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Ein Gefühl für die richtige Entscheidung

von - Leela -
Kurzbeschreibung
OneshotAbenteuer / P12 / Gen
Brigadier Alistair Gordon Lethbridge-Stewart Captain Mike Yates Sergeant John Benton
08.02.2021
08.02.2021
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08.02.2021 3.544
 
Projektanmerkung: Diese Geschichte wurde für den Jahreskalender 2020 von lula-chan geschrieben.
      Das Zitat für den 12. November 2020 war: "Es ist nichts vorbei, bevor es vorüber ist." (ALF)
      Schaut doch auch mal bei den anderen Tagen rein:
      11. November 2020: »Singles Day« von Nyanlove
      13. November 2020: »Verloren« von Sira-la

Kommentar des Autors: Ihr habt ja schon gemerkt, daß ich unglaublich gerne mit Johnny Benton arbeite. Nein, ich bin nicht sadistisch veranlagt! Ich liebe ihn über alles! Ich kann doch schließlich auch nichts dafür… Diese Situation erzählte er mir jedenfalls so spontan, daß ich nicht anders konnte, als sie hier für den Jahreskalender aufzuschreiben. ^^



Ein Gefühl für die richtige Entscheidung

Der Brigadier war in eine Zwickmühle geraten, wie er es kaum ein zweites Mal erlebt hatte. Und dabei ging es »nur« um eine alte, verlassene Scheune im Hügelland.
      Es hatte damit angefangen, daß U.N.I.T. auf einige seltsame Aktivitäten in der Region aufmerksam geworden war. Der erste Schachzug von Brigadier Lethbridge-Stewart war gewesen, in der Gegend ermitteln zu lassen, um an die nötigen Informationen zu kommen, die er brauchte, um die Lage beurteilen zu können. Und genau das brach ihm jetzt das Genick. Er hatte es in seiner ganzen Laufbahn noch nie erlebt, zu ein und demselben Sachverhalt so widersprüchliche Ermittlungsergebnisse zu bekommen.
      Er saß an seinem Schreibtisch und sah sich noch einmal die Berichte an. Einer davon machte ihn sehr neugierig, der andere alarmierte ihn zutiefst.
      Das erste Team der Ermittler sprach von einem Lager für altes Piratengut, das unter der Hütte liegen sollte. Es sollte dort ein großes Kellergewölbe geben, in dem verschiedene Schätze von unbestimmten Wert gelagert waren. Wäre das wahr, bestand die Möglichkeit, Artefakte von unschätzbarem materiellen, ideellen und kulturellen Wert zu heben. Das wäre ein Erfolg, den er sich in seiner Laufbahn nicht entgehen lassen wollen würde.
      Der Bericht der zweiten Gruppe informierte allerdings über eine Art Labor, das unter der Hütte eingerichtet worden sein sollte, und das nicht von Menschen errichtet worden sein konnte. Die Tendenzen sprachen sich für ein extraterrestrisches Experimentierzentrum aus, welches ebenfalls schon ein gewisses Alter haben mußte, und eine tickende Zeitbombe sein sollte, da eine Druckkammer gefunden worden war, deren Meßwerte auf der Skala an der Tür bedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Dem Bericht zufolge konnte bald jederzeit das ganze Areal in die Luft gehen und alles im näheren Umkreis mit sich ins Verderben ziehen. Die Variante war phantastischer und weniger attraktiv als die erste, letzten Endes war die United Nations Intelligence Taskforce ja aber genau dafür da, extraterrestrische Aktivitäten auf der Erde zu bewerten und wenn erforderlich zu bekämpfen.
      Wie es zu den unterschiedlichen Ermittlungsergebnissen hatte kommen können, konnte sich der Brigadier nicht erklären. Selbst auf Nachfragen hin änderte sich an dem Resultat aber nichts. Beide Teams blieben bei ihren Aussagen. In einem Punkt waren sich die beiden Berichte allerdings einig, und das war, was die kürzlichen Aktivitäten in der Region anging: Ein Forscherteam war auf das Gebiet aufmerksam geworden, und so natürlich auch auf die alte, schon halb verfallene Hütte. Offenbar war die Gegend auch archäologisch nicht so ganz uninteressant. Und an dieser Stelle begannen die Probleme des Brigadiers richtig!
