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Crimson Silk And Vanity

von Ari Fey
Kurzbeschreibung
GeschichteRomance / P18 / MaleSlash
Ann Takamaki Goro Akechi Protagonist Ryuji Sakamoto
14.04.2021
27.06.2021
5
23.080
3
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Dieses Kapitel
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27.06.2021 4.672
 
Akira schlug die Augen auf, geweckt von den hellen Sonnenstrahlen, die durch die Fenster des Dachbodens strahlten. Für einen Frühlingsmorgen war es warm, beinahe zu warm, aber vielleicht lag das auch an der Federdecke, die Akira bis zum Kinn bedeckte. Müde schob er sich selbst aus den warmen Laken und streckte sich, bevor er sich sein Smartphone schnappte und auf neue Nachrichten überprüfte.

[Chat-Thread started, Sonntag, 21.04.20XX, 09:38 Uhr]

Crow: Guten Morgen, steht unsere Verabredung heute noch?
Crow: Wir hatten keine Zeit vereinbart, aber ich kann ab dem Mittag.
Crow: Lass mich wissen, wie du dich entscheidest.

Akira blinzelte gegen das Licht und rieb sich den Schlaf aus den Augen, bevor er antwortete.

[11:02]
Akira: Guten Morgen!
Akira: Komm einfach, sobald du kannst
Akira: Ich bin den ganzen Tag hier :) Das Café hat geschlossen, also schreib mir, sobald du da bist.  

[Chat-Thread closed]

*


“Kaffee, bevor wir starten?” fragte Akira so locker wie möglich, als er Akechi die Tür öffnete. Akechi schüttelte den Kopf, als in das ruhige Innere des Leblanc trat. “Nach deinen Aufwärm-Skizzen, vielleicht?” entgegnete Akechi statt einer Begrüßung und lächelte sanft. So sanft, dass Akiras Herz zu flattern begann. In Gedanken ermahnte er sich selbst und wendete den Blick ab, bevor er nickte und Akechi auf den Dachboden führte.

“Ich habe eine Überraschung für dich,” sagte Akira mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Er drehte sich zu Akechi um, als dieser gerade skeptisch eine Augenbraue anhob. “Eine Überraschung?” wiederholte er misstrauisch. “Akira — Du hast doch nicht —” begann er, brach ab und schüttelte den Kopf. “Was ist es?”

Akiras Grinsen wurde breiter, als er eine unscheinbare Box unter der Chaiselounge hervorholte und diese auf dem Polster abstelle. Er deutete Akechi mit einer Geste, sich vor ihn zu setzen. Ungeduldig tippte Akechi mit der Schuhsohle auf dem Dielenboden, bis Akira endlich die Box öffnete.

“Ta-da!” sagte Akira, als er den Deckel anhob. In der Box lag die Krähen-Maske und die samtigen Augenbinden, die Akira in Harajuku besorgt hatte. Akechi starrte mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung in das Innere der Box, dann zu Akira, hin und her. Vorsichtig nahm Akira den samtigen Stoff in die Hand und reichte Akechi die Augenbinde.

“Das ist — das war kein Scherz —” murmelte Akechi und runzelte die Stirn. Er sah skeptisch auf den weinroten Stoff in seiner Hand, dann wieder zu Akira. Das breite Grinsen war durch einen ernsteren Ausdruck ersetzt worden.

“Du musst es nicht tragen,” sagte Akira und zuckte mit den Schultern. “Ich gebe zu, ich hatte einige Bilder im Kopf, die ich gerne umsetzen würde, aber — wenn du wirklich nicht willst, ist das okay —”

Akechi fuhr mit dem Daumen über den Samt, dort, wo seine Augen später versteckt sein würden. Er schluckte. Akira beobachtete, wie sein Adamsapfel sich bewegte, für einen Moment, zu fasziniert, um zu bemerken, wie Akechi langsam nickte. “Wenn ich dein Ergebnis nicht gut finde, was dann?” fragte Akechi.

“Dann werde ich mir etwas anderes ausdenken, um dein Gesicht zu verstecken,” entgegnete Akira. “Du kannst das Bild behalten, wenn du darauf bestehst, würde ich es auch vernichten, aber — wenn ich ehrlich bin —” er schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe, dann legte er eine Hand auf Akechis, die immer noch vorsichtig den weichen Stoff hielt. “Vertraust du mir?” Akira sah auf; sah in Akechis unsicheres Gesicht. Er hatte nicht bemerkt, wie nah er gekommen war. Akechi hatte unfassbar schöne Augen. Akira bereute es fast, die weinroten Rubine verstecken zu wollen. So fasziniert von den einzelnen, hellen Sommersprossen die seine Wangen bedeckten, bemerkte Akira beinahe nicht, wie Akechi langsam nickte.

