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Zum Schulanfang eine Schwester

Kurzbeschreibung
GeschichteFamilie / P6 / Gen
08.06.2021
08.06.2021
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Hallo ihr Lieben,

in den letzten Wochen und Monaten habe ich mich in verschiedenen Genres ausprobiert und dabei immer wieder sehr viel Aufmerksamkeit in Form von Reviews, Klicks, Sternchen, Buchrücken und Favoriteneinträgen von meinen Lesern erhalten.
Darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut.

Heute wage ich mich noch einmal an ein ganz neues Genre:
die Kinderliteratur.

Ich habe eine Geschichte geschrieben, die – passend illustriert – durchaus ein Kinderbuch für Kinder ab 5 Jahre sein könnte.
Leider kann ich sie hier nicht illustrieren, aber ich bin überzeugt davon,
dass ihr gut in der Lage seid, die nicht vorhandenen Bilder durch eure Fantasie zu ersetzen.

An dieser Stelle bedanke ich mich bei unserem lieben Internet-Spatz Net Sparrow,
die sich freundlicherweise als Beta-Leserin zur Verfügung gestellt hat.

Und ich bedanke mich bei Butterfly26 für den "fach-mütterlichen" Tipp.
Ich habe den vorletzten Abschnitt daraufhin noch ein wenig ergänzt. ;-)

Widmen möchte ich die Geschichte meinem Enkel, der in Kürze wirklich ein „Großer Bruder“ sein wird und sich schon von ganzem Herzen auf sein Geschwisterchen freut.

Viel Spaß beim Lesen
Eure Jeany



*****
***
*




Zum Schulanfang eine Schwester




Tim wohnt mit Mama und Papa in einem kleinen Einfamilienhaus in einer schmucken Wohnsiedlung.
Wenn er morgens aufsteht und aus dem Fenster seines Zimmers schaut, kann er von Ferne den Rathausturm seiner Stadt sehen. Stolz überragt der Turm die vielen Dächer der Häuser. Nur der Schornstein vom Süßwarenwerk ist noch ein wenig höher, hat Papa gesagt. Aber den sieht man vom Fenster aus leider nicht.

Tim ist nun schon sechs Jahre alt. In seiner Kita gehört er zu den Kindern der ältesten Gruppe. Er kann richtig gut mit dem Fahrrad fahren, tolle Sachen aus seinen Legosteinen bauen und interessante Geschichten erzählen. Vor einem Monat hat er im Schwimmkurs sogar schon sein „Seepferdchen“ gemacht und darf nun im Schwimmbad im tiefen Wasser schwimmen.
Gedichte auswendig lernen mag er nicht so sehr. Dafür kann er schon ein T schreiben, ein I und ein M. TIM steht dann auf dem Bild, dass er für Oma und Opa gemalt hat. Darauf, dass er seinen Namen schreiben kann, ist er besonders stolz, denn in ein paar Monaten wird er bereits ein Schulkind sein. Die Schultasche hat er gemeinsam mit Mama und Papa in dem großen Supermarkt in der Stadt ausgesucht. Sie ist blau, mit Planeten darauf. Planeten interessieren Tim sehr. Zu seinem nächsten Geburtstag wünscht er sich ein Fernrohr, damit er den Mond und die Sterne richtig groß sehen kann.
Aber bis zu seinem Geburtstag dauert es noch eine Weile.
Tim hat natürlich auch noch andere Wünsche. Manchmal unterhält er sich mit seinen Freunden in der Kita darüber, was man sich alles wünschen könnte. Da gibt es so viele schöne Dinge!
Seinen größten Wunsch jedoch kennen nur Papa und Mama.
Seit mindestens zwei Jahren fragte er immer wieder:
„Warum bekomme ich kein Geschwisterchen? Fast alle haben welche. Ich möchte auch ein großer Bruder sein!“

***


Der Herbst vergeht und der Winter hält Einzug. Alle freuen sich auf das bevorstehende Weihnachtsfest.
Zusammen mit Mama bastelt Tim glänzende Weihnachtsterne und hilft Papa den Weihnachtsbaum zu schmücken, den sie vor ein paar Tagen gemeinsam in der Gärtnerei ausgesucht haben.
Er ist sehr aufgeregt, als es am Heiligabend an der Haustür klopft und er endlich vor dem Weihnachtsmann steht. Und weil er ja nun schon ein großer Junge ist, sagt er auch schnell noch ein kleines Gedicht auf. Erwartungsvoll öffnet er seine Geschenke und freut sich über alles, was er bekommen hat.
Nur seinen ganz großen Wunsch kann ihm der Weihnachtsmann nicht erfüllen. Er weiß, das können nur Mama und Papa.

