auf seinen Hals hauchte. „Ich hab‘ mich an den Halo Jump erinnert und wie der Arzt mir erklärt hat, ein paar Sekunden mehr und alles wäre vorbei gewesen. Und ich weiß es war nich‘ dasselbe, aber du warst da oben und ich konnt‘ nicht zu dir und du hast dich nicht bewegt und ich hab‘ Panik bekommen und mich so nutzlos gefühlt. Und ich konnt‘ nicht—Ich kann dich—Ich kann nicht—“
„Joko“, wisperte Klaas, ganz leise und doch beruhigend. Joko spürte den Kloß in seinem Hals, der ihm immer noch die Luft abschnürte. „Joko, es is‘ okay. Es ist alles gut gegangen.“
Zwei Hände umfassten sein Gesicht, ließen ihn ein wenig regelmäßiger atmen und in die Augen des Mannes vor ihm blicken. Daumen fuhren sanft über seine Wangen, wieder und wieder. Joko hielt sich an Klaas‘ Blick fest als wäre er sein Rettungsanker, bis Klaas sich leicht vorbeugte und ihm einen Kuss auf die linke Wange hauchte.
„Ich bin okay.“
Ein Kuss auf die rechte Wange.
„Wir sind okay.“
Ein Kuss an seinem Mundwinkel.
Joko schloss die Augen, zog sie beide auf das Bett hinter ihnen und schlang sich um jedes Körperteil von Klaas, dass er zu fassen bekam. Lange lagen sie einfach nur da, atmeten tief und gleichmäßig. Endlich verließ das Zittern ihre Körper und vielleicht sollte es Joko Angst machen, dass er nichts außer Klaas‘ Nähe brauchte, um wieder zur Ruhe zu kommen. Aber der Tag hatte ihm gezeigt, wie sich wahre Angst und blanke Panik anfühlte, und dagegen kam die Sorge über das Abhängigkeitsverhältnis zueinander, in dem sie sich seit Jahren befanden, nicht an. Joko hielt den bloßen Gedanken daran, Klaas zu verlieren, nicht aus. Verglichen damit war alles andere, jede Sorge, jede Vernunft, schnell egal.
Joko hielt die Augen geschlossen, spürte Klaas‘ Finger über sein Gesicht streichen und jeden Winkel von ihm erkunden, ganz ruhig, ganz im Gegensatz zu den hastigen Berührungen, die sie sonst austauschten. Die Fingerkuppen strichen über Jokos Schlüsselbein, fuhren langsam unter Jokos Shirt und bewegten sich in weiten Kreisen auf seiner Brust. Sein Inneres zog sich bei dem Kontakt krampfhaft zusammen und wieder war Joko ein wenig atemlos, aber diesmal aus einem anderen Grund. Da war so viel in ihm. So viel, das ihm zu Kopfe stieg. So viel, was er mit aller Kraft zurückhielt, weil er nicht wusste, was passierte, wenn der Damm endlich brach. Klaas Hände, die beruhigend und bedacht über seinen Körper strichen, die heilten ihn und rissen zugleich neue, noch tiefere Wunde auf.
Vorsichtig schob Klaas ihm sein T-Shirt hoch, bis unter die Achseln. Er küsste die Haut zwischen Schlüsselbein und Brust, strich mit dem Daumen über seine Rippen. Joko sollte diese Zärtlichkeiten nicht zulassen. Er wusste, dass er sie nicht mehr aushielt. Er wusste, dass es ihm wehtat. Aber jeder Kuss, jedes Streicheln von Klaas löschte einen weiteren warnenden Gedanken in Jokos Hirn. Radierte jede Frage nach dem Warum aus und befeuerte die Bitte nach mehr. Trotzdem war er zurückhaltend, blinzelte nur leicht zu Klaas herunter, der jetzt seinen Bauchnabel küsste und mit seinen Fingern die Hüftknochen streifte. Es war unschuldig genug, aber die Intention dahinter war Joko klar. Klaas‘ linke Hand wanderte bereits auf den Hosenbund zu, als er sie vorsichtig mit seiner eigenen stoppte.
