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The Way to a Man's Heart...

Kurzbeschreibung
OneshotHumor, Romance / P12 / MaleSlash
Masayoshi Tanimura Shun Akiyama
12.02.2021
12.02.2021
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8.244
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The Way to a Man's Heart ...


„Akiyama-san? Kommst du?“

Tanimuras Worte drangen zwar an seine Ohren, aber irgendwie war er nicht dazu imstande, ihren Sinngehalt richtig umzusetzen. Zu verzaubert war Shun Akiyama von dem Anblick, der sich ihm dort zu seiner Rechten im bunt beleuchteten Schaufenster bot.

„Oi, Schlafmütze, ich rede mit dir!“, ertönte es erneut ein paar Augenblicke später von seinem Freund. Er konnte so schrecklich ungeduldig sein, wenn ihn etwas nicht interessierte …

„Ich komme, ich komme ja schon“, murmelte er daher, nicht jedoch ohne einen letzten, heimlichen Blick zu den fantastischen Dingen zu werfen, die soeben sein gesamtes bisheriges Denken über den Haufen geworfen hatten.

Er würde später noch einmal wiederkommen, wenn er allein war.

...


„Sag mal, Tanimura-san“, begann Akiyama, als sie wenig später in seinem Büro saßen, und drehte sich auf seinem Sessel herum, „was hältst du eigentlich vom Valentinstag?“ Er versuchte dabei betont neutral zu wirken, so als wäre ihm die Sache ganz spontan eingefallen und würde ihn wirklich nur nebenbei interessieren, weil er gerade nichts besseres zu tun hatte.

Tanimura, der auf der für Klienten bestimmten Couch lümmelte und bis eben gelangweilt durch ein paar alte Zeitschriften geblättert hatte, blickte überrascht auf. „Ha?“

„Was du vom Valentinstag hältst“, hakte er nach, dieses Mal musste er aber arg die Zähne dabei zusammenbeißen, um seine immer stärker aufkommende Nervosität zu unterdrücken.

Mit seinem unnachahmlich desinteressierten Gesichtsausdruck legte Tanimura indessen nur den Kopf leicht schief und brummte nachdenklich dabei: „Tja, um ehrlich zu sein, ist das einer der überflüssigsten Tage, den sich die Menschheit je ausgedacht hat.“ Dann senkte er wieder den Blick und blätterte gelangweilt weiter, als wäre das Thema somit gegessen.

Bämm. Aus der Traum!

„F-findest du?“

„Ja. Wenn ich jemanden mag, sage ich es ihm jederzeit ins Gesicht. Wieso man dafür extra einen so albernen Tag eingeführt hat, ist mir schleierhaft.“

„Oh, ja, hast recht, dient wohl nur dem Konsum, was?“, presste Akiyama hervor und zwang sich zu einem Grinsen, das mehr wie ein schmieriges Fletschen wirkte …

Zumindest konnte er sich stets darüber sicher sein, die knallharte Wahrheit von Tanimura zu erhalten.

Dessen Augen huschten im Folgenden allerdings nach oben und musterten ihn eingehend. Akiyama konnte ihn spüren … diesen alles analysierenden Blick, der ihn schon seit so langer Zeit in ein nervliches Wrack verwandelte, wann immer er dem zweifelhaften Vergnügen ausgesetzt war ihn erdulden zu müssen. Jedes einzelne Mal musste er dabei auch gegen den Impuls ankämpfen, sich deshalb liebestoll auf den jungen Polizisten zu stürzen …

„Wieso fragst du?“ Tanimura durchbohrte ihn geradezu mit diesen schönen, großen Augen.

Hastig und womöglich ein wenig zu schwungvoll drehte Akiyama sich Richtung Fenster, um seine ohnehin schon bröckelnde Coolness nicht weiter in Gefahr zu bringen. Während er angespannt durch die Scheibe starrte, murmelte er in viel zu hohem Tonfall: „Ach, nur so. Übermorgen ist ja der 14., darum hab ich daran gedacht. Die Mädls im Club drehen immer total durch.“

„Und überschütten dich mit selbstgemachter Schokolade, oder?“

„Ha! Kommt durchaus vor. Wieso, bist du etwa neidisch?“, stichelte Akiyama, um das Thema von sich abzulenken. „Ich bin mir sicher, der werte Herr Polizist kann sich vor Avancen in Form leckerer, kleiner Pralinen ebenfalls kaum retten!“

„Lecker? Ich mag Schokolade nicht.“

BÄMM. Schon wieder stach er ganz geschickt auf die kleine Traumblase, die Akiyama gebildet hatte – und brachte sie damit zum Platzen.

„Was? Wieso denn …?“

„Viel zu süß.“

„Oh. Und … was sagst du dann den tausenden von Mädchen als Entschuldigung?“

„Du übertreibst total.“ Tanimuras Tonfall wurde leicht angefressen und er verzog die Mundwinkel dabei. „Du tust so, als wäre ich ein Frauenheld – was ich nicht bin.“

Das Traumbläschen pumpte sich zaghaft wieder auf.

„Interessiert das die Mädls denn?“

„Ah, können wir das Thema wechseln? Das ist doch dämlich“, nörgelte der junge Polizist ausweichend und blickte merkwürdig angespannt zur Tür …

Er war immer so leicht aus der Ruhe zu bringen, wenn es um Themen wie diese ging. Akiyama schmunzelte in sich hinein und nickte zustimmend. „Sicher, war ja auch nur ein dummer, kleiner Gedanke …“

...


Stunden später, Tanimura war kurze Zeit nach ihrem Gespräch zu einem Einsatz gerufen worden, hatte Akiyama sich auf den Weg gemacht, um den kleinen Laden aufzusuchen, der ihn vorhin so in seinen Bann gezogen hatte.

Lässig schlenderte er an den Schaufenstern der Shichifuku Street entlang, war innerlich aber kein bisschen so entspannt, wie er nach außen hin alle glauben lassen wollte. Was vor ihm lag, würde vermutlich ein wenig peinlich und fragwürdig werden und an seinem Mannesstolz kratzen. Aber was tat man nicht alles für die Liebe …

Schon von weitem sah er die vielen farbigen Ballons wild herumflattern, die am Eingang angebracht worden waren, um willige Kundinnen anzulocken … Und auch aus der Nähe betrachtet änderte sich nicht viel an dem quietschbunten Eindruck. Blumen und glitzernde Girlanden rundeten das Gesamtbild ab. Schon allein von dem Anblick konnte man fast schon Diabetes bekommen.
Mit leicht angespanntem Ausdruck auf dem Gesicht lugte Akiyama zu dem Eingangsschild hoch.

‚Confiserie Heart‘s Delight‘, prangte in pastellfarbenen Lettern darauf.

Dann warf er noch einen letzten Blick in das – zugegebenermaßen extrem kitschige – Schaufenster, das aber dennoch nach wie vor eine merkwürdige Faszination auf ihn ausübte.
Na dann; auf ins Getümmel.

Die Türglocke klingelte munter, als er mit mulmigem Gefühl in der Magengegend eintrat und die Verkäuferin sogleich ein strahlendes Lächeln in seine Richtung sendete.

„Guten Tag, was kann ich für Sie -“

Japp. Seine Geschlechterzugehörigkeit schien sie allerdings in nächster Sekunde ein kleines bisschen aus dem Konzept zu bringen und überrascht brach sie mitten im Satz ab, während sie einfach nur weiterhin wie ein Fisch auf dem Trockenen zu ihm herüber starrte.

„Hey, kann ich mich einfach ein wenig umsehen?“, fragte er mit einem charmanten Lächeln und blinzelte ihr zu. Damen zu bezirzen war keine schwierige Angelegenheit für ihn, selbst in einer Ausnahmesituation wie dieser wirkte er fast nicht angespannt. Nun, das … nahm er zumindest an. So wirklich sicher sein konnte er sich nicht.

„Oh, aber sicher, der … Herr.“ Die junge Frau trat wieder hinter den Tresen, beäugte ihn aber nach wie vor ein bisschen sonderbar.

