Der feuerrote Geisterbahnwagen
Kurzbeschreibung
Herkules, Lisa, Karl-Heinz Ludwig und Monika, die Nachfolger und heimlichen Doppelgänger von TKKG sind auf der Suche nach Lisas verschwundener Freundin, die eines Tages in einen scheinbar verfluchten Geisterbahnwagon einstieg und seitdem nie mehr gesehen wurde...
GeschichteKrimi, Parodie / P12 / Gen
OC (Own Character)
21.03.2021
21.03.2021
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21.03.2021
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Was Monika nicht bedacht hatte, als sie die geniale Idee hatte, doch alle Uhren vor zu stellen, war, dass die Uhren weiterhin vorgingen. Und dass das hieß, dass für Frau Chinga-Changa auch viel früher Morgen war, als für sie. Die vier Freunde hatten sich kaum für eine Stunde hingelegt, Monika war noch nicht einmal eingeschlafen, als Chinga-Changa schon herein kam, das Licht wieder einschaltete und sie alle wach rüttelte. Dass es draußen so dunkel war, schien sie auf den Smog zu schieben und überhaupt nicht seltsam zu finden. „Aufauf, Kindel! Keine Müdigkeit volgeschützt! Ihl habt lange genug geschlafen!“ Sie riss Karl-Heinz und Monika die Decke weg und dann die Decken der beiden Kinder, die oben lagen. Müdigkeit war gar kein Ausdruck, sie alle waren total erledigt. Warum um alles in der Welt hatten sie auch so lange aus bleiben müssen, nur für ein heimliches Rondewuuu, das sie alle nur in Schwierigkeiten brachte, dachte Moni verärgert. Keiner setzte sich in Bewegung. Das machte Chinga-Changa wütend. „Was muss ich sehen? Kall-Heinz, wenn ich das deinem Vatel elzählen muss!“, sagte sie erbost und packte Lisa mit großem Schwung und stellte sie vor sich auf den Boden. Sie schien die Kinder nach wie vor nicht auseinander halten zu können, ohne die Namenschilder. Fast wäre Lisa einfach umgekippt und in Karl-Heinz Bett gefallen, doch Chinga-Changa hielt das Mädchen gut fest, schüttelte es tüchtig wach und schob es dann mit einem kräftigen Ruck zur Badezimmertür, während sie ihr nachrief: „Mach deinen Vatel stolz Kall-Heinz!“ Dann packte sie den richtigen Karl-Heinz und wuchtete ihn ebenfalls mit einer unfassbaren Leichtigkeit aus dem Bett, wobei sie sagte „Kleine Monika, sei deinel gloßen Schwestel ein Volbild und mach dich schon mal feltig!“ Wäre Karl-Heinz nicht so erschöpft gewesen, wäre das sicher einer der wenigen Momente gewesen, in denen ein Schinkenheinz wirklich ausrastet. Dann rüttelte sie Monika wach mit den Worten „Siehst du, deine Schwestel ist schon auf, jetzt abel los, Lisa!“
Es war reiner Zufall, dass sie den todmüden Herkules tatsächlich als Ali Babel ansprach, doch der schien das gar nicht wahrzunehmen. Wenig später saßen sie beim Frühstück. Weißwürste und Brezen. Niemand bekam auch nur einen Bissen davon herunter, alle sehnten sich nach einem Bett, manche sogar nach einem Sarg. Doch daran war nicht zu denken, denn Chinga-Changa hatte für sie eine Stadtführung vorbereitet.