„Du hast gesagt—“
„Ich weiß, was ich gesagt habe“, gab Klaas rau zurück. „Lass mich mal machen, Winti.“
Ja genau, dachte Joko. Vögeln, das konnten sie.
Bloß nicht streiten, wenn Joko aus Jux und Tollerei Thomas Martiens küsste und sich danach fühlte, als hätte er Klaas betrogen.
Bloß nicht emotional werden, nachdem Klaas bewusstlos in der Luft gehangen hatte und Joko hilflos dabei zusehen musste.
Dann lieber vögeln und so tun, als wäre nichts passiert.
Klaas‘ Daumen strich behutsam über den weichen Stoff von Jokos grauer Jogginghose. Er streifte über Jokos Schwanz, der der Berührung sofort entgegenzuckte wie der triebgesteuerte Verräter, der er war. Klaas‘ Blick war gewohnt fokussiert, aber es schlich sich immer noch diese Vorsicht und Sanftheit in sein Gesicht, in seine Bewegungen. Joko kannte das von Klaas nicht wirklich, nicht so. Ruhig, intensiv, ohne jegliche Hektik. Kein Gefühl des Verbrennens, sondern eher das Gefühl des Verglühens. Klaas‘ Blick, der unentwegt auf ihm lag. Der Jokos Körper ansah, als wäre er etwas Besonderes. Der in Jokos Gesicht sah, als wäre er unentbehrlich.
Joko hatte sich geschworen, seine Gedanken nicht mehr so ausufern zu lassen, und jetzt lag er doch wieder hier und ließ zu, dass Klaas mit dem Mund seine Blinddarmnarbe liebkoste und die Hand in seine Hose schob. Klaas brummte zufrieden, als er feststellte, dass er unter der Jogginghose nur nackte Haut und nicht noch eine Stoffschicht vorfand. Er ließ seine Fingerspitzen neckend über Jokos Schwanz gleiten, umkurvte den Schaft und strich leicht über seine Hoden, bevor er von vorne anfing und die Bewegungen wiederholte. Jokos Atem ging tief und gleichmäßig. Selten hatte er Klaas‘ Berührungen so bewusst wahrnehmen können. Klaas gab ihm für gewöhnlich nicht einmal genug Raum, um nach Luft zu schnappen.
Dieses Mal war sein Tempo fast qualvoll langsam. Er begann zwar, Jokos hart werdenden Schwanz mit seiner Hand zu massieren, blieb aber unter der Hose, während er weiterhin feuchte Küsse auf die empfindliche Narbe unter Jokos Bauch setzte. Joko hatte seinen Kopf ein wenig zur Seite geneigt, damit er ihn besser sehen konnte. Und dann, als Klaas die Erektion endlich von dem störenden Stoff befreite und sich hinabbeugen wollte, fand sich Jokos Hand in seinem Nacken, bevor er selbst so recht wusste, was er tat. Klaas‘ Augen schnappten zu ihm hoch, flackerten vor Unsicherheit. Joko strich mit seinem Daumen über Klaas‘ Unterlippe, wusste selbst nicht, was das sollte, wusste nur, dass ihn plötzlich das Gefühl nach direktem körperlichem Kontakt übermannt hatte.
Klaas gab ihm ein kleines, nervöses Lächeln. Er küsste Jokos Daumen und Joko schnaufte und ließ die Hand fallen, als ein undefinierbares Gefühl durch seine Brust zuckte. Etwas Warmes, durchtränkt von Schmerz.