Auch zwei junge Schülerinnen, die ein wenig abseits vor einem der Regale mit diversen Verpackungsmöglichkeiten standen, warfen immer wieder kichernd ein paar nervöse Blicke in seine Richtung – zumindest, bis er ihnen frech zuwinkte und sie quietschend die Köpfe zusammensteckten, um anschließend in wildes Getuschel auszubrechen.

Er verstand sie ja durchaus! Es war, gelinde gesagt, mehr als merkwürdig für einen Mann, zu dieser Zeit in einem Laden wie diesem aufzutauchen. Vermutlich dachten sie, er wäre mit den ‚Valentinstags-Regeln‘ hierzulande nicht vertraut … Aber hey, wirkte er wirklich derart bekloppt?

Eigentlich war sein Antrieb ein ganz anderer: Akiyama wollte Inspiration sammeln, selbst wenn er sich dafür zum absoluten Obertrottel machen musste. Daher konnte er gedanklich nur wiederholen: Was tat man nicht alles für die Liebe.

Als sie vorhin zusammen an diesem Laden vorbeimarschiert waren hatte er den Plan gefasst, seinem Schwarm ein solch selbstgemachtes Geschenk zu überreichen, um ihm endlich irgendwie sagen zu können, was er mittlerweile für ihn empfand.
Die Erkenntnis hatte ihn so heftig getroffen wie ein Blitz: Das war die Gelegenheit für ihn, ihm seine Gefühle zu gestehen! Womöglich ein wenig albern und kindisch – aber wieso denn auch nicht? Klar, eigentlich schenkten nur Frauen an diesem Tag ihrem Liebsten aufwendig gestaltete Schokolade – zumindest hierzulande. Aber was, wenn sie beides Männer waren? Tja! Da gab es keine feste Regel! Es war sozusagen eine Grauzone, die er entdeckt hatte, und die würde er jetzt auch verdammt noch mal ausnutzen!

… Und nebenbei seinen Stolz über Bord werfen und diese vermaledeite Schokolade so genau mustern, dass jede Form und Verzierung sich in sein Gedächtnis einbrennen würde!

… Auch wenn Tanimura gesagt hatte, dass er diesen Tag vollkommen sinnlos und überflüssig fand – und dann zu allem Überfluss noch hinzufügte, dass Schokolade eigentlich so gar nichts für ihn war. Das hatte ihm durchaus ein wenig den Wind aus den Segeln genommen, aber hey; so schlimm war das auch wieder nicht. Für Akiyama war das Glas schließlich immer halbvoll und so hatte er beschlossen, dass er einfach nur ein wenig umdenken musste, um die Sache dennoch durchziehen zu können! Wenn Tanimura also den Tag als überflüssig empfand, würde er ihm einfach beweisen, dass er vielmehr eine Möglichkeit war, endlich ehrlich zu sein! Und wenn er Süßes nicht mochte, konnte er seinen Gaumen stattdessen mit anderen Geschmacksrichtungen verwöhnen!

Prüfend beugte er sich vor und musterte das kunterbunte Wunderland, das sich vor ihm in den Regalen in die Höhe erstreckte. Die Auswahl konnte sich durchaus sehen lassen, gab es hier tatsächlich in allen erdenklichen Größen, Formen, Farben sowie Preisklassen alles, was man sich nur erträumen konnte – oder was die kühnsten Träume durchaus zu übersteigen schien.

Das meiste davon leuchtete Akiyama dabei noch irgendwie ein. Manches war allerdings so abgedreht, dass er nur noch verdattert den Kopf schütteln konnte.

Da gab es zum einen einfache, runde Pralinen in zurückhaltenden Verpackungen mit neutralen Farben. Sie waren meist schwarz, rot oder braun. Zwar wirkten sie im direkten Vergleich zu anderen  Angeboten womöglich ein wenig langweilig, aber falsch machen konnte man mit solch einem Geschenk vermutlich wenig.

Wer das Budget ein wenig erhöhte, konnte dann schon mit filigranen Verzierungen auf originellen Formen punkten. Akiyama staunte durchaus nicht schlecht bei der Vielfalt und dem Einfallsreichtum mancher dieser kleinen Kunstwerke! Blätter, Blumen, Fächer, Sterne und natürlich obligatorische Herzen waren noch die einfachsten davon.

Wenn man dann bereit war, noch mehr zu investieren, gab es eine Vielzahl anderer Dinge zu sehen.
Akiyama erkannte in einer schwarzen Schachtel, umschichtet mit Samt, bunte kleine Kugeln, die mit solch einer Finesse in Kleinstarbeit bemalt waren, dass er zunächst nicht glauben wollte, es handle sich um Schokolade, die zum Verzehr geeignet war. Die Leckereien wurden Planeten nachempfunden und waren mit ihren Marmorierungen in verschiedensten Farben durchaus ein wahrer Blickfang, der seinesgleichen suchte.

Wer es ein wenig traditioneller wollte, konnte mit einem kleinen Sakurabaum seine Aufwartung machen, dessen rosa Blüten alle aus filigraner Schokoladenkunst bestanden. Auch der Stamm, der sogar feine Maserung aufwies, war essbar.

Als sein Blick auf ein zum Verzehr geeignetes Shogi-Brett mitsamt leckerer Spielsteine fiel, musste er dann doch eher schmunzeln als staunen. Aber die Idee an sich war gar nicht schlecht! Die würde er aufgreifen.

Zugegeben, dann gab es auch noch Dinge zu bestaunen, die dann doch eher mehr an die weiblichen Besucher gerichtet waren …
Natürlich fand Akiyama die Hündchen, Kätzchen oder Bärchen aus Marzipan ebenfalls irgendwie ganz drollig, aber ihm würden sie wohl kaum solche Begeisterungsstürme entlocken wie den beiden Schulmädchen, die sich mittlerweile von ihrem Schock erholt hatten und wieder dazu übergegangen waren, quiekend auf alles zu deuten, das sie irgendwie putzig fanden. (Es war nebenbei gesagt eine Menge.)

Ein wenig albern wurde es dann tatsächlich bei einem Regal, das ganz klar auf Otakus abzielte und Schokolade in Form diverser Manga- oder Videospielhelden anbot. Aber gut, jedem das seine; schließlich stand auch hier ein Mädchen, das die Ware aufs Genaueste zu mustern schien und durchaus fasziniert dabei wirkte …

Aber gut. Eigentlich hatte er genug gesehen. Jetzt ging es also tatsächlich ans Eingemachte …

„Entschuldigung“, meinte er mit aufgesetzter guter Laune zur Verkäuferin (denn eigentlich war ihm die ganze Situation ja doch ziemlich peinlich), „Ich hätte ein paar kleine Fragen …“

„Wie kann ich behilflich sein?“, fragte die junge Frau hinter dem Tresen und ihr anfänglicher Schock war mittlerweile der typisch freundlichen, aber dennoch reservierten Höflichkeit japanischer Verkäufer gewichen.

„Ich würde gerne Pralinen zubereiten – aber habe keinen blassen Schimmer davon, welche Zutaten ich benötige.“

Alle Augen im Raum wandten sich schlagartig in seine Richtung und Akiyama fühlte sich derart exponiert, dass ihm ein nervöses Räuspern entfuhr.

In nach wie vor stoisch freundlicher Manier nickte die Verkäuferin nur mehrfach und erklärte eifrig: „Das hängt davon ab, was genau Sie sich vorgestellt haben.“

Während sie schwallartig ihr gesamtes Wissen auf einmal kundzugeben schien, klingelten Akiyama beinahe schon die Ohren. Sie tat ja gerade so, als wäre das eine Wissenschaft für sich! Ein wenig Schokolade einschmelzen und in eine Form gießen konnte doch nicht so schwierig sein, oder?

„ … Und nun, die Dekoration ist natürlich ein nicht zu unterschätzender Bestandteil des Ganzen. Nun, ich nehme an, Ihre Angebetete wird Ihre ungewöhnliche Geste in jedem Fall zu schätzen wissen! Wenn Sie Ideen suchen, würde ich in diesem Regal dort hinten ein wenig nachsehen. Dort finden Sie viele angesagte Motive, die dieses Jahr unter den Frauen allesamt beliebt sein werden!“

„Äh, vielen Dank, aber das ist -“, begann Akiyama und lächelte verlegen, brach dann allerdings mitten im Satz ab, als er aus den Augenwinkeln jemanden bemerkte, der ihn seit unbestimmter Zeit zu mustern schien …

… Es war das Otaku-Mädchen, das klischeehafter nicht hätte sein können, und ihn aus dicken Augengläsern heraus mit einem Blick musterte, der ihm irgendwie Angst einjagte.

