Woman in yellow till the end?
von KleinKoko
Kurzbeschreibung
Franzi hat in der Saison 2022/23 das gelbe Trikot nach der Weltmeisterschaft inne. Wird sie es schaffen dieses bis zum Schluss zu behalten und damit den Gesamtweltcup zu gewinnen? (Fortsetzung von ,,Entweder... Oder?... Beides!")
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Simon Schempp
24.01.2021
09.05.2021
18
32.908
5
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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02.05.2021
3.350
Ich sinke in den Schnee, aber nur um mich kurz zu sammeln. Es machen sich so viele Emotionen in mir breit, dass ich erstmal kurz durchatmen muss. Ich wische mir meine Tränen vom Gesicht und stehe anschließend wieder auf. Meinen Emotionen kann ich später noch freien Lauf lassen. Jetzt soll es aber erstmal um Maren gehen. Ich gehe zum Rand des Zielbereiches, wo Stefan schon bereitsteht und mir das Betttuch zuwirft.
Ich lege meine Ski und Stöcke an den Rand und breite das Tuch aus. Wir haben vereinbart, dass wir Maren damit im Ziel empfangen. Dafür musste nur eine von uns vor ihr da sein, was ich ja Gott sei Dank geschafft habe. Ich schaue mich im Zielbereich um, wo Lisa und Anais auf dem Boden liegen. Sie haben sich wohl ein Duell um den zweiten Platz geliefert. Als ich wieder auf die Strecke schaue, sehe ich einen unserer Anzüge den Berg runter gleiten. Es dauert etwas, bis ich sehe, dass es Janina ist.
,,Maren kommt jetzt gleich.“ Ruft sie mir schon von weitem aufgeregt zu. Sobald sie die Linie überquert hat, löst Janina ihre Bindungen. Die Schlaufen der Stöcke hat sie schon vorher aufgemacht. Sie legt ihre Sachen zu meinen und ich gebe ihr die eine Seite des Betttuches. Schwer atmend hält Janina dieses fest, was mich leicht schmunzeln lässt.
,,Kann es sein, dass du dich etwas beeilt hast, um vor Maren hier zu sein?“
,,Etwas?“ Keucht sie mir entgegen und ich fange endgültig an zu lachen. Ich schaue von Janina wieder auf die Strecke und da kommt Maren tatsächlich den kleinen Berg hinunter. Sie ist allein unterwegs, also nimmt sie, wie eben auch ich, Tempo raus und winkt in die Menge.
,,Auf den letzten Metern in ihrer Karriere- Maren Hammerschmidt.“ Verkündet der Stadionsprecher auf Englisch und lauter Jubel brandet auf. Auch Janina und ich jubeln mit und so ist kurze Zeit später Marens Karriere mit ihrer letzten Zieleinfahrt beendet.
,,Wir gratulieren zu deiner Karriere und wünschen dir alles Gute.“ Rufen Janina und ich im Chor. Maren bleibt ein paar Meter vor uns stehen und schaut uns mit Tränen in den Augen an.
,,Ihr… Ich…Danke.“ Stammelt sie vor sich hin und fängt an zu weinen. Ich lasse das Tuch los und gehe auf sie zu.
,,Du brauchst nichts sagen. Wir wollen dich würdig verabschieden.“ Flüster ich ihr zu und nehme sie in den Arm.
,,Danke.“
Eine Zeit stehen wir noch so da, ehe wir uns wieder voneinander lösen und nun auch Janina Maren in ihre Arme zieht. Inzwischen füllt sich der Zielraum immer mehr und auch Vanessa schnallt neben mir ihre Ski ab. Nachdem auch sie Maren, bei der inzwischen die Tränen getrocknet sind, umarmt hat, werden wir von den Fotografen geben ein Foto zu viert mit dem Tuch zu machen. Nachdem auch das erledigt ist, verlassen wir vier endlich den Zielbereich und gehen zum restlichen Team. Auch hier wird Maren erstmal für ihr letztes Rennen von allen geherzt. Ich beobachte das Ganze mit einem Lächeln aus und zieh mir derweil warme Sachen über. Schließlich muss ich gleich noch zur Siegerehrung und den Interviews.
,,Jetzt haben wir alle Maren zu ihre Karriere gratuliert und können jetzt zum nächsten Feierpunkt des Tages übergehen. Herzlichen Glückwunsch zum Gesamtweltcup Franzi.“ Ruft Janina plötzlich und kommt auf mich zu gestürmt und zieht mich in ihre Arme. Etwas überrumpelt erwidere ich die Geste und fange an zu lachen. Nacheinander kommen nun alle auf mich zu und nehmen mich in den Arm oder heben mich sogar hoch, was mich mehr als nur einmal kurz aufschreien lässt. So ganz realisiert habe ich aber noch nicht, was ich da geleistet hab.
,,Franzi. Kommst du schnell zum Interview vor der Siegerehrung.“
,,Jaja.“ Ich schnappe mir schnell meine Sachen und folge Stefan in die Mixed Zone. Beim Reporter der ARD bleiben wir stehen.
CD:,, Und ja sie ist schnell noch zu gekommen vor der Seigerehrung. Franziska Schempp. Gratulation zu diesem perfekten Rennen heute und damit auch zum Gesamtweltcupsieg. Wie fühlt sich das an?“
Ich:,, Danke erstmal. Boar das sind so viele Emotionen. Ich weiß noch gar nicht so recht, was ich sagen soll. Ich bin einfach mega glücklich, dass ich es geschafft habe. Ich glaub aber das wird noch ein paar Tage dauern, bis das so wirklich bei mir ankommt.“
CD:,, ZU ihrem heutigen Rennen. Sie wussten, dass sie mindestens dritte werden müssen, dann haben sie die große Kugel sicher. Hat das ihr Rennen beeinflusst und wie sind sie an das Rennen rangegangen?“
Ich:,, Ich habe kurz vor dem Start noch mit Lisa Hauser abgeklatscht und meinte, die bessere möge den Gesamtweltcup gewinnen. Natürlich war mein Ziel das Ding zu gewinnen, wenn ich schonmal im letzten Rennen der Saison im gelben Trikot laufe. Generell hab ich aber versucht mir darum nicht so nen großen Kopf zu machen. Wir waren alle sehr locker drauf und das hat mir im Endeffekt auch geholfen.“
CD:,, Sie haben ja letzte Woche im Massenstart das genaue Gegenteil erlebt, nämlich 5 Fehler im letzten Schießen und Platz 30. Mussten sie da heute dran denken?“
Ich:,, Ehrlich gesagt leider schon. Allerdings erst beim letzten Schießen. Vorher war das gar kein Thema, aber als ich die Matte das letzte Mal betreten habe, kreisten meine Gedanken nur noch darum und ich hatte echt Mühe diese Gedanken abzustellen. Im Endeffekt ist es mir ja gelungen und ich bin mit so vielen Glücksgefühlen in die letzte Runde gegangen, dass ich das Gefühl hatte, ich würde die erste Runde der Saison laufen.“ Lache ich.