Inzwischen war es neun Uhr morgens und die Stadtführung war endlich vorbei. Herkules hatte das Gefühl, als wäre es schon neun Uhr abends und als hätte er einen unglaublich langen und anstrengenden Tag hinter sich. Die Freunde standen wieder vor der Fabrik, nur diesmal war es früher Vormittag. Er hatte das Gefühl, hier noch nie gewesen zu sein, als wäre jener Ort eine völlig andere, magische Welt gewesen, in die er nun unmöglich zurückkehren konnte. Es war so schön gewesen. Sie hatten über sehr tiefgründige, kluge Dinge gesprochen und es war so ein verheißungsvoller, klarer Sommerabend gewesen. Dann hatte er alles ruiniert, er hatte sich von seinen Gefühlen überrumpeln lassen und hatte sie einfach geküsst. Das war doch nicht das, was ein Gentleman tun sollte. Der Grund, warum er Lisa nicht mehr in die Augen schauen konnte, war, weil er sich darin spiegelte und seinen eigenen Anblick nicht ertragen konnte. Bestimmt hatte sie keine Gefühle für ihn übrig, sie war so wunderschön und zart wie eine Fee, manchmal hatte er das Gefühl, sie stand einfach über allem und konnte überhaupt nicht verknallt sein in irgendeinen dummen 13-jährigen Jungen. Und er, was machte er? Er hatte sich ihr einfach so offenbart, seine Gefühle einfach freigelegt, das war unverzeihlich. Und was noch schlimmer war, jetzt hing er in Gedanken versunken seinen Gefühlen nach, dabei hatte er einen wichtigen geheimen Auftrag zu erledigen. Bei Lisa sah es ziemlich anders aus, bei ihr waren es nicht Schuldgefühle, sondern vollkommene Verwirrung. Wer hätte denn glauben können, dass Herkules sich tatsächlich für sie interessierte. Aber tat er das überhaupt? Er hatte sie immerhin geküsst! Aber warum hatte er si geküsst, war das ein Test, ein Spiel, eine Wette, was ging wohl vor in ihm. Und was zum Richter ging vor mit ihr? Warum spürte sie den ganzen Tag über dieses Flattern in ihrem Herzen, warum konnte sie Herkules nicht mehr ansehen, ohne rot zu werden? War sie etwa verliebt? Und was bedeutete es, verliebt zu sein? Wie lange mochte es etwa dauern, war es vielleicht bald schon vorüber und vergessen? Und konnte es sein, dass er das Gleiche für sie empfand? Immer wieder ertappte sie sich dabei wie sie verwirrt um sich schaute und sich fragte, wie sie hier her gekommen war, nach Peking und was sie hier sollte, und jedes Mal brauchte sie einen Augenblick bist es ihr wieder einfiel.
Karl-Heinz war einfach nur enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass er so oft ausgeschlossen war weil er dick und langsam war und das obwohl sie eigentlich so oft auf ihn angewiesen waren, weil niemand in der Gruppe so klug war wie er. Vor allem aber war er enttäuscht darüber, dass er offensichtlich bei Lisa keine Chance hatte und dass das, wovon er sich immer versucht hatte einzureden, es sei nicht wirklich, tatsächlich existierte: Herkules und Lisa, das Alpha-Männchen und das Alpha-Weibchen hatten Gefühle füreinander. Aber eigentlich, und das machte ihn wütend, wenn man nicht Muskelstärke sondern Geistesstärke zählen würde, war er das Alpha-Männchen. Auf lange Sicht betrachtet, er hatte sich das beste Weibchen verdient, warum war die Welt nur so ungerecht? Dachten die etwa, es war einfach, abzunehmen? Seit er denken konnte, war er dick gewesen, er kannte nichts anderes. Lisa verdiente einen klugen, erfolgreichen Mann, der ihr viel bieten konnte und nicht so einen Muskelprotz. Er war zudem sauer auf Herkules, weil er es ihm nicht selbst gesagt hatte, es stand ihm zu, es zu wissen. Monika hatte er vollkommen ignoriert, im Moment spielte sie keine Rolle für ihn sondern war nur eine Randfigur, eine Dekoration, so etwas wie ein Blumentopf. Und Monika ihrerseits war über die gefühlsüberladene Stimmung in der Gruppe wütend, sie war auf sich selber wütend, dass ihr Karl-Heinz Desinteresse so weh tat, denn das brachte sie nicht weiter, es gab hier wichtigeres zu tun, sie mussten diese verdammte Jessica suchen, die sie noch nie gesehen hatte und der es jetzt bestimmt beschissener ging als ihnen allen zusammen. Außerdem hasste sie es, dass in Karl-Heinz Utopiewelt, in der Welt, die er sich wünschte, sie, Monika seine Schwägerin wäre. Sie wollte aber keine Schwägerin sein, sie kannte ihre Schwester zu gut um zu wissen, dass diese hohlköpfige Sportskanone super zu ihr passte und dass Schinkenheinz viel zu gut für sie war. Sie war auch wütend auf die beiden Turteltäubchen, weil sie es sich so schwer machten. Jeder der Augen im Kopf hatte, sah dass sie zueinander passten und dass sie auch Gefühle füreinander hatten, wozu mussten gerade sie beide jetzt ein Drama anfangen? Die einzigen beiden tragischen Gestalten waren sie selber und Karl-Heinz.