“Sag es,” forderte Akira in einem plötzlichen Anflug von Mut.

“Ich vertraue dir,” erwiderte Akechi sanft.

Das Grinsen kehrte auf Akiras Lippen zurück. “Perfekt,” sagte er und löste seine Hand von Akechis, als seine Fingerspitzen vor Aufregung zu kribbeln begannen. “Wir können folgendes versuchen —” sagte Akira ruhig, “— entweder, ich zeichne dich schon zur Aufwärmung mit der Augenbinde, oder erst später.”

Akechi machte eine Show daraus, die Optionen abzuwägen. Er legte einen Finger an sein Kinn und imitierte die Pose eines nachdenkenden Detektivs, der gerade dabei war, einen komplizierten Fall zu lösen. “Ich werde sie tragen,” sagte Akechi. “Du zeichnest mich. Wenn mir deine Skizze nicht gefällt, denkst du dir etwas anderes aus… Deal?” er legte den Kopf schief und sah Akira herausfordernd an. Einige der losen Strähnen fiel ihm in die Schläfen und Akira schluckte das Bedürfnis herunter, die Strähnen hinter Akechis Ohr zu streichen, seine Fingerspitzen über die weiche Haut seiner Wangen gleiten zu lassen —

Akira nickte. “Deal,” bestätigte er. “Unter einer Bedingung.”

“Du willst wirklich noch weitere Forderungen stellen?” stichelte Akechi.

“Du musst nackt sein —” sagte Akira schnell, bevor er die Worte herunterschlucken konnte.

Akechi blinzelte ein mal, zwei mal, dann blitzte ein seltsam dunkler Ausdruck hinter seinen Augen hervor. Akira fühlte die Aufregung in seinem Magen aufsteigen und er ermahnte sich, das nicht so zu sehen. Immerhin — dafür waren sie hier — für Aktzeichnungen.

Akechi nickte. “Deal,” bestätigte er mit einem kurzen Blitzen seiner Zähne.

Die Aufregung, die Akira gefühlt hatte, wandelte sich in etwas anderes; eine Mischung aus Vorfreude und… Erwartung. “Ich bestimme die Pose,” fügte Akira hinzu, bevor Akechi protestieren konnte. Akechi stieß ein leises Seufzen aus, entgegnete allerdings nichts. Stattdessen erhob er sich von der Lounge und bevor Akira registrieren konnte, was Akechi vor hatte, hatte Akechi bereits den Saum seines Shirts gegriffen und hob den Stoff, nach oben — Akira starrte, schluckte, wusste für einen Moment nicht ob — wie — er reagieren sollte. Als würde er in einen Bann gezogen werden, beobachtete er, wie sich die leicht-definierten Muskeln unter der makellosen, cremeweißen Haut abzeichneten und bewegten, sich anspannten, als Akechi das Shirt über seinen Kopf zog und anschließend achtlos auf die Sitzfläche der Lounge warf.

Akechi warf einen verschlagenen Blick über die Schulter zu Akira. “Willst du zusehen?” fragte er in einem hellen Ton. “Ich habe nichts gegen Zuschauer —” sagte er locker und zwinkerte.

Akira verschluckte sich beinahe an seiner eigenen Zunge, als er schnell den Blick abwendete, um seine glühenden Wangen zu verbergen. Verdammt, er sollte sich nicht so leicht aus der Fassung bringen lassen! Akechi spielte mit ihm, und… das konnte Akira ihm nicht durchgehen lassen! Akira schluckte, bevor er sich wieder Akechi zuwendete. Anstatt aufzustehen, zu gehen, lehnte er sich auf der Lounge zurück und überschlug die Beine. Er hoffte, dass seine Wangen nicht so rot waren, wie sie sich anfühlten. “Dann habe ich nichts dagegen, dir zuzusehen,” erwiderte Akira mit so viel Überzeugung wie möglich und hoffte, dass Akechi das leichte Zittern seiner Stimme überhörte.

