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save me, princess [snow white x huntsman]

Kurzbeschreibung
OneshotRomance, Freundschaft / P6 / Het
Eric "der Huntsman" Snow White
29.03.2021
29.03.2021
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6.142
 
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„Und hiermit, erhebt Euch, unsere Königin.“, sagte eine mit Stolz erfüllte männliche Stimme, als sie spürte, wie das kalte Metall einer Krone ihren Kopf berührte. Als der Priester losließ, spürte sie sofort, wie schwer diese Krone doch eigentlich war, ebenso, wie die Verantwortung, die sie mit sich brachte.

Abermals tief durchatmend, versuchte Snow White immerhin nach außen hin ruhig zu wirken, wobei sie innerlich ein einziges Nervenbündel war. Langsam stand sie auf, ließ die Armlehnen des Throns jedoch erst los, als sie sicher auf ihren beiden Füßen stand.

Es war erst dieser Moment, in dem sie realisierte, wie viele Personen sich eigentlich versammelt hatten und jeder und jede Einzelne von ihnen zählte auf sie, sie in eine wunderbare Zukunft zu führen, eine Zukunft voller Leben, Licht und Freude.

Die junge Königin ließ ihren Blick nun über die riesige Menge wandern, nur, um immer wieder auf hoffnungsvoll und glücklich erleuchtete Augenpaare zu treffen. Und, irgendwie, konnte sie einfach nicht anders, als Stolz zu verspüren.

Sie war stolz. Stolz darauf, Ravenna besiegt zu haben, stolz darauf, sich ihres Vaters Königreich, dessen Leute und dessen Thron würdig erwiesen zu haben. Unbewusst bahnte ein kleines und doch leuchtendes Lächeln sich den Weg auf ihre weichen Lippen, als sie abermals einen tiefen Atemzug nahm. Doch dieses Mal, wollte sie lediglich die Luft, die Atmosphäre, spüren.

Und doch wanderten ihre Gedanken sofort. Niemals hätte sie Ravenna besiegen können, wären nicht ihre loyalen Leute gewesen, wäre der Duke nicht gewesen, wäre William nicht gewesen, wären nicht die Zwerge gewesen und – und wäre er nicht gewesen.

Allein der Gedanke an ihn ließ ihr Lächeln ein wenig wachsen. Im nächsten Moment jedoch bemerkte sie, dass sie ihn noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatte, also blickte sie suchend durch den Raum, noch immer bemüht, nach außen hin ruhig zu wirken.

Wo könnte er nur sein? War er vielleicht schon fort? Vielleicht war er auch verletzt und –

Bevor diese ängstlichen Gedanken sie jedoch weiterhin einnehmen konnten, erkannte sie seine großen Umrisse und seine wunderschönen, blauen Augen, die ihr direkt in ihre sahen. Da war er, der Huntsman, ganz hinten im Raum, seine braunen Haare zurückgekämmt und in einem tiefen Pferdeschwanz zusammengebunden. Langsam schritt er auf die riesige Eichentür zu, offensichtlich, um sich fortzumachen.

Sie wollte nicht, dass er ging und doch wusste sie, dass es absolut gar nichts gab, was sie dagegen tun könnte – abgesehen davon würde sie ihn sicher nicht zwingen, zu bleiben, wenn er fortgehen wollte.

Ihre Augen noch immer fixiert auf den seinen, bemerkte sie das kleine, stolze Lächeln, das er ihr schenkte, und doch gab es da eine Traurigkeit in seinen Augen, die er einfach nicht verbergen konnte, ebenso, wie in den ihren.

Das würde ihr letzter Abschied sein, sie war sie sicher, er würde nicht zurückkehren, nicht dieses Mal.

Als sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden, schaute sie auf den Boden, nur für einen kurzen Moment, doch als sie wieder aufschaute, konnte sie bloß noch seine Silhouette erkennen, hinter der die riesige Tür langsam zufiel.

Ihr Lächeln verschwand, als ihr Herz zu schmerzen begann und die Tränen in ihren Augen nur noch mehr wurden, kurz davor, ihre Augen zu verlassen. Ohne es wirklich zu realisieren, unternahm sie einen kleinen Schritt nach vorn, doch, noch bevor ihr Fuß den Boden überhaupt berührte, hoben die Soldaten ihre Schwerte und riefen, „Ein Hoch auf die Königin!“

Alle Anderen folgten prompt, jeder Einzelne nun auf sie heraufschauend, und doch blieben Snow Whites Augen fixiert auf der riesigen Eichentür der Kirche. Ihr Herz hoffte darauf, diese würde sich jeden Moment erneut öffnen und er würde zurückkommen, mit einer Alkoholflasche in der Hand, doch ihr Verstand wusste, dies würde nicht passieren.

Er war fort.

Nach einer gefühlten Ewigkeit verstummten die Stimmen wieder und, stattdessen, führte man sie zurück zum Palast, in einen riesigen Ballsaal, in dessen Mitte ein riesiger Tisch aufgestellt worden war und, in dessen Ecke eine Gruppe an Musikern für wundervolle Melodien sorgte. Bald hatte jeder, der zuvor in der Kirche anwesend gewesen war, ebenfalls seinen Weg dorthin gefunden. Jeder trank und aß und genoss diesen Moment der puren Freude, zum ersten Mal seit zehn Jahren. Auch Snow White konnte sich fallen lassen und diesen Moment einfach bloß genießen.