      Normalerweise mischte sich U.N.I.T. nicht in die Forschungsarbeit anderer ein. Hier jedoch galt es, die Zivilisten zu schützen. Bei einer Variante hätte er keinen Handlungsbedarf gesehen. Das Piratengut hätte er den Forschern und Wissenschaftlern sogar noch als Highlight überlassen können. Stimmte aber die Variante mit dem Pulverfaß eines extraterrestrischen Labors, dann mußte sofort gehandelt werden! Und anhand des ihm vorliegenden Berichtes blieb bei ihm kein Zweifel offen, daß der einzige Weg sein würde, das Labor zu zerstören, bevor noch jemand, und sei es nur der zufällige Fußgänger, zu Schaden kam. Die Vorstellung behagte ihm nur wenig. Er hatte kein Problem damit, drastische Maßnahmen zu ergreifen, wenn es erforderlich war. In diesem Falle, sollte sich doch die Theorie der Piratenfunde bewahrheiten, wäre die Entscheidung allerdings verheerend.
      Lethbridge-Stewart atmete tief durch. Es war an der Zeit, Entscheidungen zu treffen und einen Plan zu entwickeln…

Der Brigadier hatte sofort reagiert und dabei alle Eventualitäten in Betracht gezogen. Das Gebiet um die Scheune war weiträumig gesperrt worden. Um ein eindeutiges Ergebnis zu bekommen, welche Variante der beiden Berichte nun den Tatsachen entsprach, wollte er sich vor Ort selbst ein Bild von der Lage machen. Er hatte aber auch gleichzeitig den Einsatz eines Kampfjets angeordnet, der sich in Bereitschaft halten sollte. Die Geschichte von dem extraterrestrischen Labor war so abstrus, daß er bezweifelte, jemand von seinen eigenen Leuten könnte sich so etwas ausgedacht oder zusammenphantasiert haben, und in dem Fall wollte er gar nicht erst in Verzug kommen, die Zerstörung des Labors anzuordnen, bevor es sich selbst zerstörte.
      Mit dem von ihm zusammengestellten Team ging es heute also noch einmal in das Hügelland. Der Brigadier sah sich die Voraussetzungen vor Ort genau an. Er teilte zwei Gruppen ein – zum einen eine Gruppe mit zwei Ermittlern, die sich aus Mitgliedern beider Berichterstattungen zusammensetzte, zum anderen ein Überwachungsteam, das er selber leiten würde. „Captain Yates, Sergeant Benton, Corporal Sobraith, Sie werden sich mit mir zusammen dort oben postieren!“ Er zeigte auf eine Anhöhe, die etwas geschützt lag. „Von dort aus können wir das gesamte Gebiet überblicken und sofort eingreifen, wenn etwas in die Quere kommt. Von dort werden wir den Luftangriff koordinieren, sofern notwendig.“
      Die Männer nickten und bereiteten sich darauf vor, auf dem etwas höher liegenden Gelände den Funk- und Beobachtungsposten aufzubauen.
      Lethbridge-Stewart wandte sich nun den beiden Ermittlern zu. Das Team hatte er extra klein gehalten; die beiden sollten nur den Bericht verifizieren, der wirklich zutraf, damit er die für den jeweiligen Sachverhalt richtige Entscheidung umsetzen konnte. Er wandte sich an den Leiter seines Ermittlungsteams. „Wir bleiben in ständigen Funkkontakt. Ich möchte detailliert auf dem laufenden bleiben, was Sie dort unten vorfinden! Halten Sie sich zum sofortigen Rückzug bereit! Sollte sich die Labor-Variante bewahrheiten, gehen Sie kein Risiko ein, sondern kommen Sie unverzüglich zum Beobachtungsposten! Ich werde nicht zögern, die Freigabe für die Zerstörung zu geben! Bei unserer harmlosen Variante gilt das gleiche. Verifizieren Sie nur den Bericht und kommen Sie direkt zurück. Wir wollen heute nur ermitteln, und eingreifen, wenn Gefahr droht.“
      Die beiden Soldaten nickten. „Ja, Sir!“
      Nachdem die Instruktionen klar und bestätigt waren, gingen die beiden Gruppen auseinander. Der Brigadier postierte sich mit seinen Männern auf der Anhöhe, und das Ermittlungsteam brach zu der Scheune auf.