Für einen Moment tat Akechi nichts, offensichtlich überrascht von Akiras Reaktion. Ein klarer Triumph für Akira, für den er sich innerlich gratulierte. Jedenfalls, bis Akechi sich einmal um die halbe Achse drehte und seinen nackten Oberkörper Akira präsentierte. Akechi verlagte das Gewicht auf das andere Bein und stemmte eine Hand an seine Taille. Akiras Augen wanderten über die perfekte, weiße Leinwand, die Akechis Haut war; so makellos und weich, golden glänzend, durch das einfallende Tageslicht. Die Shots von ihm in Unterwäsche kamen dem realen Bild kaum gleich. Akira bemerkte erst, dass er den Atem angehalten hatte, als er seinen Blick nach unten wandern ließ, über die Umrisse von Akechis Rippen, herunter zu den Bauchmuskeln, und — tatsächlich; der dunkle Fleck, den Akira beim letzten Mal nicht deuten konnte, war ein Tattoo. Oberhalb der linken Seite des Vs von Akechis Beckenknochen, war ein kleiner, gespannter Bogen mit einem Pfeil, der nach außen zeigte.

Akechi folgte Akiras Blick an sich selbst herunter. Mit den Fingerspitzen glitt er über die fein-gestochenen Linien. “Das ist ein paar Jahre alt,” erklärte Akechi, bevor Akira fragen konnte. “An meinem 18. Geburtstag — ich dachte, es wäre ein gutes Motiv. Es erinnert mich an… eine Geschichte, die meine Mutter mir vorgelesen hat, als ich kleiner war,” ein sanftes, trauriges Lächeln zierte Akechis Lippen. “Ich mag es. Die Fotografen von meinem Job leider nicht.”

“Schade, dass es auf deinen Bildern immer bearbeitet wird —” entgegnete Akira. “Es passt zu dir.”

Akechi ließ seine Finger entlang des Vs seines Beckens nach innen gleiten. “Danke,” sagte er sanft. Er öffnete den Verschluss seiner Jeans und hakte beide Daumen am Bund ein. “Wirst du es zeichnen?” fragte er und verharrte.

Akira sah auf. Akechis Ausdruck hatte etwas Verletzliches angenommen. “Ja,” antwortete Akira leise.

“Ich bestehe darauf —” sagte Akechi mit einem Zwinkern, als er seine Fassung wiederfand und alle Verletzlichkeit aus seinem Gesicht verschwand. Er grinste, als sich sein Verhalten änderte und er in seine komfortablere Persona zurückkehrte. Mit einer raschen, geübten Bewegung zog er die Jeans samt Shorts nach unten und entblößte lange, muskulöse Oberschenkel, schmale Waden. Als er aus den Beinen der Jeans heraustrat und diese achtlos mit dem Fuß zur Seite schob, stockte Akira der Atem.

Akechi war wunderschön. Das war nichts Neues für Akira, immerhin hatte er Akechis Shooting-Bilder im Laufe seiner Karriere bereits bewundert, als er noch zur High School ging und Akechis Instagram-Feed studiert hatte, statt dem Unterricht zu folgen. Nicht nur das — Akiras Fantasien von Akechi waren damals sehr ausgefallen und… lebhaft gewesen. Ähnlich wie in der Nacht vor ein paar Tagen, oder davor, als er an Akechi gedacht hatte. An Akechi, anstatt an seine Freundin, die nichts hiervon wusste. Nicht wusste, dass Akira nicht nur den Inhalt seiner Fantasien zeichnet, sondern — Goro Akechi — dass er, gerade er, das Privileg hatte, Akechi so zu sehen, nicht auf Bildern, sondern live und real.

Kasumi… Die Schuldgefühle, die Akira irgendwo in einem Teil seines Gehirns eingeschlossen hatte, als er beide Male nach dem High seines Orgasmus wieder heruntergekommen war, kehrten mit einem Mal zurück. Wie eine Welle, die sich an der Brandung bricht, brach etwas in Akira. Das war… nicht richtig. Er sollte Akechi nicht so sehen, nicht als… Objekt! Akechi war sein Modell, und Akira hatte die Verantwortung, ihre Beziehung rein professionell zu halten. Er würde ihn zeichnen, mehr nicht. Mehr nicht!

Akechi schien zu bemerken, dass Akira in Gedanken versunken war. Vorsichtig schloss er die Distanz zwischen ihnen und kniete sich vor Akira auf den Dielenboden. Er stützte seine Hände auf den Oberschenkeln ab und sah zu Akira hinter langen, dunklen Wimpern auf. “Ist alles okay, Kurusu?” fragte er und musterte ihn skeptisch.

Er war … nah. Sehr nah. Akiras Knie streiften beinahe seine Schultern. Als er nicht reagierte, fragte Akechi erneut. “Ist alles okay?”