Sie saß am Fuß des Tisches, ein Tablett mit wunderbar duftendem Hähnchen, ebenso, wie ein Kelch des feinsten Weines, vor ihr. Als sie einen kleinen Schluck diesens nahm, während sie in ihren Fuß im Rhythmus zur Musik bewegte, trat jemand auf sie zu. Ein kleiner Blick reichte, um festzustellen, dass es lediglich ihr Freund seit Kindheitstagen war, Prinz William. Ein strahlendes Lächeln zierte sein Gesicht, als er seine Hand nach ihr ausstreckte und, nahezu schon kindisch, fragte, „Darf ich um diesen Tanz bitten, M'Lady?"

Sie erwiderte sein Lächeln, bevor sie seine Frage mit einem Nicken beanwortete und ihre Hand sanft auf seine legte. Anschließend stand sie auf, was es ihm gestattete, sie in eine etwas ruhigere Ecke des Raumes zu führen. Kaum hatten sie ihr Ziel erreicht, legte er seine Hand an ihre Hüfte, während sie ihre auf seine Schulter legte und ihre andere Hand mit der seinen verschränkt blieb. Langsam begannen sie, sich hin und her zu bewegen, im Rhythmus der Musik, als ihre Augen aufeinander trafen. William schaute sanft auf sie herab, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Plötzlich fühlte sie jedoch, wie ihr Herz schwer wurde.

Sie wusste, wie man tanzte. Zwar hatte sie nie selbst getanzt, außer als höchstens achtjähriges, kleines Mädchen, doch sie hatte ihre Eltern oft genug beim Tanzen beobachtet. Ihre Mutter würde ihren Kopf auf die Brust ihres Vaters legen, woraufhin er seinen auf den ihren legen und beide ihre Augen schließen würden, versunken in ihrer eigenen Welt. Und, irgendwie wusste sie einfach, dass es genau das war, was ihr Freund nun von ihr erwartete. Aber das konnte sie nicht. Es fühlte sich einfach nicht richtig an. Erneut wanderten ihre Gedanken unweigerlich zu einem gewissen Huntsman.

Vielleicht würde sie sich wohler fühlen, mit ihm zu tanzen. Sie wusste es nicht und würde es wohl auch nie erfahren, doch, was sie wusste, war, dass sie wohl bei ihm gefühlt hatte, warum auch immer. Vollkommen egal, wie betrunken oder mürrisch er auch gewesen war, vollkommen egal, wie sehr er beim Gehen auch geschwankt hatte, sie hatte sich einfach sicher bei ihm gefühlt, sie hatte sich beschützt gefühlt, für das erste Mal seit langer, langer Zeit.

Erneut senkte sie ihren Blick, als ein anderer Gedanke aufkam. Ja, sie hatte sich sicher bei ihm gefühlt, doch seine Vergangenheit – oder warum auch immer solch eine Menge an Leuten ihm solch eine Menge an Feindseligkeit entgegen gebracht hatte – schien sie beide immer verfolgt zu haben und, nun, konnte sie einfach nicht anders, als sich Sorgen machen, in was für Schwierigkeiten er sich wohl als nächstes hinein manüvrieren würde.

Leise seufzte sie auf, was die Aufmerksamkeit des Prinzen erneut auf sie zog. Besorgt schaute er auf sie herab und fragte mit leiser, sanfter Stimme, „Geht es dir nicht gut?“ Augenblicklich schaute sie wieder zu ihm auf, bloß, um direkt in seine besorgten Augen zu blicken, was sie sich erneut an den Huntsman erinnern ließ.

Oft genug hatte er ihr besorgte Blicke zugeworfen, als sie erneut in irgendeine brenzlige Situation geraten waren. Wie er sie angeschaut hatte, als er ihr befohlen hatte, sich selbst in Sicherheit zu bringen.

„Snow?“, fragte William erneut und beendete somit den Gedankengang seiner Kindheitsfreundin. Sie wollte etwas erwidern – sie wusste nicht einmal, was genau, etwas, irgendetwas –, doch kein Wort verließ ihren Mund, also stand sie bloß da, stillschweigend zu ihrem Freund hinaufschauend, ihre Augen leicht geweitet, ihr Herzschlag schneller, als gewöhnlich.

„Ich –“, stammelte sie dann, ihre Hand auf die Brust des Prinzen legend, „Würdest du – ähm – mich für einen Moment entschuldigen?“ Und erneut, Stille. Dieses Mal war er es, der sie stillschweigend und verwirrt ansah, ehe er ein leises, „Ähm – ja, natürlich.“ von sich gab.

Snow White schenkte ihm ein kleines Lächeln, ehe sie dann ihre Hände zurückzog, auf der Stelle umdrehte und auf die Tür zumarschierte. Glücklicherweise bemerkte sie niemanden, der ihr fragend nachschaute, da alle Anwesenden noch immer damit beschäftigt waren, die wunderbare Zeit zu haben, die sie sich allesamt verdient hatten.

Doch plötzlich schaute der Duke sie an, offenbar ein wenig beunruhigt. Als sie ihm dann jedoch ein leichtes Lächeln schenkte und ihm mit einer kleinen Bewegung in Richtung ihres Halses signalisierte, sie wolle lediglich frische Luft schnappen, nickte er zufrieden und wendete sich wieder den Feierlichkeiten zu.

Sie kam kaum eine Minute später vor der riesigen Tür zum Stehen. So leise, wie möglich, öffnete sie diese und hoffte darauf, diese schwere, alte Tür würde keine Geräusche von sich geben. Glücklicherweise tat sie dies auch nicht, also schlüpfte sie schnell hinaus und schloss sie langsam hinter sich, noch immer darauf bedacht, keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen.