„Sagen Sie es“, murmelte sie in beschwörendem Tonfall.

„Wie meinen?“Akiyama erkannte mit Schrecken, wie sich die Nasenlöcher des Mädchens plusterten, als stünde er einem Stier in einer spanischen Arena gegenüber.

„Sagen Sie“, begann sie erneut und ihre Stimme schien beinahe vor Erregung zu vibrieren, „dass Sie die Schokolade für Ihren Freund machen!“

Oh. Eines von … diesen Mädchen also …

Die Verkäuferin behielt die Contenance; im Gegensatz zu den beiden Schulmädchen sowie einer älteren Dame, die mit ihrer Enkelin vor wenigen Minuten eingetreten war und pikiert ihren Kopf zu schütteln begann.

Nun, das war dann wohl das erste Outing seines Lebens.

„Äh, nun, ja. Fast“, murmelte er – und entlockte dem Otaku-Mädchen ein Geräusch, das verdächtig nach dem Schrei eines brünstigen Hirsches klang.

„Ich wusste es“, murmelte sie fast schon besessen. „Ich erkenne so etwas.“

„Ah ja“, gab er ausweichend von sich und wollte eigentlich nur wieder das Gespräch mit der noch immer eisern lächelnden Verkäuferin suchen.

Doch das Mädchen war noch nicht fertig. Sie kam näher, starrte wie vom Teufel besessen an ihm auf und ab und meinte regelrecht ekstatisch: „Wissen Sie auch, woran ich es erkenne?“

„Ich habe keinen blassen Schimmer“, antwortete Akiyama ehrlich und fühlte förmlich, wie seine Würde mit jeder weiteren Sekunde dahinschmolz.

Fast schon gierig starrte sie hinab. „An den Händen eines Mannes.“

Das wollte er jetzt jedoch wirklich nicht genauer hinterfragen und versenkte ebenjene Hände in den Hosentaschen, um sie aus ihrem Blickfeld in Sicherheit zu bringen.

Eine halbe Stunde später schritt Akiyama aus der Tür – um einiges ärmer an Nerven, Selbstachtung und Geldscheinen.
Nicht, dass ausgerechnet ihn letztgenannter Punkt auch nur ansatzweise irgendwie gekratzt hätte – aber es war dennoch erstaunlich, was diese Halsabschneider für ein bisschen Zutaten und Verpackung verlangten.

Mit Liebe ließ sich eben tatsächlich guter Umsatz erzielen, befand der Geschäftsmann in ihm trocken, und während er ein letztes Mal einen kritischen Blick über die Schulter warf, entging ihm nicht, dass das Otaku Mädchen, welches noch immer im Laden stand, ihm wie besessen nachstarrte und begann, wie in Trance zu winken.

Da er sich jetzt erfolgreich entweder als Traummann entpuppt hatte oder wahlweise das Gespött ganz Kamurochos geworden war, konnte es mit den eigentlichen Vorbereitungen losgehen! Ab nach Hause, um in wilden, aufsehenerregenden Kreationen seiner Liebe Ausdruck zu verleihen!

Dass er eigentlich so gar keinen blassen Schimmer von der Zubereitung hatte, war leider ein Punkt, der ihm viel zu spät in den Sinn gekommen war. Na gut, das war durchaus ein kleines Hindernis. Wobei Akiyama schon immer eine schnelle Auffassungsgabe besessen hatte. Dann würde er eben online nach passenden Rezepten suchen – wenige Klicks würden sicher ausreichen.

Was konnte schon so schwierig daran sein, ein paar kleine Pralinchen herzustellen?


...


Alles.

Alles daran war eine einzige Katastrophe.

Stunden später saß er zu Hause auf einem der Küchenstühle, die zumindest noch nicht vollkommen mit Schokolade besudelt waren …

Denn irgendwie hatte er es geschafft, innerhalb von gerade einmal dreißig Minuten wirklich jeden Gegenstand mit einem braunen Überzug zu versehen – inklusive sich selbst.

„Das ist eine Katastrophe“, murmelte Akiyama nun auch laut an sich selbst gewandt und vergrub den Kopf zwischen den Handflächen. Auf diese Art würde er es ganz sicher nicht schaffen, seinen Plan umzusetzen.

Was er nun brauchte war fachmännischer Rat.

Aber woher nehmen?

Wen kannte er, der kochen konnte?
Der Ahnung von Süßigkeiten hatte?
Und ihm so auf die Schnelle unter die Arme greifen würde?

Hm … gab es denn einen Menschen unter seinen Vertrauten, der all diese Fähigkeiten vereinte?

Als in der nächsten Sekunde das Telefon klingelte, wäre er vor Schreck fast vom Stuhl gekippt – doch er griff stattdessen mit klopfendem Herzen nach dem Hörer und meinte mit beschlagener Stimme: „Hallo? Akiyama hier.“

„Chef!“ , drang die stets streng wirkende Stimme seiner Sekretärin an sein Ohr, „wäre es möglich, morgen ein wenig früher gehen zu können?“

„Wieso?“

„Ich denke nicht, dass Sie eine Begründung brauchen! Sagen Sie einfach ja oder nein!“

Oha, sie war wieder voll in Fahrt …

„Ja, ja, klar, Hana-chan … Um ehrlich zu sein, werde ich wohl morgen Nachmittag sowieso das Büro schließen.“

Kurz war Schweigen am anderen Ende der Leitung zu vernehmen. „Tatsächlich? Fühlen Sie sich etwa nicht gut?“

Wenn er sich so in seiner Küche umsah … dann war dies noch die Untertreibung des Jahrtausends.

„Ach, weißt du … Ich hab einfach nur noch etwas zu erledigen“, stammelte er lieber ausweichend und tänzelte auf der Stelle wie ein nervöses Rennpferd kurz vor dem Startschuss.

Wenn ihm doch endlich die Idee käme, wer ihm unter die Arme greifen könnte …

Moment.

Momentchen mal.

„Wie bitte? Sie erledigen freiwillig etwas? … Aber wie auch immer; dann ist es ja gut, Chef. Vielen Dank jedenfalls! Bis morg-“

„Stop, stop, stop! Hana-chan, du kannst doch kochen …“

„… Ist das eine Fangfrage?“

„Äh, nein, ich meine es ernst. Und, ähem, Süßes magst du ja auch, nicht wahr?“

„… Ist das jetzt etwa eine Anspielung auf mein Gewicht?“

„Um Gottes willen, nein!“, meinte Akiyama und fuhr erschrocken zusammen. „Also, ich hätte da eigentlich eine Bitte.“

„Mir schwant Übles, Akiyama-san.“

„Hättest du eventuell morgen Nachmittag Zeit, um mir zu helfen …?“

Erneut herrschte Stille.

„Hana-chan?“, hakte er vorsichtig nach. „Bist du noch dran?“

„Bin ich.“

Er atmete erleichtert auf. „Hättest du also Zeit?“

„Ich habe doch gerade darum gebeten, den Nachmittag freizubekommen, weil ich eigene Pläne habe, Chef.“

„Bitte, bitte? Es ist echt wichtig. Ich bin hier wirklich am Verzweifeln, Hana-chan. Du bekommst auch einen ganzen Monat lang täglich Essen von mir spendiert. Egal wann, egal woher, egal wie viel.“

Ein nachdenkliches Brummen drang durch den Hörer, gefolgt von den Worten: „Von welcher Art Hilfe reden wir hier?“

Ha! Essen zog immer! Er wusste schon, wie er sie um den Finger wickeln konnte!