CD:,, Noch zum Abschluss, sie müssen ja jetzt weiter zur Siegerehrung, wie geht es mit Ihnen weiter? Haben sie da schon Pläne?“
Kurz überlege ich, entschließe mich dann aber doch dazu die Wahrheit zu sagen. ,,Ja. Ich habe in den letzten Tagen öfters mal gezweifelt und auch darüber nachgedacht meine Karriere nach dieser Saison zu beenden, grade weil ich auch mehr Zeit mit meiner Familie verbringen möchte. Aber ich liebe den Sport und auch meine Tochter ist viel zu gerne hier dabei, als dass ich schon aufhören möchte, also habe ich mich entschieden die nächste Saison noch dranzuhängen.“
CD:,, Dann freuen wir uns sie auch im nächstes Jahr wiederzusehen und wünsche jetzt viel Spaß bei allem was heute noch kommt.“
,,Danke.“ Damit drehe ich mich zu Stefan um, der mir signalisiert, dass ich sofort zur Siegerehrung muss.
,,Herzlichen Glückwunsch Franzi. Du hast dir das verdient.“ Werde ich erstmal von Lisa in ihre Arme gezogen, als ich mich neben sie stelle und wir darauf warten, dass die Siegerehrung losgeht. Durch die Aktion mit Maren eben, habe ich noch gar keine andere Athletin nach dem Rennen gesprochen.
,,Danke. Ich realisiere das noch gar nicht.“ Entgegne ich ihr und schaue sie ungläubig an.
,,Das glaub ich dir. Genieß es.“ Lächelt Lisa mir zu. Ich will noch was erwidern, aber da ertönt schon die Hymne der IBU.
,,In first place and winner of the masstart, Franziska Schempp, Germany.“ Unter dem Jubel der Fans laufe ich auf das Podest zu. Ich gratuliere Lisa und Anais und klettere anschließend auf das oberste Podest. Ich winke in die Menge und strahle über das ganze Gesicht. Mit einem Sieg die Saison zu beenden ist doch immer noch am schönsten.
Nach dem üblichen Prozedere der Siegerehrung, werden die Gewinner der Kugeln gebeten sich wieder aufzustellen. Es geht alles so schnell, dass ich grad mal meine Sachen bei Stefan loswerde, ehe es auch schon wieder los geht. Während zuerst einmal die Gewinner der kleinen Kugeln geehrt werden, habe ich ein bisschen Zeit mich umzuschauen. Das Podest steht dieses Jahr auf einer kleinen Bühne, sodass ich einen guten Überblick habe. Unzählige Fotografen tummeln sich vor der Bühne und halten ihre Kameras auf uns. Dahinter stehen die Mannschaften. Ich halte nach unseren Jacken Ausschau und werde auch schnell fündig. Lächelnd sehe ich, dass wirklich fast alle dort stehen. Die Mädels, Trainer, Techniker, Betreuer und sogar die Jungs stehen da. Und mittendrin steht mein Mann und trägt unsere Tochter auf seinen Schultern, die mir aufgeregt zuwinkt. Ich winke ihr zurück und wende meinen Blick anschließend zur Seite, wo grad Lisa für den Massenstartweltcup geehrt wird. Es ist die letzte Disziplinehrung, ehe ich mit der großen Kugel dran bin.
,,Winner oft he overall worldcup 2022/2023, represanting Germany, Fraaaaanziska Scheeempp.“ Ich muss mir auf die Lippe beißen, um nicht jetzt schon loszuweinen. Es hört sich einfach so surreal an. Gesamtweltcup und mein Name in einem Satz- einfach unglaublich. Ich erklimme erneut das Podest und schaue wieder tausend Gesichtern entgegen. Jetzt ist es also so weit. Die große Kristallkugel kommt in meine Hände.
,,Congrats.“ Der Präsident der IBU übergibt mir die große Kristallkugel und lächelt mich an.
,,Thank you.“ Erwidere ich und nehme die Kugel an. Ungläubig schaue ich auf den gläsernen Pokal in meinen Händen. Es ist mehr eine Kurzschlussreaktion als geplant, mit einem lauten Jubelschrei reiße ich meinen Arm mitsamt der Kugel in den Himmel. Den Jubel der Menschen vor mir brandet dadurch erneut auf. Mein Grinsen wird immer breiter. Es werden noch jede Menge Fotos gemacht, ehe ich mit der Kugel die Bühne verlasse. Ich kämpfe mich durch die ganzen Fotografen durch, ehe ich endlich vor meiner Mannschaft stehe. Abrupt bleibe ich stehen, als ich meine Mannschaft sehe, die mich lautstark empfängt. Sophia und Anna halten, wie Janina und ich eben, ein Betttuch in der Hand.
Beste Mama, Ehefrau, Freundin, Mannschaftskollegin und (jetzt auch offiziell) Biathletin der Welt. Herzlichen Glückwunsch zum Gesamtweltcupsieg Franzi Steht darauf geschrieben. Sofort schießen mir wieder Tränen in die Augen. Ich habe einfach das beste Team.