Seltsamerweise stand das Tor tagsüber offen. Man konnte unbehelligt eintreten und über den Platz laufen. Gerade wollten die vier verschlafenen Freunde eintreten, als Monika innehielt und „Seht mal!“, rief, wobei sie in eine ganz andere Richtung, von der Fabrik weg zeigte. Die Freunde suchten mit den Augen worauf sie zeigte. Es war- Tante Margit mit: sechs kleinen Marsmenschlein. Es war schon wieder einer verschwunden. Ohne ein Wort zu sagen verwandelte sich Monika in einen Wolf, um die Gruppe schneller einzuholen. Beinahe hätte sie Tante Margit überrannt, doch sie fing sich im letzten Moment und verwandelte sich zurück. Seltsamerweise hatte niemand in der Gruppe sich erschreckt. „Hallo, Monika. Achmad hat von dir erzählt.“, sagte Tante Margit. An ihrer Stimme war keine Gefühlsregung zu erkennen. Inzwischen waren Herkules, Lisa und Karl-Heinz, auch keuchend zu ihnen hinzugestoßen.
„Ja. Was…macht ihr hier, wollt ihr auch zur Fabrik?“
„Dort waren wir schon. Gestern Nacht. Yasmine hat im Lagerraum einen Stapel Dosensuppe umgeworfen. Seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen. Sie hat sich da drinnen wohl verlaufen.“
Herkules und Lisa schluckten und wurden rot bis unter die Haarwurzeln. Während sie sich dort ganz allein glaubten und ein bisschen, naja…angebändelt hatten, waren die ganze Zeit die sieben kleinen Marsmenschlein, einschließlich Tante Margit auf dem Gelände unterwegs gewesen und hatten nach Alina gesucht?
„Und? Habt ihr sonst was gefunden?“, fragte Monika ungerührt.
„Allerdings“, sagte Margit und reichte Monika einen Frischhaltebeutel mit einem Zigarettenstummel darin. Lisa riss ihn ihr aus der Hand und schrie: „Das ist die Marke, die Jessica immer raucht.“
Margit nickte bedächtig. „Gut möglich, die Marke gibt es nur in Europa. Die Zigarette mag vor ein, zwei Tagen geraucht worden sein, also so lange ist es nicht her. Jedoch haben wir weder Alina, noch eure Jessica gefunden.“
„Wir werden uns noch einmal umsehen.“, sagte Herkules und versuchte, die gewohnte Selbstsicherheit in seiner Stimme mitschwingen zu lassen.
Margit nickte erneut. „Wir haben noch etwas Wichtiges vor. Bestimmt begegnen wir uns wieder.“, sagte sie und ging. Diesmal war Herkules erleichtert, als sie endlich verschwand.