„Also“, begann er ein wenig nervös, „Ich wollte Schokolade machen, aber ich -“

„Sie wollen was?!“

„Schokolade machen.“

„Für … jemanden, der Ihnen wichtig ist? Sie wissen schon, dass an diesem Tag eigentlich nur der Mann beschenkt wird?“

„Ja, das ist mir schon bewusst.“

Ein drittes Mal war gefährliches Schweigen zu vernehmen. „Wie soll ich das denn verstehen?“

„Du, ähem, richtest nicht über mich?“

„Raus mit der Sprache, Chef.“

„Es ist ... für Tanimura.“

Plötzlich war nur noch das Tuten der Leitung zu vernehmen …

„Hana-chan?“ Akiyama starrte verdattert auf den Hörer. Hatte sie etwas allen Ernstes gerade … aufgelegt?

Ehe er lange darüber sinnieren konnte, drang allerdings erneut das Klingeln des Telefons durch den Raum.

Zaghaft hob er ab …

„Also gut. Ich … ich helfe Ihnen. Meine Pläne … haben sich sowieso erledigt.“

Ein tonnenschweres Gewicht wurde ihm von den Schultern genommen. „Danke! Du rettest mir hier wirklich den Hintern!“

„... Nicht der Rede wert.“


...


Obwohl Hana ihm zugesichert hatte, ihm am Nachmittag bei seinem albernen Vorhaben Hilfestellung zu leisten, war sie die Stunden davor merkwürdig still und zurückhaltend. So benahm sie sich wirklich selten; im Normalfall wurde sie laut und herrisch und wenn sie ihm dann doch mal die kalte Schulter zeigte, hatte er mal wieder etwas mehr als Wichtiges vergessen … oder nicht aufgeräumt … oder war sonst irgendwie der Auslöser für ihre Verstimmtheit.

Vermutlich war es einfach besser, sie nicht zu fragen, beschloss er, da seine Sicherheit ihm schon ein wenig am Herzen lag. Sie reagierte in der Regel wie eine wütende Katze, wenn er sie auf ihre Laune ansprach. Besser kein Wort darüber verlieren, war also die Devise! Tja, Akiyama war eben ein absoluter Frauenversteher (und hing eigentlich auch ein wenig an seinem Leben.).

Nachdem der Großteil ihrer Arbeit erledigt war, ordnete Hana die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch, seufzte noch einmal tief – und stand dann schweigend auf. Akiyama, der die Zeit damit totgeschlagen hatte, sich in seinem Stuhl im Kreis zu drehen und währenddessen sämtliche möglichen Reaktionen Tanimuras im Geiste durchgegangen war, folgte ihr umgehend und schnappte sich im Vorbeilaufen die Tüte mit den verbliebenen Zutaten.

„Na dann“, murmelte sie spitz und wirkte nach wie vor kein bisschen erfreut, „Haben Sie bereits alles zu Hause parat?“

„Äh? Oh, ach weißt du, ich habe wohl vergessen zu erwähnen, dass meine Küche gerade, hm, Sperrzone ist.“

„Wie bitte?“, platzte es aus Hana heraus und Akiyama, der gerade neben ihr die Treppe hinunter schritt, krallte seine Hand erschrocken ums Geländer.

„Nun, mein Versuch gestern ist kläglich gescheitert“, begann er zu erklären und wich erneut beschwichtigend zur Seite bei ihrem strengen Blick, „Alles sieht aus, als wäre eine Schokobombe explodiert. Ich war so erschöpft, dass ich das Aufräumen, äh, verschoben habe.“

„Verschoben, ja?“, wiederholte sie missmutig, rückte ihre Brille zurecht und stemmte die Hände in die Hüften, „Dass ich nicht lache! Sie waren einfach zu faul, wie immer! Und jetzt erwarten Sie, dass wir stattdessen meine Küche einsauen?“

„Ist sicher nur von Vorteil, oder? Da weißt du schließlich auch schon, wo alles steht. Ich wäre dir da in meiner eigenen Küche nämlich eh keine große Hilfe. Das einzige was ich da drin wirklich bedienen kann, ist die Mikrowelle. Wenn es hochkommt, dann noch den Wasserkocher.“

„Pah!“, rief sie und Akiyama fand es ganz erstaunlich, wie man mit solchen Absätzen derlei militärisch wirkend aufstampfen konnte. „Ihretwegen bekomme ich in meinem zarten, jugendlichen Alter bereits graue Haare!“

„Jugendlich?“, prustete er amüsiert, erntete aber nur einen verächtlichen Blick.

„Ein falsches Wort noch – und Sie können sich eine andere arme Seele suchen, die Sie bemuttert!“

„Ich bin schon still!“

Zufrieden folgte er ihr, auch wenn er nicht so ganz sicher war, ob er den heutigen Abend überleben würde. Tja! Was tat man nicht alles für die Liebe.


...


Hanas Wohnung war, nun …

anders.

Nicht, dass sie irgendwie merkwürdig war. Er hatte sich nur nie wirklich Gedanken darüber gemacht, in welchem Umfeld seine Assistentin lebte. Darum war ihm auch nicht klar, was er eigentlich erwartet hatte; aber das hier war es jedenfalls nicht gewesen.

Okay, vielleicht war die Wohnung doch merkwürdig.

Rüschendecken wechselten sich mit Plüschtieren in allen Farben, Formen und Größen ab. Dazwischen fanden sich verschnörkelte Vasen, Porzellanskulpturen und das eine oder andere bunte Blümchen.

Die weiß und roséfarben getäfelten Wände waren behangen mit diversen pompösen Spiegeln oder Bildern, deren Rahmen so wirkten als seien sie direkt dem Barock entsprungen.

Nicht, dass es unaufgeräumt oder schmutzig war …

Nur eben ein wenig schräg.

Zumindest, wenn man sich die akkurate und strenge Hana inmitten dieses rosaroten Zuckerpalastes vorstellte.

Nun, die Stifte im Büro mit den kleinen bunten Kätzchen darauf hätten ihn eigentlich schon misstrauisch machen müssen.

„Es ist wirklich sehr … aufgeräumt“, murmelte Akiyama, während er sich vorsichtig umsah, um irgendein nettes Kompliment abzugeben.

„Und so bleibt es auch!“, fauchte Hana verbissen, während sie ihn mit strengem Blick zu ihrer Küchenzeile geleitete. „Packen Sie die Zutaten auf die Theke, ich suche derweil die Geräte heraus.“

Dann klapperte sie in ihren Schränken herum und knallte merkwürdig aggressiv diverse Schüsseln, Gussformen sowie Spritzbeutel in unterschiedlichen Größen neben die Dinge, die er gerade sorgsam aufgereiht hatte.
Aber damit nicht genug; was noch folgte, waren Hilfsmittel, die eher an die Arbeitsutensilien eines Malers oder Maurers erinnerten …

Womöglich hatte er sich die Sache doch einfacher vorgestellt, als sie eigentlich war.

„Jetzt starren Sie nicht wie ein ängstliches Kaninchen auf das Zubehör, Chef. Nichts davon wird Sie beißen“, brummte Hana missbilligend und wirkte schlechter gelaunt denn je. Bevor Akiyama auch nur den Hauch einer Chance bekam, auf ihre Aussage irgendwie eingehen zu können, fügte sie hinzu: „Also, was haben Sie sich vorgestellt?“

„Was ich mir vorgestellt habe?“, wiederholte Akiyama entgeistert und blickte ausweichend zwischen Plüschtieren, schwülstigen Skulpturen und kitschigen Barockbildern herum. „Naja, Pralinen eben.“ Er zuckte unschlüssig mit den Schultern.

Daraufhin seufzte seine Assistentin derart gereizt, dass sie damit Tanimuras sagenumwobener Fähigkeit, über alle Maßen genervt klingen zu können, durchaus Konkurrenz machen konnte.

Ja, was erwartete sie denn zu hören?!

„Sie sind eigentlich ein so kluger Mann … Und dann doch manchmal derart beschränkt, dass ich Kopfschmerzen davon bekomme“, meckerte sie und wandte sich dann den Zutaten zu, um sich selbst ein Bild zu machen.

Es war erstaunlich, wie viele verschiedene Gefühlszustände Hana in den nächsten Sekunden durchzumachen schien, und voll Faszination beobachtete Akiyama sie dabei, wie sie sich alle nacheinander auf ihrem Gesicht widerzuspiegeln begannen.

