Gefangen
von Mindy
Kurzbeschreibung
Fortsetzung von ,,Pakt mit dem Teufel": Nachdem Alec entschieden hat, Magnus zu retten und mit Asmodeus in die Höllendimension Occid zu gehen, versucht seine Familie mit dem Verlust umzugehen; manche wollen ihn akzeptieren, andere wollen weiter kämpfen. Magnus wiederum erinnert sich an nichts und könnte unbeschwert weiter machen und sich Tobys Adoption widmen, wäre da nicht das nagende Gefühl, etwas Wichtiges erledigen zu müssen...
GeschichteDrama, Schmerz/Trost / P16 / MaleSlash
Alexander "Alec" Lightwood
Andrew Underhill
Isabelle "Izzy" Lightwood
Jace Wayland / Jonathan Christopher Herondale
Lorenzo Rey
Magnus Bane
06.06.2021
25.11.2021
20
79.167
34
Alle Kapitel
237 Reviews
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Dieses Kapitel
17 Reviews
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06.06.2021
5.707
*dramatischer Trommelwirbel*
Herzlich Willkommen zu Mindy schreibt Shadowhunters Staffel 5!^^
Natürlich konnte ich das Ende von „Pakt mit dem Teufel“ so nicht lassen und falls es euch beruhigt, die Fortsetzung hat 136 Seiten. Rückblickend doch gut, dass ich die FFs getrennt habe, sonst wäre ich im Dezember noch nicht durch gewesen XD
Und nachdem mich immer noch so liebe Mails und Kommis erreichen mit Bitten, doch endlich die Erlösung zu präsentieren (ihr seid so süß…ich bin wirklich gerührt), werde ich keine obligatorische Sommerpause bis zum Staffelstart machen, sondern beginne heute.
Ich kann nicht versprechen, dass es eine komplette Staffel wird, im Moment steht nur der Inhalt von drei FFs, aber solange am Ende alles ein würdiges Ende hat, findet das sicher auch so eure Zustimmung :-)
Bisher habe ich es geschafft, dass man die vorigen FFs nicht kennen muss, das ist an dieser Stelle nicht mehr so wirklich möglich, weil die Geschichte unmittelbar an das Staffelfinale andockt. Falls ich also neue LeserInnen hier begrüßen darf *wink*, hier eine Übersicht meiner Reihe:
(Dark Magnus)
Teil 1: „Alle Legenden sind wahr…noch immer“
Teil 2: „Unmögliche Entscheidung“
(Martis Tournament)
Teil 3: „Liebeszauber“
Teil 4: „In Gesundheit und Krankheit“
Teil 5: „Unter Verdacht“
Teil 6: „Pakt mit dem Teufel“ (die muss mindestens bekannt sein, um hier weiter lesen zu können, der Rest ist eher ein Bonus XD)
Ansonsten wie immer der Hinweis, dass die Welt und Charaktere Cassie Clare gehören und ich keine monetären Interessen verfolge; einzig euch zu unterhalten ist mein Begehr!
Widmung: SandsK. Danke dir für deine Unterstützung bei dem Prolog!
Ich habe die Gute angeschrieben und um ihre tiefsinnige Ader bei philosophischen Fragen gebeten, so dass ich nach einem sehr anregenden Austausch mit ihr eine tolle Grundlage für den folgenden Prolog hatte. Sicher erkennst du viele deiner Gedanken wieder :-)
Viel Spaß und, um unseren geliebten Hexenmeister zu zitieren,: Feels good to be back! XD
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Nie sind wir so motiviert, wie wenn wir etwas wollen.
Die besten und schlimmsten Taten eines jeden Menschen, selbst jene der gesamten menschlichen Geschichte, entspringen aus dem Bedürfnis nach etwas – aus dem Wollen.
Um etwas zu wollen, braucht es den Willen.
Der freie Wille ist es, auf den der Mensch seit jeher stolz ist; das, was ihn von den seiner Ansicht nach unterlegenen Tieren unterscheidet, die ihren Instinkten unterworfen und nur in begrenztem Maße fähig sind, diesen zu widerstehen.
Ob uns das wirklich zu besseren Wesen macht, ist ein anderes Thema.
Wesentlich ist jedoch zu hinterfragen, wie frei der menschliche Wille wirklich ist.
Sind wir mehr als die Summe dessen, was uns prägt?
Entsteht das, was wir wollen, letztlich nicht aus unseren Erfahrungen, beeinflusst durch Familie, Freunde, Bildung und Heimat?
Durch die Gesellschaft, in der wir leben?
Den Instinkt, den wir in uns tragen?
Wie frei entscheiden wir noch, wenn wir selbst von uralten Bedürfnissen getrieben sind, wie Hunger, Müdigkeit oder Angst?
Wie unabhängig entscheiden wir noch im Angesicht des Todes, wenn jede Zelle unseres Körpers nach Selbsterhaltung schreit?
Sind wir dann nicht nur Gefangene unserer Triebe?
Nehmen wir an, es ist ein wenig von allem.
Nehmen wir an, unter all den Einflüssen bildet sich das zarte Pflänzchen der eigenen Wünsche heraus, das uns den Willen zu eigenen Entscheidungen schenkt.
Entscheidungen, die das Leben zum Guten oder Schlechten wenden können.
Meist wird der freie Wille als größer Segen der Menschheit bezeichnet, denn er bedeutet in gewisser Weise Fortschritt und Leben.
Abenteuer.
Zuversicht.
Gleichwohl hat er viel Leid über die Welt gebracht: Denn Menschen, die frei wählen können, wählen oft falsch.
Egoistisch.
Nicht im Sinne der Mitmenschen oder der Umwelt.
Das ist die Schattenseite des freien Willens.
Was ich für mich entscheide, kann für andere Konsequenzen haben. Oft ist man nicht bereit, sich mit diesen Konsequenzen zu befassen geschweige denn die Verantwortung zu übernehmen – und wenn mein Leben durch die Entscheidungen anderer negativ beeinflusst werden kann, wie frei bin ich dann noch?
Wenn man seinen Willen um jeden Preis durchsetzen möchte, kann es leicht passieren, dass man eine Spur aus Asche zurücklässt.
Da doch so viele Menschen beweisen, dass sie in Ausübung ihres freien Willens falsche Entscheidungen treffen, wäre es im Sinne ihres Schutzes nicht besser, die Entscheidung für sie zu treffen?
Würde man nicht ein Leben in Frieden, Ruhe und Glück einem Leben voller Sorge vorziehen, selbst, wenn jemand anders es für einen ausgewählt hat?
Viele Menschen würden dem wohl zustimmen.
Aber nicht alle.
Und selbst diese Entscheidung muss ein Wesen selbst treffen dürfen – wähle ich den leichten oder den beschwerlichen Weg?
Manchmal entscheidet man sich mit Freuden für Letzteres, wenn es einen ans Ziel bringt.
Wenn es einem das bringt, was man wirklich will.
Konzentriert starrte Magnus auf eine Schramme in der sonst makellosen Oberfläche des robusten Esstisches aus Ahornholz, an dem er saß. Ein schönes Stück, das von seinem guten Geschmack zeugte.
Nur diese Schramme…
Er versuchte sich daran zu erinnern, wie sie in den Tisch gekommen war und wieso er sie nicht direkt wieder hatte verschwinden lassen.
Seit vier Wochen, jedes Mal die gleichen Gedanken, wenn er am Tisch saß und die Furche sah.
Irgendwo in seinem Verstand regte sich etwas, wie ein Licht, das durch Nebel hindurch verschwommen aufblitzte. Seine Finger fuhren die Furche entlang, immer wieder, als würde sie so mit ihm sprechen.
Vielleicht tat sie das, denn plötzlich kam ihm eine Eingebung, von der er nicht wusste, woher sie kam.
,Das ist von einem Pfeil.‘
Moment, was?
Das war unsinnig.
Wieso sollte jemand mit einem Pfeil auf einen Tisch schießen?
Niemals war jemand mit Pfeil und Bogen in seinem Appartement gewesen. So jemanden, der einfach auf seine Möbel schoss, den hätte Magnus sich mit Sicherheit gemerkt.
Magnus‘ Gedanken drifteten ab.
Das passierte ihm ebenfalls häufiger zur Zeit.
Ein kleines Tier mit acht Beinen, das eilig über den Tisch krabbelte.
Wieso dachte er denn jetzt plötzlich an Spinnen? Die hatte sicher kein Stück Holz aus dem Tisch gerissen.
„Magnus?“
Blinzelnd hob Magnus den Blick und sah zu Catarina, die ihm gegenüber saß und besorgt die Stirn runzelte.
Seit er von diesem mächtigen Dämon angegriffen und schwer verwundet worden war, war seine gute Freundin ihm kaum von der Seite gewichen und öfter als ihm lieb war, hatte sie ihn mit genau diesem Blick bedacht.
„Alles in Ordnung?“
Fast war er es leid, diese Frage ständig beantworten zu müssen, dennoch lächelte er entschuldigend. „Ja, sicher. Ich war nur in Gedanken.“
„Wirklich? Du hast völlig abwesend gewirkt. Wieder…Kopfschmerzen?“
„Nein, es geht mir gut.“ Wobei Magnus jedes Mal, wenn er das sagte, das Gefühl hatte, er würde lügen. Er konnte sich nicht mehr an den Angriff erinnern, doch Catarina zufolge war er dadurch schwer verletzt worden, so dass sogar sein Gedächtnis betroffen war. Das meiste schien ihm inzwischen zurückgekommen und Magnus hatte keine körperlichen Folgen davongetragen, bis auf häufigeres Kopfweh und das Gefühl diffuser Zerstreutheit, dennoch hatte er das unbestimmte Gefühl von Verlust – als müsse er sich wegen etwas schlecht fühlen, ohne jedoch benennen zu können, weswegen.
Vielleicht, weil er die letzten Wochen unter Catarinas Anleitung Zuhause verbracht hatte, statt seiner Arbeit nachzugehen oder sich um seine gesellschaftlichen Pflichten zu kümmern.
Doch die Hexe hatte darauf bestanden und Magnus hatte ihren Rat befolgt.
Ein wenig hatte er die Hoffnung gehabt in dieser Zeit ergründen zu können, wieso er sich so merkwürdig fühlte.
Deutlich bemerkte Catarina, dass Magnus schon wieder von seinen Gedanken fortgetragen wurde und sie kaum mehr wahrnahm.
Ihre Hände verkrampften sich um ihr Besteck.
Schon, als Magnus aufgewacht war, körperlich so gut wie gesund, hatte sie ihm sofort alles beichten wollen. Als er sich jedoch wirklich nicht an Alec und seine Ehe mit dem Schattenjäger hatte erinnern können, hatte sie die Lüge aufrecht erhalten. Sie hatte es Alec schließlich hoch und heilig versprochen.
Und bisher…klappte es erstaunlich gut.