,,Danke euch.“ Bringe ich heraus und werde kurz darauf von irgendwem in die Arme gezogen. Es dauert etwas, bis ich realisiere, dass es sich dabei um Vanessa handelt. Nach und nach kommen alle auf mich zu und ziehen mich in ihre Arme. Ich nehme alles gar nicht so wirklich wahr. Es fühlt sich alles an wie im Film. Als letztes stehen nur noch Simon, der unsere Tochter inzwischen wieder auf dem Boden abgesetzt hat und eben Marlia von mir. Ich gehe in die Hocke und sehe Marlia lächelnd an.
,,Schau mal Maus, was die Mama dir mitgebracht hat.“
,,Beste Mama.“ Ruft Marlia und wirft sich um meinen Hals. Ich bin so überrascht davon, dass ich Mühe habe, das Gleichgewicht zu halten und schließlich nach hinten in den Schnee falle. Lachend ziehe ich Marlia mit mir, die sich sofort auf mich kuschelt. Ich stelle die Kugel ab und drücke meine Kleine an mich. Sie ist einfach mein größter Gewinn. Irgendwann stehen wir dann doch wieder auf und ich gebe ihr die Kugel in die Hand.
,,Pass gut drauf auf.“ Meine ich mit einem Lächeln, was Marlia mit einem Nicken bestätigt und sich mit der Kugel aus dem Staub macht. Wahrscheinlich wird sie die jetzt erstmal jedem präsentieren. Ich drehe mich zu Simon um, der mich mit einem Blick ansieht, den ich nicht beschreiben kann. Er drückt so viel Stolz und Liebe zugleich aus.
,,Ich bin unglaublich stolz auf dich mein Schatz. Für mich bist du schon immer die beste und jetzt bist du ganz offiziell die beste Biathletin der Welt. Du bist aber viel mehr als das. Ein wunderbarer Mensch, eine tolle Frau. Du bist die beste Mutter und Ehefrau der Welt. Ich liebe dich über alles.“
,,Danke. Ich liebe dich auch.“ Bringe ich grade noch heraus, ehe ich mich in seine Arme werfe und mir die Tränen wieder die Wange hinunterlaufen. Beruhigend streicht Simon mir über den Rücken und drückt mir immer wieder Küsse auf den Kopf. Eng kuschel ich mich an meinen Mann und merke, wie ich mich nach und nach immer mehr beruhige. Irgendwann löse ich mich ein bisschen vom ihm und blicke zu ihm hoch. Ich lehne mich hoch und lege meine Lippen auf seine. Nachdem wir uns endgültig voneinander gelöst haben, werden noch unzählige Fotos gemacht, ehe ich zur Pressekonferenz und Dopingkontrolle muss. Ich komm erst wieder raus, als das Männerrennen grade gestartet ist. Eigentlich wollte ich mit den anderen Mädels an die Strecke gehen, aber das lohnt sich jetzt auch nicht mehr. Ich schaue mich suchend um, ob ich irgendwen bekanntes entdecke, werde aber nicht fündig. Ich rufe Simon an, der mit Marlia ganz in der Nähe des Aufwärmbereiches steht. Ich gehe zu den beiden und stelle grinsend fest, dass Marlia immer noch die Kugel festhält. Sie nimmt das drauf aufpassen, wohl sehr ernst.
,,Na du? Alles geschafft?“ Lächelt Simon mir entgegen, als er mich entdeckt.
,,Ja soweit.“ Antworte ich ihm und lehne mich erschöpft gegen meinen Mann, der sofort einen Arm um mich legt und mich so an sich zieht.
,,Du bist ziemlich geschafft oder?“ Ich kann nur stumm an seiner Schulter nicken. Nicht nur körperlich durch das Rennen, sondern auch emotional, bin ich fix und fertig. Ich kann noch gar nicht begreifen, was ich geleistet habe und was alles auf mich einprasselt.
,,Lia nimmt ihren Job ziemlich ernst.“ Grinst Simon und deutet auf unsere Tochter, die vor uns steht und die Kugel immer noch fest im Arm hält, als wäre sie ihr größter Schatz.
,,Deswegen habe ich ihr ja auch den Job erteilt.“ Grinse ich zurück und wuschel der Kleinen über den Kopf, die sich daraufhin umdreht.
,,Schau Mama. Ich pass gut auf.“ Erzählt Marlia mir stolz.
,,Ja das sehe ich. Super machst du das mein Schatz.“ Lächel ich zurück. Anschließend dreht Marlia sich wieder um und widmet dem Rennen ihre Aufmerksamkeit. Ich bekomme davon herzlich wenig mit. Ich bin mehr mit mir und meinen Gedanken beschäftigt, dass ich erst wieder darauf achte, als Simon mich anstupst, dass ich für die Überraschung so langsam wieder in den Aufwärmbereich sollte.
,,Lia kommst du mit den Erik im Ziel empfangen?“ Frage ich meine Tochter, die wie ich es erwartet hatte, begeistert nickt. So machen wir uns zu dritt wieder zurück in den Aufwärmbereich, wo schon meine Teamkolleginnen warten. Die Kugel gebe ich eine Betreuerin, die Marlia hoch und heilig versprechen muss, gut auf diese aufzupassen.
Gemeinsam schauen wir uns das Ende des Rennens an. Mit dem Sieg haben unsere Jungs heute leider nicht wirklich was zu tun, aber darum soll es auch nicht gehen. Erik und Arnd liefern sich in ihrem letzten Rennen einen Kampf um Platz 5, welches Arnd am Ende für sich entscheidet. Es dauert etwas, bis die beiden zu uns in den Aufwärmbereich kommen und wir sie lautstark empfangen. Beide bleiben nebeneinanderstehen und schauen sich an, was wir geschrieben haben.
,,Zu Erit.“ Quengelt Marlia, die ich auf meinem Arm trage. Ich lasse sie daraufhin runter und sofort tippelt sie mit ihren kleinen Beinchen auf meinen Teamkollegen zu.
,,Erit.“ Höre ich sie rufen und meine in der Stimme meiner Tochter hören zu können, dass sie weint. Erik nimmt die Kleine auf den Arm, die sich sofort an meinen Mannschaftskollegen kuschelt. Auch ich gehe nun auf die beiden zu und nehme zuerst Arnd in den Arm und beglückwünsche ihn zu seiner Karriere, ehe ich mich neben Erik stelle, der versucht meine Tochter zu beruhigen.
