Scrambled Papers (Duskwood)
von Holly24
Kurzbeschreibung
Als ihr Bruder Michael bei einem mysteriösen Autounfall stirbt, begibt sich Sevil auf die Suche nach der Wahrheit. In Duskwood gerät sie in die verworrenen Geschehnisse einer Gruppe von Freunden hinein, denen Michael zuvor nach aller Kraft zu Helfen versucht hatte und lernt auch den ominösen Hacker kennen, der sich einfach nicht aus ihrem Leben heraus halten will. Tapfer trotzt sie dem Terror, der damit in ihr Leben Einzug hält und ist wild entschlossen Antworten zu finden. Ohne zu ahnen, dass das morbide Katz und Maus Spiel gerade erst begonnen hat
GeschichteThriller / P16 / Gen
21.05.2021
25.11.2021
38
52.654
6
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Dieses Kapitel
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21.05.2021
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Kapitel 1- Zurück aus der Dunkelheit
Stille. Reglos stand sie in dem leeren, herunter gekommenen Haus. Sah nichts, roch nichts, spürte nichts.
Wie automatisiert war sie hier her gekommen. Hatte den alten SUV durch die Straßen gelenkt, ihn in der ungepflegten Einfahrt abgestellt, war mit dem Schlüssel in dieses Haus gelangt.
Hier, wo sie niemals wieder hatte sein wollen. Hier, wo das Drama seinen Anfang genommen hatte. Wie konnte er nur?
Einen Moment verschwamm ihr die Sicht vor Augen, doch sie blinzelte den Schleier fort.
Schon die ganze Zeit hatte sie sich nicht gestattet zu weinen. Weil es schwach war. Weil es bedeutete alles heraus zu lassen und das konnte sie nicht riskieren. So war sie einfach nur still gewesen. Hatte sich in ihrem Bett zusammen gerollt und die ganze Welt verteufelt. Ohne essen, ohne schlafen, einfach sein. Und nicht einmal das komplett. Denn vor drei Wochen war ihrein Stück ihres Seins einfach genommen worden.
Bebend atmete Sevil Pierce ein und fuhr sich mit zittriger Hand durch das kupferbraune Haar während sie den Blick zum ersten Mal richtig durch den Raum gleiten ließ, der einst ein Wohnzimmer gewesen war. Warum war er hier her zurückgekommen? Hatte er wirklich die ganze Zeit hier verbracht?
Dem ersten Eindruck nach zu schließen war schon lange niemand hier gewesen. Der Putz war von den Wänden gebröckelt, deren Tapeten schon längst kein Muster mehr hatten. Der Teppich war unter einer dicken Staubsticht vergraben, keine Möbel, nur Dreck. Und doch spürte sie dass er hier gewesen war. Also ignorierte sie den beißenden Gestank von irgendetwas, das irgendwo im Haus sein Ende gefunden haben musste und trat durch die Tür in den nächsten Raum. Nichts.
Kurz musterte sie nachdenklich die Küchentür, wandte sich dann aber schaudernd wieder ab und wandte sich stattdessen der Treppe zu. An einigen Stellen war das Geländer gebrochen, die Stufen waren abgewetzt, nur hie und da hingen Fetzen des Teppichs noch lose an dem alten Holz. Misstrauisch musterte sie den Weg hinauf, suchte nach verräterischen Anzeichen dafür, dass das ganze Gebilde unter ihr zusammen brechen würde, wenn sie den Aufstieg wagte. Doch sie konnte nichts entdecken und so holte sie noch einmal tief Luft und stieg hinauf.
Das Knarren und Knacken erschien ihr ohrenbetäubend in der sonst vorherrschenden Stille und brachte ihr Herz zum Rasen. ‚Ganz ruhig. Hier ist sonst niemand, du kannst also niemanden auf dich aufmerksam machen.‘, versuchte sie, vergeblich, sich selbst zu beruhigen.