***


Es hat die ganze Nacht und den ganzen Tag über geschneit.
Im Garten der Kita baut Tim mit seinen Freunden einen großen dicken Schneemann, als Erzieherin Lena plötzlich seinen Namen ruft.
„Tim, du wirst abgeholt!“
Neugierig reckt er den Hals und entdeckt seinen Papa am Gartentor. Schnell verabschiedet sich Tim von seinen Freunden und von Lena, dann läuft er seinem Papa entgegen.
„Zu Hause gibt es eine Überraschung“, verrät dieser und zwinkert ihm zu.
Tim staunt.
Eine Überraschung?
Weihnachten ist doch vorbei, und bis zu seinem Geburtstag dauert es noch ganz lange. Ungeduldig rutscht er auf seinem Kindersitzkissen hin und her und kann es kaum erwarten, bis sie endlich zu Hause angekommen sind.

***


In der gemütlichen Wohnküche hat Mama den Kaffeetisch gedeckt. Es duftet nach leckerem Kuchen. Aber wieso ist Mama schon zu Hause? Sie muss doch sonst immer länger arbeiten!
Rasch trinkt Tim seinen Kakao, während er sich erwartungsvoll im Zimmer umblickt. Wo ist die Überraschung?
Auf dem Tisch liegt ein kleines Päckchen.
„Ist das für mich?“, fragt Tim, denn er hält es vor lauter Neugier kaum noch aus.
Papa lächelt geheimnisvoll und Mama nickt.
„Das hat der Postbote heute für dich abgegeben.“
Gespannt reißt Tim die Verpackung auf. Zum Vorschein kommt ein T-Shirt.
Ein T-Shirt?
Im ersten Moment ist er etwas enttäuscht, doch dann schaut er genauer hin. Auf dem dunkelblauen Stoff steht etwas mit weißen Buchstaben geschrieben.
„Was steht denn da drauf?“, fragt Tim seine Mama.
Lächelnd liest sie vor: „Ich werde ein großer Bruder!“
Tim schaut auf das Shirt, dann auf Papa, dann auf Mama, und plötzlich werden seine Augen kugelrund.
„Stimmt das? Ich werde wirklich ein großer Bruder?“
Papa nickt lachend.
„Ja, wir bekommen ein Baby.“
Tim weiß nicht, was er sagen soll.
Ein Baby?
Er kann es kaum glauben.

Ein Baby!

Seine Eltern schmunzeln, denn noch nie hat Tim ein Kleidungsstück so schnell angezogen.
„Es passt!“, jubelt er. „Das behalte ich gleich an!“
Dann umarmt er Papa und Mama, weil er sich so sehr freut.
„Ist das Baby schon in deinem Bauch?“, fragt er seine Mama vorsichtig, denn da muss es sein. Er weiß das, weil er ja auch dort gewachsen ist.
Mama nickt lächelnd.
„Jetzt ist es noch winzig klein, aber es wächst jeden Tag. Bald wird mein Bauch immer dicker, und deshalb darf ich auch nicht mehr zur Arbeit gehen.“
Papa zeigt Tim ein kleines Foto. „Das ist ein Ultraschall-Foto“, erklärt er seinem Sohn. „Der Arzt hat es mit Hilfe eines Gerätes gemacht, mit dem man nachschauen kann, wie es in unserem Körper aussieht. Das ist fast so wie Röntgen.“
Was Röntgen ist, weiß Tim schon. Als er einmal mit dem Roller gestürzt war, wurde so ein Röntgenbild von seinem Arm gemacht. Da konnte er seine eigenen Knochen sehen. Aber dieses Foto hier sieht anders aus.
Papa zeigt auf das winzig kleine Wesen in der Mitte des Fotos.
„Hier kannst du das Baby sehen.“
Tim blickt staunend auf das Foto.
„Ist das wirklich noch so klein?“, fragt er ein wenig enttäuscht. „Das ist ja nicht größer als eine Himbeere!“
Mama lacht.
„Du musst schon noch ein wenig Geduld haben.“
„Wie lange?“, fragt Tim.
„Noch ungefähr sechs Monate, ein halbes Jahr. Und wenn du deine Zuckertüte bekommst und in die Schule gehst, dann wird auch das Baby geboren. Wenn es soweit ist, fahre ich in die Klinik, weil so eine Geburt anstrengend ist. Dort helfen mir die Ärzte und Schwestern, das Baby zur Welt zu bringen.“
Tim hat ganz still zugehört. Aber plötzlich springt er auf und hüpft aufgeregt durchs Zimmer.
„Wir bekommen ein Baby! Ich werde ein großer Bruder!“