Kaum war die riesige Eichentür geschlossen, spürte die junge Frau, welch ein enormes Gewicht von ihren Schultern fiel. Langsam lehnte sie sich vor, bis ihre Stirn das raue Holz berührte, ihr Blick nun auf den Boden gerichtet. Leise seufzte sie auf und drehte sich um, sodass nun ihr von feinstem Stoff bedeckter Rücken das Holz berührte, dieses Mal schaute sie zur hohen Decke des Flures hinauf.

Tief atmete Snow White aus und begann nun, sich umzuschauen. Jedoch konnte sie kaum etwas erkennen, was der simplen Tatsache zu schulden war, dass dies einer der gesicherteren Teile des Palastes war und es, dementsprechend, kaum Fenster gab, durch die Tageslicht hineindringen konnte. Weiterhin hatte sie, in ihrer Eile, natürlich vergessen eine kleine Lichtquelle – wie eine Kerze – mitzunehmen.

Dennoch scannte sie ihre Umgebung nach möglichen Wegen hinaus. Es gab drei Gänge, die weiß Gott wohin führten. Einer führte geradeaus, ein anderer nach rechts und ein wieder anderer nach links. Sie folgte ihrem Bauchgefühl und bog nach links.

„Wo bist du nur?“, seufzte sie, mehr zu sich selbst sprechend, ohne auch nur die geringste Antwort zu erwarten. Doch, gerade, als sie an einer riesigen Marmorsäule vorbeilief und hinter diese schaute – höchstwahrscheinlich aus einer gewissen Art von Reflex, der sich über die Zeit ihrer Flucht entwickelt haben musste –, wurde sie zunächst nur von Schatten begrüßt, ehe jedoch zwei große, wunderschön strahlende Augen zum Vorschein kamen, die sie nur all zu gut kannte.

„Genau hier, Prinzessin.“

Zwar bewegte sie sich nicht von der Stelle und doch waren die Überraschung und der Schock ihr deutlich anzuerkennen. Ihre Augen waren praktisch aufgerissen und ihre Lippen leicht geöffnet. Er wiederum stieß sich sanft von der Wand ab, löste seine verschränkten Arme und schritt langsam auf sie zu, als wäre sie ein scheues Reh, das er nicht verscheuchen wollte. Und doch, während ihr Blick auf seinem Gesicht ruhte, schaute er auf den Boden hinab, als er einen knappen Meter vor ihr zum Stehen kam.

„Wärst du wirklich einfach abgehauen?“, fragte sie mit sanfter Stimme, der Schock war nun auch wieder verflogen. Noch immer schaute sie ihn an, während er auf den Boden hinabschaute, und wartete geduldig auf eine Antwort. Als er sich dann richtig aufrichtete und ihr endlich in die Augen schaute, folgte diese auch, „Ich bin doch noch hier oder etwa nicht?“

Der Klang seiner rauen und doch irgendwie sanften Stimme und die Tatsache, dass er hier vor ihr stand und auf sie hinabschaute allein, reichten ihr vollkommen aus, um sich wieder sicher zu fühlen und doch, überraschenderweise, nicht ein Bisschen nervös. Wahrhaft glücklich formten ihre Lippen sich zu einem Lächeln und sie murmelte ein leises, „Ja, ja, das bist du.“, bevor erneut Stille Einzug hielt. Ebenso schnell, wie diese Nervosität verflogen war, kehrte sie jedoch ach schon wieder zurück.

Sie wusste nicht, was sie nun sagen sollte Denn – war sie ehrlich mit sich selbst – hatte sie an absolut gar nichts gedacht, außer an ihn.

Dieser Gedanke ließ ihre Wangen einen rosanen Schimmer annehmen. Noch immer lächelte sie, froh darüber, ihn doch noch gefunden zu haben, doch schaute sie nun hinab auf ihre Hände, was sie erst realisieren ließ, dass sie wieder begonnen hatte, nervös mit ihren Händen rumzufummeln. Das hatte sie bereits damals getan, als sie noch ein Kind gewesen war und ihren Vater um Erlaubnis gebeten hatte, etwas zu tun, was er ihr sonst nie erlaubt hatte.

„Ich – Ich wollte dir noch danken.“, begann sie dann mit sanfter Stimme, als sie wieder zu ihm hinabschaute. Augenblicklich entspannte sie sich wieder, als ihre grünen Augen auf seine blauen trafen. Doch sie hielt inne, als sie ein kleines, vertrautes Leuchten in seinen Augen bemerkte und, Gott, liebte sie es.

Es ließ sie sich wohl fühlen, glücklich und beschützt, als wäre es der Nordstern, der auf sie herableuchtete und sie von all dem Bösen in der Welt schützte. Und, obwohl sie genau wusste, dass sich dies außerhalb seiner Kapazitäten befand, war er noch immer der erste Mann gewesen, der bekanntgegeben hatte, ihr in den Kampf zu wollen.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, „Danke, Huntsman, für –“ „Eric.“, unterbrach er sie jedoch sofort, seine Stimme – abermals – sanft und leise, wie sie nur wenige Leute je zu hören bekommen hatten, „Ich heiße Eric.“

Ihr Lächeln wuchs. Eric.

„Nun ja – also – ähm –“, fuhr sie dann fort, stoppte jedoch erneut, um ihre Gedanken sortieren zu können. Noch immer schaute er auf sie herab. Dieser Mann war wirklich – anders. Glücklicherweise hatte sie sich, während ihrer gemeinsamen Flucht, jedoch bereits damit vertraut gemacht, sodass es sie nun nicht mehr all zu sehr überraschte, wie es damals gewesen war. „Danke, Eric, für –“, versuchte sie es daraufhin erneut, jedoch bloß, um erneut von einem Gedankengang unterbrochen zu werden.

