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...um in der reizarmen Weite der niederländischen Küsten...

von Mimmy87
Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P16 / Het
Kriminalhauptkommissar Frank Thiel Rechtsmediziner Professor Karl Friedrich Boerne Rechtsmedizinerin Silke Haller
08.04.2021
20.05.2021
16
35.660
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08.04.2021 2.094
 
Um in der reizarmen Weite der niederländischen Küsten...

´Sehr geehrter Herr Professor Boerne, hiermit kündige ich ordentlich und fristgerecht meinen Arbeitsvertrag zum 31.05.2021.`
Einige weitere Formalitäten... Pla, Pla, Pla... nicht von seinem Interesse...
Unterschrift: Silke Haller (Alberich)

Wieder und wieder las sich Boerne diese Zeilen durch, diese und die Zeilen des beigelegten Zettels.
`Da ich über ausreichend Überstunden und noch zweiundzwanzig Tage Resturlaub verfüge, scheide ich also mit sofortiger Wirkung aus. Machen Sie es gut, Chef. Es geht einfach nicht mehr.`
Fassungslos starrte der Professor in den Raum. Nach der Fassungslosigkeit kam die Wut. Wieso hatte sie nicht mit ihm geredet? Sie glaubte doch nicht etwa wirklich, dass sie ihm einfach so davon käme. Das war doch wirklich keine Art, ihm in aller Heimlichkeit einfach diese Schriftstücke auf den Schreibtisch zu legen. Schon gar nicht nach all den vielen Jahren der gemeinsamen Zusammenarbeit.
Boerne war sich zumindest keiner Schuld bewusst. Schnaubend griff er zum Telefon und drückte die Kurzwahltaste unter der ihre Nummer gespeichert war. Es klingelte, gedanklich legte sich der Professor schon die passenden Worte zurecht. Er war wütend, gekränkt und auf eine gewisse Weise auch enttäuscht.
Am anderen Ende hob niemand ab. Er würde es später erneut versuchen, denn grade war Thiel in sein Büro getreten und der sollte möglichst nichts von dieser Angelegenheit erfahren.
„Moinsen“, grüßte der Kommissar.
„Ja, ebenso“, gab der Professor mürrisch zurück. „Was wollen Sie, Thiel?“
„Was is denn mit Ihnen los?“, fragte er zurück.
„Nichts. Gar nichts. Also, was wollen Sie?“, drängte Boerne.
„Haben Sie schon was Neues im Fall Hübner?“, wollte Thiel wissen.
„Nein und es wird auch noch dauern“, der Professor sah ihn unmissverständlich mit funkelnden Augen über die Brille hinweg an.
„Wär aber eilig“, meinte der Kommissar.
„Falscher Tag, falscher Zeitpunkt. Ich melde mich später, wenn ich neue Erkenntnisse habe und jetzt gehen Sie bitte“, forderte Boerne ihn auf.
„Wo is denn überhaupt Frau Haller? Hat die frei?“, fragte Thiel beiläufig, da er bemerkt hatte, dass Boernes Assistentin weit und breit nicht zu sehen war.
„Raus jetzt, Thiel“, polterte der Professor nur genervt.
Noch während er im Flur auf den Aufzug wartete, konnte der Kommissar die sehr lauten Klänge finsterer klassischer Musik vernehmen.
Einige Zeit später hatte Boerne erneut zum Telefon gegriffen und versuchte seine Assistentin zu erreichen. Wieder hatte sie nicht abgehoben.

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Langsam und zögerlich verließ Silke Haller mit zwei gepackten Koffern ihre Wohnung und schloss sorgfältig ab. Sie ließ sich im Anschluss gegen die Wand sacken und überlegte. Tat sie grade das Richtige?!
Nach einer Weile war sie zu einem Entschluss gekommen. Ja, sie tat das einzig Richtige. Diesmal würde es kein Zurück geben.
Entschlossenen Schrittes verließ sie das Haus, packte die Koffer in ihr Auto und fuhr los.