Zunächst schien sie verwirrt. Dann ungläubig. Anschließend höchst skeptisch. Daraufhin ungemein schockiert. Und zum guten Schluss schüttelte sie vollkommen entgeistert den Kopf, während sie murmelte: „Sie haben Sie doch nicht mehr alle beisammen, Akiyama-san. Das kann nicht Ihr Ernst sein.“

„Doch. Ich meine es sogar todernst.“

„Wollen Sie Tanimura-san für sich gewinnen oder ihn stattdessen vergraulen? Ich habe mich ja an Ihren Blödsinn gewöhnt, aber er ...“

„Er meinte, er mag Schokolade nicht“, entgegnete Akiyama plump und hoffte, dass sich damit alles von allein erklären würde.

„Und trotzdem wollen Sie ihm dann welche schenken?“ Nach einem erneuten Blick Richtung Zutaten fügte sie hinzu: „Und dann auch noch so etwas Abartiges?“

„Du weißt, dass ich mit meinen Ideen am Ende immer die Oberhand habe.“

„Das mag sich auf beruflicher Ebene ja bewahrheiten, aber in Sachen Schokoladenzubereitung haben Sie nicht den blassesten Schimmer. Das wird kein Liebesgeständnis, Akiyama-san; das wird ein Anschlag.“

Er würde sich aber nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es verdammt schwer, diese dummen, kleinen Gedanken wieder loszubekommen! Das wusste sie von allen Leuten doch eigentlich am besten. „Meine Entscheidung steht fest.“

„Kommen Sie aber am Ende nicht zu mir, wenn er Ihnen einen Korb gibt ...“


...


Während Hana sich mit der Strenge einer Gouvernante eine pinke Schürze umband und ihm die ersten Anweisungen entgegen blaffte, konnte Akiyama sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Er wählte wirklich stets die besten Assistenten aus.

Wer sonst würde wohl heute mit ihm so kurzfristig in seiner Küche stehen und ihm bei seinem albernen Vorhaben behilflich sein?

Und albern war wirklich ein gutes Stichwort, bei nächster Gelegenheit zog Hana nämlich eine weitere rosa Schürze heraus, deren viele Rüschen den Schriftzug „Traue keinem dünnen Koch“    umspielten – und warf sie ihm entgegen. Nun, damit hatte Akiyama nicht wirklich gerechnet und das Stückchen Stoff landete direkt in seinem Gesicht.

„Ziehen Sie das an, ich will nachher nicht hören, dass Sie ihr Jackett eingesaut haben.“

„Aber ich -“

„Ziehen Sie es an, Chef.“

Genau: Was tat man nicht alles … für die Liebe.


...


Auch wenn er heute seinen Stolz ganz weit hinten anstellen musste, war Akiyama mehr als froh, Hana in sein Vorhaben eingeweiht zu haben, denn sie hatte wirklich Ahnung von dem, was sie tat.

Während sie mit der Präzision eines Arztes vor einer wichtigen Operation Lebensmittelhandschuhe über ihre Hände zog und sie ein letztes Mal fachmännisch musterte, meinte sie: „Wissen Sie überhaupt, wie gefüllte Pralinen angefertigt werden?“

„Nein.“

Wieder kam ein entnervter Seufzer. „Warum habe ich nur gefragt! Wie zum Henker haben Sie dann gestern versucht – Ach, vergessen Sie es. Ich glaube, ich will mir gar nicht vorstellen, wie Ihre Küche aussieht.“

„Stimmt.“

Sie verdrehte die Augen und zog in nächster Sekunde eine durchsichtige Silikonform hervor. Dann eine weitere. Und noch eine. Letztendlich sogar eine letzte.
Sie alle waren unterschiedlich geformt und Akiyama musterte sie neugierig.

„Waschen Sie die Formen aus und trocknen Sie sie dann bis zum letzten Tropfen ab! Schaffen Sie das oder sind Sie damit auch schon überfordert?“

„Zweifelst du wirklich so sehr an meiner Kompetenz?“, fragte Akiyama stirnrunzelnd und hielt die Formen unter den Wasserhahn.

Hana gab ihm keine Antwort, räusperte sich allerdings vielsagend. Einen Moment später hantierte sie an der Kochplatte herum und griff anschließend nach der Kuvertüre. „Wir müssen zunächst einmal die Hohlkörper anfertigen. Danach kümmern wir uns um die abartigen Füllungen, die Sie sich überlegt haben.“

„Du wirst sehen, das wird ein vollkommen neues Geschmackserlebnis!“

„Das glaube ich sofort, ich werde das Zeug aber ganz sicher nicht probieren, Chef.“

Während Hana, bewaffnet mit Kochlöffel und Thermometer, akribisch darauf achtete, die Kuvertüre auf die perfekte Temperatur zu bringen, beobachtete Akiyama sie von der Seite aus schweigend.

Ohne ihren Blick von ihrer Tätigkeit abzuwenden, keifte sie nach ein paar Augenblicken ein erbostes „Was ist?!“

Bei ihrem Tonfall zuckte Akiyama zur Seite und tippte nervös mit dem rechten Fuß auf den Fliesenboden. „Ich habe mich nur gefragt, wieso du heute so extrem gereizt bist“, murmelte er irritiert.

„Pah!“, war nur ihre Antwort, während sie ein wenig hektischer die halbflüssige Schokolade umzurühren begann.

Sie würde ihm wohl keine weitere Erklärung abliefern, also murmelte Akiyama daher nur ein knappes „Danke für deine Hilfe.“

„ ...“

Ein paar schweigsame Minuten vergingen, in welchen er nur still wie ein schüchterner Schuljunge neben ihr stand und ihr dabei zusah, wie sie immer wieder nachprüfte, welche Temperatur die Schokolade mittlerweile angenommen hatte, als würde es sich um die diffizilste Angelegenheit seit Menschengedenken handeln. Aber er vertraute ihr jetzt einfach mal; schließlich schien sie durchaus Ahnung von dem zu haben, was sie tat. (Was der Spruch auf der Schürze, die er gerade trug, ebenfalls zu bestätigen schien.)

Nachdem Hana scheinbar endlich zufrieden war, schnappte sie die erste der Formen sowie eine Schöpfkelle und blickte streng in seine Richtung. „Ich mache es Ihnen einmal vor, den Rest werden dann aber Sie anfertigen. Es sollen schließlich selbstgemachte Pralinen sein, wenn man jemanden … liebt.“

Gekonnt goss sie die braune Flüssigkeit über die sternförmigen Mulden, griff sich dann eine Winkelpalette und strich alles, was über den Rand lief, sorgfältig mit einer geübten Bewegung beiseite.
Anschließend klopfte sie die Form ein paar Mal auf die Arbeitsplatte, drehte sie dann um, stellte sie in diesem Zustand über einem Backpapier auf zwei Metallschienen und meinte erklärend: „Wenn die überschüssige Kuvertüre abgeflossen ist, glätten wir die Kanten erneut und können sie dann nach dem Trocknen befüllen.“

„Du machst das wirklich ganz erstaunlich“, gab er mit einem anerkennenden Pfeifen von sich. „Hätte nicht gedacht, dass das wirklich so aufwendig ist.“

„Aufwendig? Oh, Chef ...“ Seufzend wandte sie sich zu seinen mitgebrachten Zutaten um und griff mit sichtlichem Widerwillen nach der ersten Packung. „Dann kümmern wir uns mal um die Ganache.“

„Die was?“

„Die Füllung“, brummte sie ungeduldig. „Was zum Teufel haben Sie gestern eigentlich gemacht?“

„Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht.“ Er gluckste und zwang sich zu einem beschwichtigenden Lächeln.

Während Hana ihm in den folgenden Minuten erklärte, wie die Füllungen, die er sich vorgestellt hatte, zubereitet wurden und ihm im Anschluss dabei zusah, wie er das neugewonnene Wissen noch ein wenig unsicher anzuwenden begann, wirkte sie auf einmal irgendwie angespannter denn je.