***


Am Wochenende wollen Tim und Papa Schlittenfahren gehen.
„Warum kommt Mama nicht mit?“, fragt der Junge enttäuscht.
„Beim Rodeln fällt man leicht hin oder stößt sich irgendwo an“, erklärt Papa ihm. „So etwas könnte der Mama und dem Baby schaden.“
Das kann Tim gut verstehen. Als sie das nächste Mal spazieren gehen, nimmt er fürsorglich Mamas Hand, damit sie auf dem verschneiten Weg nicht ausrutscht.

***


Am Nachmittag, wenn die Mama Tim von der Kita abgeholt hat, legt sie sich manchmal noch etwas aufs Sofa, um sich auszuruhen.
„Ich lass dich jetzt in Ruhe“, verspricht Tim und will schon in sein Zimmer gehen, als Mama ihn noch einmal zurückruft.
„Ich habe einen richtig lieben Jungen“, sagt sie und umarmt ihn liebevoll.
Tim nickt stolz.
„Papa hat gesagt, ich muss jetzt gut auf dich aufpassen und ganz lieb sein.“ Dann verschwindet er in seinem Zimmer, spielt eine Weile mit seinem Dinosaurier-Land und baut dann an seinem LEGO-Raumschiff weiter.

***


Auf dem Wohnzimmertisch liegen jetzt immer viele bunte Kataloge und Zeitschriften mit schönen Babysachen. Tim schaut gern hinein, aber die Sachen interessieren ihn nicht wirklich. Er sieht nur die Babys. Eins davon gefällt ihm besonders gut. Es liegt auf einer bunten Kuscheldecke, hat runde rosige Wangen und lacht.
„Wird unser Baby auch so schön aussehen, wenn es in der Klinik aus deinem Bauch kommt?“, fragt er.
Die Mama nickt lachend.
„Ganz bestimmt. Unser Baby wird sicher genauso niedlich sein.“


*******
***



Inzwischen hat der Frühling Einzug gehalten. Es ist schön warm draußen. Im Garten blühen bunte Tulpen und der Kirschbaum trägt ein schneeweißes Blütenkleid.
Mamas Bauch ist runder geworden. Also ist das Baby schon gewachsen.

Die Nachbarn in der Straße wissen, worauf sich Tim so freut.
Die alte Frau Müller aus dem Nachbarhaus fragt lächelnd:
„Da hast du wohl fleißig Zucker ins Fensterbrett gestreut, damit der Klapperstorch zu euch kommt?“
Und Frau Hartmann von gegenüber meint freundlich, dass die Mama nun bald in die Klinik gehen würde, um dort ein Geschwisterchen für Tim auszusuchen.
Tim nickt höflich, doch insgeheim wundert er sich schon ein wenig. Die sind alle groß und wissen trotzdem nicht, wo die kleinen Kinder herkommen!

Oftmals wird er gefragt, ob er ein Brüderchen oder ein Schwesterchen haben möchte.
„Das ist mir egal“, antwortet er jedes Mal geduldig. Mama hat ihm erklärt, wichtig ist nur, dass ein Baby gesund zur Welt kommt.
Deshalb muss sie bis zur Geburt auch noch ein paar Mal zum Arzt gehen. Papa begleitet sie, sooft er kann.

***


Eines Tages bringt Mama wieder so ein Ultraschall-Foto mit. Staunend betrachtet es Tim. Diesmal kann er das Baby darauf genau erkennen, das kleine Köpfchen, Mund, Nase, Augen, den runden Bauch, die Arme und die Beinchen. Sogar die winzigen Finger und Zehen sind deutlich zu sehen. Und er kann es kaum glauben, als er sieht, dass das Baby auf dem Foto seinen Daumen im Mund hat.
„Das machen Babys im Bauch manchmal so“, lacht Mama. „Und später, wenn sie auf der Welt sind, tun sie das immer noch gern.“
„Habe ich das etwa auch gemacht, als ich ganz klein war?“, fragt Tim ungläubig.
„Natürlich, ab und zu schon“, erinnern sich seine Eltern schmunzelnd.
Papa zwinkert Tim zu.
„Jetzt wissen wir auch schon, dass es ein kleines Mädchen wird.“
Tim staunt, überlegt einen Moment und zwinkert kurz darauf fröhlich zurück.
„Dann bekomme ich also zum Schulanfang ein Schwesterchen!“

***


Zu Beginn des Sommers ist Mamas Bauch noch viel dicker geworden.