      Durch die Feldstecher konnten Captain Yates und der Brigadier die Ermittler beobachten. Gerade erreichten sie die Hütte und tasteten sich weiter vor. Sie waren nur kurze Zeit in der Hütte verschwunden, als die Meldung über Funk kam: „Wir befinden uns jetzt in einem sterilen weißen Gang!“
      „Das Labor!“ Lethbridge-Stewart hatte es bereits geahnt. Eine so phantastische Geschichte hätte von ein paar überdrehten Teenagern kommen können, aber nicht von seinen Männern, wenn sie nicht wahr wäre. „Sergeant Benton, bereiten Sie den Airstrike vor.“
      „Sofort, Sir!“
      Während John an die Funkstation ging, lauschte Lethbridge-Stewart auf die weitere Berichterstattung. „Trap One an Greyhound Two. Wie ist der Status? Over.“
      Nach einer kurzen Pause kam es zurück: „Noch nicht sicher, Sir! Over.“
      „Was soll das heißen, nicht sicher? Sie können sich zusammen vor Ort doch nicht immer noch uneins sein! Over!“ gab der Brigadier beinahe ungehalten zurück.
      „Sir, der Kampfjet ist in Alarmbereitschaft. Er wartet nur noch auf unser Zeichen.“ meldete John aus dem Hintergrund.
      „Danke, Benton. Halten Sie sich in Bereitschaft.“ Der Brigadier konzentrierte sich wieder auf die Antwort des Ermittlungsteams.
      „Wir sind noch immer in einem sterilen Gangsystem unterwegs. Over.“ antwortete einer der Soldaten.
      „Okay, das reicht mir! Das ist nicht kompatibel mit dem Bericht über den Piratenschatz!“ entschied der Brigadier und gab über Funk das Kommando: „Trap One an Greyhound Two, sofortiger Rückzug zur Basis! Ich wiederhole, sofortiger Rückzug zur Basis! Die Zerstörung wird umgehend eingeleitet!“
      „Verstanden! Wilco, Over and Out!“ Bereits in die letzten Worte hinein war die Stimme des Soldaten nur noch verzerrt und undeutlich zu hören. Anscheinend war der Empfang in dem Kellergewölbe so schlecht, daß es die Verbindung zum kollabieren brachte.
      Der Brigadier beobachtete die Lage durch den Feldstecher und überschlug etwas. „Benton, der Jet soll bereits starten! Bis er über dem Zielgebiet angelangt ist, ist der Jeep mit unseren Leuten hier.“
      „Ja, Sir!“ bestätigte der Sergeant.
      Lethbridge-Stewart beobachtete weiter das Geschehen bei der Hütte. Es dauerte eine Weile, bis seine beiden Männer auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kamen. In der Ferne konnte man bereits den Kampfjet hören.
      Als die Männer in den Jeep sprangen, kam ein neuer Funkspruch durch. „Entwarnung! Es handelt sich nicht um das Labor, sondern um das Lager für Piratengut! Die Zugänge zum Kellergewölbe sind von der einen Seite lediglich moderner als von der anderen.“
      Den Brigadier durchfuhr ein Schock. Jetzt erklärte sich langsam, wie der unterschiedliche Eindruck bei der Ermittlung entstanden war – die Teams waren von verschiedenen Seiten zum Keller vorgedrungen, und die eine hatte ihrer Phantasie zu viel Raum gegeben. Der Jeep war wie geplant auf dem Weg zurück zu ihnen; dennoch, der Jet war noch unterwegs und drauf und dran, altes Kulturgut zu zerstören. Und das durfte nicht passieren! „Sergeant, beenden Sie den Einsatz des Jets! Sofort!“ rief der Brigadier ihm zu.
      John schnappte sich das Funkgerät und gab rasch durch: „Eagle, Operationsstatus: Sofort abwerfen!“
      Er hatte kaum ausgesprochen, da zischte der Jet über sie hinweg, und Sekunden später ging der Schuppen in Flammen auf. Ein ohrenbetäubender Lärm zeugte davon, daß der Sprengkopf sein Ziel getroffen hatte, während die Druckwelle, die durch den Boden ging, die Männer zu Boden warf. Rauch stieg über dem Hügelland auf.