Akira blinzelte und zwang sich, das Chaos seiner Gedanken für einen Moment zum Schweigen zu bringen. “J-ja,” antwortete er und nickte mehrmals, um sich und Akechi davon zu überzeugen. “Entschuldige. Ich war in Gedanken,” erklärte er kurz. Als Akechi skeptisch eine Augenbraue hob und ihm deutete, weiter zu sprechen, fügte Akira hinzu: “Es ist alles gut, keine Sorge,” er räusperte sich, “Lass uns anfangen, okay?”

Akechi nickte und lehnte sich etwas zurück, sodass Akira aufstehen konnte. Akira schüttelte den Kopf und vertrieb die Gedanken, die sich zurück in sein Bewusstsein schleichen wollten, bevor er sich zu Akechi drehte. Ihn auf Knien vor sich zu sehen, brachte eine neue Welle aus Hitze in seine Wangen und er wendete den Blick schnell wieder ab. “Die Augenbinde,” begann Akira, “Für die erste Pose musst du sie nicht festbinden. Du kannst sie einfach über deine Augen legen, okay?”

Akechi nickte leicht.

Akira seufzte, als er sich hinter die aufgebaute Staffelei setzte. “Okay, wenn es dir nichts ausmacht, dann — leg dich mit dem Rücken auf den Boden, vor die Lounge und leg deine Beine auf der Sitzfläche ab,” instruierte Akira mit neu gewonnener Selbstsicherheit. Akechi begab sich in die Pose; sein loses Haar bildete einen sanften, karamellfarbenen Kranz um seinen Kopf. Vorsichtig legte er die Augenbinde über seine Augen, der rote Stoff in einem blutroten Kontrast zu seiner blassen Haut.

Akira nahm den Skizzenblock und Bleistifte von seiner Staffelei und setzte sich auf den Boden neben Akechi.

Wie auf Kommando, drehte Akechi den Kopf in Akiras Richtung. Die Augenbinde verrutschte nur wenig und Akechi zog den Stoff wieder gerade, bevor er seine Hände flach auf den Boden legte. “Deine Hände, leg sie hinter deinen Kopf. Die Arme angewinkelt.” Kommandierte Akira und gab Akechi anschließend einen Moment, um sich an die Pose zu gewöhnen.

“Perfekt,” hauchte Akira, kaum mehr als ein Wispern, dennoch sah er, wie Akechi sanft lächelte.

Akechi wusste offensichtlich, wie er sich zu positionieren hatte; Das hintere Bein winkelte er spitzer an, sodass dieses parallel zu seinem Becken war, während das andere etwas flacher auf der Sitzfläche lag und somit perfekt seine einladende Mitte kaschierte. Akira schluckte, aber war dankbar, dass er diesen Teil von Akechi noch nicht zeichnen musste. Der Blick, den er zuvor riskiert hatte, hatte ihm gradewegs eine Handvoll neue Fantasien eingebracht, die er um jeden Preis vermeiden wollte. Durch die Pose verdeckte nicht nur die Augenbinde Akechis Gesicht, sondern ebenfalls sein Oberarm, jedenfalls zur Hälfte. Dahinter sah Akira, wie Akechis volle Lippen sich sanft teilten, als er sein Gesicht entspannte. Seine Hände lagen im Abstand von einigen Centimetern über seinem Kopf und berührten die losen Strähnen nur fast.

“Ich beginne mit der Skizze,” kündigte Akira an. “Nicht bewegen.”

“Mhm,” entgegnete Akechi bestätigend. Er atmete ruhig und gleichmäßig, sein Brustkorb hob und senkte sich in sanften Atemzügen, als er den Rücken leicht durchbog und sich ein wenig vom Boden abhob. Die Anspannung ließ seine Muskeln unter der Haut tanzen. Akira setzte den Bleistift auf dem reinen, weißen Papier an und begann, Akechis Form zu skizzieren. Je länger sich der Bleistift bewegte, desto mehr entspannte er sich. Er vefiel in eine ruhige Trance, bei der er alles ausblendete, dass nicht Akechi oder die Skizze waren. Konzentriert ließ er seine Vorstellung auf dem Papier zum Leben erwachen. Hin und wieder hörte er ein leises Seufzen von Akechi oder von sich selbst, doch abgesehen davon, umgab sie eine sanfte Stille.

Als er fertig war, gab er sich einen Moment, um das fertige Bild auf Fehler zu untersuchen. Er korrigierte einige der Schatten und hob die Tiefe von Akechis Schlüsselbeinen ein wenig mehr hervor, doch als er ein erschöpftes Seufzen von Akechi hörte, stoppte er.