„Also, mes amis“, sagte er steif, „lasst uns nochmal das Gelände absuchen.“
Karl-Heinz Ludwig hatte die nächtlichen Stunden, in denen er untätig auf seine Freunde warten musste, dazu genutzt, notdürftig Mandarin zu lernen. Daher fanden die Freunde schnell heraus, dass das, was Lisa am vorherigen Tag, oder sollte man sagen, vor wenigen Stunden als „Produktionsgebäude“ bezeichnet hatte, in Wirklichkeit das Verwaltungsgebäude war und dass es sich bei dem vermeintlichem Personalgebäude um ein Lagerhaus handelte. Herkules und Lisa waren peinlich berührt. Tagsüber sah das Ganze gar nicht so romantisch aus. Und was sie da beim Küssen so erschreckt hatte, das war ein Marsmenschlein gewesen, das einen Stapel Konservendosen umgestoßen hatte und seitdem als verschollen galt. Sie wollten sich weiter umsehen, als plötzlich ein lächelnder Chinese in Anzug hinter ihnen stand. „Dalf ich Sie flagen, liebe deutsche Toulisten, was Sie hiel zu suchen haben?“ Obwohl er so höflich war, klang seine Stimme bedrohlich. Wider Erwartung hatte Schinkenheinz vorausgeplant. Er zeigte auf das chinesische Zeichen auf seinem Namensschild und sagte: „Ich bin Kall-Heinz Ludwig, del Sohn von Johann Flank Ludwig, ich bin hiel, um in ihlem Betlieb die Sichelheit zu übelplüfen.“
Was man wissen musste, und was KHL sich hier zu Nutzen machte, war die Tatsache, dass es in China extrem unhöflich ist, ein direktes Nein auszusprechen. Sofern ein Chinese eine Bitte abschlagen musste oder wollte, sagte er Dinge wie „Das könnte schwielig sein“ oder „Ich welde es velsuchen!“ aber er sagte niemals „Nein.“ Oder „Das ist nicht möglich.“ Der Name Johann Frank Ludwig war auf der ganzen Welt geläufig, nur war Schinkenheinz Vater dann doch nicht so einflussreich, als dass man mit dem Namen etwas anfangen konnte. Es wollte aber nie jemand zugeben, dass er im Moment nicht parat hatte, wofür der Mann eigentlich bekannt und zuständig war.
„Das könnte schwielig welden, mein Hell, abel ich welde es velsuchen.“, sagte der Mann verunsichert.
Karl-Heinz Ludwig lächelte ebenso höflich wie der Chinese: „Ich welde es meinen Vatel wissen lassen.“
Die schlitzförmigen Augen des Chinesen weiteten sich auf Spiegeleigröße.
„Abel nein, bitte bitte, tleten Sie doch ein, nehmen Sie Ihle Bediensteten doch mit.“ Herkules und Lisa waren gekränkt, dass man sie für Karl-Heinzs Bedienstete hielt, doch immerhin gewährte man ihnen Einlass, das war das wichtigste. Sie wurden durch das Verwaltungsgebäude hindurch in einen verstecken Innenhof geführt, wo sie eine Treppe hinaufsteigen, über eine Terrasse gingen, einen Fahrstuhl nach unten fuhren und dann einem langen Gang folgten, an dessen Ende sich eine Tür befand. Hinter dieser Tür befand sich eine riesengroße Halle mit vielen Maschinen an denen Menschen mit Mundschutz arbeiteten und Teile von Krokodilen herstellten. Einige machten Beine, andere machten Augen, wieder andere Mäuler und Zähne und wieder andere Schwänze. Gemächlich zog KHL seine Runden, wie ein Kaiser, der durch seine Lustgärten wandelt, während seine „Diener“ mehr oder weniger wach hinter ihm her trotteten und verzweifelt versuchten, aufmerksam zu sein. Der Chinese im Anzug folgte ihnen nervös lächelnd und schaute im Sekundentakt nach links und nach rechts. Doch trotz Mundschutz konnte niemand von ihnen Jessica sein. Niemand hatte lockige Haare, alle Männer und Frauen hatten glattes, schwarzes Haar und waren Chinesen. Zwar wirkten die Arbeiter allesamt gestresst, doch konnten sie beim besten Willen niemanden entdecken, der jünger als 18 aussah.