Sie hatte sich im Institut mit Alecs Geschwistern getroffen, die Alec wohl über Briefe informiert hatte. Sie waren erschüttert gewesen – und zornig auf Catarina, die Alec geholfen hatte.
Sie hatte sich anschreien und beschimpfen lassen, weil sie wusste, dass sie es verdient hatte.
Jace hätte sie vielleicht sogar angegriffen, war aber von der weinenden Clary abgelenkt worden.
Natürlich war die kleine Gruppe entschlossen gewesen, Alec aus Occid zurückzuholen, wo er nach letzten Informationen von Lorenzo zumindest lebend angekommen war, aber noch hatten sie wohl keine Möglichkeit gefunden, auch nur mit ihm in Kontakt zu treten.
Alexander Lightwood-Bane schien für immer für sie verloren.
„Ich glaube, ich sollte wieder anfangen zu arbeiten“, sagte Magnus und nun war Catarina es, die aus ihren Gedanken gerissen wurde.
„Meinst du?“, fragte sie vorsichtig.
„Unbedingt. Ich habe so wenig zu tun im Moment und fühle mich irgendwie…umtriebig. Eine innere Unruhe, wenn du verstehst. Als müsse ich dringend etwas erledigen, das keinerlei Aufschub mehr duldet.“ Er fuhr mit den Fingerspitzen über eine Furche im Tisch und hing erneut einen Moment seinen Gedanken nach. „Vielleicht gehe ich aber auch kurz nach New York und besuche Clary und Isabelle im Institut.“
Catarina musste sich bemühen, ihre Gabel nicht fallen zu lassen.
Magnus erinnerte sich an Alecs Familie, wie er Clary und Jace im Club begegnet war, wie er ihnen immer wieder geholfen hatte.
Nur fehlte Alec in diesen Erinnerungen.
Das war ein hartes Stück Arbeit gewesen, auf das Catarina stolz sein könnte, würde sie sich nicht so dafür verabscheuen. Allerdings wusste sie nicht, ob alle im Institut sich zusammenreißen würden, um die Lüge aufrecht zu erhalten.
„Wieso willst du sie besuchen?“, fragte sie mit trockenem Mund.
„Wieso nicht?“, fragte Magnus und legte den Kopf schief. „Ich habe Sehnsucht, schätze ich. Nachdem ich so unfassbar stark weggetreten war, will ich mich wieder mehr auf die Menschen in meinem Umfeld besinnen. Darum freue ich mich auch, dass du im Moment so häufig mein Gast bist.“
Catarina hatte sich niemals im Leben so schäbig gefühlt, dabei hatte sie wahrlich schon viel getan, worauf sie nicht stolz gewesen war. „Und sonst du fühlst du dich gut?“, hakte sie nach, woraufhin Magnus verhalten lächelte.
„Ja, mir fehlt nichts. Das heißt…“ Er seufzte kurz und rieb sich über die Hand. Den Ringfinger.
Der nackt war.
„Das klingt in deinen medizinisch geschulten Ohren sicher lachhaft, aber um ehrlich zu sein, fühle ich mich doch, als würde mir etwas fehlen. Nicht körperlich, aber…es ist schwer zu beschreiben.“ Seine Finger glitten wieder zu der Furche im Tisch. „Wie wenn du in ein Zimmer gehst, in dem du etwas erledigen wolltest, aber dich nicht mehr erinnern kannst, was es ist. Verstehst du?“
„Nein“, log die Hexe erschüttert und erhob sich. Sie nahm ihren halbvollen Teller und trug ihn zur Spüle. „Aber wenn du denkst, es hilft dir, solltest du gehen.“ Ihre Stimme klang etwas höher als sonst, doch zum Glück bemerkte Magnus es nicht, da sie ihm den Rücken zuwandte.
Ebenso wenig die Tränen, die auf ihre Hände tropften und die sie eilig beiseite wischte.
Izzy lag in ihrem gemeinsamen Bett auf der Seite, die Hände wie betend unter dem Kissen vergraben, den Kopf darauf gebettet. Die Knie hatte sie leicht angewinkelt, wie ein Fötus im Mutterleib.
Simon kannte diesen Anblick, denn mehrere Stunden am Tag lag Izzy so im Bett, ohne dabei zu schlafen.
In den ersten Tagen, nachdem Alec weg gewesen war, waren sie alle geschockt, aber doch unerschütterlichen Willens gewesen, ihn zurückzuholen. Sie hatten Bücher gewälzt, Hexenmeister kontaktiert, Dämonen verhört, den Rat gesprochen.
Das Ergebnis war niederschmetternd gewesen.
Niemand hatte einen Weg gewusst, mit Alec Kontakt aufzunehmen, geschweige denn, lebend nach Occid zu gelangen.
Simon hätte durch sein Dämonenblut zwar dort überlebt, aber die Elben hatten keinen Zugang zu dieser Dimension, zumindest keinen, den Meliorn ihnen verraten hatte.
Und selbst, wenn sie hinunter könnten, wie Alec finden? Wie ihn von Asmodeus befreien?
Sie hatten keine Allianzrune, kein himmlisches Feuer, keine Chance.
Ein Kampf gegen Windmühlen.
Vor allem, da von Seiten der Schattenjäger keine Unterstützung gekommen war. Noch nie hatte man von einem Nephilim gehört, der in einem Dämonenreich quasi als Geisel gehalten wurde – und der sich auch noch freiwillig in diese Situation gebracht hatte.
Der Rat wollte nicht, dass dies öffentlich wurde und hatte verlauten lassen, Alec wäre verschwunden und niemand, der die wahren Hintergründe kenne, wie zum Beispiel die Hälfte des New Yorker Instituts, dürfe darüber sprechen. Sie verurteilten seine Tat und die Schwäche, die er sich als Inquisitor und damit dem gesamten Rat geleistet hatte.
Manche hatten ihr Beileid bekundet.
Andere hatten geraten, Alec Lightwood-Bane so schnell wie möglich zu vergessen. Magnus würde nur aus Respekt vor Alecs Leistungen überhaupt noch der Aufenthalt in Alicante gewährt.
Hätte Clary sie nicht aufgehalten, hätte Izzy sich auf Rosales gestürzt und ihn für diese Worte wohl mit bloßen Händen erwürgt.
Ihre Hände hatte Clary aufhalten können, ihren Mund nicht.
Ihre Beleidigungen hatten genügt, um sie als Institutsleitung zu beurlauben.
Danach hatte Izzy begonnen, viel Zeit im Bett zu verbringen.
Underhill führte die Institutsgeschäfte im Moment, wobei er dabei sehr taktvoll vorging und Izzy über jeden Schritt informierte.
Er hatte kein Geheimnis um seine Rolle bei dieser Sache gemacht, aber niemand hatte es ihm vorgeworfen, nachdem alle Hintergründe offengelegt worden waren.
Bei Lorenzo sah dies anders aus.
Jace hatte ihm eine Tracht Prügel verpasst, die jedem Mundie wohl einen Schädelbruch eingebracht hätte.
Lorenzo war weder ausgewichen, noch hatte er sich gewehrt. Er hatte sich nur entschuldigt. Seither war er nicht mehr im Institut aufgetaucht.
Und dann war da Jace…
Jace war überzeugt, dass Alec noch lebte – seine Parabatairune bewies es, seiner Meinung nach – und suchte nach wie vor verbissen einen Weg, ihn zu befreien.
Clary unterstützte ihn dabei, wenn sie nicht bei Izzy war und versuchte, ihr Trost zu spenden. Dann übernahm Simon für sie, so wie jetzt.
Sehr erfolgreich war er damit jedoch nicht.
Vorsichtig setzte er sich zu ihren Knien und strich ihr über den Oberarm.
„Wie geht es dir heute?“, fragte er sanft.
„Fantastisch. Sehe ich nicht so aus?“
Er zwang sich zu lächeln. „Du weißt, ich finde, du siehst immer fantastisch aus. Vielleicht…sollten wir heute mal ein wenig raus hier. Einen Spaziergang machen. Es ist zwar kalt, aber die frische Luft tut dir sicher gut.“
Es dauerte, bis Izzy reagierte. Ihr Blick war auf die Wand gerichtete, nicht auf Simon. „Nein, heute nicht.“
„…verstehe.“ Simon wollte Izzy nicht drängen. Sobald sie ihr Zimmer verließ, setzte sie ein Lächeln auf, war die starke, unbeugsame Isabelle Lightwood, äußerlich durch nichts zu erschüttern, doch wenn sich die Tür hinter ihr schloss, brach diese mühsam errichtete Fassade ebenso wie Simons Herz bei diesem Anblick.
Izzy litt unter Alecs Verschwinden und es gab nichts, was Simon sagen oder tun konnte, um dieses Leid irgendwie zu lindern. Deutlich spürte er die brennende Hilflosigkeit, die schlimmer in ihm wütete als jeder Hunger nach Blut es je getan hatte.
Dennoch würde er nicht aufgeben.
„Dann…hole ich dir mal etwas zu essen. Deine letzte Mahlzeit ist schon wieder ewig her“, sagte er und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn.
„Okay.“
Izzy sah Simon nicht hinterher, wie er zur Tür ging und das Zimmer verließ.
Das war nicht nötig. Sie wusste auch so, dass er sich Sorgen machte. Dies war nicht ihre Absicht, doch etwas dagegen zu unternehmen, war ihr die letzten Tage nicht gelungen.
Alles war so schwer.
Viel zu schwer.
Izzy wusste, dass sie sich zusammennehmen sollte, es musste.
Sie konnte sich nicht ewig beurlauben lassen.
Sie hatte Pflichten.
Verlust gehörte zum Leben eines Schattenjägers.
Doch das hier, Alec zu verlieren, auf diese Weise, war anders als jeder Kamerad, den sie je im Kampf verloren hatte. Denn Alec war nicht gestorben und verbrannt worden.
Er war nicht tot, was eine kleine, beständig stechende Hoffnung in ihrem Herzen am Brennen hielt, gleich einer einzelnen Kerze in der Nacht, obwohl es vollkommen unmöglich war, ihn jemals wieder zu sehen.
Als könne die Kerze nicht erlöschen, aber als würde die Nacht darum herum nie vergehen.
Es war der pure Hohn.
Vielleicht war es schlimmer, als wenn sie Alec hätte sterben sehen müssen.
Niemand wusste, was Asmodeus mit Alec tat. Jace spürte nichts Negatives, doch wer wusste, ob die Rune überhaupt noch funktionierte und nicht alles von Occids Dämpfen geschluckt wurde. Eigentlich schien er überhaupt nichts zu spüren.
Vielleicht wurde Alec jeden Tag gefoltert, vielleicht litt er furchtbare Schmerzen, vielleicht war er doch schon tot. Vielleicht bereute er, was er getan hatte und wünschte…
Tränen stiegen Izzy in die Augen, als ihre Gedanken sich um die gleichen, schrecklichen Szenarien drehten wie seit Wochen.