“Es ist fertig,” sagte er mit heiserer Stimme. Bei seinen Worten atmete Akechi leise und erleichtert aus und begann sofort, sich zu entspannen. Vorsichtig nahm er die Augenbinde von sich und blinzelte ein paar Mal, um sich an die Helligkeit des Raums zu gewöhnen. Er fluchte leise, als er sich aufrichtete und seine Arme streckte, anschließend setzte er sich im Schneidersitz vor Akira und massierte mit einer Hand seinen Knöchel, während er die andere nach Akiras Zeichnung ausstreckte.

“Zeig es mir,” forderte Akechi ihn auf und Akira folgte. Er drehte den Skizzenblock auf dem Boden zu Akechi, sodass die Zeichnung für Akira kopfüber war, dann schob er den Block näher zu ihm. Akechi ließ seine Hand sinken, als er die Zeichnung betrachtete. Sein Haar fiel ihm in die Stirn und verdeckte das Meiste seines Ausdrucks, aber Akira meinte, Erstaunen darin zu sehen.

Die Hand, die seinen Knöchel massiert hatte, stoppte. Stattdessen faltete er beide Hände ineinander. Akira beobachtete ihn, in der Hoffnung, seine Reaktion irgendwie deuten zu können. Irgendetwas zu sehen, dass ihm verraten würde, ob Akechi einverstanden war, ob er — ob er weiter gehen würde, als das, und — Akiras Atem stockte, als sein Gehirn ihn an die Fantasie von vor ein paar Tagen erinnerte. Die Zusammenarbeit war… erregend. Nicht nur im klassischen Sinne. Akechi… forderte ihn heraus. Er war so, so perfekt.

*


Akira war nicht gut darin, seine Gefühle zu verbergen. Im Gegenteil; er trug sein Herz auf der Zunge: oder in diesem Fall, auf seinen Wangen. Der rote Schimmer auf seinem Gesicht konnte unmöglich der Wärme auf diesem Dachboden geschuldet sein. Außerdem, wie Goro bereits nach ihrem zweiten Treffen aufgefallen war, leckte er sich hin und wieder über die Lippen, wenn er nervös war. Akira nervös zu machen, war viel zu leicht. Ein Zwinkern, eine scheinbar unbeabsichtigte Geste, und Akira schaffte es nicht mehr, ihm direkt in die Augen zu sehen.

Es war beinahe liebenswert. Goro konnte nicht anders, als Akira immer wieder aus der Reserve zu locken. Aber — das hier war etwas anderes.

Die Zeichnung, die Akira in zwanzig? — dreißig? — Minuten angefertigt hatte, versetzte Goro in Verlegenheit. Selbstverständlich ließ er es sich nicht anmerken, auch wenn es Akira vermutlich nur zu gut gefallen würde, ihn erröten zu sehen — aber genug davon. Die Zeichnung war atemberaubend und Goro hoffte, dass Akira nicht bemerkte, dass ihm für einen Moment die Luft im Hals stecken blieb.

Er sah sich selbst, offensichtlich, aber so viel mehr als das. Akira hatte es geschafft, mehr von ihm zu zeigen, als die Shooting-Bilder, die Videos, die vermeintlichen Schnappschüsse auf seinem Instagram-Profil, die so gestellt waren, dass sie nur noch eine Parodie von Spontanität waren. Goro sah… verletzlich aus. Seine Mundwinkel zuckten und wollten sich nicht entscheiden, sich nach unten oder oben zu bewegen. Die Pose auf der Zeichnung war sinnlich und sensibel, und zeigte so viel gleichzeitig — Zurückgezogenheit, Verletzlichkeit, Sensibilität, Unschuld. Nichts von diesen Worten würde Goro jemals für sich selbst verwenden, und dennoch — War es das, was Akira in ihm sah?

“Das ist wunderschön,” wisperte er. Der Gedanke verformte sich von selbst auf seiner Zunge, bevor er die Worte herunterschlucken konnte.

Akira hielt die Luft an. Goro hörte, wie sein Atem stockte und sah auf. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ eine undefinierbare Wärme in ihm aufsteigen. Akiras große, graue Welpen-Augen waren größer als sonst, seine Wangen waren von sanftem Pink geziert und seine Lippen waren geteilt, als wollte er etwas sagen, aber kein Wort verließ seine Zunge. Goro lächelte. Akira nervös zu machen, war leicht, aber ihn sprachlos zu machen… war so viel besser.