Sie hatte ihm für so vieles zu danken. Er hatte ihr das Leben gerettet, mehrmals und dabei sein eigenes auf’s Spiel gesetzt, er hatte sich gegen Ravenna und ihre Männer gewandt, dabei sein eigenes Leben riskiert und es ihr dennoch nie vorgehalten. Er hatte ihr beigebracht, sich selbst zu verteidigen, hatte sie praktisch unter seine Fittiche genommen. Her war zurückgekehrt, war geblieben, er hatte es ihr vergeben, ihm nichts von ihrer wahren Identität zu erzählen. Er hatte sie sich sicher fühlen lassen, beschützt, und doch auch stark und bewundernswert. Da gab es einfach so viel, für das sie ihm danken konnte – und sollte –, zu viel, alles, praktisch.

Als dieser Gedankengang jedoch letztendlich zu einem Ende kam, kehrte – abermals – ein Lächeln auf ihre Lippen zurück, dessen Verschwinden sie nicht einmal bemerkt hatte. Ihre Augen fokussierten sich indes wieder auf die seinen, als zwei simple und doch so vielsagende Wörter ihren Mund verließen, „für alles.“

Für einen kurzen Moment konnte sie schwören, dieses Leuchten in seinen Augen heller leuchten zu sehen. Während dieses jedoch so schnell wieder verschwand, wie es aufgetaucht war, blieb das Lächeln auf seinen Lippen und es wuchs sogar. Das ließ ihr Herz schneller schlagen. Er schritt dann auch noch auf sie zu, langsam und in kleinen Schritten, bis nur noch knappe fünfzig Zentimeter sie voneinander trennten. Dann sprach Eric, seine raue Stimme – wie so oft in ihrer Gegenwart – leise und sanft, „Alles für dich, Prinzessin.“

Dass er sie noch immer so nannte – wobei sie ja nun eine Königin war –, bestätigte ihre Vermutung, dass dies ein Spitzname war, den er ihr gegeben hatte, anstatt einer Formalität, um sie auf Distanz zu halten – oder zumindest war es das, worauf sie hoffte.

Als abermals eine angenehme Stille Einzug hielt, bemerkte sie, wie er ihr langsam noch näher kam, beinahe unbemerkbar, bis er so nahe war, dass sie seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht spürte und, überraschenderweise, roch dieser kein Bisschen nach Alkohol. Offenbar hatte er schon eine geraume Zeit lang nichts mehr getrunken, was sie, sowohl stolz, als auch glücklich machte.

Er konnte sich ändern.

Plötzlich, jedoch wurde die riesige Eichentür, durch die Snow White sich erst vor wenigen Minuten herausgeschlichen hatte, geöffnet, langsam und lautlos, wie sie es getan hatte. Heraus trat William. Nahezu schon automatisch wendeten sie ihre Augen voneinander ab und beobachteten stattdessen den Prinzen.

Dieser schaute sich eifrig um, offensichtlich auf der Suche nach seiner Kindheitsfreundin. Und damit war auch dieser wundervolle Moment beendet.

Snow White blickte für einen Moment auf den Boden, ehe sie wieder zu Eric hinaufschaute. Gerade legte sie ihre Hand sanft auf seine Brust, da rief William nach seiner Freundin, „Snow?“ Dabei war an dem Ton seiner Stimme offensichtlich, dass er sie bereits entdeckt hatte und sich nun vermutlich selbst die Frage stellte, in welche Situation er da hineingestolpert war.

Dies entlockte ihr ein leises Seufzen. Für einen kurzen Moment blickte sie zu dem Prinzen, ehe sie jedoch wieder in die all zu vertrauen, blauen Augen des Mannes vor ihr blickte. Sie musste gehen, sie wusste es. Warum auch immer, sie wusste genau, dass es das war, was jeder von ihr erwartete und, da sie nun einmal ihr selbstloses Selbst war, würde sie auch in diesem Moment die Erwartungen und Bedürfnisse ihre Leute und Freunde vor die ihren stellen, obwohl es ihr das Herz brach.

Einmal wollte sie selbstsüchtig sein, ein Mal, nur dieses eine Mal, aber – offensichtlich – war es genau das, was sie einfach nicht konnte.

„Auf Wiedersehen, Eric.“, flüsterte sie dann sanft, sich endgültig von ihrem Lebensretter und erstem Begleiter verabschiedend, ehe sie sich langsam auf ihre Zehenspitzen stellte, um ihm einen kurzen Kuss auf die Wange zurück, wobei sie ihre linke Hand reflexartig auf seine Schulter legte, um sich selbst zu stabilisieren. Ebenso, aus Reflex, legte er seine Hände an ihre Ellbogen, um sie zusätzlich zu stabiliseren.

Und erneut trieb eine kleine Geste, wie diese, ihr ein Lächeln auf die Lippen. Schon immer war er etwas überfürsorglich gewesen, doch auch das war eines der Dinge, die ihn – in ihren Augen – nur noch liebenswerter machte, auch, wenn andere ihm womöglich die Frage stellen würden, ob er noch ganz sauber tickte.

„Auf Wiedersehen, Prinzessin.“, gab er zurück, ebenso leise wie sie, als er ihre Arme langsam wieder losließ, da sie nun wieder sicher auf ihren Füßen stand und ihre Hand langsam wieder von seiner Schulter hob, „Es war mir ein Vergnügen.“

Und das war es, das letzte, was er sagte, ehe er sich an Snow White vorbeidrückte. Dabei schaute er sie jedoch nicht an, sondern nahm Vorlieb mit dem Boden unter seinen Füßen. Für einen Moment stand sie da und schaute ihm nach.