,Nein, er bereut es nicht.‘
Denn Alec bereute nie, wenn er sich erst einmal entschieden hatte. Schon gar nicht in Bezug auf Magnus. Er hatte den Mann gerettet, den er liebte. Sie wusste, wie wichtig Magnus für Alec gewesen war. Schon einmal war er bereit gewesen, alles für ihn zu opfern und dieses Mal hatte er es erneut getan.
Nur endgültiger.
So groß ihr Schmerz war, so groß war ihre Bewunderung für Alec.
Seine Worte waren nie nur Hülsen gewesen. Er hatte geschworen, Magnus wenn nötig mit seinem Leben zu beschützen und das hatte er getan.
Darum hatte sie nach den ersten zwei Wochen, nach dem ersten, verständlichen Impuls, Alec retten zu wollen, aufgehört.
Aufgehört, nach ohnehin unmöglichen Lösungen zu suchen.
Aufgehört zu recherchieren.
Aufgehört zu hoffen.
Alec war fort und sie wollte sein mutiges Opfer entsprechend würdigen.
Sie musste sich nur dazu überreden, die Leere in ihrem Körper endlich zu ignorieren und mit Alltag zu füllen.
Weiterzumachen.
Tief durchatmend erhob sie sich, richtete ihr Haar und trat vor den Spiegel. Simon gab sich solche Mühe, sie aufzurichten, sie sollte es ihm endlich gestatten.
Zum Glück war Max bei Maryse und Luke. Sie alle konnten nicht fassen, was geschehen war, doch im Moment konnte Izzy sich nur mit ihrer und Jace‘ Trauer befassen. Zu mehr war sie noch nicht imstande.
,Wobei Jace eher wütend ist‘, dachte sie, als sie Lippenstift auftrug und nach erneutem tiefem Durchatmen ihr Zimmer verließ.
Er war wütend auf jeden, was nicht nur die Dämonen zu spüren bekamen, die er auf Patrouille niedermetzelte, sondern jeder im Umkreis, der ihn ungünstig anblickte. Sie, beziehungsweise Underhill, hatten ihm Urlaub geben wollen, doch natürlich hatte Jace abgelehnt.
Alle Männer dieser Familie waren unvernünftig…
Izzy hatte die Haupthalle kaum betreten, da merkte sie, wie vor allem mitleidige Blicke sie trafen. Schließlich galt Alec als vermisst und die meisten Gerüchte, die sich die Unwissenden dazu gebildet hatten, glaubten, dass er als Held wegen seines Amtes umgekommen war.
Immerhin würde man ihn so in positiver Erinnerung behalten.
Sie tat, als bemerke sie nichts, und lief zu ihrem Büro, um mit Andrew zu sprechen.
Allerdings saß er an einem der Schreibtische im Hauptschiff, was Izzy verwirrt die Richtung wechseln ließ.
„Andrew, was tun Sie hier?“, fragte sie.
„Miss Lightwood.“ Er erhob sich eilig. Sein Fuß schien wieder vollkommen verheilt. „Ich wollte am Abend zu Ihnen wegen der aktuellen Berichte. In New York ist es recht ruhig, der Streit mit dem wilden Werwolf wurde…“
„Das…schon gut“, sagte sie und hob die Hand. Für derart Informationen war sie noch nicht gänzlich aufnahmebereit. „Ich vertraue Ihnen, was das angeht. Das beantwortet aber nicht meine Frage. Ich wollte gerade zu Ihnen ins Büro kommen.“
„Das ist Ihr Büro, nicht meines“, sagte Andrew ernst, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Ich leite das Institut nur vorübergehend, bis es Ihnen besser geht. Das kann ich von hier tun.“
Unwillkürlich musste Izzy lächeln. „Danke. Doch ich hätte es Ihnen nicht krumm genommen, wenn Sie auf meinem Stuhl gesessen hätten. Ich meine, irgendwer muss das sowieso mal tun, wenn ich in Rente gehe.“ Wobei Shadowhunter eigentlich nie in Rente gingen.
In den letzten Tagen hatte Izzy allerdings – zum ersten Mal überhaupt – den Wunsch gehabt, ihre Pflichten für immer zu vergessen und all dem hier den Rücken zu kehren.
„Ihr Stuhl wird da sein und auf Sie warten“, sagte Andrew mit entschlossenem Gesicht. „Wie wir alle hier.“ Ganz plötzlich sah er auf den Schreibtisch, als könne er den Blick nicht mehr aufrecht halten. „Was Alec getan hat…für Magnus und wie das alles passieren konnte…ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mich in aller Form bei Ihnen zu entschuldigen…“
„Doch, Sie haben sich entschuldigt“, widersprach Izzy und schüttelte abwehrend den Kopf. „Kurz danach, als Sie alles erzählt haben. Und es war genauso unnötig wie jetzt. Sie wurden benutzt, ebenso wie Lorenzo.“ Ihre Miene wurde finster. Nur einer trug die Schuld an all dem.
„Ich werde dabei sein, wenn man Eichner dafür hinrichtet.“ Was bald geschehen würde.
„Izzy!“
Izzy wandte sich von Andrew ab, der ihr zugelächelt hatte, und drehte sich zu Jace, der aufgeregt auf sie zueilte. Sein Haar war unordentlich und er sah aus, als hätte er einige Nächte nicht geschlafen.
„Izzy, ich glaube, ich weiß jetzt einen Weg, wie wir in Occid überleben: Das Institut in Südafrika meint, dort gäbe es einen Hexenmeister, der angeblich Tränke verkauft, mit denen man ohne Schaden eine Stunde trotz dämonischer Strahlung und der Dämpfe überlebt. Sie meinten zwar, man müsse aufpassen, weil er Leute gerne übers Ohr haut, aber wenn du mir ein Portal organisierst…“
„Jace, Jace…warte“, unterbrach Izzy ihn und wäre das biologisch nicht unmöglich, würde sie schwören spüren zu können, dass jedes seiner Worte ihr Herz brach. „Selbst, wenn das kein Betrug ist, eine Stunde reicht nicht, um das ganze Reich zu durchsuchen.“
„Einige Zeit hält man es auch so aus, das sind mindestens 90 Minuten. Und wenn wir länger brauchen, gehen wir mehrmals und teilen uns auf.“
„Und wie kommen wir hin?“
„Na, durch ein Pentagramm, wie damals nach Edom.“
„Lorenzo wird uns sicher nicht helfen“, gab Izzy zu bedenken, woraufhin Jace zu Andrew blickte und laut schnaubte.
„Eher frage ich die Elben als diese Schlange. Er kam viel zu gut weg, sie hätten Alecs Begnadigung nicht ohne Konsequenzen anerkennen sollen.“
„Lorenzo hat Alec bei all dem geholfen, weil dieser es wollte“, sagte Andrew unwillig, woraufhin Jace einen Schritt auf ihn zuging. „Und er war bereit, die Strafe dafür auf sich zu nehmen und zu büßen.“
„Wie schön“, schnarrte Jace sarkastisch. „Gegen Buße hätte ich nichts, er kann sich gerne bei mir melden, ich erledige das mit Freuden.“ Er ließ Andrew keine Möglichkeit zu antworten, sondern drehte sich wieder zu Izzy. „Also, kriege ich das Portal?“
Izzy fragte sich, ob es besser wäre, Jace zu stoppen, ehe er sich weiter in ein aussichtloses Vorhaben verrannte, oder ob es heilsamer für ihn war, wenn er weiter suchte, bis er selbst feststellte, dass es sinnlos war.
Es war nicht wie damals bei Clary, die wie durch ein Wunder doch nicht gestorben, sondern in eine Eiswüste teleportiert worden war.
Alec lebte vermutlich, doch er wollte nicht gerettet werden.
Das hatte er in seinen Briefen sehr deutlich geschrieben. Er wollte nicht, dass sie Magnus‘ gefährdeten, indem sie auch nur versuchten, ihn zurückzuholen und so eventuell gegen seinen Deal mit Asmodeus verstießen. Das musste sie Jace begreiflich machen.
,Ja, das muss ich tun.‘
Wieso war ihr das nicht sofort klar gewesen? Vielleicht, weil ihr Verstand sich im Moment anfühlte wie eine Bauruine.
„Hier seid ihr.“ Mit weiten Schritten eilte Clary auf sie zu und warf einen besorgten Blick zu Jace, zu Izzy und zurück zu Jace. Andrew war inzwischen auf Abstand gegangen.
„Jace, ich war nur kurz im Bad und plötzlich warst du weg.“
„Ja, ich habe da einen Anhaltspunkt und brauche ein Portal. Also, was ist damit?“, fragte er ungeduldig. Er hatte Clary kaum angesehen, so fixiert war er auf Izzy, auf diese Hoffnung, die sich letztlich wohl wieder in Luft auflösen würde, wie alle Spuren der letzten Wochen.
Dieses Verhalten allein war offenkundig besorgniserregend, hatte Jace doch nie länger Augen für jemand anderen gehabt, seit er Clary kannte.
Izzy öffnete den Mund, als erneut jemand anders antwortete.
„Sagte da jemand Portal?“
Alle drei drehten sich um und sahen zu Magnus, der lächelnd und beschwingt zu ihnen lief. Blaue Strähnen zierten sein gestyltes Haar, passend dazu trug er einen Gürtel mit blau-glitzernder Schnalle und ein Jackett mit blauen Pailletten. Der Rest der Kleidung war schwarz.
Natürlich war Clary froh, dass ihr Freund nicht ebenso traurig, wütend und verzweifelt war wie Jace, das wünschte sie Magnus keinesfalls.
Gleichzeitig war sein Anblick, so unbeschwert, absolut widersinnig und fühlte sich zutiefst falsch an.
„Wohin soll es gehen, in den Süden? Ihr wollt wohl dem nahenden Winter New Yorks entkommen“, vermutete Magnus, als er sie erreicht hatte, und blickte lächelnd in die Runde.
Niemand antwortete ihm, was den Hexenmeister bewog, fragend die Hände ineinander zu legen und die linke Augenbraue hochzuziehen.
„Habe ich etwas im Gesicht, von makellosem Make-up einmal abgesehen, oder wieso starrt ihr mich so an?“
„Magnus“, sagte Clary endlich und trat vor, um ihn fest zu umarmen. Seit dem Angriff des Necess hatte sie ihn nicht gesprochen, weil sie so mit Jace beschäftigt gewesen war. „Es ist schön, dich zu sehen. Wir…wir haben nur nicht damit gerechnet…“
„Nun, ich bin erholt und auch, wenn die gute Catarina mich wohl am liebsten für immer Zuhause lassen würde, war mir nach etwas frischem Wind und netten Gesichtern. Allerdings seht ihr alle ganz und gar nicht gut aus“, bemerkte Magnus, wenn er Izzys halbherzigen Lippenstift, Clarys gerötete Augen und Jace‘ blasses Gesicht so betrachtete. „Was ist mit euch?“
„Weißt du…“ Izzy räusperte sich, doch Jace unterbrach sie mit angespannten Schultern und fassungsloser Miene.