“Ich meine es ernst, Kurusu,” beteuerte Goro und meinte es so ehrlich, wie es klang. “Das ist… atemberaubend.”

Akira blinzelte, dann lächelte er ebenfalls. “Danke, Akechi,” erwiderte er erleichtert. “Das heißt, ich kann dich weiter zeichnen?” er klang so unsicher, beinahe schüchtern.

Goro nickt leicht. “Was hast du noch geplant?” fragte er neugierig.

Akira entspannte sich sichtlich, er atmete erleichtert aus, während seine Schultern leicht nach unten sackten. “Die Maske, wenn du nichts dagegen hast —” erwiderte er mit einem schiefen Grinsen. “Ich bin mir sicher, dass dir das Ergebnis gefallen wird.”


*


Akira gab ihm einen seidigen Morgenmantel, welcher Goro gerade bis zu den Knien bedeckte. Der Stoff war weich vom vielen Waschen und roch nach Kaffebohnen und Weichspüler. Goro knotete den Gürtel zusammen, bevor er Akira nach unten in das Café folgte. Oberhalb eines Café zu wohnen, hatte definitiv Vorteile… Es roch nach frisch geröstetem Kaffee, egal zu welcher Tageszeit, es war ruhig, jedenfalls heute, und die Küche war perfekt ausgestattet, um jederzeit eine frische Tasse Kaffe zubereiten zu können.

Akira stellte eine duftende Tasse vor ihm ab. “Blue Mountain,” erklärte er mit einem Lächeln. Goro nahm einen Schluck und genoss den herben Geschmack, schloss die Augen und entspannte sich für einen Moment, ein kleines bisschen. Jedenfalls, bis Akira fragte: “Gefällt dir die Universität bisher?”

Goro verzog das Gesicht und stellte die Tasse mit einem leisen Klick auf dem Tresen ab. Er schwankte zwischen einem Kopfschütteln und einem hysterischen Lachen, gefolgt von einem ‘Auf gar keinen Fall’. Aber er hatte ein Image zu bewahren, also antwortete er: “Es ist besser, als ich erwartet hatte.” Lüge. Es war schlimmer, als erwartet.

“Das ist gut,” antwortete Akira mit einem sanften Lächeln. “Ich sehe dich nie auf dem Campus. Sind deine Kurse so spät oder —” er legte den Kopf schief, hob eine Augenbraue an. “Schwänzt du deine Kurse, Akechi-san?”

Die Erwähnung seines Namens brachte ihn zum Kichern. Goro schüttelte den Kopf. “Nichts dergleichen. Ich… ziehe es vor, nicht aufzufallen. Jedenfalls, nicht dort.”

“Keine Fans unter deinen Mitstreitern?” hakte Akira nach.

Wohl eher im Gegenteil, dachte Goro bitter. Er seufzte, hob erneut die Tasse an, bevor er antwortete. “Keine Fans.”

“Das ist seltsam, ich hätte schwören können —”

“Akira,” hakte Goro ein, scharf. Akira stoppte mitten im Satz und sah ihn verwundert an. “Lass uns über etwas anderes reden, bitte.”

Akira nickte, langsam. “Worüber möchtest du reden?”

“Erzähl mir von deiner Vision,” entgegnete Goro, mit einem perfekten, weißen Lächeln.

Akiras Augen leuchteten auf, als er anfing, über sein Vorhaben zu reden.


*


Akiras ‘Vision’, wie Akira ihm im Detail erzählt hatte, als Goro hin und wieder an der Tasse Kaffee genippt hatte, beinhaltete Goro, mit dieser lächerlichen, karminroten Vogel-Maske.

Goro musterte die Maske in seiner Hand skeptisch, als sie wieder auf dem Dachboden waren, um die nächste Zeichnung zu beginnen. Akira lächelte mit leuchtenden Augen und einem schiefen Grinsen. Es war mehr charmant als missgünstig, weshalb Goro nach einer weiteren Minute voll Zwiespalt schließlich nachgab, und die Maske über seine Augen schob. Das Gewicht war seltsam angenehm, die Innenseite der Maske war mit samtigem Stoff ausgestattet, welcher seine Haut streichelte, wo die Maske eng anlag. Die Außenseite war karminrot und glänzte leicht im Tageslicht.