Im oberen Stockwerk gab es nur noch zwei weitere Zimmer. Schlafzimmer und Lesezimmer von Marianne. Kurz wollte etwas dunkles, schmerzhaftes sich in ihre Gedanken drängen, doch sie wehrte es eisern ab. Nicht jetzt.
Die beiden Räume zu überprüfen dauerte nicht lang. Nichts.
Enttäuscht ließ sie sich gegen die Wand sinken und rang erneut mit den aufsteigenden Tränen. Da fiel ihr Blick auf die Leiter.
Sie war neu. Wo alles andere hier alt, herunter gekommen und einsturzgefährdet wirkte, strahlte die schlichte Sprossenleiter regelrecht und ihr Herz klopfte gleich ein paar Takte kräftiger. Warum sollte er dort hin?
Nie wieder hatten sie diesen Raum betreten wollen! Nicht diesen und auch nicht den anderen, tief und verborgen im Keller.
Doch da stand sie nun und starrte das einzige Indiz für die tatsächliche Anwesenheit ihres Bruders an. Unfähig sich zu rühren, kaum in der Lage zu atmen.
Das hier hatte ein Schlussstrich werden sollen. Sie hatte herkommen und den Idioten von der Energiefirma beweisen wollen, dass sie sich ihre Mahnung sonst wohin schieben konnten, weil es undenkbar war, dass ihr Bruder ausgerechnet dieses Haus gekauft und auch noch BEWOHNT haben sollte. Und nun?
Sevil schluckte den dicken Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, mühsam hinunter und straffte sich. Vielleicht hatte er nur nach alten Dingen gesucht. Irgendeine Erinnerung, die sie selbst verdrängt hatte. Irgendetwas aus dieser grauenhaften Zeit, das ihr irgendwann vielleicht doch noch wichtig sein könnte. Entschlossen packte sie eine Sprosse der Leiter, zwang ihre zitternden Beine dazu sich zu bewegen, ignorierte die protestierenden Muskeln und stieg hinauf.
Die Luke glitt zur Seite und es war, als würde sie eine völlig neue Welt betreten. Als wäre sie über diese Leiter in ein Paralleluniversum gestiegen, in dem eine liebende Familie ein Zimmer hergerichtet hatte in dem das höchst traumatisierte Kind eine Zuflucht finden konnte. Und ein Zuhause.
Ganz schwach hing noch der Geruch frischer Farbe in der Luft. Vor dem schlichten Fenster hin eine kleine Gardine, die ihr verstörend vertraut vorkam. Mitten im Raum stand ein großer Schreibtisch, wie auch immer er den hier hinauf bekommen hatte, darauf ein Laptop fast vergraben von unzähligen Notizen. Auf den Anblick seiner vertrauten Handschrift war sie nicht vorbereitet und einen Moment war es, als würde jemand die Luft aus ihr heraus pressen. Sie taumelte und konnte gerade noch verhindern, durch die offene Luke zu stürzen. Er war hier gewesen. Er war wirklich und wahrhaftig hier gewesen.
In der Ecke, dort wo einst die Matratze gelegen hatte, stand ein Feldbett. Unordentlich und zerwühlt, so als wäre er gerade erst daraus heraus gestiegen um sich hastig fertig zu machen weil er mal wieder verschlafen hatte. Daneben sein großer Rucksack, ein Überbleibsel aus seiner kurzen Zeit beim Militär. Ein schwarzer Hoodie hing über dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Nun wollten sie ihre Beine nicht mehr tragen und sie sackte neben der Luke in sich zusammen, den Blick auf all die Dinge gerichtet, die ihn so deutlich wieder ins Leben holten, als würde er neben ihr stehen.