,,Es ist alles gut Lia. Ich bin nicht aus der Welt. Du kannst mich immer anrufen und mich besuchen kommen.“ Langsam scheint meine Tochter sich zu beruhigen und Erik setzt sie wieder auf den Boden ab.
,,Lia wird dich vermissen.“ Flüster ich Erik ins Ohr, als ich nun auch ihn umarme.
,,Ich sie auch, aber sie kann mich wie gesagt jeder Zeit besuchen kommen.“ Entgegnet dieser und löst sich von mir.
,,Danke.“ Lächel ich noch, ehe ich einen Schritt zurücktrete und auch der Rest Erik umarmt. Ich nehme mir Lia wieder auf den Arm und versuche sie ein bisschen abzulenken und aufzumuntern. Nach der Siegerehrung, die wir natürlich alle verfolgt haben und weiteren unzähligen Fotos, können wir endlich zurück ins Hotel fahren. Erschöpft lasse ich mich auf den Sitz fallen und lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe an. Der Tag hat mich doch ziemlich geschlaucht, wenn auch überwiegend im positiven Sinn.
,,Eigentlich würde ich jetzt gern einfach nur ins Bett und schlafen.“ Flüster ich mehr zu mir selber als zu Simon, der mit Marlia auf dem Schoß neben mir sitzt.
,,Aber Schatz. Du wirst nur einmal Gesamtweltcupsiegerin und das müssen wir doch feiern.“ Entgegnet dieser. Ich seufze und drehe meinen Kopf zu meinem Mann und meiner Tochter, die inzwischen wieder meine Kristallkugel in den Händen hält und darauf aufpasst.
,,Und was ist mit Lia? Wir können sie ja schlecht mit auf die Abschlussparty nachher nehmen.“
,,Das habe ich schon geklärt.“ Ist alles was Simon mir noch entgegnet. Ich will eigentlich noch was erwidern, aber insgeheim freu ich mich schon auf die Party. Schließlich bin ich Gesamtweltcupsiegerin. Angekommen ist das bei mir noch nicht wirklich.
Gute drei Stunden später betrete ich an Simons Hand die Feierlocation für den heutigen Abend. Es sind schon viele Athleten und auch Trainer anwesend. Ich schaue mich kurz um und entdecke unsere Mannschaft am anderen Ende des Raumes.
,,Vor 3 Jahren haben wir Simons Gesamtweltcupsieg gefeiert und du konntest nichts trinken, weil du mit Lia schwanger warst. Und heute passt unser Physio auf eure Tochter auf und wir feiern deinen Gesamtweltcupsieg.“ Meint Vanessa irgendwann zu mir.
,,Stimmt.“ Lache ich und nehme einen Schluck meines, dieses Mal, alkoholischen Getränks.
,,Und hätte mir das vor 4 Jahren jemand gesagt, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt, aber jetzt komm und lass uns tanzen.“ Ich stelle mein Glas auf den kleinen Tisch und ziehe Vanessa an ihrer Hand hinter mir her Richtung Tanzfläche. Dort schaue ich mich kurz um und steuere dann unsere restlichen Mannschaftskolleginnen an, die schon länger tanzen. Vanessa und ich gesellen uns zu ihnen und wir Mädels haben einen Heidenspaß.
,,Ich wäre aber mal dafür, dass die Jungs auch kommen.“ Ruft Maren uns irgendwann durch die laute Musik zu und deute grinsend in Richtung des Männerteams und Simon, die immer noch in der Ecke stehen und ihre Getränke trinken.
,,Ich auch.“ Stimmt Janina zu und auch Anna und Sophia nicken zustimmend.
,,Na dann.“ Grinsend schaue ich in die Runde. Die Mädels scheinen mich wohl verstanden zu haben und so stürzen wir wie auf Kommando zu den Jungs. Jede von uns packt sich einen und so bringen wir die ziemlich perplex dreinschauenden Männer auf die Tanzfläche.
,,Was soll das ?“ Philipp, den ich mir gegriffen habe, sieht mich fragend an. Auch der Rest scheint nicht grad erfreut.
,,Ihr sollt mit uns tanzen.“ Erklärt Maren so neutral wie möglich und beginnt sich zu bewegen. Die Jungs schauen nur missmutig drein.
,,Muss das sein?“ Bringt nun auch mein Mann hervor.
,,Ja. Tut es uns zuliebe.“ Mit unserem besten Hundeblick sehen wir die Jungs an.
,,Ok, aber vorher brauch ich noch einen.“ Damit ist Roman Richtung Bar verschwunden und kehrt kurze Zeit später mit einem Tablet shots zurück. Er verteilt die kleinen Gläschen einmal rings rum und nachdem wir die getrunken haben, ist bei uns allen, eh alles vorbei. Wir sind als Profisportler halt nicht viel gewohnt. Wir Mädels allerdings haben unser Ziel erreicht und die Jungs tanzen, mehr schlecht als recht, aber das ist inzwischen allen egal, mit uns. Irgendwann finde ich mich in den Armen meines Mannes wieder. Ich lege meine Arme um seinen Nacken und bewege mich mit ihm zum Rhythmus der Musik.
,,Du weißt, dass du das beste bist, was mir jemals passiert ist, oder? Du bist eine so unglaublich starke, fröhliche und gleichzeitig liebenswürdige Frau. Ich bewundere dich, für das was du leistest. Nicht nur im Sport, sondern in deinem gesamten Leben. Mutter, Biathletin, Ehefrau und in allem bist du Weltklasse. Ich liebe dich über alles Franzi.“
Mit offenem Mund sehe ich meinen Mann an. Es ist bei weitem nicht die erste Liebeserklärung, die ich von ihm bekommen habe, aber mit Abstand eine der schönsten. Ich merke, wie mir Tränen über die Wangen laufen.