Immer wieder warf Akiyama ihr kurze Blicke zu, doch irgendwann wurde es ihm zu viel und er hielt in seiner Tätigkeit inne, um sie auffordernd und ohne Unterlass anzusehen. „Hana-chan“, begann er in ernstem Tonfall, „Ist irgendwas Bestimmtes?“

Sie wandte sich ab und gab ein nervös wirkendes Räuspern von sich. „Wieso sollte etwas sein?“

„Ich kenne dich schon ein wenig, weißt du?“

„Scheinbar nicht sehr gut ...“, murmelte sie kaum hörbar und Akiyama war sich auch nicht wirklich sicher, ob die Worte, die er vernahm, tatsächlich dem entsprachen, was sie von sich gegeben hatte.

„Wie war das?“, hakte er daher irritiert nach.

„Chef?“ Sie blickte auf und wirkte plötzlich derart verletzlich, dass sich Akiyama bei diesem Anblick die Nackenhaare aufzustellen begannen. „Wieso genau mögen Sie ihn eigentlich?“

Die Frage hatte ihn mehr als kalt erwischt und nach einem nachdenklichen Brummen meinte er leise: „Um ehrlich zu sein, weiß ich das selbst nicht so genau.“

„Ich dachte immer, Sie stünden auf ‚geheimnisvolle Schönheiten‘“, meinte sie spitz und betonte die letzten Worte in sonderbarem Tonfall.

„Ist er denn deiner Meinung nach soweit davon entfernt, das zu sein?“, gluckste Akiyama und wandte sich dann wieder seiner Füllung zu. „Ich werde manchmal wirklich nicht schlau aus ihm, das war eben immer schon reizvoll für mich. Und dass er gut aussieht, kannst du nicht abstreiten.“

„Ist das alles, was Sie an ihm interessiert?“ Schnaubend reinigte sie die Arbeitsfläche und wirkte dabei ein wenig zu energisch, wie Akiyama befand.

Wieso benahm sich seine Sekretärin denn plötzlich so sonderbar? Frauen waren wirklich ein Mysterium, das er niemals würde richtig ergründen können.
Seine Gehirnwindungen arbeiteten auf Hochtouren, aber irgendwie schienen sie auf keine Lösung zu kommen. Doch … Moment mal. Konnte es denn sein, dass sie …

„Hana-chan“, begann Akiyama dann und holte erschrocken Luft, während er sie aus schreckgeweiteten Augen anzusehen begann. „Kann es denn sein, dass du …“

Sie quiekte erschrocken, wich nach hinten und krallte sich in der Küchenablage fest. „Ich, ich ...“

„Kann es sein“, begann Akiyama erneut und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen bei der Vorstellung, die sich in seinem Kopf zusammenbraute, „Dass du dich ebenfalls in ihn verliebt hast?“

Hana öffnete den Mund, schloss ihn aber daraufhin gleich wieder. Nachdem sie anschließend mehrfach aus weit aufgerissenen Augen in seine Richtung geblinzelt hatte, drang ein langgezogenes  Jammern aus ihrer Kehle. „Oh Chef …“ Sie ließ den Kopf hängen.

„H-habe ich etwa Recht?“, fragte er hektisch und spürte den Angstschweiß auf seiner Stirn.

„Nein. Sie … sind so ein Idiot.“

„Was? Wieso denn schon wieder?“ Er war nun komplett verwirrt.

„Oooooooh...“


...


Knapp zwei Stunden später, die Stimmung war ein wenig sonderbar gewesen, hatten sie es zusammen tatsächlich ohne größere Unfälle geschafft, mehrere wundervoll anzusehende Leckereien zu zaubern.

Ohne Hana hätte er dies wirklich niemals geschafft.

Stolz blickte er auf die kleinen Meisterwerke, die nun in mühevoller Handarbeit durch filigrane Verzierungen zu überzeugen wussten.
Natürlich hatte Akiyama viel Zeit darin investiert darüber nachzudenken, welche Farben und Muster er wählen wollte. Nun; er hatte sich dann aber doch für das Offensichtlichste entschieden: Schwarz, Königsblau und Silber. Dazu wählte er stets den Kontrast zwischen heller und dunkler Schokolade aus, damit auch ja alles richtig zur Geltung kam.

Selbst Hana hatte keinerlei schnippische Kommentare abgegeben, als er begonnen hatte, die Pralinen zu verzieren, also war das durchaus eine Art Kompliment!

Manche von ihnen hatte er mit essbaren Silberflocken verziert, die an frisch gefallenen Schnee an einem kalten Wintermorgen erinnerten.
Andere wiederum waren in tiefblaue Muster gehüllt, deren Finesse durchaus mit filigranen Mandala würde mithalten können.
Besonders stolz war er aber auf ein Set von vier an Mahjong Fliesen angelehnte Leckereien, die aus weißer Schokolade bestanden und durch schwarze Lebensmittelfarbe mit dem Zeichen für ‚Norden‘ verziert waren.

Gut, wenn er so an die entstandene Masse dachte, die nun vor ihm auf dem Tisch stand, hatte er womöglich ein wenig übertrieben. Aber gut, er wusste ja, dass Tanimura, im Gegensatz zu ihm, ein großer Esser war! Lieber zu viel als zu wenig, war also die Devise!

„Ich würde ihm das nicht alles vorsetzen“, meinte Hana dennoch kritisch. „Ihm wird sicher nach dem ersten Bissen speiübel.“

„Gar nicht!“, protestierte Akiyama beleidigt. „Ich bin mir absolut sicher, dass er begeistert sein wird!“

„Wir haben, vermute ich, zwei unterschiedliche Auffassungen von der Bedeutung dieses Wortes.“

Akiyama rümpfte nur die Nase und griff nach der blauschwarzen Verpackung mit Silberband, um seine Meisterwerke darin einzubetten.

Während Hana ihm dabei zusah, verschränkte sie die Arme vor der Brust und murmelte: „Wenn ich nicht so verdammt wütend wäre, würde er mir glatt leidtun, der arme Mann.“

„Hä? Wütend? Wieso wütend?“ Akiyama blickte verwirrt auf und hielt kurz inne.

Mit dem tiefsten Seufzen, das er je aus ihrer Kehle vernommen hatte, entgegnete seine Sekretärin allerdings nur: „Sie sind und bleiben einfach ein ahnungsloser Tropf, Chef.“


...


Es war nicht schwierig gewesen, Tanimura davon zu überzeugen, den 14. Februar in seiner Nähe zu verbringen. Scheinbar ging er davon aus, dass er so Ruhe haben würde vor all dem kitschigen Wahnsinn, der sich unten auf den Straßen ereignete.

Eigentlich wäre er lieber mit ihm bei sich zu Hause … Aber er wollte die Einladung ja nicht irgendwie anders klingen lassen als sonst. Und eigentlich war es ja egal, wo er ihm seine Liebe gestehen würde; es kam auf die Botschaft an sich an.

Mit einem gedehnten Seufzer warf Tanimura sich beim Betreten des Büros sogleich auf die Kundencouch und legte den Kopf erschöpft in den Nacken. Neben sich legte er allerdings eine kleine Tüte, deren Inhalt Akiyama zunächst aber noch nicht sonderlich skeptisch machte.

„Meine Güte“, murmelte der Polizist entnervt, „Heute drehen wieder alle vollkommen am Rad.“

„Dann kannst du ja froh sein, dich bei mir verstecken zu dürfen.“ Akiyama ließ sich wie gewohnt ihm gegenüber auf der anderen Couch nieder und fläzte sich tief in das bequeme Leder. „Weit weg von all den liebestollen Mädchen, die sich dir an den Hals werfen wollen.“ Er grinste vielsagend.

„Oh bitte“, knurrte Tanimura ungeduldig, „Lass den Scheiß. Du bist ja geradezu besessen von dem Thema. Man könnte fast meinen, du wärst eifersüchtig.“

Uuuups...

„Ha! Schon vergessen, dass mir ein ganzer Club voll Mädls zu Füßen liegt? Ich muss also kaum eifersüchtig sein, weil du angeblich mehr Verehrerinnen hast.“

„So? Ich meinte eher, dass du sie als Konkurrentinnen siehst.“

Woah, was? „Äh“, stotterte Akiyama mit beschlagener Stimme. „Ich glaube, ich komme gerade nicht mit.“

„Ja, ja, klar.“ Tanimura verzog amüsiert den Mund, wandte sich dann aber zügig zu dem kleinen Beutel, den er mitgebracht hatte, kramte darin herum … und zog eine Schachtel daraus hervor, bei deren Anblick Akiyamas Herz einen Takt lang aussetzte.