„Wie kannst du das fragen? Wie kannst du es dir erdreisten, hier aufzutauchen?!“
„Jace!“
„Ich…bitte um Verzeihung“, sagte Magnus verwirrt. Mit Jace hatte er sich noch nie gut verstanden, aber er war nun einmal Clarys Freund und Isabelles Bruder, darum hatte er gelernt, sich mit ihm zu arrangieren. „Ich wüsste nicht, was ich getan habe.“
„Klar, du weißt es nicht, das macht mich ja so wütend! Vier Jahre! Vier Jahre und du vergisst einfach alles, was A…“
„Jace, hör auf!“, herrschte Izzy ihn an und packte seinen Arm. „Komm mit, sofort!“ Sie zerrte Jace mit, während Magnus immer verwirrter dreinblickte.
„Biskuit, ich weiß, du liebst ihn, aber noch bist du jung genug, deine Wahl zu überdenken“, sagte Magnus ungehalten, während Clary sich über die Stirn rieb.
„Du musst ihn entschuldigen, uns alle. Wir…bei dem Angriff auf dich wurde…wurde jemand getötet, den wir gut kannten. Wir vermissen ihn und das…ist schwer.“
„Oh, ich verstehe“, sagte Magnus mitfühlend und Clarys Magen drehte sich dabei um.
Sie fand all das falsch und am liebsten würde sie Magnus die Wahrheit sagen – genauso, wie ihre Mutter sie belogen hatte, um sie zu schützen, taten sie dies bei Magnus, doch so etwas war falsch, was auch immer die Gründe dafür waren.
Allerdings hatte Catarina sie darum gebeten und noch dazu hätte es gar keinen Sinn: Magnus‘ Erinnerungen waren fort, selbst, wenn sie ihm alles erzählen würde, würde er sich nicht an Alec erinnern.
An einen Alec, der nicht mehr da war und vermutlich nie mehr wieder kommen würde.
„Kann ich etwas tun?“, fragte Magnus weiter. „Dieses Portal, von dem Jace sprach? Ich bin gerne behilflich, in Alicante habe ich zurzeit wenig zu tun. Lydia hat mich während der Genesung wohl offiziell krankschreiben lassen oder so ähnlich.“ Magnus blickte sich in der Halle um, wobei er jeden Shadowhunter einer Musterung unterzog.
Als ihm dies bewusst wurde, konnte er sich allerdings nicht erklären, was er überhaupt suchte.
„Magnus“, sagte Clary und sah ihn an.
In ihrem Gesicht war etwas, das er nicht deuten konnte. „Ja, Clary?“
„…ich…bin…wirklich froh, dass es dir gut geht.“
Der Hexenmeister lächelte, obwohl sein Herz sich kurz zusammenzog und er das Bedürfnis hatte zu antworten, dass es ihm nicht gut ginge.
Allerdings wäre dies absurd, denn ihm fehlte nichts.
„Danke. Das bin ich auch.“
„Izzy, was soll das?!“ Unwirsch riss Jace sich von seiner Schwester los, ignorierte dabei die Blicke einiger Shadowhunter, an denen sie vorbei gelaufen waren.
„Hör auf, Magnus anzuschreien oder zu beschuldigen, er hat mit all dem nichts zu tun!“
„Ach?! Ist mir da was entgangen oder ist Alec nicht nur deswegen zur Hölle gefahren, um ihn vor seinem Daddy zu beschützen?!“, spie Jace zornig aus.
„Jace!“ Zum Glück hatte Izzy Jace in einen Flur geschleift, so war gewährleistet, dass Magnus sie nicht hören konnte. „Clary hat ihre Erinnerungen verloren, weil sie die Welt beschützen wollte, war es deswegen die Schuld der Welt?! Oder Clarys?! Sie hat dich ebenso vergessen wie uns alle, weil starke Kräfte dafür verantwortlich waren und ebenso ist es bei Magnus! Catarina hat ihm jede Erinnerung an Alec genommen und er kann nichts dafür, dass er nichts mehr davon weiß!“
Während Izzys Worten hatte Jace immer finsterer geschaut und jetzt machte sein Gesicht jedem Dämon Konkurrenz.
„Schön, ist es eben nicht seine Schuld“, blaffte er aufgebracht. „Aber wenn wir ihm davon erzählen würden, könnte er sich nützlich machen und uns helfen! Ich weiß, dass er das wollen würde, er würde alles tun! Alec…“
„Natürlich würde er, darum hat Alec ja so gehandelt! Mag sein, dass es Magnus gegenüber ungerecht ist, aber es rettet ihm das Leben“, fuhr Izzy Jace erneut dazwischen, obwohl jedes Wort sie zunehmend mehr Überwindung kostete.
Aus ihr sprach der Verstand, nicht ihr Herz.
„Magnus wäre schon lange in Occid, wenn er sich erinnern würde, und dort…“
„Hätte er Alec vielleicht befreien können!“
„Wie?! Glaubst du, Asmodeus lässt Alec einfach wieder rausspazieren?!“
„Dann wären wir eben mit Magnus runter und hätten Asmodeus den Arsch aufgerissen, wie bei Lilith! Wieso blockierst du eigentlich alles, was ich sage?!“, rief Jace jetzt aufgebracht, weil Izzy erneut den Mund geöffnet hatte, um ihm zu widersprechen. „Willst du dich einfach damit abfinden und Alec aufgeben?! Izzy, er ist da unten und wartet…“
„Nein, NEIN!“, brach es aus Izzy hervor, wobei sie heftig mit den Armen wedelte. „Das tut er nicht, Jace! Er wartet nicht auf uns, er hofft nicht und er will nicht gerettet werden! Das hat er uns geschrieben, dir, mir, Clary, Simon, unseren Eltern…ich habe jeden Brief gelesen! Er will, dass wir in Sicherheit sind und Magnus friedlich weiter lebt, das war sein letzter Wunsch an uns, nicht, ihn zu retten!“
Jace zuckte zusammen, als hätte Izzy ihre Peitsche benutzt, um ihm diese Worte an den Kopf zu knallen. „Aber…“
„Er hat es aus Liebe getan!“, fuhr Izzy fort und ignorierte die Tränen, die ihr dabei über die Wangen liefen.
Verflucht nochmal, dieses ständige Heulen ging ihr dermaßen auf den Keks!
„Genauso, wie du es für Clary getan hättest und ich für Simon. Es war seine Entscheidung und wir müssen aufhören so zu tun, als würden wir sie nicht verstehen – und beim Engel, ich werde dafür sorgen, dass sein letzter Wille erfüllt wird. Das hat er verdient, nach allem, was passiert ist und was er gegeben hat. Du wirst ihm das nicht kaputt machen, verstanden?!“
„Izzy, ich will doch nur…“
„Du willst egoistisch sein, aber dieses Mal nicht!“ Izzys Stimme zitterte vor Wut und Traurigkeit, doch sie redete weiter. Sie musste, solange sie noch glaubte zu wissen, was richtig war. „Ich werde dir kein Portal erlauben und auch sonst nicht helfen, wir…wir müssen weiter machen, okay?“
Ja, jedes ihrer Worte war richtig, trotzdem fühlte es sich so grauenhaft, so schmerzhaft falsch an, dass sie sich am liebsten übergeben hätte. Zum Glück hatte sie heute noch nicht gegessen.
Jace‘ Augen glänzten selbst verdächtig und als Izzy auf ihn zu trat und die Hände gegen seine verschränkten Arme legte, wich er zurück und verzog verzweifelt das Gesicht.
„Jace, versprich mir, dass du Alec das nicht kaputt machst. Bitte.“
„Izzy…ich…das kann ich nicht“, antwortete Jace mit brüchiger Stimme und presste die Lippen zusammen. „Ich will Magnus nicht gefährden, aber es geht um Alec. Er ist mein Bruder, mein Parabatai. Ich…kann ihn nicht einfach da unten lassen, was auch immer er gewollt hätte. Wenn du mir nicht helfen willst, mache ich es alleine.“
„Jace, er hat uns darum gebeten! Wir…“
„Es tut mir leid.“
„Jace!“
Doch der Blonde löste sich aus ihrem Griff und stapfte einfach davon.
Resigniert blickte Izzy ihm hinterher, als sie eine Hand auf der Schulter spürte.
Erschrocken zuckte Izzy zusammen und fuhr herum. „Clary…“ Eilig fuhr sie sich über das Gesicht.
„Alles okay?“, fragte die Rothaarige sanft, woraufhin Izzy nickte.
„Sicher…Jace ist stur, wie immer, aber…ich hoffe, er wird vernünftig.“ Sie schluckte weitere Tränen hinunter.
„Was bedeutet…?“
„Dass er aufhören muss. Wir müssen aufhören damit und weitermachen.“
Clary biss sich auf die Unterlippe, wie meist, wenn sie etwas sagen wollte, sich aber aus Taktgründen zurückhielt. Statt also empört zu schimpfen, versuchte sie es anders.
„Und du bist sicher, dass das richtig ist? Alec einfach aufzugeben?“
„Wir geben ihn nicht auf, wir respektieren seinen letzten Willen“, erwiderte Izzy und rieb sich über die geröteten Augen.
Wieso fühlte sie sich, als stehe sie unter Anklage?
Vermutlich, weil sie etwas verteidigte, das sie selbst unglücklich machte.
„Wo ist Magnus?“ Sie war nicht gewillt, die gleiche Diskussion noch einmal mit Clary zu führen, dazu fehlte ihr die Kraft.
„Ich habe ihm erklärt, dass es gerade ungünstig ist. Er will ein anderes Mal wiederkommen. Er sagt…wir können ihn ja mal alle zum Essen besuchen…“
„Gut.“ Izzy setzte ein Lächeln auf und atmete tief durch.
Atmen und lächeln.
Wie konnte etwas so Alltägliches plötzlich so furchtbar schwierig sein?
„Das ist gut.“
,Was ein Unsinn.‘ Nichts war gut und keinem von ihnen ging es gut.
„Wir sollten überlegen, ob wir unsere verschobene Zeremonie neu terminieren möchten“, fuhr Izzy nun fort. „Ich…brauche einen anderen Zeugen, jetzt, da Alec…aber vielleicht erlaubt man mir ja, dass Simon das macht, als Deputy und so…“
„Du meinst, wir sollen daran festhalten?“, fragte Clary zurückhaltend. Natürlich wollte sie nach wie vor Izzys Parabatai werden, aber unter diesen Umständen…
Die Schwarzhaarige lächelte jedoch und strich Clary sanft eine Locke hinter das Ohr. „Und ob wir das sollten. Er hätte es so gewollt. Gerade jetzt sollten wir an allem festhalten, das uns Hoffnung bringt. An allem, was gut ist und uns Kraft gibt…ohne dich und Simon, ich weiß nicht, wie ich die letzten Wochen überhaupt überstanden hätte…“
„Ich werde immer für dich da sein“, versprach Clary und ergriff Izzys Hand, um sie sachte zu drücken, wanderte damit weiter bis zu Izzys Unterarm und hielt ihn fest, so dass auch Izzys Hand an Clarys Unterarm zum Erliegen kam. „Immer.“
Lächelnd erwiderte Izzy den Druck.