,,Ich liebe dich auch Simon, so, so, sehr.“ Bringe ich irgendwie heraus und lehne mich hoch, um meine Lippen auf seine zu legen. Ja ich liebe diesen Mann über alles, denn ich weiß ganz genau, dass dich diesen sportlichen Erfolg nicht ohne ihn geschafft hätte. Er hält mir den Rücken frei, unterstützt mich und ist immer für mich da. Sportlich mag der Gesamtweltcupsieg heute mein größter Erfolg sein. Meinen persönlichen Hauptgewinn, habe ich aber schon vor vielen Jahren gewonnen.
Ich lege meine Ski und Stöcke an den Rand und breite das Tuch aus. Wir haben vereinbart, dass wir Maren damit im Ziel empfangen. Dafür musste nur eine von uns vor ihr da sein, was ich ja Gott sei Dank geschafft habe. Ich schaue mich im Zielbereich um, wo Lisa und Anais auf dem Boden liegen. Sie haben sich wohl ein Duell um den zweiten Platz geliefert. Als ich wieder auf die Strecke schaue, sehe ich einen unserer Anzüge den Berg runter gleiten. Es dauert etwas, bis ich sehe, dass es Janina ist.
,,Maren kommt jetzt gleich.“ Ruft sie mir schon von weitem aufgeregt zu. Sobald sie die Linie überquert hat, löst Janina ihre Bindungen. Die Schlaufen der Stöcke hat sie schon vorher aufgemacht. Sie legt ihre Sachen zu meinen und ich gebe ihr die eine Seite des Betttuches. Schwer atmend hält Janina dieses fest, was mich leicht schmunzeln lässt.
,,Kann es sein, dass du dich etwas beeilt hast, um vor Maren hier zu sein?“
,,Etwas?“ Keucht sie mir entgegen und ich fange endgültig an zu lachen. Ich schaue von Janina wieder auf die Strecke und da kommt Maren tatsächlich den kleinen Berg hinunter. Sie ist allein unterwegs, also nimmt sie, wie eben auch ich, Tempo raus und winkt in die Menge.
,,Auf den letzten Metern in ihrer Karriere- Maren Hammerschmidt.“ Verkündet der Stadionsprecher auf Englisch und lauter Jubel brandet auf. Auch Janina und ich jubeln mit und so ist kurze Zeit später Marens Karriere mit ihrer letzten Zieleinfahrt beendet.
,,Wir gratulieren zu deiner Karriere und wünschen dir alles Gute.“ Rufen Janina und ich im Chor. Maren bleibt ein paar Meter vor uns stehen und schaut uns mit Tränen in den Augen an.
,,Ihr… Ich…Danke.“ Stammelt sie vor sich hin und fängt an zu weinen. Ich lasse das Tuch los und gehe auf sie zu.
,,Du brauchst nichts sagen. Wir wollen dich würdig verabschieden.“ Flüster ich ihr zu und nehme sie in den Arm.
,,Danke.“
Eine Zeit stehen wir noch so da, ehe wir uns wieder voneinander lösen und nun auch Janina Maren in ihre Arme zieht. Inzwischen füllt sich der Zielraum immer mehr und auch Vanessa schnallt neben mir ihre Ski ab. Nachdem auch sie Maren, bei der inzwischen die Tränen getrocknet sind, umarmt hat, werden wir von den Fotografen geben ein Foto zu viert mit dem Tuch zu machen. Nachdem auch das erledigt ist, verlassen wir vier endlich den Zielbereich und gehen zum restlichen Team. Auch hier wird Maren erstmal für ihr letztes Rennen von allen geherzt. Ich beobachte das Ganze mit einem Lächeln aus und zieh mir derweil warme Sachen über. Schließlich muss ich gleich noch zur Siegerehrung und den Interviews.
,,Jetzt haben wir alle Maren zu ihre Karriere gratuliert und können jetzt zum nächsten Feierpunkt des Tages übergehen. Herzlichen Glückwunsch zum Gesamtweltcup Franzi.“ Ruft Janina plötzlich und kommt auf mich zu gestürmt und zieht mich in ihre Arme. Etwas überrumpelt erwidere ich die Geste und fange an zu lachen. Nacheinander kommen nun alle auf mich zu und nehmen mich in den Arm oder heben mich sogar hoch, was mich mehr als nur einmal kurz aufschreien lässt. So ganz realisiert habe ich aber noch nicht, was ich da geleistet hab.
,,Franzi. Kommst du schnell zum Interview vor der Siegerehrung.“
,,Jaja.“ Ich schnappe mir schnell meine Sachen und folge Stefan in die Mixed Zone. Beim Reporter der ARD bleiben wir stehen.
CD:,, Und ja sie ist schnell noch zu gekommen vor der Seigerehrung. Franziska Schempp. Gratulation zu diesem perfekten Rennen heute und damit auch zum Gesamtweltcupsieg. Wie fühlt sich das an?“
Ich:,, Danke erstmal. Boar das sind so viele Emotionen. Ich weiß noch gar nicht so recht, was ich sagen soll. Ich bin einfach mega glücklich, dass ich es geschafft habe. Ich glaub aber das wird noch ein paar Tage dauern, bis das so wirklich bei mir ankommt.“
CD:,, ZU ihrem heutigen Rennen. Sie wussten, dass sie mindestens dritte werden müssen, dann haben sie die große Kugel sicher. Hat das ihr Rennen beeinflusst und wie sind sie an das Rennen rangegangen?“
Ich:,, Ich habe kurz vor dem Start noch mit Lisa Hauser abgeklatscht und meinte, die bessere möge den Gesamtweltcup gewinnen. Natürlich war mein Ziel das Ding zu gewinnen, wenn ich schonmal im letzten Rennen der Saison im gelben Trikot laufe. Generell hab ich aber versucht mir darum nicht so nen großen Kopf zu machen. Wir waren alle sehr locker drauf und das hat mir im Endeffekt auch geholfen.“
CD:,, Sie haben ja letzte Woche im Massenstart das genaue Gegenteil erlebt, nämlich 5 Fehler im letzten Schießen und Platz 30. Mussten sie da heute dran denken?“
Ich:,, Ehrlich gesagt leider schon. Allerdings erst beim letzten Schießen. Vorher war das gar kein Thema, aber als ich die Matte das letzte Mal betreten habe, kreisten meine Gedanken nur noch darum und ich hatte echt Mühe diese Gedanken abzustellen. Im Endeffekt ist es mir ja gelungen und ich bin mit so vielen Glücksgefühlen in die letzte Runde gegangen, dass ich das Gefühl hatte, ich würde die erste Runde der Saison laufen.“ Lache ich.