Wortlos stellte sein Gast den Gegenstand auf den Tisch, als wäre es die banalste Sache der Welt.

Akiyama starrte vollkommen entgeistert auf die kleine, viereckige Schachtel, die Tanimura vor einer Sekunde ohne viel Aufhebens zwischen ihnen platziert hatte.
Die bordeauxrote Verpackung kam komplett ohne überflüssigen und kitschigen Schnickschnack aus; lediglich ein einziges, braunes Seidenband spannte sich quer von einer Ecke zur anderen.  

Er brachte nur ein irritiertes „Äh“, heraus, konnte aber sonst nicht in Worte fassen, was ihm gerade durch den Kopf ging.
Nun, das konnte alles bedeuten – oder auch nichts. Es war vielleicht dieGeste der Liebe – doch womöglich handelte es sich auch nur um ein totales Missverständnis.

Während Akiyamas Herz mittlerweile eher regelrechte Freudentänze aufzuführen begann, raunte ihm sein Verstand zu, dass Tanimura an ihn womöglich einfach nur die Schokolade abschob, die er erhalten hatte...

„Äh“, kam es also erneut aus ihm hervor, weil er zu komplizierteren Denkprozessen einfach nicht imstande war.

Mechanisch begann er als nächstes, seinen Kopf zu heben, um Tanimura genau in Augenschein nehmen zu können; womöglich würde das ja Aufschluss darüber geben, ob er nun lachen oder weinen sollte …
Aber nein; der Anblick seines Schwarms brachte ihm so gar keine Gewissheit. Der junge Polizist hatte nur lässig die Beine übereinandergeschlagenen und blickte gelangweilt zur Seite, während er sich dabei auf einem Arm aufstützte, um vermutlich nicht gleich einzuschlafen.
Doch eine Sache störte Akiyama dennoch …

Wenn er wirklich so locker war wie er tat, wieso wippte dann ohne Unterlass sein Fuß durch die Luft? Weshalb vergrub er sein Gesicht so sehr zwischen Handfläche und Kragen der Jacke, dass er kaum einen Blick darauf erhaschen konnte? Und verdammt; warum sah er in jede Richtung – nur absolut stur nicht in die seine? „Also was ist? Mach auf“, murmelte er dann allerdings in nächster Sekunde und nuschelte dabei so herum, dass Akiyama fast kein Wort davon verständen hätte. Dass er immer noch so beschämt den Kopf abwandte, machte es nicht besser …

„Tanimura, ist das tatsächlich von dir für -“

„Das wolltest du doch, oder?“ Ganz kurz huschten seine dunklen Augen in seine Richtung, ehe ihm der Blickkontakt wohl gleich wieder zu viel wurde und er lieber erneut Hanas Schreibtisch aufs genaueste zu inspizieren begann.

„Nun, also wenn ich ehrlich bin ...“, begann Akiyama mit krächzender Stimme von sich zu geben, aber brachte nicht einmal einen einzigen Satz zustande. Irgendwie spürte er regelrecht, wie sich in seinem Kopf ein alles verschlingendes Vakuum einem schwarzen Loch gleich zu bilden begann, das ihn von Sekunde zu Sekunde einer regelrechten Verblödung näherbrachte …

„Willst du es jetzt oder nicht?“, kam es immer ungeduldiger zurück. Und gefolgt von: „Ah … Ich mach mich hier zum absoluten Oberdeppen deinetwegen.“

„Ich … Woher wusstest du, also, na ja, dass ich dich …“ Mehr als unzusammenhängendes Gestotter war wohl gerade nicht drin.

„Lüg niemals einen Polizisten an, Akiyama; vor allem nicht, wenn man so schlecht darin ist wie du. Denkst du wirklich, mir wäre nicht aufgefallen, wie du seit Monaten meinen Hintern musterst, wenn du denkst, ich kriege es nicht mit?“

„Hey, woah, also ich habe nie -“

„Oder wie deine Hand immer ganz beiläufig auf meinen Oberschenkeln landet?“

„Äh, Zufall! Ich, nun, gestikuliere eben hin und wieder.“

„Sicher“, kam es sarkastisch zurück. „Hast du dich vielleicht im Gegenzug mal gefragt, wieso ich das immer geschehen ließ und dir stattdessen keine verpasst habe?“

„ … Oh.“ Hieß das jetzt etwa, er fühlte genauso?

„Tja, oh. So was auch.“ Mit einem überlegenen Grinsen starrte er ihm geradewegs ins Gesicht, vollkommen ohne einen Hauch schlechten Gewissens, ihn gerade derart vorzuführen.

Er war manchmal so ein rotzfrecher Bengel …

„Dann kann dich das hier ja eigentlich nicht mehr sonderlich überraschen.“ Mit schwitzenden Händen zog Akiyama unter dem Sofa die Schachtel hervor, die er gestern in nervöser Vorfreude befüllt und vorhin versteckt hatte, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. (Was Tanimura ja dann allerdings für ihn übernommen hatte.)

„Ernsthaft jetzt?“, gab der Polizist ungläubig von sich und starrte verdattert auf das Geschenk, das Akiyama nun ebenfalls auf dem Tisch platzierte. „Oh, das ist echt so was von unnötig.“

Akiyama lachte kurz nervös auf und meinte: „Ich weiß schon, du magst Schokolade nicht, aber ich dachte mir … Vielleicht ist sie okay, wenn sie von mir stammt.“

„Hm? Oh, ach das. Hab gelogen.“

„Was?!“

„Ich hab kein Problem damit. Ich wollte nur genau diese schrecklich peinliche Situation vermeiden, die jetzt ja leider dank dir doch eingetreten ist.“

Da spielte er wohl eindeutig auf den Umstand an, dass sie wie verliebte Teenager einander gegenübersaßen und sich gegenseitig ihre Zuneigung in Form süßer, kleiner Pralinchen schenkten …

Ja, doch. War schon irgendwie schrecklich peinlich, da hatte er nicht ganz Unrecht. Aber wie hätte er das bitte ahnen sollen?

„Also, was ist jetzt?“, fragte Tanimura wenige Sekunden später und nickte zu seiner Schachtel. „Willst du gar nicht probieren?“

„Doch, doch, sicher ...“

Zunächst noch streckte Akiyama seine Hand eher zögerlich nach der kleinen Schachtel aus, als fürchte er, sie könne sich jederzeit Zähne wachsen lassen und seinen gesamten Arm abbeißen.
Nach einem lautstarken Schlucken fasste er sich dann allerdings ein Herz – und hob den Deckel ab.
Eigentlich wusste er nicht so wirklich, was er erwartet hatte. Sein Gehirn kämpfte immer noch damit zu realisieren, dass Tanimura fürihn, und wirklich nur für ihn ganz allein dieses kleine Präsent angefertigt hatte …

Beim Anblick der vier perfekt geformten, aber dennoch vollkommen ohne jeglichen Pomp verzierten Kugeln musste Akiyama grinsend den Kopf schütteln. Er konnte nicht genau sagen wieso, aber aus irgendeinem Grund passte dies so perfekt zu Tanimura. Eine solch liebevolle Geste – aber dann doch irgendwie bloß nicht übertrieben. Einfach, geradlinig; aber trotz allem sprach sie Bände.

Tanimura beobachtete ihn die ganze Zeit über genau. Er schwieg, aber seine Lippen kräuselten sich kaum merklich amüsiert, als er Akiyamas Fassungslosigkeit über die Vollkommenheit und Aussage dieses Geschenks wahrzunehmen schien. Und ja, er wirkte auch ziemlich selbstgefällig dabei, wie so oft …

Akiyama griff sachte nach der ersten der kleinen Pralinen, drehte sie sorgsam zwischen seinen Fingern, ehe er mit einem stummen Nicken in Tanimuras Richtung seinen Dank ausdrückte – und die Kugel in seinen Mund schob.