Als sie dann jedoch eine Bewegung aus ihrem Augenwinkel wahrnahm, wendete sie ihren Blick von ihm ab und schenkte stattdessen William ihre Aufmerksamkeit. Sie schritt auf ihn zu und zwang sich ein freundliches Lächeln auf. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, während er sie von Kopf bis Fuß scannte. Jedoch bekam er bloß ein halbherziges, nahezu genervtes, „Ja, es geht mir gut.“ zurück.

Die junge Königin kam dann einen guten Meter vor ihm zum Stehen und schaute zu ihm hinauf. Im nächsten Moment konnte sie jedoch einfach nicht anders und schaute über ihre Schulter, Eric nach. Als er den Raum verließ, wie er vor einer guten Stunde die Kirche verlassen hatte, füllten ihre Augen sich erneut mit Tränen. Doch selbst der Gedanke daran, dass sie ihm gedankt hatte und sie sich gebührlich voneinander verabschiedet hatten, brachte kein Stück Trost mit sich, entgegen dem, was sie sich erhofft hatte.

Ein warmer Arm, der sich m ihre Hüfte schlang, brachte sie zurück in die Realität. Es war gemeint als tröstende Geste, sie wusste es, und doch fühlte es sich einfach falsch an. „Wir sollten wieder rein gehen.“, schlug William vor, sein Gesicht nun nur noch wenige Zentimeter von dem ihren entfernt, sein Blick förmlich fixiert auf ihrem Gesicht, während ihre jedoch Eric folgten, jedem einzelnen Schritt, der ihn näher in Richtung der großen Holztüren brachte. Hilflos sah sie zu, wie er diese öffnete, hindurch schlüpfte und sie hinter sich wieder ins Schloss fallen ließ – und es brach ihr das Herz.

„Wir wollen nicht, dass die Anderen sich um uns sorgen, nicht wahr?“, fragte ihr Kindheitsfreund leise, was ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn lenkte. Sie schaute zu ihm hinauf und antwortete dann mit einem Nicken. Gemeinsam drehten sie sich um, um wieder in den Ballsaal eintreten zu können, wobei sein Arm noch immer um ihren Rücken geschlungen war. Und doch half es ihr kein Stück dabei, sich sicher zu fühlen. Kaum berührte Williams Hand dann jedoch das raue Holz der Tür, fühlte Snow White, wie ihr das Herz in die Hose rutschte. Sie blieb auf der Stelle stehen und starrte Löcher durch das massive Holtz.

Nein. Das war nicht das, was sie wollte. Sie wollte nicht, dass er fortging und, ebenso wenig, wollte – und konnte – sie so tun, als würde sie damit klarkommen, wenn es ihr – in Wirklichkeit – schlicht das Herz brach.

Der Prinz drehte sich wieder um und schaute seine Freundin fragend an, während er seine Hand langsam wieder zurückzog. Ihre Blicke trafen einander und sie legte ihre Hand auf seine Brust, was es ihr erlaubte, seinen beschleunigten Herzschlag auf ihrer Handfläche zu spüren. „Es tut mir leid, William.“, war das Einzige, was ihre Lippen verlassen wollte, ihre leise Stimme gefüllt mit Trauer und Schuld, „Aber ich kann das nicht.“

So sanft wie möglich, drückte Snow White ihren Freund weg von sich, was ihn dazu veranlasste, seinen Griff langsam wieder zu lösen. Gerade hatte sie ihm das Herz gebrochen, sie konnte es ihm ansehen. Und, obwohl es genau das gewesen war, das sie versucht hatte, zu vermeiden, so konnte sie es auch einfach nicht mit ansehen, wie Eric fortging und ihr Herz mit sich nahm.

Langsam trat sie nun zurück, noch immer zu William hinaufschauend, und schaute ihn entschuldigend an, ehe sie sich umdrehte und auf die riesige Tür zuging, durch die Eric vor wenigen Momenten erst verschwunden war.

Noch immer fühlte sie Williams Blick auf sich spüren, als sie die Tür langsam öffnete. Bevor sie jedoch hindurch schlüpfte, stoppte sie im Türrahmen und blickte zu ihrem Freund, sah jedoch bloß, wie die schwere Eichentür hinter ihm zufiel. „Es tut mir leid.“, seufzte sie, „Aber ich brauche ihn.“

Schnellen Schrittes folgte sie dem hohen und langen Gang, der – glücklicherweise – nicht all zu viele Abzweigungen besaß und lediglich einen Weg, der hinausführte. So dauerte es also nicht lange, bis sie an der letzten Abzweigung angelangt war. Wissend bog sie nach rechts, doch noch bevor sie das Ende des Ganges auch nur erblickte, vernahm sie eine vertraute Stimme, wenn auch nur als ein leises Flüstern.

„Du wirst sicher eine hervorragende Königin abgeben, Prinzessin.“

Und, erneut, hatte er es geschafft, ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Gerade konnte sie seine Silhouette in dieser Dunkelheit ausmachen, da sah sie, wie er sich umdrehte – vorher hatte er über seine Schulter nach hinten geschaut – und ihr somit, vermutlich unwissend, dass sie es war, den Rücken zuwendete.

„Eine Königin im Himmel und auf Erden...“, sprach sie sanft, ihren Weg fortführend, „Meinst du nicht, das wäre etwas zu viel verlangt?“ Für einen Moment stand er da, wie versteinert, ehe er sich jedoch langsam umdrehte und sie entsetzt anstarrte. Dieses Mal war sie diejenige, die sich langsam auf ihn zubewegte, als wäre er ein scheues Reh und genau so schaute er sie auch an, als sie ihn endlich erkennen konnte.