„Haben Sie in letztel Zeit neue Mitarbeiter engagiert, Hell…“
„Hell Ching. Ja. Diese dlei jungen Flauen sind neu.“
Er zeigte auf drei Frauen, die von einem jungen Mann im Zusammenbauen von Krokodileinzelteilen eingelernt wurden. Eine mochte etwa 18 Jahre alt sein und hatte blond gefärbte Haare und blaue Augen. Die zweite Person war ein tapsiges Pandaweibchen, bei der man kein Alter feststellen konnte und die gerade ein Krokodil mit sechs Beinen zusammenbaute. Die dritte Person sah aus wie Mitte Dreißig und hatte kurzes schwarzes Haar. Das gab keinen Sinn. Sie mussten sie hier versteckt halten, doch wo? Die Hirne der Freunde arbeiteten auf Hochtouren. Da plötzlich hatte Schinkenheinz wieder eine Idee. Er entdeckte eine Abteilung in der sie sehr lebensecht aussehende Krokodilskostüme aus Plastik fertigten. „Mit wem haben Sie zuletzt gehandelt, Hell Ching?“
„Mit einem Filmproduzenten aus Ägypten Stifin Sbilbirgh. El wollte 4000 diesel Klododilskostüme bestellen. Will kommen kaum mit del Ploduktion hintelhel, ich flage mich ob es fül ihn nicht günstigel wäle mich echten Klokodilen zu filmen.“
KHL lächelte. „Ach so ist das? Elzählen Sie mehl davon, Hell Ching.“
Es war reiner Zufall, dass sie den todmüden Herkules tatsächlich als Ali Babel ansprach, doch der schien das gar nicht wahrzunehmen. Wenig später saßen sie beim Frühstück. Weißwürste und Brezen. Niemand bekam auch nur einen Bissen davon herunter, alle sehnten sich nach einem Bett, manche sogar nach einem Sarg. Doch daran war nicht zu denken, denn Chinga-Changa hatte für sie eine Stadtführung vorbereitet.
Inzwischen war es neun Uhr morgens und die Stadtführung war endlich vorbei. Herkules hatte das Gefühl, als wäre es schon neun Uhr abends und als hätte er einen unglaublich langen und anstrengenden Tag hinter sich. Die Freunde standen wieder vor der Fabrik, nur diesmal war es früher Vormittag. Er hatte das Gefühl, hier noch nie gewesen zu sein, als wäre jener Ort eine völlig andere, magische Welt gewesen, in die er nun unmöglich zurückkehren konnte. Es war so schön gewesen. Sie hatten über sehr tiefgründige, kluge Dinge gesprochen und es war so ein verheißungsvoller, klarer Sommerabend gewesen. Dann hatte er alles ruiniert, er hatte sich von seinen Gefühlen überrumpeln lassen und hatte sie einfach geküsst. Das war doch nicht das, was ein Gentleman tun sollte. Der Grund, warum er Lisa nicht mehr in die Augen schauen konnte, war, weil er sich darin spiegelte und seinen eigenen Anblick nicht ertragen konnte. Bestimmt hatte sie keine Gefühle für ihn übrig, sie war so wunderschön und zart wie eine Fee, manchmal hatte er das Gefühl, sie stand einfach über allem und konnte überhaupt nicht verknallt sein in irgendeinen dummen 13-jährigen Jungen. Und er, was machte er? Er hatte sich ihr einfach so offenbart, seine Gefühle einfach freigelegt, das war unverzeihlich. Und was noch schlimmer war, jetzt hing er in Gedanken versunken seinen Gefühlen nach, dabei hatte er einen wichtigen geheimen Auftrag zu erledigen. Bei Lisa sah es ziemlich anders aus, bei ihr waren es nicht Schuldgefühle, sondern vollkommene Verwirrung. Wer hätte denn glauben können, dass Herkules sich tatsächlich für sie interessierte. Aber tat er das überhaupt? Er hatte sie immerhin geküsst! Aber warum hatte er si geküsst, war das ein Test, ein Spiel, eine Wette, was ging wohl vor in ihm. Und was zum Richter ging vor mit ihr? Warum spürte sie den ganzen Tag über dieses Flattern in ihrem Herzen, warum konnte sie Herkules nicht mehr ansehen, ohne rot zu werden? War sie etwa verliebt? Und was bedeutete es, verliebt zu sein? Wie lange mochte es etwa dauern, war es vielleicht bald schon vorüber und vergessen? Und konnte es sein, dass er das Gleiche für sie empfand? Immer wieder ertappte sie sich dabei wie sie verwirrt um sich schaute und sich fragte, wie sie hier her gekommen war, nach Peking und was sie hier sollte, und jedes Mal brauchte sie einen Augenblick bist es ihr wieder einfiel.