Herzlich Willkommen zu Mindy schreibt Shadowhunters Staffel 5!^^
Natürlich konnte ich das Ende von „Pakt mit dem Teufel“ so nicht lassen und falls es euch beruhigt, die Fortsetzung hat 136 Seiten. Rückblickend doch gut, dass ich die FFs getrennt habe, sonst wäre ich im Dezember noch nicht durch gewesen XD
Und nachdem mich immer noch so liebe Mails und Kommis erreichen mit Bitten, doch endlich die Erlösung zu präsentieren (ihr seid so süß…ich bin wirklich gerührt), werde ich keine obligatorische Sommerpause bis zum Staffelstart machen, sondern beginne heute.
Ich kann nicht versprechen, dass es eine komplette Staffel wird, im Moment steht nur der Inhalt von drei FFs, aber solange am Ende alles ein würdiges Ende hat, findet das sicher auch so eure Zustimmung :-)
Bisher habe ich es geschafft, dass man die vorigen FFs nicht kennen muss, das ist an dieser Stelle nicht mehr so wirklich möglich, weil die Geschichte unmittelbar an das Staffelfinale andockt. Falls ich also neue LeserInnen hier begrüßen darf *wink*, hier eine Übersicht meiner Reihe:
(Dark Magnus)
Teil 1: „Alle Legenden sind wahr…noch immer“
Teil 2: „Unmögliche Entscheidung“
(Martis Tournament)
Teil 3: „Liebeszauber“
Teil 4: „In Gesundheit und Krankheit“
Teil 5: „Unter Verdacht“
Teil 6: „Pakt mit dem Teufel“ (die muss mindestens bekannt sein, um hier weiter lesen zu können, der Rest ist eher ein Bonus XD)
Ansonsten wie immer der Hinweis, dass die Welt und Charaktere Cassie Clare gehören und ich keine monetären Interessen verfolge; einzig euch zu unterhalten ist mein Begehr!
Widmung: SandsK. Danke dir für deine Unterstützung bei dem Prolog!
Ich habe die Gute angeschrieben und um ihre tiefsinnige Ader bei philosophischen Fragen gebeten, so dass ich nach einem sehr anregenden Austausch mit ihr eine tolle Grundlage für den folgenden Prolog hatte. Sicher erkennst du viele deiner Gedanken wieder :-)
Viel Spaß und, um unseren geliebten Hexenmeister zu zitieren,: Feels good to be back! XD
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~Der Menschen Wille ist ihr Himmelreich und wird oft ihre Hölle. ~
aus Island
aus Island
Nie sind wir so motiviert, wie wenn wir etwas wollen.
Die besten und schlimmsten Taten eines jeden Menschen, selbst jene der gesamten menschlichen Geschichte, entspringen aus dem Bedürfnis nach etwas – aus dem Wollen.
Um etwas zu wollen, braucht es den Willen.
Der freie Wille ist es, auf den der Mensch seit jeher stolz ist; das, was ihn von den seiner Ansicht nach unterlegenen Tieren unterscheidet, die ihren Instinkten unterworfen und nur in begrenztem Maße fähig sind, diesen zu widerstehen.
Ob uns das wirklich zu besseren Wesen macht, ist ein anderes Thema.
Wesentlich ist jedoch zu hinterfragen, wie frei der menschliche Wille wirklich ist.
Sind wir mehr als die Summe dessen, was uns prägt?
Entsteht das, was wir wollen, letztlich nicht aus unseren Erfahrungen, beeinflusst durch Familie, Freunde, Bildung und Heimat?
Durch die Gesellschaft, in der wir leben?
Den Instinkt, den wir in uns tragen?
Wie frei entscheiden wir noch, wenn wir selbst von uralten Bedürfnissen getrieben sind, wie Hunger, Müdigkeit oder Angst?
Wie unabhängig entscheiden wir noch im Angesicht des Todes, wenn jede Zelle unseres Körpers nach Selbsterhaltung schreit?
Sind wir dann nicht nur Gefangene unserer Triebe?
Nehmen wir an, es ist ein wenig von allem.
Nehmen wir an, unter all den Einflüssen bildet sich das zarte Pflänzchen der eigenen Wünsche heraus, das uns den Willen zu eigenen Entscheidungen schenkt.
Entscheidungen, die das Leben zum Guten oder Schlechten wenden können.
Meist wird der freie Wille als größer Segen der Menschheit bezeichnet, denn er bedeutet in gewisser Weise Fortschritt und Leben.
Abenteuer.
Zuversicht.
Gleichwohl hat er viel Leid über die Welt gebracht: Denn Menschen, die frei wählen können, wählen oft falsch.
Egoistisch.
Nicht im Sinne der Mitmenschen oder der Umwelt.
Das ist die Schattenseite des freien Willens.
Was ich für mich entscheide, kann für andere Konsequenzen haben. Oft ist man nicht bereit, sich mit diesen Konsequenzen zu befassen geschweige denn die Verantwortung zu übernehmen – und wenn mein Leben durch die Entscheidungen anderer negativ beeinflusst werden kann, wie frei bin ich dann noch?
Wenn man seinen Willen um jeden Preis durchsetzen möchte, kann es leicht passieren, dass man eine Spur aus Asche zurücklässt.
Da doch so viele Menschen beweisen, dass sie in Ausübung ihres freien Willens falsche Entscheidungen treffen, wäre es im Sinne ihres Schutzes nicht besser, die Entscheidung für sie zu treffen?
Würde man nicht ein Leben in Frieden, Ruhe und Glück einem Leben voller Sorge vorziehen, selbst, wenn jemand anders es für einen ausgewählt hat?
Viele Menschen würden dem wohl zustimmen.
Aber nicht alle.
Und selbst diese Entscheidung muss ein Wesen selbst treffen dürfen – wähle ich den leichten oder den beschwerlichen Weg?
Manchmal entscheidet man sich mit Freuden für Letzteres, wenn es einen ans Ziel bringt.
Wenn es einem das bringt, was man wirklich will.
~*~
Konzentriert starrte Magnus auf eine Schramme in der sonst makellosen Oberfläche des robusten Esstisches aus Ahornholz, an dem er saß. Ein schönes Stück, das von seinem guten Geschmack zeugte.
Nur diese Schramme…
Er versuchte sich daran zu erinnern, wie sie in den Tisch gekommen war und wieso er sie nicht direkt wieder hatte verschwinden lassen.
Seit vier Wochen, jedes Mal die gleichen Gedanken, wenn er am Tisch saß und die Furche sah.
Irgendwo in seinem Verstand regte sich etwas, wie ein Licht, das durch Nebel hindurch verschwommen aufblitzte. Seine Finger fuhren die Furche entlang, immer wieder, als würde sie so mit ihm sprechen.
Vielleicht tat sie das, denn plötzlich kam ihm eine Eingebung, von der er nicht wusste, woher sie kam.
,Das ist von einem Pfeil.‘
Moment, was?
Das war unsinnig.
Wieso sollte jemand mit einem Pfeil auf einen Tisch schießen?
Niemals war jemand mit Pfeil und Bogen in seinem Appartement gewesen. So jemanden, der einfach auf seine Möbel schoss, den hätte Magnus sich mit Sicherheit gemerkt.
Magnus‘ Gedanken drifteten ab.
Das passierte ihm ebenfalls häufiger zur Zeit.
Ein kleines Tier mit acht Beinen, das eilig über den Tisch krabbelte.
Wieso dachte er denn jetzt plötzlich an Spinnen? Die hatte sicher kein Stück Holz aus dem Tisch gerissen.
„Magnus?“
Blinzelnd hob Magnus den Blick und sah zu Catarina, die ihm gegenüber saß und besorgt die Stirn runzelte.
Seit er von diesem mächtigen Dämon angegriffen und schwer verwundet worden war, war seine gute Freundin ihm kaum von der Seite gewichen und öfter als ihm lieb war, hatte sie ihn mit genau diesem Blick bedacht.
„Alles in Ordnung?“
Fast war er es leid, diese Frage ständig beantworten zu müssen, dennoch lächelte er entschuldigend. „Ja, sicher. Ich war nur in Gedanken.“
„Wirklich? Du hast völlig abwesend gewirkt. Wieder…Kopfschmerzen?“
„Nein, es geht mir gut.“ Wobei Magnus jedes Mal, wenn er das sagte, das Gefühl hatte, er würde lügen. Er konnte sich nicht mehr an den Angriff erinnern, doch Catarina zufolge war er dadurch schwer verletzt worden, so dass sogar sein Gedächtnis betroffen war. Das meiste schien ihm inzwischen zurückgekommen und Magnus hatte keine körperlichen Folgen davongetragen, bis auf häufigeres Kopfweh und das Gefühl diffuser Zerstreutheit, dennoch hatte er das unbestimmte Gefühl von Verlust – als müsse er sich wegen etwas schlecht fühlen, ohne jedoch benennen zu können, weswegen.
Vielleicht, weil er die letzten Wochen unter Catarinas Anleitung Zuhause verbracht hatte, statt seiner Arbeit nachzugehen oder sich um seine gesellschaftlichen Pflichten zu kümmern.
Doch die Hexe hatte darauf bestanden und Magnus hatte ihren Rat befolgt.
Ein wenig hatte er die Hoffnung gehabt in dieser Zeit ergründen zu können, wieso er sich so merkwürdig fühlte.
Deutlich bemerkte Catarina, dass Magnus schon wieder von seinen Gedanken fortgetragen wurde und sie kaum mehr wahrnahm.
Ihre Hände verkrampften sich um ihr Besteck.
Schon, als Magnus aufgewacht war, körperlich so gut wie gesund, hatte sie ihm sofort alles beichten wollen. Als er sich jedoch wirklich nicht an Alec und seine Ehe mit dem Schattenjäger hatte erinnern können, hatte sie die Lüge aufrecht erhalten. Sie hatte es Alec schließlich hoch und heilig versprochen.
Und bisher…klappte es erstaunlich gut.
Sie hatte sich im Institut mit Alecs Geschwistern getroffen, die Alec wohl über Briefe informiert hatte. Sie waren erschüttert gewesen – und zornig auf Catarina, die Alec geholfen hatte.
Sie hatte sich anschreien und beschimpfen lassen, weil sie wusste, dass sie es verdient hatte.
Jace hätte sie vielleicht sogar angegriffen, war aber von der weinenden Clary abgelenkt worden.