Als sich ein fantastisch cremiger und vollkommen perfekt abgestimmter Geschmack nach Trüffelcreme und Cognac auf seiner Zunge auszubreiten begann, riss er perplex die Augen auf, was Tanimura ein leises Prusten entlocken konnte.

„Sag bloß, es schmeckt?“, gab er neckisch von sich und neigte den Kopf zur Seite, um Akiyama einen derart verführerischen Blick zuzuwerfen, dass dieser nicht nur ein angenehmes Prickeln im Mundraum spürte – sondern auch in einem viel, viel tiefer gelegenen Bereich seines Körpers.

„Hast du die wirklich selbst gemacht?“, fragte er überwältigt – bereute seine Worte aber sogleich, als Tanimuras Gesichtszüge sich verfinsterten.

„Pff, darum geht es doch bei diesem albernen Tag, oder nicht?“

„Es ist nur, also, ähm …“ Akiyama suchte nach Worten, um sein verstimmtes Gegenüber wieder ein wenig zu besänftigen,  „Es schmeckt fantastisch. Und ich bin wirklich wählerisch, was Essen angeht.“

„War mir klar. Aber ganz ehrlich? So schwer war das echt nicht.“

„Nicht schwer?!“

„Nö. Wieso auch. Ist doch nur Schokolade.“

Anhand Tanimuras bereits seit Jahren perfektioniertem Pokerface konnte er nicht sagen, ob dies der Wahrheit entsprach – oder er aber vielleicht doch eher mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen war, ähnlich wie ihm selbst, bevor er Hana um Hilfe gebeten hatte.
Die Wahrheit würde er niemals erfahren, so viel stand fest.

„Wie auch immer.“ Tanimura überschlug die Beine und blickte selbstgefällig wie ein kleines Kind auf Akiyamas Pralinenschachtel. Neugierig hob er den Deckel ab – und Akiyama erkannte voll Stolz, dass selbst dem sonst so lässig wirkenden Tanimura daraufhin ein überraschtes Keuchen entwich. „Woah, nicht schlecht“, murmelte er gleich anschließend anerkennend.

„Wie, ein Wort der Begeisterung? Von dir?“, neckte Akiyama mit einem Augenzwinkern.

„Ich muss tatsächlich zugeben“, begann Tanimura noch immer staunend, „dass sie wirklich ganz nett sind.“

„Ganz nett?“

Er grinste nur frech. „Aber sehen wir mal, wie gut deine Liebe im Vergleich zu meiner schmeckt, hm?“

„Mach keinen Wettbewerb daraus!“

„Ja, ja.“

In nächster Sekunde wurde Akiyama sich darüber bewusst, was Tanimura vorhin über sein Verhältnis zu Schokolade von sich gegeben hatte …

Wie war das? Eigentlich … mochte er sie.

Und plötzlich schlussfolgerte er, dass er sich vermutlich grundlegend in der Tatsache verschätzt hatte, der junge Polizist würde, nur weil er augenscheinlich nichts für Süßes übrig hätte, automatisch etwas mögen, das zwar mit Schokolade ummantelt war – doch ansonsten der Bezeichnung „süße Verführung“ nicht wirklich gerecht wurde …

Und ja, vermutlich würde er sein Geschenk mehr als ekelhaft finden.

„Oi, Tanimura, an deiner Stelle würde ich vielleicht doch lieber nicht -“

Doch Akiyamas Warnung kam eindeutig zu spät, als sein Gegenüber sich geschickt eine der runden, dunkelbraunen Kugeln in den Mund warf, ohne auch nur annähernd auf seine Worte einzugehen.

Eine Sekunde später zuckte Tanimura angeekelt zusammen, hustete erschrocken und schlug sich mit einem hektischen Keuchen auf den Brustkorb. Er verzog angewidert die Lippen, während er vollkommen schockiert unter Tränen herauspresste: „Was zum Teufel soll das denn sein?!“

„Meerrettich...und eingelegte Gurken.“

„In einer Praline?!“, hektisch stand er auf und stapfte zum kleinen Schränkchen neben Hanas Schreibtisch, auf dem stets ein paar Getränke für die Kunden standen, um ein ganzes Glas Wasser auf einmal zu trinken.

„Zugegeben, womöglich habe ich mit dem Inhalt ein wenig übertrieben“, gab Akiyama zurück und lachte gekünstelt, um die Situation ein wenig zu entschärfen – was leider gewaltig daneben ging. „Aber du bist selbst schuld daran, Officer! Im Grunde hast du mir ja gar keine Wahl gelassen.“

„Wie soll ich das denn verstehen?“ Mit einem kraftlosen Seufzen schlug er sich ein letztes Mal gegen die Brust und stellte das Glas beseitige.

„Nun“, begann Akiyama und fühlte tatsächlich so ein kleines bisschen Schadenfreude in sich aufsteigen für all die Sorgen und den Ärger der letzten Tage, „Ich musste ja irgendwie eine Ausweichvariante finden, um die Sache mit der Süße zu umgehen!“

„Indem du Meerrettich und Gurken in meine Pralinen packst?“

„Jetzt hab dich nicht so.“ Vergnügt stand nun auch er auf, schnappte sich seine ‚Meisterwerke‘ und hielt sie ihm ein paar Augenblicke später scheinheilig lächelnd entgegen.
„Wenn du eine der anderen probierst, nervt dich das alles gleich nicht mehr!“

Pikiert wanderten Tanimuras Augen kurz nach unten. Dann wieder hoch. Anschließend verzog er skeptisch die Brauen und er murmelte mit tiefem Argwohn in der Stimme: „Was erwartet mich dieses Mal?“

Akiyamas scheinheiliges Lächeln verwandelte sich in das schmierigste Grinsen, zu dem er imstande war. „Die dort ist mit selbst entwickelter Barbecuecreme und die andere hier mit ganzen, gesalzenen Ingwerstücken. Oh, und wenn du dich für diese hier entscheidest, bekommst du den vollen Sojasaucengeschmack ab.“

„Was zum Teufel ist ‚Barbecuecreme‘? Und wieso überhaupt Sojasauce in Schokolade?“, fragte Tanimura ein wenig verzweifelt.

„Wieso denn nicht?“

Tanimura schien wohl doch keinen Wert auf den Erhalt einer Antwort zu legen und nickte stattdessen vorsichtig zu den Pralinen im Mahjong-Look. „Die sehen harmlos aus, aber ich traue dem Frieden nicht.“

„Blödsinn! Darin befindet sich nur Fenchel-Essig-Mousse. Vollkommen unbedenklich.“

„Mein Gott, wenn das deine wahren Gefühle sind ...“, brummte Tanimura mit beschlagener Stimme und schien eindeutig gerade gegen seinen Brechreiz anzukämpfen. „Dann denke ich nicht, dass ich mich imstande sehe, sie zu akzeptieren ...“

Akiyama hingegen lachte beherzt. „Geschieht dir ganz recht, hübscher Junge. Du wolltest schlauer sein als ich? Das hast du jetzt davon. Du bekommst nur etwas mit gleicher Münze heimgezahlt. Nennt man wohl Karma.“

Tanimura setzte an, um lautstark zu protestieren, kam allerdings nicht weit, denn Akiyama machte kurzen Prozess, indem er ohne Umschweife die nächste seiner fragwürdigen Kreationen nahm, sie seinem Liebsten in den Mund schob – und zu guter Letzt ihre Lippen zum Kuss vereinte.

Ob das überraschend hohe Jammern, das daraufhin aus Tanimuras Kehle drang, dem eigenwilligen Geschmack oder doch eher dem Schock über Akiyamas letzte Handlung geschuldet war, konnte er in diesem Augenblick nicht sagen.

Fest stand jedenfalls, dass er ihn weder wegstieß noch versuchte, den Kuss zu unterbinden …  Ganz im Gegenteil.

Und bald schon mischte sich zwischen die gewöhnungsbedürftige Mischung bestehend aus Rauch, Cognac, Meerrettich und Ingwer auch etwas anderes …

Der Geschmack nach Liebe, Zärtlichkeit … und einer stillen Übereinkunft, dass das, was sie beide verband, erst jetzt so richtig ihren Anfang nehmen würde.

Zartschmelzend, süß – und womöglich auch ein kleines bisschen … scharf.
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