Karl-Heinz war einfach nur enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass er so oft ausgeschlossen war weil er dick und langsam war und das obwohl sie eigentlich so oft auf ihn angewiesen waren, weil niemand in der Gruppe so klug war wie er. Vor allem aber war er enttäuscht darüber, dass er offensichtlich bei Lisa keine Chance hatte und dass das, wovon er sich immer versucht hatte einzureden, es sei nicht wirklich, tatsächlich existierte: Herkules und Lisa, das Alpha-Männchen und das Alpha-Weibchen hatten Gefühle füreinander. Aber eigentlich, und das machte ihn wütend, wenn man nicht Muskelstärke sondern Geistesstärke zählen würde, war er das Alpha-Männchen. Auf lange Sicht betrachtet, er hatte sich das beste Weibchen verdient, warum war die Welt nur so ungerecht? Dachten die etwa, es war einfach, abzunehmen? Seit er denken konnte, war er dick gewesen, er kannte nichts anderes. Lisa verdiente einen klugen, erfolgreichen Mann, der ihr viel bieten konnte und nicht so einen Muskelprotz. Er war zudem sauer auf Herkules, weil er es ihm nicht selbst gesagt hatte, es stand ihm zu, es zu wissen. Monika hatte er vollkommen ignoriert, im Moment spielte sie keine Rolle für ihn sondern war nur eine Randfigur, eine Dekoration, so etwas wie ein Blumentopf. Und Monika ihrerseits war über die gefühlsüberladene Stimmung in der Gruppe wütend, sie war auf sich selber wütend, dass ihr Karl-Heinz Desinteresse so weh tat, denn das brachte sie nicht weiter, es gab hier wichtigeres zu tun, sie mussten diese verdammte Jessica suchen, die sie noch nie gesehen hatte und der es jetzt bestimmt beschissener ging als ihnen allen zusammen. Außerdem hasste sie es, dass in Karl-Heinz Utopiewelt, in der Welt, die er sich wünschte, sie, Monika seine Schwägerin wäre. Sie wollte aber keine Schwägerin sein, sie kannte ihre Schwester zu gut um zu wissen, dass diese hohlköpfige Sportskanone super zu ihr passte und dass Schinkenheinz viel zu gut für sie war. Sie war auch wütend auf die beiden Turteltäubchen, weil sie es sich so schwer machten. Jeder der Augen im Kopf hatte, sah dass sie zueinander passten und dass sie auch Gefühle füreinander hatten, wozu mussten gerade sie beide jetzt ein Drama anfangen? Die einzigen beiden tragischen Gestalten waren sie selber und Karl-Heinz.
Seltsamerweise stand das Tor tagsüber offen. Man konnte unbehelligt eintreten und über den Platz laufen. Gerade wollten die vier verschlafenen Freunde eintreten, als Monika innehielt und „Seht mal!“, rief, wobei sie in eine ganz andere Richtung, von der Fabrik weg zeigte. Die Freunde suchten mit den Augen worauf sie zeigte. Es war- Tante Margit mit: sechs kleinen Marsmenschlein. Es war schon wieder einer verschwunden. Ohne ein Wort zu sagen verwandelte sich Monika in einen Wolf, um die Gruppe schneller einzuholen. Beinahe hätte sie Tante Margit überrannt, doch sie fing sich im letzten Moment und verwandelte sich zurück. Seltsamerweise hatte niemand in der Gruppe sich erschreckt. „Hallo, Monika. Achmad hat von dir erzählt.“, sagte Tante Margit. An ihrer Stimme war keine Gefühlsregung zu erkennen. Inzwischen waren Herkules, Lisa und Karl-Heinz, auch keuchend zu ihnen hinzugestoßen.