Natürlich war die kleine Gruppe entschlossen gewesen, Alec aus Occid zurückzuholen, wo er nach letzten Informationen von Lorenzo zumindest lebend angekommen war, aber noch hatten sie wohl keine Möglichkeit gefunden, auch nur mit ihm in Kontakt zu treten.
Alexander Lightwood-Bane schien für immer für sie verloren.
„Ich glaube, ich sollte wieder anfangen zu arbeiten“, sagte Magnus und nun war Catarina es, die aus ihren Gedanken gerissen wurde.
„Meinst du?“, fragte sie vorsichtig.
„Unbedingt. Ich habe so wenig zu tun im Moment und fühle mich irgendwie…umtriebig. Eine innere Unruhe, wenn du verstehst. Als müsse ich dringend etwas erledigen, das keinerlei Aufschub mehr duldet.“ Er fuhr mit den Fingerspitzen über eine Furche im Tisch und hing erneut einen Moment seinen Gedanken nach. „Vielleicht gehe ich aber auch kurz nach New York und besuche Clary und Isabelle im Institut.“
Catarina musste sich bemühen, ihre Gabel nicht fallen zu lassen.
Magnus erinnerte sich an Alecs Familie, wie er Clary und Jace im Club begegnet war, wie er ihnen immer wieder geholfen hatte.
Nur fehlte Alec in diesen Erinnerungen.
Das war ein hartes Stück Arbeit gewesen, auf das Catarina stolz sein könnte, würde sie sich nicht so dafür verabscheuen. Allerdings wusste sie nicht, ob alle im Institut sich zusammenreißen würden, um die Lüge aufrecht zu erhalten.
„Wieso willst du sie besuchen?“, fragte sie mit trockenem Mund.
„Wieso nicht?“, fragte Magnus und legte den Kopf schief. „Ich habe Sehnsucht, schätze ich. Nachdem ich so unfassbar stark weggetreten war, will ich mich wieder mehr auf die Menschen in meinem Umfeld besinnen. Darum freue ich mich auch, dass du im Moment so häufig mein Gast bist.“
Catarina hatte sich niemals im Leben so schäbig gefühlt, dabei hatte sie wahrlich schon viel getan, worauf sie nicht stolz gewesen war. „Und sonst du fühlst du dich gut?“, hakte sie nach, woraufhin Magnus verhalten lächelte.
„Ja, mir fehlt nichts. Das heißt…“ Er seufzte kurz und rieb sich über die Hand. Den Ringfinger.
Der nackt war.
„Das klingt in deinen medizinisch geschulten Ohren sicher lachhaft, aber um ehrlich zu sein, fühle ich mich doch, als würde mir etwas fehlen. Nicht körperlich, aber…es ist schwer zu beschreiben.“ Seine Finger glitten wieder zu der Furche im Tisch. „Wie wenn du in ein Zimmer gehst, in dem du etwas erledigen wolltest, aber dich nicht mehr erinnern kannst, was es ist. Verstehst du?“
„Nein“, log die Hexe erschüttert und erhob sich. Sie nahm ihren halbvollen Teller und trug ihn zur Spüle. „Aber wenn du denkst, es hilft dir, solltest du gehen.“ Ihre Stimme klang etwas höher als sonst, doch zum Glück bemerkte Magnus es nicht, da sie ihm den Rücken zuwandte.
Ebenso wenig die Tränen, die auf ihre Hände tropften und die sie eilig beiseite wischte.
~*~
Izzy lag in ihrem gemeinsamen Bett auf der Seite, die Hände wie betend unter dem Kissen vergraben, den Kopf darauf gebettet. Die Knie hatte sie leicht angewinkelt, wie ein Fötus im Mutterleib.
Simon kannte diesen Anblick, denn mehrere Stunden am Tag lag Izzy so im Bett, ohne dabei zu schlafen.
In den ersten Tagen, nachdem Alec weg gewesen war, waren sie alle geschockt, aber doch unerschütterlichen Willens gewesen, ihn zurückzuholen. Sie hatten Bücher gewälzt, Hexenmeister kontaktiert, Dämonen verhört, den Rat gesprochen.
Das Ergebnis war niederschmetternd gewesen.
Niemand hatte einen Weg gewusst, mit Alec Kontakt aufzunehmen, geschweige denn, lebend nach Occid zu gelangen.
Simon hätte durch sein Dämonenblut zwar dort überlebt, aber die Elben hatten keinen Zugang zu dieser Dimension, zumindest keinen, den Meliorn ihnen verraten hatte.
Und selbst, wenn sie hinunter könnten, wie Alec finden? Wie ihn von Asmodeus befreien?
Sie hatten keine Allianzrune, kein himmlisches Feuer, keine Chance.
Ein Kampf gegen Windmühlen.
Vor allem, da von Seiten der Schattenjäger keine Unterstützung gekommen war. Noch nie hatte man von einem Nephilim gehört, der in einem Dämonenreich quasi als Geisel gehalten wurde – und der sich auch noch freiwillig in diese Situation gebracht hatte.
Der Rat wollte nicht, dass dies öffentlich wurde und hatte verlauten lassen, Alec wäre verschwunden und niemand, der die wahren Hintergründe kenne, wie zum Beispiel die Hälfte des New Yorker Instituts, dürfe darüber sprechen. Sie verurteilten seine Tat und die Schwäche, die er sich als Inquisitor und damit dem gesamten Rat geleistet hatte.
Manche hatten ihr Beileid bekundet.
Andere hatten geraten, Alec Lightwood-Bane so schnell wie möglich zu vergessen. Magnus würde nur aus Respekt vor Alecs Leistungen überhaupt noch der Aufenthalt in Alicante gewährt.
Hätte Clary sie nicht aufgehalten, hätte Izzy sich auf Rosales gestürzt und ihn für diese Worte wohl mit bloßen Händen erwürgt.
Ihre Hände hatte Clary aufhalten können, ihren Mund nicht.
Ihre Beleidigungen hatten genügt, um sie als Institutsleitung zu beurlauben.
Danach hatte Izzy begonnen, viel Zeit im Bett zu verbringen.
Underhill führte die Institutsgeschäfte im Moment, wobei er dabei sehr taktvoll vorging und Izzy über jeden Schritt informierte.
Er hatte kein Geheimnis um seine Rolle bei dieser Sache gemacht, aber niemand hatte es ihm vorgeworfen, nachdem alle Hintergründe offengelegt worden waren.
Bei Lorenzo sah dies anders aus.
Jace hatte ihm eine Tracht Prügel verpasst, die jedem Mundie wohl einen Schädelbruch eingebracht hätte.
Lorenzo war weder ausgewichen, noch hatte er sich gewehrt. Er hatte sich nur entschuldigt. Seither war er nicht mehr im Institut aufgetaucht.
Und dann war da Jace…
Jace war überzeugt, dass Alec noch lebte – seine Parabatairune bewies es, seiner Meinung nach – und suchte nach wie vor verbissen einen Weg, ihn zu befreien.
Clary unterstützte ihn dabei, wenn sie nicht bei Izzy war und versuchte, ihr Trost zu spenden. Dann übernahm Simon für sie, so wie jetzt.
Sehr erfolgreich war er damit jedoch nicht.
Vorsichtig setzte er sich zu ihren Knien und strich ihr über den Oberarm.
„Wie geht es dir heute?“, fragte er sanft.
„Fantastisch. Sehe ich nicht so aus?“
Er zwang sich zu lächeln. „Du weißt, ich finde, du siehst immer fantastisch aus. Vielleicht…sollten wir heute mal ein wenig raus hier. Einen Spaziergang machen. Es ist zwar kalt, aber die frische Luft tut dir sicher gut.“
Es dauerte, bis Izzy reagierte. Ihr Blick war auf die Wand gerichtete, nicht auf Simon. „Nein, heute nicht.“
„…verstehe.“ Simon wollte Izzy nicht drängen. Sobald sie ihr Zimmer verließ, setzte sie ein Lächeln auf, war die starke, unbeugsame Isabelle Lightwood, äußerlich durch nichts zu erschüttern, doch wenn sich die Tür hinter ihr schloss, brach diese mühsam errichtete Fassade ebenso wie Simons Herz bei diesem Anblick.
Izzy litt unter Alecs Verschwinden und es gab nichts, was Simon sagen oder tun konnte, um dieses Leid irgendwie zu lindern. Deutlich spürte er die brennende Hilflosigkeit, die schlimmer in ihm wütete als jeder Hunger nach Blut es je getan hatte.
Dennoch würde er nicht aufgeben.
„Dann…hole ich dir mal etwas zu essen. Deine letzte Mahlzeit ist schon wieder ewig her“, sagte er und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn.
„Okay.“
Izzy sah Simon nicht hinterher, wie er zur Tür ging und das Zimmer verließ.
Das war nicht nötig. Sie wusste auch so, dass er sich Sorgen machte. Dies war nicht ihre Absicht, doch etwas dagegen zu unternehmen, war ihr die letzten Tage nicht gelungen.
Alles war so schwer.
Viel zu schwer.
Izzy wusste, dass sie sich zusammennehmen sollte, es musste.
Sie konnte sich nicht ewig beurlauben lassen.
Sie hatte Pflichten.
Verlust gehörte zum Leben eines Schattenjägers.
Doch das hier, Alec zu verlieren, auf diese Weise, war anders als jeder Kamerad, den sie je im Kampf verloren hatte. Denn Alec war nicht gestorben und verbrannt worden.
Er war nicht tot, was eine kleine, beständig stechende Hoffnung in ihrem Herzen am Brennen hielt, gleich einer einzelnen Kerze in der Nacht, obwohl es vollkommen unmöglich war, ihn jemals wieder zu sehen.
Als könne die Kerze nicht erlöschen, aber als würde die Nacht darum herum nie vergehen.
Es war der pure Hohn.
Vielleicht war es schlimmer, als wenn sie Alec hätte sterben sehen müssen.
Niemand wusste, was Asmodeus mit Alec tat. Jace spürte nichts Negatives, doch wer wusste, ob die Rune überhaupt noch funktionierte und nicht alles von Occids Dämpfen geschluckt wurde. Eigentlich schien er überhaupt nichts zu spüren.
Vielleicht wurde Alec jeden Tag gefoltert, vielleicht litt er furchtbare Schmerzen, vielleicht war er doch schon tot. Vielleicht bereute er, was er getan hatte und wünschte…
Tränen stiegen Izzy in die Augen, als ihre Gedanken sich um die gleichen, schrecklichen Szenarien drehten wie seit Wochen.
,Nein, er bereut es nicht.‘
Denn Alec bereute nie, wenn er sich erst einmal entschieden hatte. Schon gar nicht in Bezug auf Magnus. Er hatte den Mann gerettet, den er liebte. Sie wusste, wie wichtig Magnus für Alec gewesen war. Schon einmal war er bereit gewesen, alles für ihn zu opfern und dieses Mal hatte er es erneut getan.
Nur endgültiger.