CD:,, Noch zum Abschluss, sie müssen ja jetzt weiter zur Siegerehrung, wie geht es mit Ihnen weiter? Haben sie da schon Pläne?“
Kurz überlege ich, entschließe mich dann aber doch dazu die Wahrheit zu sagen. ,,Ja. Ich habe in den letzten Tagen öfters mal gezweifelt und auch darüber nachgedacht meine Karriere nach dieser Saison zu beenden, grade weil ich auch mehr Zeit mit meiner Familie verbringen möchte. Aber ich liebe den Sport und auch meine Tochter ist viel zu gerne hier dabei, als dass ich schon aufhören möchte, also habe ich mich entschieden die nächste Saison noch dranzuhängen.“
CD:,, Dann freuen wir uns sie auch im nächstes Jahr wiederzusehen und wünsche jetzt viel Spaß bei allem was heute noch kommt.“
,,Danke.“ Damit drehe ich mich zu Stefan um, der mir signalisiert, dass ich sofort zur Siegerehrung muss.
,,Herzlichen Glückwunsch Franzi. Du hast dir das verdient.“ Werde ich erstmal von Lisa in ihre Arme gezogen, als ich mich neben sie stelle und wir darauf warten, dass die Siegerehrung losgeht. Durch die Aktion mit Maren eben, habe ich noch gar keine andere Athletin nach dem Rennen gesprochen.
,,Danke. Ich realisiere das noch gar nicht.“ Entgegne ich ihr und schaue sie ungläubig an.
,,Das glaub ich dir. Genieß es.“ Lächelt Lisa mir zu. Ich will noch was erwidern, aber da ertönt schon die Hymne der IBU.
,,In first place and winner of the masstart, Franziska Schempp, Germany.“ Unter dem Jubel der Fans laufe ich auf das Podest zu. Ich gratuliere Lisa und Anais und klettere anschließend auf das oberste Podest. Ich winke in die Menge und strahle über das ganze Gesicht. Mit einem Sieg die Saison zu beenden ist doch immer noch am schönsten.
Nach dem üblichen Prozedere der Siegerehrung, werden die Gewinner der Kugeln gebeten sich wieder aufzustellen. Es geht alles so schnell, dass ich grad mal meine Sachen bei Stefan loswerde, ehe es auch schon wieder los geht. Während zuerst einmal die Gewinner der kleinen Kugeln geehrt werden, habe ich ein bisschen Zeit mich umzuschauen. Das Podest steht dieses Jahr auf einer kleinen Bühne, sodass ich einen guten Überblick habe. Unzählige Fotografen tummeln sich vor der Bühne und halten ihre Kameras auf uns. Dahinter stehen die Mannschaften. Ich halte nach unseren Jacken Ausschau und werde auch schnell fündig. Lächelnd sehe ich, dass wirklich fast alle dort stehen. Die Mädels, Trainer, Techniker, Betreuer und sogar die Jungs stehen da. Und mittendrin steht mein Mann und trägt unsere Tochter auf seinen Schultern, die mir aufgeregt zuwinkt. Ich winke ihr zurück und wende meinen Blick anschließend zur Seite, wo grad Lisa für den Massenstartweltcup geehrt wird. Es ist die letzte Disziplinehrung, ehe ich mit der großen Kugel dran bin.
,,Winner oft he overall worldcup 2022/2023, represanting Germany, Fraaaaanziska Scheeempp.“ Ich muss mir auf die Lippe beißen, um nicht jetzt schon loszuweinen. Es hört sich einfach so surreal an. Gesamtweltcup und mein Name in einem Satz- einfach unglaublich. Ich erklimme erneut das Podest und schaue wieder tausend Gesichtern entgegen. Jetzt ist es also so weit. Die große Kristallkugel kommt in meine Hände.
,,Congrats.“ Der Präsident der IBU übergibt mir die große Kristallkugel und lächelt mich an.
,,Thank you.“ Erwidere ich und nehme die Kugel an. Ungläubig schaue ich auf den gläsernen Pokal in meinen Händen. Es ist mehr eine Kurzschlussreaktion als geplant, mit einem lauten Jubelschrei reiße ich meinen Arm mitsamt der Kugel in den Himmel. Den Jubel der Menschen vor mir brandet dadurch erneut auf. Mein Grinsen wird immer breiter. Es werden noch jede Menge Fotos gemacht, ehe ich mit der Kugel die Bühne verlasse. Ich kämpfe mich durch die ganzen Fotografen durch, ehe ich endlich vor meiner Mannschaft stehe. Abrupt bleibe ich stehen, als ich meine Mannschaft sehe, die mich lautstark empfängt. Sophia und Anna halten, wie Janina und ich eben, ein Betttuch in der Hand.
Beste Mama, Ehefrau, Freundin, Mannschaftskollegin und (jetzt auch offiziell) Biathletin der Welt. Herzlichen Glückwunsch zum Gesamtweltcupsieg Franzi Steht darauf geschrieben. Sofort schießen mir wieder Tränen in die Augen. Ich habe einfach das beste Team.
,,Danke euch.“ Bringe ich heraus und werde kurz darauf von irgendwem in die Arme gezogen. Es dauert etwas, bis ich realisiere, dass es sich dabei um Vanessa handelt. Nach und nach kommen alle auf mich zu und ziehen mich in ihre Arme. Ich nehme alles gar nicht so wirklich wahr. Es fühlt sich alles an wie im Film. Als letztes stehen nur noch Simon, der unsere Tochter inzwischen wieder auf dem Boden abgesetzt hat und eben Marlia von mir. Ich gehe in die Hocke und sehe Marlia lächelnd an.