„Ja. Was…macht ihr hier, wollt ihr auch zur Fabrik?“
„Dort waren wir schon. Gestern Nacht. Yasmine hat im Lagerraum einen Stapel Dosensuppe umgeworfen. Seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen. Sie hat sich da drinnen wohl verlaufen.“
Herkules und Lisa schluckten und wurden rot bis unter die Haarwurzeln. Während sie sich dort ganz allein glaubten und ein bisschen, naja…angebändelt hatten, waren die ganze Zeit die sieben kleinen Marsmenschlein, einschließlich Tante Margit auf dem Gelände unterwegs gewesen und hatten nach Alina gesucht?
„Und? Habt ihr sonst was gefunden?“, fragte Monika ungerührt.
„Allerdings“, sagte Margit und reichte Monika einen Frischhaltebeutel mit einem Zigarettenstummel darin. Lisa riss ihn ihr aus der Hand und schrie: „Das ist die Marke, die Jessica immer raucht.“
Margit nickte bedächtig. „Gut möglich, die Marke gibt es nur in Europa. Die Zigarette mag vor ein, zwei Tagen geraucht worden sein, also so lange ist es nicht her. Jedoch haben wir weder Alina, noch eure Jessica gefunden.“
„Wir werden uns noch einmal umsehen.“, sagte Herkules und versuchte, die gewohnte Selbstsicherheit in seiner Stimme mitschwingen zu lassen.
Margit nickte erneut. „Wir haben noch etwas Wichtiges vor. Bestimmt begegnen wir uns wieder.“, sagte sie und ging. Diesmal war Herkules erleichtert, als sie endlich verschwand.
„Also, mes amis“, sagte er steif, „lasst uns nochmal das Gelände absuchen.“
Karl-Heinz Ludwig hatte die nächtlichen Stunden, in denen er untätig auf seine Freunde warten musste, dazu genutzt, notdürftig Mandarin zu lernen. Daher fanden die Freunde schnell heraus, dass das, was Lisa am vorherigen Tag, oder sollte man sagen, vor wenigen Stunden als „Produktionsgebäude“ bezeichnet hatte, in Wirklichkeit das Verwaltungsgebäude war und dass es sich bei dem vermeintlichem Personalgebäude um ein Lagerhaus handelte. Herkules und Lisa waren peinlich berührt. Tagsüber sah das Ganze gar nicht so romantisch aus. Und was sie da beim Küssen so erschreckt hatte, das war ein Marsmenschlein gewesen, das einen Stapel Konservendosen umgestoßen hatte und seitdem als verschollen galt. Sie wollten sich weiter umsehen, als plötzlich ein lächelnder Chinese in Anzug hinter ihnen stand. „Dalf ich Sie flagen, liebe deutsche Toulisten, was Sie hiel zu suchen haben?“ Obwohl er so höflich war, klang seine Stimme bedrohlich. Wider Erwartung hatte Schinkenheinz vorausgeplant. Er zeigte auf das chinesische Zeichen auf seinem Namensschild und sagte: „Ich bin Kall-Heinz Ludwig, del Sohn von Johann Flank Ludwig, ich bin hiel, um in ihlem Betlieb die Sichelheit zu übelplüfen.“
Was man wissen musste, und was KHL sich hier zu Nutzen machte, war die Tatsache, dass es in China extrem unhöflich ist, ein direktes Nein auszusprechen. Sofern ein Chinese eine Bitte abschlagen musste oder wollte, sagte er Dinge wie „Das könnte schwielig sein“ oder „Ich welde es velsuchen!“ aber er sagte niemals „Nein.“ Oder „Das ist nicht möglich.“ Der Name Johann Frank Ludwig war auf der ganzen Welt geläufig, nur war Schinkenheinz Vater dann doch nicht so einflussreich, als dass man mit dem Namen etwas anfangen konnte. Es wollte aber nie jemand zugeben, dass er im Moment nicht parat hatte, wofür der Mann eigentlich bekannt und zuständig war.