      In dem Hinterhalt waren vier Soldaten in Schockstarre gefangen. Brigadier Lethbridge-Stewart erholte sich als erster aus seiner Bewegungsunfähigkeit. „Was war das denn für eine Aktion? Sind Sie nicht mehr ganz bei Sinnen, Sergeant? Oder hören Sie schlecht? Ich sagte, die Aktion soll gecancelt werden, Herrgott nochmal!“
      Captain Yates und Corporal Sobraith sahen den Brigadier mit großen Augen an. Keiner von ihnen hatte den üblicherweise so besonnenen Mann je so ausrasten erlebt. John hatte es geschafft. Nach dieser Aktion verlor selbst der sonst eher ruhig veranlagte Brigadier die Beherrschung.
      John saß noch immer regungslos, als hätte er den Gefühlsausbruch seines Vorgesetzten nicht einmal mitbekommen. Er kniete apathisch auf dem Rasen und starrte durch den Boden hindurch, als wäre er in einer ganz eigenen Gedankenwelt gefangen.
      Mike Yates und Alden Sobraith lösten sich gerade ebenfalls wieder aus ihrer Starre. Captain Yates ließ sich vor seinem Kameraden auf die Knie sinken. „John, was ist passiert?“ Daß er den Sergeant mit Vornamen ansprach, zeigte an, daß er begriffen hatte, in welchem Zustand sich der rangniedrigere Soldat befand.
      John war förmlich apathisch. „Das glauben Sie mir nie, Sir!“
      „Versuchen Sie es!“ forderte Mike ihn auf.
      John bemühte sich, sich zu sammeln. Es dauerte einen Augenblick, bis er langsam und bedächtig erklären konnte: „Ich wollte sagen »abbrechen«. Während ich damit angefangen habe, kam mir in den Sinn zu sagen »verwerfen«. Daraus wurde ab-werfen…“
      Mike sah den Sergeant eine Sekunde reglos an. Dann atmete er tief durch. „Ach du ahnst es nicht.“
      Der Brigadier war indes noch weit davon entfernt, sich über den Vorfall zu beruhigen. Aufgewühlt herrschte er den jungen Mann an: „Über die Angelegenheit sprechen wir noch! Jetzt können wir dank Ihnen erst mal nur Schadensaufnahme machen! Tun Sie einmal in Ihrem Leben etwas sinnvolles, und sehen Sie zu, daß Sie sich da unten den Überblick verschaffen! Vielleicht wirkt das ja mehr als das, was man versucht hat, Ihnen bei der Militärausbildung beizubringen.“
      John wirkte, als hätte man ihm in den Magen getreten. Er konnte ein Zittern nicht unterbinden, als er aufstand.
      Der Brigadier beachtete ihn indessen gar nicht mehr. Er hatte jetzt andere Dinge, um die er sich kümmern mußte. Gerade sprach er sich mit den beiden Soldaten ab, die im Jeep bei ihnen angekommen waren und befürchteten, mit ihrer Entwarnung nicht mehr rechtzeitig gewesen zu sein.
      John stand reglos auf seinem Platz, und wäre die gute Militärausbildung nicht gewesen, man hätte meinen können, er wolle in Tränen ausbrechen.
      Alden gesellte sich an seine Seite. „Alles in Ordnung, Sarge?“
      John starrte in eine unergründliche Ferne. „Es ist vorbei!“
      Mike legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter und versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln. „Jetzt sehen Sie es nicht schon so negativ. Es ist nichts vorbei, bevor es vorüber ist.“
      John lächelte kurz sarkastisch zurück. Der Captain hatte gut reden. Er beobachtete Mike, der sich gerade umwandte und sich an die Seite des Brigadiers gesellte. Mehr zu sich, als zu dem Kameraden an seiner Seite sagte er leise, niedergeschlagen: „Wenn mich das hier nicht meinen Posten gekostet hat, was dann…?“

Da ihm kaum noch etwas anderes übrig blieb, hatte Brigadier Lethbridge-Stewart angeordnet, daß die zwei Jeeps zum Unglücksort herunter fuhren, um sich den Schaden anzusehen und das Ausmaß der Katastrophe zu bestimmen, für das John verantwortlich war.
      Vorsichtig gingen die Soldaten an den rauchenden Krater heran, der sich vor ihnen öffnete. Der Platz war in einem großen Radius verwüstet. Irgendwelche wie auch immer gearteten Schätze waren der kompletten Zerstörung durch den Sprengkopf anheim gefallen, der den Mittelpunkt der Katastrophe markierte.