Das vernehmliche Piepen ihres Handys ließ sie zusammen fahren. Sie hatte das Gerät erst an diesem Tag wieder eingeschaltet, es aber dennoch weiter ignoriert. Nun zog sie es mit bebenden Händen hervor, ignorierte die vielen Nachrichten, die eingegangen waren während sie es ausgeschaltet hatte und rief die neueste Nachricht auf. Unbekannter Absender. Ein kurzer, aber heftiger Verlauf und ein neuer Satz.
‚Du bist nicht allein‘
Sie schnaubte verächtlich. Dann flogen ihre Finger über die Tastatur bevor sie ohne zu zögern abschickte.
‚Fick dich!‘
Stille. Reglos stand sie in dem leeren, herunter gekommenen Haus. Sah nichts, roch nichts, spürte nichts.
Wie automatisiert war sie hier her gekommen. Hatte den alten SUV durch die Straßen gelenkt, ihn in der ungepflegten Einfahrt abgestellt, war mit dem Schlüssel in dieses Haus gelangt.
Hier, wo sie niemals wieder hatte sein wollen. Hier, wo das Drama seinen Anfang genommen hatte. Wie konnte er nur?
Einen Moment verschwamm ihr die Sicht vor Augen, doch sie blinzelte den Schleier fort.
Schon die ganze Zeit hatte sie sich nicht gestattet zu weinen. Weil es schwach war. Weil es bedeutete alles heraus zu lassen und das konnte sie nicht riskieren. So war sie einfach nur still gewesen. Hatte sich in ihrem Bett zusammen gerollt und die ganze Welt verteufelt. Ohne essen, ohne schlafen, einfach sein. Und nicht einmal das komplett. Denn vor drei Wochen war ihrein Stück ihres Seins einfach genommen worden.
Bebend atmete Sevil Pierce ein und fuhr sich mit zittriger Hand durch das kupferbraune Haar während sie den Blick zum ersten Mal richtig durch den Raum gleiten ließ, der einst ein Wohnzimmer gewesen war. Warum war er hier her zurückgekommen? Hatte er wirklich die ganze Zeit hier verbracht?
Dem ersten Eindruck nach zu schließen war schon lange niemand hier gewesen. Der Putz war von den Wänden gebröckelt, deren Tapeten schon längst kein Muster mehr hatten. Der Teppich war unter einer dicken Staubsticht vergraben, keine Möbel, nur Dreck. Und doch spürte sie dass er hier gewesen war. Also ignorierte sie den beißenden Gestank von irgendetwas, das irgendwo im Haus sein Ende gefunden haben musste und trat durch die Tür in den nächsten Raum. Nichts.
Kurz musterte sie nachdenklich die Küchentür, wandte sich dann aber schaudernd wieder ab und wandte sich stattdessen der Treppe zu. An einigen Stellen war das Geländer gebrochen, die Stufen waren abgewetzt, nur hie und da hingen Fetzen des Teppichs noch lose an dem alten Holz. Misstrauisch musterte sie den Weg hinauf, suchte nach verräterischen Anzeichen dafür, dass das ganze Gebilde unter ihr zusammen brechen würde, wenn sie den Aufstieg wagte. Doch sie konnte nichts entdecken und so holte sie noch einmal tief Luft und stieg hinauf.
Das Knarren und Knacken erschien ihr ohrenbetäubend in der sonst vorherrschenden Stille und brachte ihr Herz zum Rasen. ‚Ganz ruhig. Hier ist sonst niemand, du kannst also niemanden auf dich aufmerksam machen.‘, versuchte sie, vergeblich, sich selbst zu beruhigen.
Im oberen Stockwerk gab es nur noch zwei weitere Zimmer. Schlafzimmer und Lesezimmer von Marianne. Kurz wollte etwas dunkles, schmerzhaftes sich in ihre Gedanken drängen, doch sie wehrte es eisern ab. Nicht jetzt.
Die beiden Räume zu überprüfen dauerte nicht lang. Nichts.
Enttäuscht ließ sie sich gegen die Wand sinken und rang erneut mit den aufsteigenden Tränen. Da fiel ihr Blick auf die Leiter.