So groß ihr Schmerz war, so groß war ihre Bewunderung für Alec.
Seine Worte waren nie nur Hülsen gewesen. Er hatte geschworen, Magnus wenn nötig mit seinem Leben zu beschützen und das hatte er getan.
Darum hatte sie nach den ersten zwei Wochen, nach dem ersten, verständlichen Impuls, Alec retten zu wollen, aufgehört.
Aufgehört, nach ohnehin unmöglichen Lösungen zu suchen.
Aufgehört zu recherchieren.
Aufgehört zu hoffen.
Alec war fort und sie wollte sein mutiges Opfer entsprechend würdigen.
Sie musste sich nur dazu überreden, die Leere in ihrem Körper endlich zu ignorieren und mit Alltag zu füllen.
Weiterzumachen.
Tief durchatmend erhob sie sich, richtete ihr Haar und trat vor den Spiegel. Simon gab sich solche Mühe, sie aufzurichten, sie sollte es ihm endlich gestatten.
Zum Glück war Max bei Maryse und Luke. Sie alle konnten nicht fassen, was geschehen war, doch im Moment konnte Izzy sich nur mit ihrer und Jace‘ Trauer befassen. Zu mehr war sie noch nicht imstande.
,Wobei Jace eher wütend ist‘, dachte sie, als sie Lippenstift auftrug und nach erneutem tiefem Durchatmen ihr Zimmer verließ.
Er war wütend auf jeden, was nicht nur die Dämonen zu spüren bekamen, die er auf Patrouille niedermetzelte, sondern jeder im Umkreis, der ihn ungünstig anblickte. Sie, beziehungsweise Underhill, hatten ihm Urlaub geben wollen, doch natürlich hatte Jace abgelehnt.
Alle Männer dieser Familie waren unvernünftig…
Izzy hatte die Haupthalle kaum betreten, da merkte sie, wie vor allem mitleidige Blicke sie trafen. Schließlich galt Alec als vermisst und die meisten Gerüchte, die sich die Unwissenden dazu gebildet hatten, glaubten, dass er als Held wegen seines Amtes umgekommen war.
Immerhin würde man ihn so in positiver Erinnerung behalten.
Sie tat, als bemerke sie nichts, und lief zu ihrem Büro, um mit Andrew zu sprechen.
Allerdings saß er an einem der Schreibtische im Hauptschiff, was Izzy verwirrt die Richtung wechseln ließ.
„Andrew, was tun Sie hier?“, fragte sie.
„Miss Lightwood.“ Er erhob sich eilig. Sein Fuß schien wieder vollkommen verheilt. „Ich wollte am Abend zu Ihnen wegen der aktuellen Berichte. In New York ist es recht ruhig, der Streit mit dem wilden Werwolf wurde…“
„Das…schon gut“, sagte sie und hob die Hand. Für derart Informationen war sie noch nicht gänzlich aufnahmebereit. „Ich vertraue Ihnen, was das angeht. Das beantwortet aber nicht meine Frage. Ich wollte gerade zu Ihnen ins Büro kommen.“
„Das ist Ihr Büro, nicht meines“, sagte Andrew ernst, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Ich leite das Institut nur vorübergehend, bis es Ihnen besser geht. Das kann ich von hier tun.“
Unwillkürlich musste Izzy lächeln. „Danke. Doch ich hätte es Ihnen nicht krumm genommen, wenn Sie auf meinem Stuhl gesessen hätten. Ich meine, irgendwer muss das sowieso mal tun, wenn ich in Rente gehe.“ Wobei Shadowhunter eigentlich nie in Rente gingen.
In den letzten Tagen hatte Izzy allerdings – zum ersten Mal überhaupt – den Wunsch gehabt, ihre Pflichten für immer zu vergessen und all dem hier den Rücken zu kehren.
„Ihr Stuhl wird da sein und auf Sie warten“, sagte Andrew mit entschlossenem Gesicht. „Wie wir alle hier.“ Ganz plötzlich sah er auf den Schreibtisch, als könne er den Blick nicht mehr aufrecht halten. „Was Alec getan hat…für Magnus und wie das alles passieren konnte…ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mich in aller Form bei Ihnen zu entschuldigen…“
„Doch, Sie haben sich entschuldigt“, widersprach Izzy und schüttelte abwehrend den Kopf. „Kurz danach, als Sie alles erzählt haben. Und es war genauso unnötig wie jetzt. Sie wurden benutzt, ebenso wie Lorenzo.“ Ihre Miene wurde finster. Nur einer trug die Schuld an all dem.
„Ich werde dabei sein, wenn man Eichner dafür hinrichtet.“ Was bald geschehen würde.
„Izzy!“
Izzy wandte sich von Andrew ab, der ihr zugelächelt hatte, und drehte sich zu Jace, der aufgeregt auf sie zueilte. Sein Haar war unordentlich und er sah aus, als hätte er einige Nächte nicht geschlafen.
„Izzy, ich glaube, ich weiß jetzt einen Weg, wie wir in Occid überleben: Das Institut in Südafrika meint, dort gäbe es einen Hexenmeister, der angeblich Tränke verkauft, mit denen man ohne Schaden eine Stunde trotz dämonischer Strahlung und der Dämpfe überlebt. Sie meinten zwar, man müsse aufpassen, weil er Leute gerne übers Ohr haut, aber wenn du mir ein Portal organisierst…“
„Jace, Jace…warte“, unterbrach Izzy ihn und wäre das biologisch nicht unmöglich, würde sie schwören spüren zu können, dass jedes seiner Worte ihr Herz brach. „Selbst, wenn das kein Betrug ist, eine Stunde reicht nicht, um das ganze Reich zu durchsuchen.“
„Einige Zeit hält man es auch so aus, das sind mindestens 90 Minuten. Und wenn wir länger brauchen, gehen wir mehrmals und teilen uns auf.“
„Und wie kommen wir hin?“
„Na, durch ein Pentagramm, wie damals nach Edom.“
„Lorenzo wird uns sicher nicht helfen“, gab Izzy zu bedenken, woraufhin Jace zu Andrew blickte und laut schnaubte.
„Eher frage ich die Elben als diese Schlange. Er kam viel zu gut weg, sie hätten Alecs Begnadigung nicht ohne Konsequenzen anerkennen sollen.“
„Lorenzo hat Alec bei all dem geholfen, weil dieser es wollte“, sagte Andrew unwillig, woraufhin Jace einen Schritt auf ihn zuging. „Und er war bereit, die Strafe dafür auf sich zu nehmen und zu büßen.“
„Wie schön“, schnarrte Jace sarkastisch. „Gegen Buße hätte ich nichts, er kann sich gerne bei mir melden, ich erledige das mit Freuden.“ Er ließ Andrew keine Möglichkeit zu antworten, sondern drehte sich wieder zu Izzy. „Also, kriege ich das Portal?“
Izzy fragte sich, ob es besser wäre, Jace zu stoppen, ehe er sich weiter in ein aussichtloses Vorhaben verrannte, oder ob es heilsamer für ihn war, wenn er weiter suchte, bis er selbst feststellte, dass es sinnlos war.
Es war nicht wie damals bei Clary, die wie durch ein Wunder doch nicht gestorben, sondern in eine Eiswüste teleportiert worden war.
Alec lebte vermutlich, doch er wollte nicht gerettet werden.
Das hatte er in seinen Briefen sehr deutlich geschrieben. Er wollte nicht, dass sie Magnus‘ gefährdeten, indem sie auch nur versuchten, ihn zurückzuholen und so eventuell gegen seinen Deal mit Asmodeus verstießen. Das musste sie Jace begreiflich machen.
,Ja, das muss ich tun.‘
Wieso war ihr das nicht sofort klar gewesen? Vielleicht, weil ihr Verstand sich im Moment anfühlte wie eine Bauruine.
„Hier seid ihr.“ Mit weiten Schritten eilte Clary auf sie zu und warf einen besorgten Blick zu Jace, zu Izzy und zurück zu Jace. Andrew war inzwischen auf Abstand gegangen.
„Jace, ich war nur kurz im Bad und plötzlich warst du weg.“
„Ja, ich habe da einen Anhaltspunkt und brauche ein Portal. Also, was ist damit?“, fragte er ungeduldig. Er hatte Clary kaum angesehen, so fixiert war er auf Izzy, auf diese Hoffnung, die sich letztlich wohl wieder in Luft auflösen würde, wie alle Spuren der letzten Wochen.
Dieses Verhalten allein war offenkundig besorgniserregend, hatte Jace doch nie länger Augen für jemand anderen gehabt, seit er Clary kannte.
Izzy öffnete den Mund, als erneut jemand anders antwortete.
„Sagte da jemand Portal?“
Alle drei drehten sich um und sahen zu Magnus, der lächelnd und beschwingt zu ihnen lief. Blaue Strähnen zierten sein gestyltes Haar, passend dazu trug er einen Gürtel mit blau-glitzernder Schnalle und ein Jackett mit blauen Pailletten. Der Rest der Kleidung war schwarz.
Natürlich war Clary froh, dass ihr Freund nicht ebenso traurig, wütend und verzweifelt war wie Jace, das wünschte sie Magnus keinesfalls.
Gleichzeitig war sein Anblick, so unbeschwert, absolut widersinnig und fühlte sich zutiefst falsch an.
„Wohin soll es gehen, in den Süden? Ihr wollt wohl dem nahenden Winter New Yorks entkommen“, vermutete Magnus, als er sie erreicht hatte, und blickte lächelnd in die Runde.
Niemand antwortete ihm, was den Hexenmeister bewog, fragend die Hände ineinander zu legen und die linke Augenbraue hochzuziehen.
„Habe ich etwas im Gesicht, von makellosem Make-up einmal abgesehen, oder wieso starrt ihr mich so an?“
„Magnus“, sagte Clary endlich und trat vor, um ihn fest zu umarmen. Seit dem Angriff des Necess hatte sie ihn nicht gesprochen, weil sie so mit Jace beschäftigt gewesen war. „Es ist schön, dich zu sehen. Wir…wir haben nur nicht damit gerechnet…“
„Nun, ich bin erholt und auch, wenn die gute Catarina mich wohl am liebsten für immer Zuhause lassen würde, war mir nach etwas frischem Wind und netten Gesichtern. Allerdings seht ihr alle ganz und gar nicht gut aus“, bemerkte Magnus, wenn er Izzys halbherzigen Lippenstift, Clarys gerötete Augen und Jace‘ blasses Gesicht so betrachtete. „Was ist mit euch?“
„Weißt du…“ Izzy räusperte sich, doch Jace unterbrach sie mit angespannten Schultern und fassungsloser Miene.