„Du – Du hast das – gehört?“, fragte er, vollkommen verwirrt, seine Stimme leiser, als sonst, nahezu schon zerbrechlich. Zunächst erwiderte sie nichts, da sie sich schlicht und einfach nicht sicher war, ob sie ihn denn nun gehört hatte oder nicht. Als sie dann aber einen guten Meter vor ihm zum Stehen kam und ihre Blicke einander trafen, sodass sie einander nun in die Augen blickten, machte es Klick. „Ja.“, nickte sie leicht lächelnd.

Sie hatte nie wirklich darüber nachgedacht, doch nun wurde ihr klar, dass es seine Stimme gewesen war. In dieser einen Nacht, die seit dem Sieg über Ravenna vergangen war, hatte sie überraschend gut geschlafen und doch nicht traumlos. Diese Sätze, ausgesprochen von einer vertrauten und noch nicht identifizierbaren Stimme, hatten ihr Gedächtnis seither nicht mehr ruhen lassen.

„Da liegst du nun, herausgeputzt, als wolltest du gleich aufwachen und mir noch mehr Kummer bereiten, oder? Verdient hättest du was besseres. Ich hatte eine Frau, Prinzessin. Sara war ihr Name. Ich kam von den Schlachtfeldern zurück und trug in mir den Gestank des Todes und den Zorn der Verlorenen. Ich war es gewiss nicht wert, gerettet zu werden, aber sie nahm es auf sich. Und ich liebte sie über alles. Ich liebte sie mehr, als irgendjemanden sonst. Dann ließ ich sie einen Moment allein und sie war tot. Und ich verkam wieder zu meinem wahren Ich, einem Mensch, der mir niemals wichtig war. Und dann traf ich dich. Du erinnerst mich in vielem an sie. Ihr Herz, ihre Tapferkeit. Aber jetzt hast auch du mich verlassen. Ihr beide habt besseres verdient und es tut mir leid, dass ich euch enttäuscht habe. Es tut mir so leid. Aber du wirst Königin im Himmel sein und dort neben den Engeln sitzen.“

„Du sagtest, du wärst es nicht wert, gerettet zu werden.“, stellte sie fest, ihre Stimme sanft und doch trocken, ihre Augen noch immer auf seinem Gesicht ruhend, während er, in der Zwischenzeit, auf den Boden geblickt und nicht wieder aufgeschaut hatte. „Ich bin es nicht wert, gerettet zu werden.“, sprach er daraufhin, ihr nun endlich wieder in ihre Augen blickend, seine nun glänzend, was den Tränen zu schulden war, die sich dort gebildet hatten – und, wie es schien, glaubte er tatsächlich, was er da gerade gesagt hatte.

Das wiederum löste in ihr das Verlangen aus, ihn solang anzuschreien, bis sie diesen Blödsinn aus seinem Gehirn bekommen hatte, doch ebenso spürte sie das Verlangen danach, ihn zu umarmen. Dies ließ einen anderen Gedanken wieder zurückkehren.

„War ich es wert, gerettet zu werden?“

Als wäre sie gerade von einem Pfeil durchschossen worden, starrte er sie an, seine Augen geweitet vor Überraschung, die Augenbrauen fragend zusammengekniffen und der Mund leicht geöffnet. „Ja.“, erwiderte er dann, der Schock deutlich aus seiner rauen Stimme herauszuhören, die jedoch immer auch etwas sanftes an sich zu haben schien, wenn er mit ihr sprach, „Ja, natürlich.“

Obwohl diese Antwort alles andere als unerwartet war, spürte Snow White ihr Herz schneller schlagen und ihre Augen förmlich aufleuchten. Langsam erhob sie ihre Hand, bis ihre Handfläche auf dieser ruhte. Mit ihrem Daumen strich sie über seine raue Wange, als sie spürte, wie ihre Handfläche zu kitzeln begann. Das kleine, aufmunternde Lächeln auf ihren Lippen wuchs ein Wenig, als ihr Herz dieses Gefühl begrüßte.

„Warum solltest du es dann nicht sein?“

Zunächst weiteten seine Augen sich, ehe sich dann ein überraschend schüchternes und doch durch und durch glückliches Lächeln den Weg auf seine Lippen bahnte. Er war überrascht, offensichtlich. Dieser wunderbare Moment, ebenso, wie die angenehme Stille, die nun wieder Einzug hielt, schien sich über Stunden zu erschrecken – angenehme Stunden –, doch dann wurde dieser je unterbrochen.

Sanft legte Eric seine Hand über die ihre, streichelte sie sogar, seine Augen noch immer nicht von ihr abwendend. Dann jedoch, schaute er wieder auf den Boden hinab und sein Griff um ihre Hand verfestigte sich ein Wenig, was sie zunächst als eine freundliche Geste wertete.

Im nächsten Moment jedoch ließ er seine Hand langsam sinken und zog ihre mit. Und doch schien er sie nicht loslassen zu wollen, denn nun hielt er ihre Hand sanft in seiner, noch immer sanft über ihren Handrücken streichend. Dann sprach er, seine Stimme tief und sanft, Trauer deutlich herauszuhören, „Das weißt du doch schon.“

Als er ihre Hand dann jedoch doch losließ, sich umdrehte und seine große Axt ergriff, die er immer im Kampf verwendet hatte, brach ihr Herz erneut.

Sie wollte nicht, dass er ging, doch noch viel wichtiger war ihr, dass er nicht von seiner Trauer und seinen Schuldgefühlen übermannt wurde.