Sie war neu. Wo alles andere hier alt, herunter gekommen und einsturzgefährdet wirkte, strahlte die schlichte Sprossenleiter regelrecht und ihr Herz klopfte gleich ein paar Takte kräftiger. Warum sollte er dort hin?
Nie wieder hatten sie diesen Raum betreten wollen! Nicht diesen und auch nicht den anderen, tief und verborgen im Keller.
Doch da stand sie nun und starrte das einzige Indiz für die tatsächliche Anwesenheit ihres Bruders an. Unfähig sich zu rühren, kaum in der Lage zu atmen.
Das hier hatte ein Schlussstrich werden sollen. Sie hatte herkommen und den Idioten von der Energiefirma beweisen wollen, dass sie sich ihre Mahnung sonst wohin schieben konnten, weil es undenkbar war, dass ihr Bruder ausgerechnet dieses Haus gekauft und auch noch BEWOHNT haben sollte. Und nun?
Sevil schluckte den dicken Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, mühsam hinunter und straffte sich. Vielleicht hatte er nur nach alten Dingen gesucht. Irgendeine Erinnerung, die sie selbst verdrängt hatte. Irgendetwas aus dieser grauenhaften Zeit, das ihr irgendwann vielleicht doch noch wichtig sein könnte. Entschlossen packte sie eine Sprosse der Leiter, zwang ihre zitternden Beine dazu sich zu bewegen, ignorierte die protestierenden Muskeln und stieg hinauf.
Die Luke glitt zur Seite und es war, als würde sie eine völlig neue Welt betreten. Als wäre sie über diese Leiter in ein Paralleluniversum gestiegen, in dem eine liebende Familie ein Zimmer hergerichtet hatte in dem das höchst traumatisierte Kind eine Zuflucht finden konnte. Und ein Zuhause.
Ganz schwach hing noch der Geruch frischer Farbe in der Luft. Vor dem schlichten Fenster hin eine kleine Gardine, die ihr verstörend vertraut vorkam. Mitten im Raum stand ein großer Schreibtisch, wie auch immer er den hier hinauf bekommen hatte, darauf ein Laptop fast vergraben von unzähligen Notizen. Auf den Anblick seiner vertrauten Handschrift war sie nicht vorbereitet und einen Moment war es, als würde jemand die Luft aus ihr heraus pressen. Sie taumelte und konnte gerade noch verhindern, durch die offene Luke zu stürzen. Er war hier gewesen. Er war wirklich und wahrhaftig hier gewesen.
In der Ecke, dort wo einst die Matratze gelegen hatte, stand ein Feldbett. Unordentlich und zerwühlt, so als wäre er gerade erst daraus heraus gestiegen um sich hastig fertig zu machen weil er mal wieder verschlafen hatte. Daneben sein großer Rucksack, ein Überbleibsel aus seiner kurzen Zeit beim Militär. Ein schwarzer Hoodie hing über dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Nun wollten sie ihre Beine nicht mehr tragen und sie sackte neben der Luke in sich zusammen, den Blick auf all die Dinge gerichtet, die ihn so deutlich wieder ins Leben holten, als würde er neben ihr stehen.
Das vernehmliche Piepen ihres Handys ließ sie zusammen fahren. Sie hatte das Gerät erst an diesem Tag wieder eingeschaltet, es aber dennoch weiter ignoriert. Nun zog sie es mit bebenden Händen hervor, ignorierte die vielen Nachrichten, die eingegangen waren während sie es ausgeschaltet hatte und rief die neueste Nachricht auf. Unbekannter Absender. Ein kurzer, aber heftiger Verlauf und ein neuer Satz.
‚Du bist nicht allein‘
Sie schnaubte verächtlich. Dann flogen ihre Finger über die Tastatur bevor sie ohne zu zögern abschickte.
‚Fick dich!‘