      Der Brigadier sah sich das Ergebnis aus respektabler Entfernung einen Moment stumm an. „Da haben Sie ja mal ganze Arbeit geleistet, Benton.“ kommentierte er dann trocken.
      Mike warf dem Sergeant, der ein Stück neben dem Brigadier den Blick auf das Desaster gerichtet hatte, einen Seitenblick zu. Normalerweise war John gut darin, Fassung zu bewahren und sich vor vorgesetzten Offizieren nicht offen anmerken zu lassen, wie es in ihm aussah, doch jetzt stand er da, die Hände vors Gesicht geschlagen, ein deutliches Indiz, daß er über diesen Punkt hinaus war. Offenbar schloß er gerade mit seiner U.N.I.T.-Karriere ab. In dem Augenblick fielen dem Captain unwillkürlich die Worte seines Kameraden wieder ein: Es ist vorbei. Hatte er vielleicht gar nicht den Auftrag gemeint, sondern seine Laufbahn beim Militär?
      Wie auch immer – seine Antwort darauf hatte so oder so gepaßt. Noch war nichts entschieden. So schlimm es sich jetzt auch für den Sergeant anfühlen mochte, sicher würde sich die Angelegenheit regeln lassen, sobald sie zurück im Hauptquartier waren und die Gemüter sich beruhigt hatten. Mike wußte aber auch, daß das im Augenblick wenig hilfreich war für seinen Kameraden. Jetzt konzentrierte er sich zunächst eher darauf, John ein wenig im Blick zu behalten. Sergeant Benton war jemand, der viel aushielt. Im Augenblick war er sich nicht mehr sicher, wie lange es noch dauern würde, bis er zusammenbrechen würde. Insbesondere, wenn er in Gedanken schon seine unehrenhafte Entlassung vor Augen hatte.
      So unauffällig wie möglich schob sich der Captain näher an seinen Kameraden heran, nur vorsichtshalber, und nutzte die Fügung, um sich an den Brigadier zu wenden. „Sir, irgendwelche Instruktionen?“
      Lethbridge-Stewart machte eine resignierende Geste. „Tja. Hier werden wir wohl nicht mehr viel ausrichten können.“ Als er sich zum gehen wandte, fing er Johns Blick auf. „Sie sind eine Katastrophe, Benton.“ Damit machte er sich auf den Weg zurück zum Jeep. Es warteten eine Menge unliebsame Aufgaben auf ihn, Aufräumarbeiten mußten koordiniert werden, jede Menge Papierkram wartete auf ihn, wo er den Vorfall erklären und verantworten durfte.
      John sah dem Brigadier am Boden zerstört nach.
      Mike gesellte sich an seine Seite. „Das hat ihm jetzt echt den Tag versüßt!“
      „Wenn er sich nicht einmal mehr die Mühe macht, den Rang zu erwähnen, kann man sich dann schon als ausgemustert ansehen?“ erkundigte sich John resigniert.
      Mike wußte gar nicht, was er darauf sagen sollte. „Denken Sie an meine Worte, Sergeant, es ist nichts vorbei, bevor es vorüber ist.“
      John wirkte nicht sehr beruhigt, es schien ihm aber offensichtlich gut zu tun, wenigstens noch vom Captain mit seinem Rang angesprochen zu werden.
      Sie standen noch dort zusammen, als sie plötzlich ein Zischen hinter sich hörten. Alarmiert wandten sie sich um, konnten jedoch nichts erkennen, was das Geräusch hätte auslösen können.
      „Was war das?“ entfuhr es Mike automatisch.
      Die Soldaten zogen sich instinktiv ein wenig vom Unglücksort zurück, im Hintergrund gab einer der Ermittler dem Brigadier Bescheid.
      Ein erneutes Zischen ließ John und Mike zusammenzucken, gerade als sich die Männer auf Höhe der Jeeps zusammenzogen. Die Blicke aller ruhten in einer Mischung aus Vorsicht und skeptischer Erwartung auf dem Trümmerhaufen, der sich vor ihnen auftat.
      Während die Männer noch um den Krater herum standen, knisterte blaue Energie von einer Seite zur anderen, es flackerte, und von einem zum nächsten Moment offenbarte sich ihnen ein großer, metallener Komplex, der dank des Jeteinsatzes zu großen Teilen zerstört war.