Nahezu schon reflexartig ergriff Snow White seine Schulter und gab ein leises, sanftes, „Eric.“ von sich, in der Hoffnung, es würde ihn beruhigen. Plötzlich jedoch drehte er sich um, was ihre Hand von seiner Schulter gleiten und sie für einen kurzen Moment zusammenzucken ließ. Seine Hand umgriff den Holzschaft seiner Waffe nur noch stärker, während seine vor Wut blitzenden Augen ihre praktisch durchbohrten, was ihr jedoch nichts mehr ausmachte, da sie gelernt hatte, dass diese Augen schlicht Trauer und Schuld in sich zu verbergen versuchten.

„Ich ließ sie sterben!“, schrie er, was die junge Frau vor ihm jedoch keineswegs beeindruckte, denn sie hatte gelernt, welch Trauer sein Herz beherbergte und mit welcher Schuld er seit dem Tod seiner Frau leben musste. Sie fühlte mehr Mitgefühl für, als Angst vor ihm. „Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen.“, murmelte er daraufhin, nun wieder beschämt auf den Boden blickend.

Das Adrenalin, das der Schock verursacht hatte, verließ ihren Körper so schnell wieder, wie es gekommen war und auch ihr Herzschlag verlangsamte sich wieder auf ein normales Tempo. Ersetzt wurden Adrenalin und Schock durch Trauer, Trauer, die sie aufgrund seiner Trauer, mit der er wohl schon eine geraume Zeit hatte leben müssen, verspürte. Sanft sprach sie dann, ihre ohnehin schon sanfte Stimme nun beinahe nur noch ein leises Wimmern, „Mich hast du gerettet.“

Dann, jedoch, blieb sie still. Sie brauchte einen Moment, um sich selbst wieder zu beruhigen, um stark für ihn sein zu können. Denn er brauchte sie jetzt und sie würde für ihn da sein, auch, wenn das bedeutete, sich erst einmal durch seine harte Schale kämpfen zu müssen. Nun wieder ruhig, formten ihre Lippen sich zu einem kleinen Lächeln, während die Tränen, die sich unwissentlich wieder in ihren Augen gebildet hatten hingegen, wurden nur noch schwerer und liefen nun Gefahr, ihren Augen zu entkommen. Und doch blieb sie stark. Erneut erhob sie ihre Hand, um sie sanft an seine Wange zu legen, vorsichtig, als sei er eines der kleinen Häschen, die sie früher, als Kind, immer gestreichelt hatte.

Und, dieses Mal, zog er sich nicht zurück, ebenso wenig hob er seine Hand. Im Gegenteil, er genoss ihre sanfte Berührung und schloss sogar seine Augen für einen kurzen Moment, was ihr wiederum ein leichtes Lächeln auf die Lippen trieb und ihr Herz erwärmte. Auch ließ es ihre Tränen langsam wieder verschwinden. Langsam beruhigte auch er sich wieder, sie konnte es förmlich unter ihrer Handfläche spüren. Doch erneut erschrak sie für einen Moment, als ein überraschend lauter, dumpfer Knall zu hören war, herrührend von der schweren, großen Axt, die Eric aus seiner nun wieder entspannten Hand hatte gleiten lassen.

Kaum einen Moment später jedoch, wurde sie in starke, beschützende Arme gezogen. Zunächst stand sie stocksteif da, vollkommen schockiert und überrascht, doch auch dieser verschwand wieder so schnell, wie er gekommen war. Ersetzt wurde er durch die Wärme des großen, muskulösen Körpers, gegen den gepresst sie dastand. Langsam schlang sie ihre kleinen Arme um seinen Rücken und begann, beruhigend auf und ab zu streichen, als ein breites, glückliches Grinsen sich den Weg auf ihre Lippen bahnte.

Seine Arme wiederum waren um ihre Schultern geschlungen, was es ihm ermöglichte, sie so nah an sich heranzudrücken, wie nur möglich. Plötzlich spürte sie jedoch eine riesige Welle von Trauer auf sie einströmen, nun, da sie die Sicherheit verspürte, den Schutz, den sie, seit dem Tod ihres Vaters, von niemandem hätte bekommen können.

Der Tod ihrer Mutter. Der Tod ihres Vaters. Ihre zehn Jahre lang anhaltende Gefangenschaft. Ravenna. Diese kalten Augen, mit denen sie sie angestarrt hatte, als sie – ein acht Jahre altes Mädchen – in ihres Vaters Schlafzimmers Türrahmen gestanden und ihn erblickt hatte, wie er da gelegen hatte, auf seinem Bett, tot, einen Dolch im Herzen. All diese Schreie, diese schrecklichen Schreie, die man im gesamten Palast hatte hören können, dicht gefolgt von Ravennas bösartigem Lachen. Die einfühlsamen Blicke, die Ravennas Bruder, Finn, ihr hin und wieder geschenkt hatte, bloß, um darauf ihre Zelle zu betreten und ihre Unschuld erneut zu betrügen.

Aufgrund dieser Welle an Emotionen und Erinnerungen füllten ihre Augen sich erneut mit Tränen und dieses Mal würde sie sie nicht zurückhalten. Schnell genug entkam die erste Träne und rollte ihre Wange hinab, langsam, nahezu schon verspottend. Sie schloss ihre Augen und kurz darauf entwich ihr ein leises Seufzen.

Ohne es wirklich wahrzunehmen, hörte sie auf, ihm den Rücken zu streichen und umklammerte ihn stattdessen so fest, als würde ihr Leben davon abhängen. Während sie praktisch spürte, wie ihre kurzen Fingernägel sich durch den dicken Stoff seiner Kleidung bohrten, taten sie es in Wahrheit nicht.