Vielleicht hatte Klaas sich genau diese Reaktion erhofft, denn er beugte sich sofort wieder nach unten, fuhr mit den Lippen über die empfindliche Haut an Jokos Scham und schließlich über seinen Schwanz. Die Berührungen waren immer noch ruhig und bedächtig, aber jetzt steckte eine klare Intention dahinter. Jetzt ließ es sich Klaas nicht mehr nehmen, beide Hände zu benutzen, um Joko Laute zu entlocken, sein Becken zucken zu lassen und die Beine aufzustellen. Jetzt war Klaas‘ Zielsicherheit und sein Fokus zurück, er nahm Joko langsam in den Mund und suchte seine Augen. Erneut streckt Joko seine Hand nach ihm aus, fuhr mit dem Zeigefinger über die bärtige Wange und blieb dort. Hitze sammelte sich in seinem Unterleib, als er seinen eigenen Schwanz durch die Haut von Klaas‘ Wange spürte, während Klaas‘ Blick an ihm klebte und seinen Schaft mit der Zunge nachfuhr. Der Moment fühlte sich sinnlich und versaut zugleich an, merkwürdig unanständig und vertraut gleichermaßen.
Für Joko war es fast ein bisschen bedauerlich, als Klaas sie aus dieser Traumwelt riss und mit seinen Fingern und Mund langsam tiefer fuhr, zu Jokos Hoden, die er mit warmen Küssen und seiner Zunge streichelte, bis sich Jokos Innerstes erneut entflammte. Eine Fingerkuppe stieß sachte gegen Jokos Damm, erkundete die sensible Haut. So weit war Klaas noch nie gegangen. So weit war selbst Joko bei Klaas noch nie gegangen, dachte er erschrocken, als Klaas‘ Lippen seinen Fingern folgten. Er ließ Klaas machen, fühlte sich angespannt und neugierig zugleich, da dieser in neues Terrain vorstieß, so unerschrocken und sicher wie selten. Er blieb nicht lange so tief unten, aber Joko spürte die feuchten Berührungen auf seiner Haut, unter seinen Eiern, immer wieder kurz auch die Zunge an seiner Spalte. Bisher war es fast gespenstisch ruhig gewesen, aber nun glitt ein leises Stöhnen über Jokos Lippen und er zog leicht an Klaas‘ Haaren, der gegen seine Haut lächelte und sich wieder ein Stück nach oben bewegte, um Jokos Erektion zwischen die Lippen zu nehmen, nun ein wenig forscher und bestimmter.
Es war das Loslassen, welches dafür sorgte, dass Joko endlich verstehen konnte, endlich die ganze Wahrheit vor sich hatte. Klaas musste erst zwischen seinen Beinen liegen, die Finger an seinem Damm, den Mund an Jokos Schwanz, damit Joko es verstand. Es war ironisch, dass es erst wieder so weit kommen musste. Es war ironisch und verflucht passend, weil sie jahrelang durch den Sex besser kommuniziert hatten, als sie es jemals mit Worten tun konnten. Weil der Sex eine Verständigung war, ein Aufeinandertreffen und gegenseitiges Aufgeben. Und als Joko in einem Hotel in Kroatien lag und Klaas ihm einen blies, verstand er es endlich. Verstand es wirklich.
Es würde nicht klappen.
Das mit ihnen würde nicht funktionieren.
Matthi hatte die ganze Zeit Recht gehabt.
Anscheinend musste Klaas zum ersten Mal nach Jamaika wieder sein wahres Ich sein, echt und warm und unabdingbar, damit Joko verstand, dass sie einander davon abhielten, sie selbst zu sein. Vielleicht hatte Joko ein Jahr unbefriedigenden Sex erleben müssen, weil sie beide nur unter vorgeschobener Körperlichkeit und Täuschung agiert hatten, versuchten, einen Mittelweg zu finden, den es nicht gab. Klaas würde wieder und wieder kommen, solange Joko ihn ließ. Und Joko hatte ihn gelassen, damit sie sich nicht verloren, nur um festzustellen, dass sie sich genau dadurch immer mehr verlieren würden. Durch das Hin und Her, die Halbwahrheiten, das Verletzen, dem beharren auf einer Emotionslosigkeit, die nicht existierte. Es war komplizierter, als es sein musste, weil Klaas ihm so viel wichtiger war, als er es sein durfte.