An einem Sonntagmorgen ist Tim wieder einmal als erster wach. Vorsichtig schleicht er ins Schlafzimmer der Eltern und schlüpft unter die warme Decke. Toben darf er nicht, damit er Mama nicht versehentlich tritt.
Papa erzählt leise aus der Zeit, als Tim selber noch ein Baby war. Tim lacht übermütig, als er erfährt, wie er mit seinen kleinen Händchen den Spinatbrei in der Küche verteilt hat und seinen geliebten Plüschhasen mit den Schlappohren in Papas Kaffeetasse tunkte.
Plötzlich nimmt Mama Tims Hand und legt sie auf ihren Bauch.
Da! Er spürt deutlich, wie etwas ruckt und sich bewegt. Plötzlich bildet sich unter seiner Hand eine winzig kleine Beule, die gleich darauf wieder verschwindet.
„Das Baby turnt“, flüstert Mama und Tim hält seine Hand ganz still.
„Kann es uns hören?“, fragt er gespannt.
Mama nickt. „Erzähl ihm doch mal etwas.“
Tim zögert erst, doch dann flüstert er dicht an Mamas Bauch:
„He du, kleine Schwester, ich freue mich auf dich! Aber nicht immer am Daumen lutschen, hörst du?“

***


In der Stadt gibt es ein Geschäft, in dem es alles fürs Baby zu kaufen gibt.
„Da möchte ich gern mitkommen!“, ruft Tim, denn immer nur im Internet bestellen ist auf die Dauer langweilig.
Und tatsächlich, dort gibt es winzig kleine Jäckchen, Hemdchen, Lätzchen, Schnuller, Fläschchen, weiche Haarbürsten und Hosen, die so hoch sind wie breit.
„Damit das Windelpaket hineinpasst“, lacht die freundliche Verkäuferin und packt die Sachen, die Mama und Tim zusammen ausgesucht haben, in eine Tüte.
Tim bekommt eine Extra-Tüte für die weiche rosa Babydecke, die er für sein Schwesterchen ausgewählt hat. Darauf kann sie dann liegen und strampeln und lachen wie das Baby aus dem Katalog.

***


„Nicht mehr lange, dann kommen wir endlich in die Schule!“, freuen sich Tims Freunde in der Kita.
„Und dann kommt endlich auch unser Baby!“, fügt Tim jedes Mal voller Vorfreude hinzu.
„Mein kleiner Bruder schreit immer in der Nacht, dann kann ich gar nicht schlafen“, beschwert sich Mia. „Dafür muss ich immer leise sein, wenn er mal schläft. Und wenn er mit den Fingern in den Brei fasst, schimpft meine Mama nicht mal mit ihm.“
„Das ist doch nicht schlimm, das habe ich früher auch gemacht, sagt mein Papa. Und manchmal habe ich sogar am Daumen gelutscht“, meint Tim, und Max bleibt vor Staunen der Mund offenstehen.
„Ehrlich?“
„Na klar, das hast du auch gemacht.“
Max schüttelt entschieden den Kopf.
„Niemals!“
„Ganz sicher“, lacht Tim. „Alle Babys tun das.“



*******
***



Das Kita-Jahr geht zu Ende. Nun werden Tim und seine Freunde bald richtige Schulkinder sein. Aber zuvor feiern sie alle gemeinsam in der Kita noch ein Abschlussfest. Dazu sind auch alle Eltern eingeladen.
Mamas Bauch ist so dick, dass sie zum Spaß meint, sie hätte das Gefühl, sie müsste platzen. Lena, Tims Erzieherin, stellt ihr extra einen großen Stuhl ins Zimmer, damit sie es bequem hat, während die Kinder ihr kleines Programm aufführen, dass sie so fleißig einstudiert haben.
Hinterher gibt es Zuckertüten für alle zukünftigen Schulkinder. Stolz trägt Tim seine Zuckertüte zu seinen Eltern und läuft dann mit den anderen zur Hüpfburg.

***


Am Abend bringt Mama ihren Sohn ins Bett. Im Flur steht ihre große Tasche. Sie ist seit vier Wochen bereits fertig gepackt. Alles was Mama in der Klinik brauchen wird, hat sie dort hineingetan.
„Ich glaube, unser Baby kommt nun bald“, sagt sie und nimmt ihren Tim liebevoll in die Arme. Er lächelt und streichelt genauso liebevoll über Mamas Bauch. So hat er das Gefühl, er streichelt Mama und das Baby zugleich.