      Jetzt wurde ein unterirdisches Labor sichtbar, komplett zerstört; sogar die Druckkammer, die in einer Kettenreaktion die Verwüstung perfekt gemacht hatte, war deutlich zu sehen, und schon ohne Analyse war erkennbar, unter welchem Druck diese gestanden haben mußte.
      Lethbridge-Stewart hatte noch nicht ganz zu der Wirklichkeit aufgeholt. „Was um alles in der Welt…“
      Mike Yates blieb neben ihm stehen. „Ich fürchte, Sergeant Benton hat das Geheimnis dieses Ortes gelöst: Wenn Sie mich fragen, stimmt die Variante mit dem Labor, welches durch das Bild des Piratenlagers und der Hütte lediglich vor Fremden getarnt werden sollte. Die Tarnung hat wohl nicht mehr so recht funktioniert, nachdem es verwaist zurückgelassen wurde, und so kamen die unterschiedlichen Berichte zustande.“
      „Es sieht ganz so aus als könnten Sie Recht haben.“ bemerkte der Brigadier. „Aber warum ein Piratenlager? Das ist für Fremde genauso Aufsehen erregend.“
      „Um eine weitere Vermutung anzustellen, Sir, wenn das hier tatsächlich von Außerirdischen errichtet wurde, dann war das eventuell die einzige Referenz, die sie von unserem Planeten aufgeschnappt haben. Wahrscheinlich wußten sie nicht, daß sie so ebenfalls unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In unserem Fall hier sogar so weit, daß wir uns fast freiwillig ins Verderben gestürzt hätten. Spätestens wenn wir dieses ominöse Forscherteam auf das Gelände gelassen hätten.“
      „Dann war es ein Segen, daß Benton sich vertan hat.“ bemerkte der Brigadier gedankenvoll. „Das hätten wir im Leben nicht mehr herausgefunden, wenn wir jetzt das Feld geräumt hätten; nicht rechtzeitig jedenfalls. Nicht auszudenken, wenn ein paar neugierige Forscher hier gelandet wären, und dann alles in die Luft geflogen wäre!“
      Mike räusperte sich leicht. „Wäre es eventuell denkbar, daß da eine kleine Entschuldigung angebracht ist, zumindest für bestimmte Bemerkungen, Sir?“
      Der Brigadier wirkte deutlich nachdenklich. „Es bleibt eine unkorrekte Ausführung meines Befehls. In diesem Fall war es aber eine glückliche Fügung.“ Er atmete durch und ging zu John herüber, der mit den anderen Männern noch am Rande des Kraters das zerstörte Labor bestaunte. Er konnte den unangenehmen Schauer förmlich sehen, der seinen untergebenen Soldaten durchfuhr, als der sich der Präsenz des Brigadiers bewußt wurde. „Sergeant, es war nicht das, was ich angeordnet habe, aber Sie können sich darüber bewußt sein, daß Sie heute eventuell Leben gerettet haben.“ bemerkte er versöhnlich.
      John konnte nicht leugnen, daß die Aussage gut tat, wenngleich er eine gewisse Nervosität nicht ganz unterbinden konnte. „Ich kann leider nicht behaupten, daß ich das gewußt oder geahnt habe, Sir…“ räumte er verlegen ein.
      „Und wenn! Es hat funktioniert und zu dem richtigen Ergebnis geführt. Nur darauf kommt es an!“ erklärte der Brigadier ruhig, in einer Tonlage, die so gar nichts mehr mit seinem vorherigen Ärger gemein hatte. „Das war gute Arbeit. Auch wenn ich hoffe, daß ich mich in Zukunft darauf verlassen kann, daß solche Versprecher nicht noch mal passieren!“
      John hatte noch immer sichtlich Mühe zu realisieren, was gerade passiert war. „Ja, Sir!“
      Der Brigadier nickte. „Rückzug zum Stützpunkt! Captain Yates, veranlassen Sie, daß dieses Gebiet zum Sperrgebiet erklärt wird! Sobald ich mit meinem Bericht fertig bin, beginnen wir mit den Untersuchungen!“ Lethbridge-Stewart gab seinen Männern einen Wink zu den Jeeps hin.
      Während seine Kameraden sich bereits auf den Weg zu den Fahrzeugen machten, sah John noch gedankenverloren in den Krater. Er konnte sich ein erleichtertes Lächeln nicht nehmen lassen. Der Captain hatte Recht. Es ist nichts vorbei, bevor es vorüber ist.
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