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Professor Boerne hatte sich mittlerweile dazu entschieden, dass es keinen Sinn machte heute weiter zu arbeiten. Den Fall Hübner hatte er abgeschlossen und Thiel seine Erkenntnisse mitgeteilt. Jetzt war es an der Zeit sich um personelle Angelegenheiten zu kümmern. Er wusste nicht warum, aber konnte die Dinge so wie sie waren nicht einfach so stehen lassen und überhaupt, was fiel Alberich eigentlich ein. Er streifte den weißen Kittel ab und ersetzte ihn durch eine Anzugsjacke, bevor er zum Parkplatz eilte und in sein Auto stieg. Alberich war selbst schuld an allem, was jetzt folgen würde. Wäre sie an ihr Telefon gegangen, hätte er nicht zu solchen Maßnahmen greifen müssen. Wenig später parkte er sein Auto und stieg aus. Boerne nahm die beiden Treppenstufen zum Hauseingang auf einmal und klingelte nun bei Silke Sturm.
Als der gewünschte Effekt auch Minuten später nicht eingetreten war, da niemand ihm öffnete, sah er sich um und entschied dazu über den Zaun zu steigen, um an ihr Küchenfenster zu klopfen.
„Alberich! Ich weiß, dass Sie da sind. Machen Sie die Tür auf Alberich, ich warne Sie“, rief er laut, während er unentwegt klopfte.
Plötzlich öffnete sich ein Fenster im oberen Geschoss des Hauses.
„Junger Mann, was machen Sie denn da?! Die Frau Haller ist vorhin weggefahren“, sprach die alte Dame am Fenster, während sie Boerne beobachtete.
Der Professor stoppte sein Tun und sah zu ihr hinauf. „Ah, guten Tag. Entschuldigen Sie die Störung. Wissen Sie wohin sie gefahren ist?“, fragte er.
Die Frau zuckte mit den Schultern: „Sie ist wohl verreist“, gab sie zurück.
„Verreist?“, hakte Boerne nach.
„Ja, sie hatte Koffer dabei und außerdem hat sie sich gestern Abend von mir verabschiedet. So wie ich das verstanden habe, kommt sie wohl auch nicht zurück.“
„Was?!“, entfuhr es dem Professor nun entsetzt und er brauchte einen Moment um sich zu ordnen. „Darf ich vielleicht reinkommen?“, fragte er dann.
Die alte Frau zögerte, willigte aber ein. Kurze Zeit später hatte sie den Türöffner betätigt und Boerne hinein gelassen.
Nachdem er die Treppen hinauf gehastet war, stand er leicht außer Atem vor der Dame und hielt ihr die Hand entgegen. „Karl Friedrich Boerne“, stellte er sich vor.
Sie reichte ihm ihre Hand und er deutete einen Handkuss an. „Leentje van Verhoven“, sagte sie nun ihrerseits, um sich vorzustellen.
„Ah, niederländische Wurzeln, nehme ich an“, bemerkte Boerne.
Die alte Frau nickte stumm. „Möchten Sie hereinkommen, Herr Professor?“, fragte sie.
Boerne klimperte mit den Augen und fragte sich, wann er seinen akademischen Grad erwähnt hatte. „Gern“, antwortete er.
Frau van Verhoven bot ihm einen Tee an, welchen er ablehnte und deutete ihm dann, auf ihrer Couch Platz zu nehmen. Sie selbst setzte sich ihm gegenüber in den großen Ohrensessel.
„Also, jetzt erzählen Sie mir bitte einmal, was Frau Haller gestern gesagt hat“, begann Boerne.
„Ja, also sie hat ja schon vor zwei Monaten ihre Wohnung gekündigt. Das hat mir sehr leidgetan. Silke war die beste Mieterin, die ich je hatte“, sprach Leentje.
Der Professor unterbrach sie: „Sie sind Frau Hallers Vermieterin? Sie hat ihre Wohnung gekündigt? Wissen Sie warum?“, Boerne hätte noch weitere Fragen stellen wollen, wurde aber nun seinerseits unterbrochen.
Mit einem verschmitzten Lächeln sah die alte Frau ihn an. „Nun mal langsam, Jungchen. Ja, ich bin Silkes Vermieterin. Warum sie ihre Wohnung gekündigt hat, hat sie nicht weiter ausgeführt.“ Ruhig nahm sie ihre Teetasse zur Hand und trank einen Schluck.