Akiras Blick nach zu urteilen, sah Goro alles andere als lächerlich darin aus. Im Gegenteil, Akira hatte wieder diesen Blick; glänzende, graue Augen, gerötete Wangen und leicht geteilte Lippen, als wollte er etwas sagen, aber wüsste nicht, wie. Goro grinste innerlich. Diese Reaktion wollte er aus Akira herauskitzeln. Diese Art von Zuwendung, von Bewunderung.

“Hat es dir die Sprache verschlagen?” neckte Goro ihn.

Akira fing sich wieder, schloss seinen Mund und schüttelte den Kopf. “Nein, nein —” murmelte er, nicht wirklich überzeugend. Er räusperte sich und nahm seine Position hinter dem Skizzenblock ein. “Du erinnerst dich an die Pose?” fragte er, beinahe schüchtern.

Goro nickte, rief sich Akiras detaillierte Erklärung ins Gedächtnis. Mit einer eleganten, fließenden Bewegung begab er sich auf dem Dielenboden auf die Knie, nicht vollkommen ohne ein kleines bisschen Scham, welche er schnell herunterschluckte. Er setzte seine Zehen auf dem Boden auf und nahm einen tiefen Atemzug, bevor er den Knoten des Morgenmantels öffnete und den seidigen Stoff über seine Schultern streifte. Er warf den Stoff achtlos hinter sich auf die Lounge, dann nahm er die Pose ein, die Akira vorgesehen hatte. Er spreizte seine Beine leicht, ignorierte das angenehme Gefühl des harten Bodens unter seinen Knien, straffte seine Schultern und streckte eine Hand aus, die Handfläche nach oben gedreht, als würde er Akira um einen Tanz bitten. Er kicherte kurz, belustigt über diese Vorstellung.

“Nicht bewegen!” mahnte Akira ihn scharf. “Das ist… perfekt, danke,” sagte er, sanft und weich, mit dieser rauen, tiefen Stimme. Er verkniff sich den Drang, auf seiner Lippe zu kauen und still zu sein.

Er drehte den Kopf leicht zur Seite in einer Parodie von Schüchternheit. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Akira. Das war… besser, als die Augenbinde, denn er konnte sehen, wie hungrig Akiras graue Augen auf ihm hafteten. Er versuchte es nicht einmal zu verbergen, oder war so angetan von Goro, dass es ihm kaum möglich war. Goro hoffte, dass es der zweite Grund war, denn aus irgendeinem Grund flatterte sein Herz aufgeregt, wann immer Akiras intensive, graue Augen für eine Sekunde zu lang auf ihm hafteten.

Akira war attraktiv, durchschnittlich, aber dennoch hatte er etwas an sich, dass Goro anziehend fand. Vielleicht war es die pure Normalität und Ruhe, die er ausstrahlte. So gefasst, wie ein Fels in der Brandung, und trotzdem reagierte er jedes Mal so offen und ehrlich, wenn Goro versuchte, ihn aus der Fassung zu bringen. Akiras Bewegungen beim Zeichnen waren gezielt und gefasst und von Erfahrung geprägt, aber gleichzeitig so fließend, wie Wasser. Es war beinahe hypnotisierend, ihm zuzusehen, und bevor Goro sich versah, legte Akira die Bleistifte weg und beendete das Bild.

“Du darfst dich wieder bewegen,” sagte er, rau und heiser. Goro nickte und streckte seine steifen Glieder, stöhnte leise erleichtert auf, als er sich aufrichtete und seine Beine streckte.

“Darf ich es sehen?” fragte er neugierig.

Akira schüttelte den Kopf. “N-Nein, noch nicht,” erwiderte er. “Ich will… Farben für dich festlegen und —” er räusperte sich, seine Wangen geröteter, als sonst. “— ich zeige es dir beim nächsten Mal, wenn es fertig ist. Versprochen.”

Goro nickte, verwundert, aber beließ es dabei. Akira schien nervös zu sein, wie er stammelte und stets darauf achtete, Goro nicht direkt anzusehen. Aber… Goro wollte angesehen werden. Und aus irgendeinem Grund, besonders von Akira.

Nachdem Akira seine Hände an seinem Lappen gesäubert hatte, stolperte er hinter der Leinwand hervor. “I-ich lasse dich, zum umziehen, wenn du irgendetwas brauchst, sag es mir —”

Goro nickte, und Akira verschwand hinter der Shoji-Wand im anderen Bereich des Zimmers. Goro sah ihm hinterher, verwirrt, bevor er die Maske ablegte, seine Klamotten von der Lounge nahm und sich anzog.

*


Akira wanderte unruhig hin und her, legte seine Hände an seine glühenden Wangen. Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen, ermahnte er sich gedanklich immer wieder, aber vergebens.