„Das könnte schwielig welden, mein Hell, abel ich welde es velsuchen.“, sagte der Mann verunsichert.
Karl-Heinz Ludwig lächelte ebenso höflich wie der Chinese: „Ich welde es meinen Vatel wissen lassen.“
Die schlitzförmigen Augen des Chinesen weiteten sich auf Spiegeleigröße.
„Abel nein, bitte bitte, tleten Sie doch ein, nehmen Sie Ihle Bediensteten doch mit.“ Herkules und Lisa waren gekränkt, dass man sie für Karl-Heinzs Bedienstete hielt, doch immerhin gewährte man ihnen Einlass, das war das wichtigste. Sie wurden durch das Verwaltungsgebäude hindurch in einen verstecken Innenhof geführt, wo sie eine Treppe hinaufsteigen, über eine Terrasse gingen, einen Fahrstuhl nach unten fuhren und dann einem langen Gang folgten, an dessen Ende sich eine Tür befand. Hinter dieser Tür befand sich eine riesengroße Halle mit vielen Maschinen an denen Menschen mit Mundschutz arbeiteten und Teile von Krokodilen herstellten. Einige machten Beine, andere machten Augen, wieder andere Mäuler und Zähne und wieder andere Schwänze. Gemächlich zog KHL seine Runden, wie ein Kaiser, der durch seine Lustgärten wandelt, während seine „Diener“ mehr oder weniger wach hinter ihm her trotteten und verzweifelt versuchten, aufmerksam zu sein. Der Chinese im Anzug folgte ihnen nervös lächelnd und schaute im Sekundentakt nach links und nach rechts. Doch trotz Mundschutz konnte niemand von ihnen Jessica sein. Niemand hatte lockige Haare, alle Männer und Frauen hatten glattes, schwarzes Haar und waren Chinesen. Zwar wirkten die Arbeiter allesamt gestresst, doch konnten sie beim besten Willen niemanden entdecken, der jünger als 18 aussah.
„Haben Sie in letztel Zeit neue Mitarbeiter engagiert, Hell…“
„Hell Ching. Ja. Diese dlei jungen Flauen sind neu.“
Er zeigte auf drei Frauen, die von einem jungen Mann im Zusammenbauen von Krokodileinzelteilen eingelernt wurden. Eine mochte etwa 18 Jahre alt sein und hatte blond gefärbte Haare und blaue Augen. Die zweite Person war ein tapsiges Pandaweibchen, bei der man kein Alter feststellen konnte und die gerade ein Krokodil mit sechs Beinen zusammenbaute. Die dritte Person sah aus wie Mitte Dreißig und hatte kurzes schwarzes Haar. Das gab keinen Sinn. Sie mussten sie hier versteckt halten, doch wo? Die Hirne der Freunde arbeiteten auf Hochtouren. Da plötzlich hatte Schinkenheinz wieder eine Idee. Er entdeckte eine Abteilung in der sie sehr lebensecht aussehende Krokodilskostüme aus Plastik fertigten. „Mit wem haben Sie zuletzt gehandelt, Hell Ching?“
„Mit einem Filmproduzenten aus Ägypten Stifin Sbilbirgh. El wollte 4000 diesel Klododilskostüme bestellen. Will kommen kaum mit del Ploduktion hintelhel, ich flage mich ob es fül ihn nicht günstigel wäle mich echten Klokodilen zu filmen.“
KHL lächelte. „Ach so ist das? Elzählen Sie mehl davon, Hell Ching.“
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