Boerne beobachtete sie dabei. „Und gestern Abend, als sie bei Ihnen war, was hat sie da gesagt?“, wollte er wissen.
„Sie hat sich bei mir bedankt und mir zum Abschied eine Orchidee geschenkt“, entgegnete Leentje.
„Aber, sie muss doch noch irgendetwas gesagt haben, oder?“, hakte der Professor nochmals nach.
„Professor Boerne, mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen“, sprach sie.
Nicht sonderlich glücklich über die spärliche Auskunft erhob sich Boerne von der Couch. Er ließ sich bei der Verabschiedung nichts anmerken und bedankte sich bei Frau van Verhoven für das Gespräch. Die alte Dame blieb sitzen und sah ihm mit einem wissenden Lächeln nach.
Wieder in seinem Auto sitzend, überlegte Boerne was er tun sollte. Er entschied sich dafür zurück ins Institut zu fahren und seine Arbeit von vorhin wieder aufzunehmen. Half ja nichts. Seine Assistentin schien es ernst zu meinen mit ihrer Kündigung. Auch wenn er sich weder damit abfinden konnte, noch wollte.
Der Professor entschied sich im Laufe des Abends dazu, Silke zeitnah erneut anzurufen.
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Nachdem Silke Münster verlassen hatte und einige Stunden gefahren war, stand sie nun am Nordseestrand und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Sie sog die frische Luft tief ein und schloss die Augen. ´Es war die richtige Entscheidung`, dachte sie nochmals.
So lange hatte sie für Boerne gearbeitet, so lange hatte sie ihn ertragen und ihn durch so manches nervenaufreibende Abenteuer begleitet. Oft hatte sie sich gewünscht, er würde ruhiger werden, würde irgendwann bemerken wie wichtig er ihr war. Nie war es geschehen. Selbst nachdem er im Limbus geweilt hatte, hatte es nicht lange gedauert und der Professor war wieder ganz der Alte.
Silke schnaubte wütend. Er hatte sie bei ihrem letzten Streit so sehr verletzt, dass sie es ihm nicht mehr verzeihen konnte. Wenn sie nur daran dachte.... Nein! Sie wollte jetzt nicht mehr daran denken.
Ihr neues Leben würde hier und heute beginnen. Jeder Gedanke an die Vergangenheit war einer zu viel.
Sie ließ ihren Blick ein weiteres Mal über die unendliche Weite des Meeres schweifen, bevor sie sich abwandte und entschlossenen Schrittes zurück zu ihrem neuen zu Hause ging.
Das ältere verklinkerte Haus war nicht besonders groß, aber schön gelegen und der Garten gefiel Silke besonders gut. Hier würde sie sich wohlfühlen.
Sie bereitete sich einen Kaffee zu und setzte sich dann entspannt in einen der Liegestühle auf der Terrasse. Der Duft von Wildrosen umgab sie und nach einiger Zeit war sie eingeschlafen.
Silke wusste nicht wie spät es war, als das Klingeln ihres Handys sie aus den schönen Träumen riss, die sie gehabt hatte.
Ohne dass sie das Telefon in die Hand nehmen musste, wusste sie, wer da grade störte. Entschlossen ließ sie es klingeln. Nach einer kurzen Pause klingelte es erneut. Wieder Boerne. Kurzentschlossen drückte sie den Anruf nun weg und schaltete das Gerät auf Flugmodus.
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Langsam wurde es Boerne zu bunt. Nicht nur, dass sie nicht ans Telefon ging, nun hatte sie ihn auch noch weggedrückt. Er konnte dieses, in seinen Augen kindische Verhalten, nicht akzeptieren. Als beim nächsten Versuch sie anzurufen sofort die Mailbox ansprang, entschied er sich deshalb ihr etwas drauf zu sprechen.
Seine Emotionen entluden sich in einer endlosen Tirade. Grade als er fertig damit war, klingelte es an seiner Türe.