Und dennoch schien er ihren plötzlichen Emotionsumschwung zu bemerken, denn er zog sie nur noch näher an sich heran, sich ebenfalls an ihr festklammernd, als würde sein Leben davon abhängen. Doch nun fielen auch seine Tränen und durchweichten den überraschend dünnen Stoff des wunderschönen Kleides, das sie trug, sein Gesicht nun vergraben in ihrer Halsbeuge. Ihre Wange wiederum war gepresst gegen seine Brust. Die Lederweste, die er trug, erlaubte es ihren Tränen jedoch nicht, seine Kleidung ebenso zu durchweichen.

Genau so standen sie also da, einander so fest umarmend, wie nur möglich, einander den Trost spendend, der ihnen beiden für so lange verwehrt worden war, all ihren Tränen nun endlich freien Lauf lassend und zwar in vollkommener Stille, einer angenehmen Stille.

Nach einer langen, langen Zeit, öffnete sie jedoch langsam ihre Augen, ihre Wangen nun bedeckt mit einer dicken, salzigen Schicht von Tränen. Einen Moment lang erkannte sie rein gar nichts, da die restlichen Tränen ihre Sicht verschwimmen ließen. Ziemlich schnell klärte ihre Sicht sich jedoch wieder und sie erhob langsam ihren Kopf. Im gleichen Moment hob auch Eric seinen Kopf wieder und auch seine Wangen waren bedeckt mit einer dicken Tränenschicht.

Einige Momente später war die Umarmung auch schon wieder beendet und doch trennten sie nur noch wenige Zentimeter. Wie automatisch trafen ihre Augen aufeinander und sie blickten in die noch immer mit Tränen gefühlten und doch wieder glücklichen Augen des Anderen. Langsam legte sie ihre Hände an seine Wangen, sodass sie nun sein Gesicht in den Händen hielt, was ihm ein leichtes Lächeln auf die Lippen trieb, was wiederum ebenso eines auf den ihren erscheinen ließ.

Auch dieses Mal genoss Eric diese sanfte Berührung. Abermals entspannte er sich komplett und ließ sogar seine Augenlider langsam zufallen, öffnete sie jedoch sofort wieder, als er spürte, dass sich eine kleine, letzte Träne den Weg seine Wange hinabbahnte, jedoch bloß, um sofort von Snow Whites sanftem Daumen weggewischt zu werden, ebenso, wie die anderen, bereits halbgetrockneten Tränen, die noch auf seinen Wangen ruhten. Und doch nahm sie das kleine Lächeln war, das sich auf seinen Lippen bildete.

Langsam, wie sie zuvor, hob nun auch er seine Hand, um diese an ihre Wange zu legen. So begann auch er, die getrockneten Tränen auf ihrer Wange mit seinem rauen Daumen und doch sanften Bewegungen zu trocknen. Sie genoss seine Berührung ebenso, wie er die ihre. Verträumt schauten sie einander in die Augen. Als dann jedoch ein anderer, weitaus unangenehmere Gedanke sich wieder bemerkbar machte, hielt sie die Stille nicht mehr aus.

„Und ich war es gewiss nicht wert, gerettet zu werden.“

„Du bist es wert, gerettet zu werden, Eric.“

Sofern sie es erkennen konnte – da ihre Augen noch immer auf die seinen fixiert waren –, wuchs sein Lächeln und auch seine Augen strahlten voller Freude, nahezu schon wie die eines kleinen Kindes. Dies ließ ihr Herz höher schlagen, was seins ohnehin schon tat. Erneut trat Stille ein, eine angenehme Stille, in der sie für eine Zeit verweilten,

Bis Eric seine Stimme erhob, sanft, wie sie sie noch nie zuvor gehört hatte, das Leuchten in seinen Augen nun nur noch heller,

„Dann rette mich, Prinzessin.“

Für einen kurzen Moment hörte ihr Herz auf, zu schlagen, ihre Hände jedoch verweilten an seinen Wangen, ebenso wie seine linke an ihrer. Doch bereits im nächsten Moment spürte Snow White, wie kräftig ihr Herz schlug, drohend, ihr aus der Brust zu springen. Sie bekam keinen Murks heraus, nichts, rein gar nichts. Ihr Atem stockte und es fühlte sich an, als hätte sie eine Kröte im Hals. Ziemlich schnell jedoch schien ihr Herz sich wieder zu beruhigen, sodass es nun wieder in seinem normalen Rhythmus schlug und doch bekam sie noch immer kein Wort heraus.

Auch kehrte ihr Lächeln nun zurück, mehr Freude ausdrückend, als er es zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Kurz darauf begann sie wieder, mit ihrer rechten Hand über seine Wange zu streichen, ließ ihre linke jedoch langsam von seinem Gesicht gleiten, jedoch bloß, um sie stattdessen auf seine Schulter legen zu können. Schon stellte sie sich langsam auf ihre Zehenspitzen, doch er unterbrach sie, indem er sich zu ihr hinunterbeugte, sodass ihre Gesichter nun nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, ihre Augen noch immer fixiert auf die des Anderen. Dann spürte sie, wie er einen seiner Arme um sie schlang, seine große, warme Hand ruhte nun auf ihrem Rücken, als wolle er sie noch immer beschützen. Weiterhin begann nun auch er wieder, ihr mit dem Daumen über die Wange zu streichen.

Einen kleinen Moment später spürte sie seinen warmen Atem auch schon auf ihrem Gesicht und erneut entlockte ihr der nicht vorhandene Alkoholgeruch ein Lächeln. Gerade schlossen ihre beider Augen sich wie von allein, da trafen ihre Lippen auch schon aufeinander und beide explodierten förmlich vor Freude, während sie alles andere um sie herum nun nur noch verschwommen wahrnahmen.
 
 
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