Joko war ein alles oder nichts Typ, genauso wie Klaas. Das machte sie als Duo und in der Fernsehbranche so erfolgreich. Das hatte ihre Beziehung zueinander immer so reizvoll gemacht. Sie fuhren nicht mit gezogener Handbremse, es ging entweder Vollspeed in den nächsten Höhenflug oder sie krachten in die nächste Mauer. Sie waren, wer sie waren, und wenn sie sich krampfhaft verbiegen mussten, um das andere drumherum zu erhalten, dann war es jenes andere nicht wert.
Mit einem Kopf voll schwirrender Gedanken streckte er sich Klaas entgegen, fühlte sich melancholisch und zugleich voller Verlangen, weil sein Körper ihn betrog; weil sein Körper Klaas wollte, alles von ihm wollte, egal, was für Konsequenzen es nach sich zog. Egal, ob es alles zwischen ihnen kaputt machte.
Und ganz kurz, für diesen Moment, war das noch okay.
Aber danach würde es nicht mehr okay sein.
Joko setzte sich halb auf, griff nach Klaas, damit sie Brust and Brust lagen. Seine Hand fand ihren Weg wieder an Klaas‘ Wange als er zu ihm hochsah und das war zu selbstverständlich, zu normal.
Es würde nicht gehen.
Nicht mehr.
Klaas erwiderte seinen Blick, sie kommunizierten stumm, wie sie es immer taten. Dennoch glaubte Joko, dass Klaas diesmal nicht verstand, nicht verstehen wollte. Joko griff zwischen ihre Körper, zog an ihren Jogginghosen, erlaubte Klaas, seine Erektion zwischen Jokos Schenkel zu reiben, die Stimulation selbst kontrollieren zu können. So, wie er es mochte.
Alles, was er je gewollt hatte, war, dass es Klaas gut ging. Klaas sollte nicht im Streit über Dinge, die vermeidbar waren, in einen Flieger steigen und dann bewusstlos werden. Ein Streit, der vermeidbar war, bewies ein Problem, das es nicht geben musste.
Joko schloss die Augen, legte seine Stirn an die von Klaas und griff nach seinem eigenen Schwanz. Er bewegte sich gegen Klaas‘ Körper, gegen seine fließenden Bewegungen, die ihm so vertraut waren. Er hörte die Laute, die seinem Mund entflohen, der so nah an Jokos war und doch unerreichbar bleiben sollte. Alles an Klaas war schön, scharfkantig und anmutig zugleich, fein und rabiat, ein Körper und ein Geist voller Widersätze.
Er spürte, wie Klaas hastiger wurde, seine Finger sich stärker in Jokos Schulter pressten, während er sein Becken nochmal Jokos Schenkeln entgegen rollte. Sein Schwanz streifte Jokos Eier und Joko fuhr gleichzeitig mit der einen Hand grob über sein eigenes Glied und mit der anderen Hand zärtlich über Klaas‘ Wange. Die Worte, die in diesem Moment ihren Weg in seinen Mund fanden, hatten dort nichts verloren, aber sie entflohen ihm trotzdem beinahe; wären ihm vermutlich aus dem Mund gefallen, wenn er an diesem Tag nicht schon einmal mit seinem Gelaber alles vermasselt hätte. Mit letzter Kraft drängte er sie wieder runter, bis sie quer in seiner Brust saßen und dort feststeckten.
Ihr Atem war so synchron wie ihre Bewegungen, als Klaas kam. Und Joko schämte sich nicht dafür, ihn dabei zu beobachten, weil er es liebte, Klaas so entrückt und ohne Maskerade zu sehen. Er schämte sich auch nicht dafür, sofort zu kommen, als Klaas‘ Hand einmal sachte über seinen Schwanz strich.
Er schämte sich nur, immer noch zu feige dafür zu sein, sich einen Zentimeter vorzubeugen und die letzte Barrikade fallen zu lassen, und sei es nur für das erste und letzte Mal.
Sie küssten sich nicht.
Aber ihre Augen, die verrieten sie trotzdem.
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