„Thiel! Sie haben mir grade noch gefehlt. Ich habe keine Zeit“, giftete er, nachdem er seine Wohnungstür aufgerissen hatte.
Der Kommissar blieb ruhig stehen und musterte ihn. Er rechnete damit, dass der Professor ihm nach dieser Ansage nun die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Als dies nicht geschah, trat Thiel einfach wortlos an ihm vorbei und setzte sich frech auf die Couch in Boernes Wohnzimmer.
Boerne kam ihm nach. „Sagen Sie, habe ich mich nicht unmissverständlich ausgedrückt, oder warum machen sie es sich grade hier gemütlich?“, schnaubte er.
Thiel grinste ihn an: „Unmissverständlich wäre es gewesen, wenn Sie die Türe geschlossen hätte, Herr Professor.“
„Wie bitte? Ich habe Ihnen doch gesagt...“, begann Boerne.
„Sie sagen viel, wenn der Tag lang ist“, warf Thiel ein. „Was ist denn eigentlich mit Ihnen los, mh?“
„Gar nichts“, der Professor legte eine Hand in den Nacken und versuchte auszuweichen.
„Ich bin nicht umsonst Hauptkommissar geworden. Veralbern können Sie wen anders“, entgegnete Thiel.
Boerne antwortete nicht, sondern schritt in die Küche, um wenig später mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern wiederzukommen. Wortlos ließ er sich neben Thiel nieder und schenkte ihnen ein Glas Wein ein.
So saßen die beiden nun einfach ziemlich schweigsam da.
„Also Boerne?“, fragte Thiel irgendwann und sah den Professor abwartend an.
„Auch ich habe mal schlechte Tage, Thiel. Es kommt zwar selten vor, aber manchmal scheint die Sonne auf für mich nicht“, antwortete Boerne.
„M-hm“, der Kommissar nickte langsam und sah den Professor an.
„Alberich hat gekündigt“, rückte Boerne nach einiger Zeit dann doch ziemlich plötzlich mit der Sprache raus.
Thiel zog die Augenbrauen hoch und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Grade als er zu einem Satz ansetzten wollte unterbrach ihn Boerne.
„Sparen Sie sich die Worte“, er hob abwehrend eine Hand. „Manche Dinge sollten unausgesprochen bleiben. Einfach zur Abwechslung mal runterschlucken, Thiel“, Boernes Augen funkelnden ihn an.
Der Kommissar konnte sich nun ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Oh Boerne!“
„Na was?! Ich werde mich um einen Ersatz bemühen. Sie wird schon sehen, was sie davon hat, das Privileg mit mir zu arbeiten einfach nicht zu schätzen. Ich habe genügend Bewerbungen von qualifizierten...“, weiter kam er nicht.
„Das kratzt an Ihrem Ego, nicht wahr?“, warf Thiel ein.
„Pah, ich bitte Sie“, schnaubte der Professor etwas beleidigt.
„Was haben Sie denn angestellt, mh?“, fragte der Kommissar mit einem verschmitzten Lächeln.
„Thiel, wieso gehen Sie davon aus, ich hätte Mitschuld an diesem Umstand?! Es war alles wie immer während der Arbeit. So, wie es seit 18 Jahren der Fall ist. Und heute Morgen liegt dann einfach ihre Kündigung auf meinem Schreibtisch“, Boerne sah Thiel herausfordernd an. Dieser lachte nur lautlos vor sich hin. „Sagen Sie mal, wollen Sie mich veralbern?“, fragte der Professor mürrisch.
„Nein, bestimmt nicht Boerne. Sie wollen doch immer so ein schlauer Kopf sein, dann strengen Sie sich doch mal ein bisschen an“, meinte Thiel weiterhin belustigt.
„Sie hat nicht mal mit mir geredet. Ich bin auch kein Hellseher“, sprach Boerne.
„Ach Herr Professor“, Thiel stand auf und klopfte ihm auf die Schulter bevor er fortfuhr: „Vielleicht werden Sie das Rätsel ja irgendwann lösen. Ich gehe jetzt jedenfalls schlafen. Gute Nacht“, verabschiedete er sich dann.
„Gute Nacht“, rief Boerne ihm nach.




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