„Wie kannst du das fragen? Wie kannst du es dir erdreisten, hier aufzutauchen?!“
„Jace!“
„Ich…bitte um Verzeihung“, sagte Magnus verwirrt. Mit Jace hatte er sich noch nie gut verstanden, aber er war nun einmal Clarys Freund und Isabelles Bruder, darum hatte er gelernt, sich mit ihm zu arrangieren. „Ich wüsste nicht, was ich getan habe.“
„Klar, du weißt es nicht, das macht mich ja so wütend! Vier Jahre! Vier Jahre und du vergisst einfach alles, was A…“
„Jace, hör auf!“, herrschte Izzy ihn an und packte seinen Arm. „Komm mit, sofort!“ Sie zerrte Jace mit, während Magnus immer verwirrter dreinblickte.
„Biskuit, ich weiß, du liebst ihn, aber noch bist du jung genug, deine Wahl zu überdenken“, sagte Magnus ungehalten, während Clary sich über die Stirn rieb.
„Du musst ihn entschuldigen, uns alle. Wir…bei dem Angriff auf dich wurde…wurde jemand getötet, den wir gut kannten. Wir vermissen ihn und das…ist schwer.“
„Oh, ich verstehe“, sagte Magnus mitfühlend und Clarys Magen drehte sich dabei um.
Sie fand all das falsch und am liebsten würde sie Magnus die Wahrheit sagen – genauso, wie ihre Mutter sie belogen hatte, um sie zu schützen, taten sie dies bei Magnus, doch so etwas war falsch, was auch immer die Gründe dafür waren.
Allerdings hatte Catarina sie darum gebeten und noch dazu hätte es gar keinen Sinn: Magnus‘ Erinnerungen waren fort, selbst, wenn sie ihm alles erzählen würde, würde er sich nicht an Alec erinnern.
An einen Alec, der nicht mehr da war und vermutlich nie mehr wieder kommen würde.
„Kann ich etwas tun?“, fragte Magnus weiter. „Dieses Portal, von dem Jace sprach? Ich bin gerne behilflich, in Alicante habe ich zurzeit wenig zu tun. Lydia hat mich während der Genesung wohl offiziell krankschreiben lassen oder so ähnlich.“ Magnus blickte sich in der Halle um, wobei er jeden Shadowhunter einer Musterung unterzog.
Als ihm dies bewusst wurde, konnte er sich allerdings nicht erklären, was er überhaupt suchte.
„Magnus“, sagte Clary und sah ihn an.
In ihrem Gesicht war etwas, das er nicht deuten konnte. „Ja, Clary?“
„…ich…bin…wirklich froh, dass es dir gut geht.“
Der Hexenmeister lächelte, obwohl sein Herz sich kurz zusammenzog und er das Bedürfnis hatte zu antworten, dass es ihm nicht gut ginge.
Allerdings wäre dies absurd, denn ihm fehlte nichts.
„Danke. Das bin ich auch.“
~*~
„Izzy, was soll das?!“ Unwirsch riss Jace sich von seiner Schwester los, ignorierte dabei die Blicke einiger Shadowhunter, an denen sie vorbei gelaufen waren.
„Hör auf, Magnus anzuschreien oder zu beschuldigen, er hat mit all dem nichts zu tun!“
„Ach?! Ist mir da was entgangen oder ist Alec nicht nur deswegen zur Hölle gefahren, um ihn vor seinem Daddy zu beschützen?!“, spie Jace zornig aus.
„Jace!“ Zum Glück hatte Izzy Jace in einen Flur geschleift, so war gewährleistet, dass Magnus sie nicht hören konnte. „Clary hat ihre Erinnerungen verloren, weil sie die Welt beschützen wollte, war es deswegen die Schuld der Welt?! Oder Clarys?! Sie hat dich ebenso vergessen wie uns alle, weil starke Kräfte dafür verantwortlich waren und ebenso ist es bei Magnus! Catarina hat ihm jede Erinnerung an Alec genommen und er kann nichts dafür, dass er nichts mehr davon weiß!“
Während Izzys Worten hatte Jace immer finsterer geschaut und jetzt machte sein Gesicht jedem Dämon Konkurrenz.
„Schön, ist es eben nicht seine Schuld“, blaffte er aufgebracht. „Aber wenn wir ihm davon erzählen würden, könnte er sich nützlich machen und uns helfen! Ich weiß, dass er das wollen würde, er würde alles tun! Alec…“
„Natürlich würde er, darum hat Alec ja so gehandelt! Mag sein, dass es Magnus gegenüber ungerecht ist, aber es rettet ihm das Leben“, fuhr Izzy Jace erneut dazwischen, obwohl jedes Wort sie zunehmend mehr Überwindung kostete.
Aus ihr sprach der Verstand, nicht ihr Herz.
„Magnus wäre schon lange in Occid, wenn er sich erinnern würde, und dort…“
„Hätte er Alec vielleicht befreien können!“
„Wie?! Glaubst du, Asmodeus lässt Alec einfach wieder rausspazieren?!“
„Dann wären wir eben mit Magnus runter und hätten Asmodeus den Arsch aufgerissen, wie bei Lilith! Wieso blockierst du eigentlich alles, was ich sage?!“, rief Jace jetzt aufgebracht, weil Izzy erneut den Mund geöffnet hatte, um ihm zu widersprechen. „Willst du dich einfach damit abfinden und Alec aufgeben?! Izzy, er ist da unten und wartet…“
„Nein, NEIN!“, brach es aus Izzy hervor, wobei sie heftig mit den Armen wedelte. „Das tut er nicht, Jace! Er wartet nicht auf uns, er hofft nicht und er will nicht gerettet werden! Das hat er uns geschrieben, dir, mir, Clary, Simon, unseren Eltern…ich habe jeden Brief gelesen! Er will, dass wir in Sicherheit sind und Magnus friedlich weiter lebt, das war sein letzter Wunsch an uns, nicht, ihn zu retten!“
Jace zuckte zusammen, als hätte Izzy ihre Peitsche benutzt, um ihm diese Worte an den Kopf zu knallen. „Aber…“
„Er hat es aus Liebe getan!“, fuhr Izzy fort und ignorierte die Tränen, die ihr dabei über die Wangen liefen.
Verflucht nochmal, dieses ständige Heulen ging ihr dermaßen auf den Keks!
„Genauso, wie du es für Clary getan hättest und ich für Simon. Es war seine Entscheidung und wir müssen aufhören so zu tun, als würden wir sie nicht verstehen – und beim Engel, ich werde dafür sorgen, dass sein letzter Wille erfüllt wird. Das hat er verdient, nach allem, was passiert ist und was er gegeben hat. Du wirst ihm das nicht kaputt machen, verstanden?!“
„Izzy, ich will doch nur…“
„Du willst egoistisch sein, aber dieses Mal nicht!“ Izzys Stimme zitterte vor Wut und Traurigkeit, doch sie redete weiter. Sie musste, solange sie noch glaubte zu wissen, was richtig war. „Ich werde dir kein Portal erlauben und auch sonst nicht helfen, wir…wir müssen weiter machen, okay?“
Ja, jedes ihrer Worte war richtig, trotzdem fühlte es sich so grauenhaft, so schmerzhaft falsch an, dass sie sich am liebsten übergeben hätte. Zum Glück hatte sie heute noch nicht gegessen.
Jace‘ Augen glänzten selbst verdächtig und als Izzy auf ihn zu trat und die Hände gegen seine verschränkten Arme legte, wich er zurück und verzog verzweifelt das Gesicht.
„Jace, versprich mir, dass du Alec das nicht kaputt machst. Bitte.“
„Izzy…ich…das kann ich nicht“, antwortete Jace mit brüchiger Stimme und presste die Lippen zusammen. „Ich will Magnus nicht gefährden, aber es geht um Alec. Er ist mein Bruder, mein Parabatai. Ich…kann ihn nicht einfach da unten lassen, was auch immer er gewollt hätte. Wenn du mir nicht helfen willst, mache ich es alleine.“
„Jace, er hat uns darum gebeten! Wir…“
„Es tut mir leid.“
„Jace!“
Doch der Blonde löste sich aus ihrem Griff und stapfte einfach davon.
Resigniert blickte Izzy ihm hinterher, als sie eine Hand auf der Schulter spürte.
Erschrocken zuckte Izzy zusammen und fuhr herum. „Clary…“ Eilig fuhr sie sich über das Gesicht.
„Alles okay?“, fragte die Rothaarige sanft, woraufhin Izzy nickte.
„Sicher…Jace ist stur, wie immer, aber…ich hoffe, er wird vernünftig.“ Sie schluckte weitere Tränen hinunter.
„Was bedeutet…?“
„Dass er aufhören muss. Wir müssen aufhören damit und weitermachen.“
Clary biss sich auf die Unterlippe, wie meist, wenn sie etwas sagen wollte, sich aber aus Taktgründen zurückhielt. Statt also empört zu schimpfen, versuchte sie es anders.
„Und du bist sicher, dass das richtig ist? Alec einfach aufzugeben?“
„Wir geben ihn nicht auf, wir respektieren seinen letzten Willen“, erwiderte Izzy und rieb sich über die geröteten Augen.
Wieso fühlte sie sich, als stehe sie unter Anklage?
Vermutlich, weil sie etwas verteidigte, das sie selbst unglücklich machte.
„Wo ist Magnus?“ Sie war nicht gewillt, die gleiche Diskussion noch einmal mit Clary zu führen, dazu fehlte ihr die Kraft.
„Ich habe ihm erklärt, dass es gerade ungünstig ist. Er will ein anderes Mal wiederkommen. Er sagt…wir können ihn ja mal alle zum Essen besuchen…“
„Gut.“ Izzy setzte ein Lächeln auf und atmete tief durch.
Atmen und lächeln.
Wie konnte etwas so Alltägliches plötzlich so furchtbar schwierig sein?
„Das ist gut.“
,Was ein Unsinn.‘ Nichts war gut und keinem von ihnen ging es gut.
„Wir sollten überlegen, ob wir unsere verschobene Zeremonie neu terminieren möchten“, fuhr Izzy nun fort. „Ich…brauche einen anderen Zeugen, jetzt, da Alec…aber vielleicht erlaubt man mir ja, dass Simon das macht, als Deputy und so…“
„Du meinst, wir sollen daran festhalten?“, fragte Clary zurückhaltend. Natürlich wollte sie nach wie vor Izzys Parabatai werden, aber unter diesen Umständen…
Die Schwarzhaarige lächelte jedoch und strich Clary sanft eine Locke hinter das Ohr. „Und ob wir das sollten. Er hätte es so gewollt. Gerade jetzt sollten wir an allem festhalten, das uns Hoffnung bringt. An allem, was gut ist und uns Kraft gibt…ohne dich und Simon, ich weiß nicht, wie ich die letzten Wochen überhaupt überstanden hätte…“
„Ich werde immer für dich da sein“, versprach Clary und ergriff Izzys Hand, um sie sachte zu drücken, wanderte damit weiter bis zu Izzys Unterarm und hielt ihn fest, so dass auch Izzys Hand an Clarys Unterarm zum Erliegen kam. „Immer.“
Lächelnd erwiderte Izzy den Druck.
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