Akechi war unfassbar schön, viel schöner noch, als Akira es erwartet hatte, und… er hatte seine Blicke bemerkt, aus den Augenwinkeln. Weinrot und irgendwie scharf, beinahe bedrohlich. Akiras Herz flatterte aufgeregt in seinem Brustkorb. Das war nicht gut, überhaupt nicht gut, er kannte dieses Gefühl, er … er konnte es nicht verleugnen, er war… verliebt. Irgendwie. Oder? Wie sonst konnte er das alles rechtfertigen, was Akechi mit ihm machte? Aber — das war nicht fair! Kasumi —

“Akira?” Akechis Stimme riss ihn aus den Gedanken. Er stoppte, mitten im Zimmer. Akechi musterte ihn skeptisch, aber dieses Mal wenigstens nicht… nackt. Akiras Herz machte einen Sprung.

“Ist alles in Ordnung?” fragte Akechi.

Nein, nicht wirklich. “J-ja, alles okay,” erwiderte Akira, wenig überzeugend. Er biss sich auf die Lippe, als Akechi, immer noch skeptisch, auf ihn zukam. Akechi runzelte besorgt die Stirn und hob eine Hand, die Hand, die er zuvor nach Akira ausgestreckt hatte, und legte seinen Handrücken an Akiras Stirn. “Du bist ziemlich rot. Du bist doch nicht krank?” fragte er, in einer Imitation von Besorgnis. Akira konnte es sehen, konnte sehen, wie seine roten Augen glänzten, kalt und kalkulierend. Er wusste es doch nicht...?

Akira griff nach Akechis Handgelenk und zog seine Hand von seiner Stirn weg. “Nein, keine Sorge,” erwiderte er und schluckte. “Danke für deine Zeit, heute. Du bist… ein fantastisches Model,” sagte er höflich und warm, schenkte Akechi ein Lächeln. Es war ihm nicht entgangen wie Akechi auf Lob reagierte, und… erwischt. Akechi zuckte unwillkürlich zusammen und verlor für einen Moment die Beherrschung über seine Maske. Seine Lippen teilten sich, aber er sagte nichts, blinzelte stattdessen zwischen dichten, schwarzen Wimpern zu Akira auf.

Akira grinste schief, triumphierend.

Er hatte erwartet, dass es das war, ein unausgesprochenes Spiel, dass Akira für heute gewonnen hatte. Aber Akechi war ein mieser Verlierer, und anstatt seine Niederlage zu akzeptieren, legte Akechi seine andere Hand in Akiras Nacken, strich über die feinen Haare dort, und leckte sich über die Lippen. Akira erstarrte, für einen Moment, unsicher, wie er reagieren sollte. Akechi grinste dunkel, herausfordernd, und als er sich nach vorn lehnte, kaum mehr als einen Centimeter entfernt von Akiras Lippen, erstickte Akiras Atem in seinem Hals.

Bevor es passieren konnte, drehte Akira den Kopf zur Seite. Seine Wangen glühten und sein Herz flatterte aufgeregt, aber gleichzeitig kroch Scham und Schuld in ihm herauf, legte sich um seine Lungen und drückte ihm die Luft ab. Das war nicht richtig, nicht richtig —

Akechi kicherte, leise. Er lehnte sich zurück und ließ Akira los. Akira wagte einen Blick aus den Augenwinkeln, und sah Akechis triumphierendes Lächeln. Seine Augen funkelten dunkel.

“Ich sollte gehen, nicht wahr?” Er sprach es mehr wie eine Feststellung aus, als eine Frage. Akira öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als Akechi ihn unterbrach. “Bis zum nächsten Mal, Akira.” Er lehnte sich nach vorn und streifte Akiras Wangen mit seinen Lippen in einer Imitation von einem Kuss, so leicht, dass Akira meinte, er hätte ihn gar nicht berührt.

Akira sah ihm hinterher, als Akechi die Treppen nach unten nahm, unfähig, etwas zu entgegnen. Das Schellen der Glocke verstummte. Akechi war weg, und Akira war allein, mit glühenden Wangen und flatterndem Herzen.

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Sorry, für meine Abwesenheit. Ich habe bald Prüfungen und hab keine Zeit, so viel zu schreiben, wie ich will... aber ab Juli ändert sich das wieder! Yay!
Außerdem: ich bin überzeugt davon, dass P5-Royal-Drittes-Semester-Akechi sich definitiv tätowieren lassen würde. :D
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