,,Schau mal Maus, was die Mama dir mitgebracht hat.“
,,Beste Mama.“ Ruft Marlia und wirft sich um meinen Hals. Ich bin so überrascht davon, dass ich Mühe habe, das Gleichgewicht zu halten und schließlich nach hinten in den Schnee falle. Lachend ziehe ich Marlia mit mir, die sich sofort auf mich kuschelt. Ich stelle die Kugel ab und drücke meine Kleine an mich. Sie ist einfach mein größter Gewinn. Irgendwann stehen wir dann doch wieder auf und ich gebe ihr die Kugel in die Hand.
,,Pass gut drauf auf.“ Meine ich mit einem Lächeln, was Marlia mit einem Nicken bestätigt und sich mit der Kugel aus dem Staub macht. Wahrscheinlich wird sie die jetzt erstmal jedem präsentieren. Ich drehe mich zu Simon um, der mich mit einem Blick ansieht, den ich nicht beschreiben kann. Er drückt so viel Stolz und Liebe zugleich aus.
,,Ich bin unglaublich stolz auf dich mein Schatz. Für mich bist du schon immer die beste und jetzt bist du ganz offiziell die beste Biathletin der Welt. Du bist aber viel mehr als das. Ein wunderbarer Mensch, eine tolle Frau. Du bist die beste Mutter und Ehefrau der Welt. Ich liebe dich über alles.“
,,Danke. Ich liebe dich auch.“ Bringe ich grade noch heraus, ehe ich mich in seine Arme werfe und mir die Tränen wieder die Wange hinunterlaufen. Beruhigend streicht Simon mir über den Rücken und drückt mir immer wieder Küsse auf den Kopf. Eng kuschel ich mich an meinen Mann und merke, wie ich mich nach und nach immer mehr beruhige. Irgendwann löse ich mich ein bisschen vom ihm und blicke zu ihm hoch. Ich lehne mich hoch und lege meine Lippen auf seine. Nachdem wir uns endgültig voneinander gelöst haben, werden noch unzählige Fotos gemacht, ehe ich zur Pressekonferenz und Dopingkontrolle muss. Ich komm erst wieder raus, als das Männerrennen grade gestartet ist. Eigentlich wollte ich mit den anderen Mädels an die Strecke gehen, aber das lohnt sich jetzt auch nicht mehr. Ich schaue mich suchend um, ob ich irgendwen bekanntes entdecke, werde aber nicht fündig. Ich rufe Simon an, der mit Marlia ganz in der Nähe des Aufwärmbereiches steht. Ich gehe zu den beiden und stelle grinsend fest, dass Marlia immer noch die Kugel festhält. Sie nimmt das drauf aufpassen, wohl sehr ernst.
,,Na du? Alles geschafft?“ Lächelt Simon mir entgegen, als er mich entdeckt.
,,Ja soweit.“ Antworte ich ihm und lehne mich erschöpft gegen meinen Mann, der sofort einen Arm um mich legt und mich so an sich zieht.
,,Du bist ziemlich geschafft oder?“ Ich kann nur stumm an seiner Schulter nicken. Nicht nur körperlich durch das Rennen, sondern auch emotional, bin ich fix und fertig. Ich kann noch gar nicht begreifen, was ich geleistet habe und was alles auf mich einprasselt.
,,Lia nimmt ihren Job ziemlich ernst.“ Grinst Simon und deutet auf unsere Tochter, die vor uns steht und die Kugel immer noch fest im Arm hält, als wäre sie ihr größter Schatz.
,,Deswegen habe ich ihr ja auch den Job erteilt.“ Grinse ich zurück und wuschel der Kleinen über den Kopf, die sich daraufhin umdreht.
,,Schau Mama. Ich pass gut auf.“ Erzählt Marlia mir stolz.
,,Ja das sehe ich. Super machst du das mein Schatz.“ Lächel ich zurück. Anschließend dreht Marlia sich wieder um und widmet dem Rennen ihre Aufmerksamkeit. Ich bekomme davon herzlich wenig mit. Ich bin mehr mit mir und meinen Gedanken beschäftigt, dass ich erst wieder darauf achte, als Simon mich anstupst, dass ich für die Überraschung so langsam wieder in den Aufwärmbereich sollte.
,,Lia kommst du mit den Erik im Ziel empfangen?“ Frage ich meine Tochter, die wie ich es erwartet hatte, begeistert nickt. So machen wir uns zu dritt wieder zurück in den Aufwärmbereich, wo schon meine Teamkolleginnen warten. Die Kugel gebe ich eine Betreuerin, die Marlia hoch und heilig versprechen muss, gut auf diese aufzupassen.
Gemeinsam schauen wir uns das Ende des Rennens an. Mit dem Sieg haben unsere Jungs heute leider nicht wirklich was zu tun, aber darum soll es auch nicht gehen. Erik und Arnd liefern sich in ihrem letzten Rennen einen Kampf um Platz 5, welches Arnd am Ende für sich entscheidet. Es dauert etwas, bis die beiden zu uns in den Aufwärmbereich kommen und wir sie lautstark empfangen. Beide bleiben nebeneinanderstehen und schauen sich an, was wir geschrieben haben.
,,Zu Erit.“ Quengelt Marlia, die ich auf meinem Arm trage. Ich lasse sie daraufhin runter und sofort tippelt sie mit ihren kleinen Beinchen auf meinen Teamkollegen zu.
,,Erit.“ Höre ich sie rufen und meine in der Stimme meiner Tochter hören zu können, dass sie weint. Erik nimmt die Kleine auf den Arm, die sich sofort an meinen Mannschaftskollegen kuschelt. Auch ich gehe nun auf die beiden zu und nehme zuerst Arnd in den Arm und beglückwünsche ihn zu seiner Karriere, ehe ich mich neben Erik stelle, der versucht meine Tochter zu beruhigen.
,,Es ist alles gut Lia. Ich bin nicht aus der Welt. Du kannst mich immer anrufen und mich besuchen kommen.“ Langsam scheint meine Tochter sich zu beruhigen und Erik setzt sie wieder auf den Boden ab.