***


Am nächsten Tag, als die Kinder in der Kita mit dem Essen fertig sind und den Raum zum Mittagsschlaf vorbereiten, ruft Lena Tim zu sich.
„Du wirst schon abgeholt“ verrät sie ihm lächelnd und weist zur Tür. „Du bist heute ein Mittagskind!“
Und tatsächlich, da warten Oma und Opa auf ihn.
Was für eine schöne Überraschung!
„Muss ich Mittagsruhe halten?“, fragt er trotzdem vorsichtig.
Oma lacht und schüttelt den Kopf.
„Ich glaube, wir schaffen das heute auch ohne Mittagsruhe“, verrät Opa mit einem Augenzwinkern.
„Dann gehen wir gleich auf den Spielplatz?“ Hoffnungsvoll blinzelt Tim seine Großeltern an, doch die lächeln nur geheimnisvoll.
„Vielleicht später. Zuerst fahren wir ein Stück mit dem Auto.“
„Wohin?“
„Lass dich überraschen.“

***


Sie fahren zusammen in die Stadt und wieder ein Stück aus der Stadt heraus.
Plötzlich sieht Tim die Klinik. Er erinnert sich genau, dort wurde sein Arm damals nach dem Sturz mit dem Roller geröntgt.
Opa hält auf dem großen Parkplatz und sie steigen aus.
„Was tun wir denn hier?“, fragt Tim vorsichtig. „Seid ihr krank?“
„Nein, niemand von uns ist krank“, beruhigt ihn Oma und nimmt seine Hand. „Wir möchten heute jemanden in der Klinik besuchen und begrüßen.“

Besuchen und begrüßen?

Sie betreten die Klinik und fahren mit dem Lift in die zweite Etage.
Plötzlich kommt ihnen Tims Papa entgegen. Er strahlt übers ganze Gesicht.
„Da seid ihr ja!“ Lachend nimmt er seinen Sohn in die Arme und schwenkt ihn übermütig herum. „Herzlichen Glückwunsch, mein Junge. Du bist heute ein großer Bruder geworden!“

Tim ist ganz sprachlos. Er möchte laut jubeln, doch er weiß, dass er das nicht darf. Die Leute hier in der Klinik brauchen Ruhe, um schnell wieder gesund zu werden.
Eine nette Schwester zeigt ihnen den Weg zu dem Zimmer, in dem Mama und das Baby sind.
Vorsichtig öffnet Tim die Tür.
Mama sitzt in ihrem Bett und strahlt genauso wie Papa, als sie ihren Jungen sieht. Schnell läuft er zu ihr und umarmt sie liebevoll. Dabei bemerkt er, dass Mamas dicker Babybauch gar nicht mehr so dick ist.
„Wo ist das Baby?“, fragt er erschrocken.
Mama zeigt auf das kleine Bettchen neben ihrem großen Bett.
Gespannt stellt sich Tim auf die Zehenspitzen und lugt vorsichtig hinein.
„So klein…“, flüstert er tief beeindruckt, als er ein winziges Gesichtchen und einen dunklen Haarschopf zwischen den Kissen entdeckt. „Hallo kleine Schwester!“
Papa schiebt die Decke ein wenig beiseite und Tim sieht nun auch die kleinen Händchen.
„Gefällt sie dir?“
Der Junge schluckt und nickt heftig.
„Sie ist noch viel schöner als das Baby aus dem Katalog!“
Dann dreht er sich um, läuft zu seiner Mama und drückt sie ganz fest.
„Ich werde dir helfen, damit das Schwesterchen schnell groß wird. Beim Baden, beim Füttern, beim Windeln wechseln. Und wenn wir spazieren gehen, schiebe ich den Kinderwagen“, sagt er mit ernster Miene. Papa und Mama haben ihm natürlich längst erklärt, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis er mit seiner Schwester richtig spielen kann. Er findet das nicht schlimm. Als er so klein war, konnte er auch noch nichts außer schlafen, trinken, schreien und die Windeln vollmachen, hat Papa ihm erzählt.
Mama lacht und hat auch ein paar kleine Tränen in den Augen. Vor Freude natürlich.
„Mein großer Junge“, sagt sie stolz und streicht ihm liebevoll übers Haar.


***


Auf dem Weg nach draußen nimmt Tim Papas Hand. Er fühlt sich plötzlich sehr groß.
„Zum Schulanfang braucht ihr mir nichts zu schenken“, sagt er stolz und glücklich.
„Meine kleine Schwester ist mein allerschönstes Geschenk!“


©JeanyEvans 2021
 
 
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