,,Lia wird dich vermissen.“ Flüster ich Erik ins Ohr, als ich nun auch ihn umarme.
,,Ich sie auch, aber sie kann mich wie gesagt jeder Zeit besuchen kommen.“ Entgegnet dieser und löst sich von mir.
,,Danke.“ Lächel ich noch, ehe ich einen Schritt zurücktrete und auch der Rest Erik umarmt. Ich nehme mir Lia wieder auf den Arm und versuche sie ein bisschen abzulenken und aufzumuntern. Nach der Siegerehrung, die wir natürlich alle verfolgt haben und weiteren unzähligen Fotos, können wir endlich zurück ins Hotel fahren. Erschöpft lasse ich mich auf den Sitz fallen und lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe an. Der Tag hat mich doch ziemlich geschlaucht, wenn auch überwiegend im positiven Sinn.
,,Eigentlich würde ich jetzt gern einfach nur ins Bett und schlafen.“ Flüster ich mehr zu mir selber als zu Simon, der mit Marlia auf dem Schoß neben mir sitzt.
,,Aber Schatz. Du wirst nur einmal Gesamtweltcupsiegerin und das müssen wir doch feiern.“ Entgegnet dieser. Ich seufze und drehe meinen Kopf zu meinem Mann und meiner Tochter, die inzwischen wieder meine Kristallkugel in den Händen hält und darauf aufpasst.
,,Und was ist mit Lia? Wir können sie ja schlecht mit auf die Abschlussparty nachher nehmen.“
,,Das habe ich schon geklärt.“ Ist alles was Simon mir noch entgegnet. Ich will eigentlich noch was erwidern, aber insgeheim freu ich mich schon auf die Party. Schließlich bin ich Gesamtweltcupsiegerin. Angekommen ist das bei mir noch nicht wirklich.
Gute drei Stunden später betrete ich an Simons Hand die Feierlocation für den heutigen Abend. Es sind schon viele Athleten und auch Trainer anwesend. Ich schaue mich kurz um und entdecke unsere Mannschaft am anderen Ende des Raumes.
,,Vor 3 Jahren haben wir Simons Gesamtweltcupsieg gefeiert und du konntest nichts trinken, weil du mit Lia schwanger warst. Und heute passt unser Physio auf eure Tochter auf und wir feiern deinen Gesamtweltcupsieg.“ Meint Vanessa irgendwann zu mir.
,,Stimmt.“ Lache ich und nehme einen Schluck meines, dieses Mal, alkoholischen Getränks.
,,Und hätte mir das vor 4 Jahren jemand gesagt, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt, aber jetzt komm und lass uns tanzen.“ Ich stelle mein Glas auf den kleinen Tisch und ziehe Vanessa an ihrer Hand hinter mir her Richtung Tanzfläche. Dort schaue ich mich kurz um und steuere dann unsere restlichen Mannschaftskolleginnen an, die schon länger tanzen. Vanessa und ich gesellen uns zu ihnen und wir Mädels haben einen Heidenspaß.
,,Ich wäre aber mal dafür, dass die Jungs auch kommen.“ Ruft Maren uns irgendwann durch die laute Musik zu und deute grinsend in Richtung des Männerteams und Simon, die immer noch in der Ecke stehen und ihre Getränke trinken.
,,Ich auch.“ Stimmt Janina zu und auch Anna und Sophia nicken zustimmend.
,,Na dann.“ Grinsend schaue ich in die Runde. Die Mädels scheinen mich wohl verstanden zu haben und so stürzen wir wie auf Kommando zu den Jungs. Jede von uns packt sich einen und so bringen wir die ziemlich perplex dreinschauenden Männer auf die Tanzfläche.
,,Was soll das ?“ Philipp, den ich mir gegriffen habe, sieht mich fragend an. Auch der Rest scheint nicht grad erfreut.
,,Ihr sollt mit uns tanzen.“ Erklärt Maren so neutral wie möglich und beginnt sich zu bewegen. Die Jungs schauen nur missmutig drein.
,,Muss das sein?“ Bringt nun auch mein Mann hervor.
,,Ja. Tut es uns zuliebe.“ Mit unserem besten Hundeblick sehen wir die Jungs an.
,,Ok, aber vorher brauch ich noch einen.“ Damit ist Roman Richtung Bar verschwunden und kehrt kurze Zeit später mit einem Tablet shots zurück. Er verteilt die kleinen Gläschen einmal rings rum und nachdem wir die getrunken haben, ist bei uns allen, eh alles vorbei. Wir sind als Profisportler halt nicht viel gewohnt. Wir Mädels allerdings haben unser Ziel erreicht und die Jungs tanzen, mehr schlecht als recht, aber das ist inzwischen allen egal, mit uns. Irgendwann finde ich mich in den Armen meines Mannes wieder. Ich lege meine Arme um seinen Nacken und bewege mich mit ihm zum Rhythmus der Musik.
,,Du weißt, dass du das beste bist, was mir jemals passiert ist, oder? Du bist eine so unglaublich starke, fröhliche und gleichzeitig liebenswürdige Frau. Ich bewundere dich, für das was du leistest. Nicht nur im Sport, sondern in deinem gesamten Leben. Mutter, Biathletin, Ehefrau und in allem bist du Weltklasse. Ich liebe dich über alles Franzi.“
Mit offenem Mund sehe ich meinen Mann an. Es ist bei weitem nicht die erste Liebeserklärung, die ich von ihm bekommen habe, aber mit Abstand eine der schönsten. Ich merke, wie mir Tränen über die Wangen laufen.
,,Ich liebe dich auch Simon, so, so, sehr.“ Bringe ich irgendwie heraus und lehne mich hoch, um meine Lippen auf seine zu legen. Ja ich liebe diesen Mann über alles, denn ich weiß ganz genau, dass dich diesen sportlichen Erfolg nicht ohne ihn geschafft hätte. Er hält mir den Rücken frei, unterstützt mich und ist immer für mich da. Sportlich mag der Gesamtweltcupsieg heute mein größter Erfolg sein. Meinen persönlichen Hauptgewinn, habe ich aber schon vor vielen Jahren gewonnen.