Hachikazuki
von GhostData
Kurzbeschreibung
[Yakuza Kiwami] Absagen über Absagen. Das Karma scheint sich gegen Ito Mutsune verschworen zu haben, wenn es darum geht, mit einer Bewerbung Glück zu haben. Oder zumindest denkt sie das so lang, bis sie ein Angebot einer Freundin erhält, deren Vater augenscheinlich nach einer Arbeitskraft sucht. [Rating könnte noch hochgestuft werden; OC focused]
GeschichteAngst, Erotik / P18 / Gen
09.01.2021
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Prolog
Vielleicht dieses Mal?
Mutsunes Euphorie hielt sich deutlich in Grenzen, während sie einen der drei Briefe öffnete, die sie noch vor wenigen Augenblicken persönlich in die Hand gedrückt bekommen hatte. Vielleicht wartete nicht jeder frühmorgens bereits an den Briefkästen sehnsüchtig auf den Postboten oder die Postbotin, doch für Mutsune hing mit der Post inzwischen nicht mehr nur eine Kleinigkeit zusammen. Sie war inzwischen dreiundzwanzig Jahre alt und… Hatte noch immer keinen Job. Die ganze Zeit flatterten nur Absagen in die Wohnung, in welcher sie noch mit ihren Eltern zusammenwohnte. Allein, um diese nicht zu enttäuschen hatte sie sich bereits angewöhnt die Post direkt vor der Haustür zu öffnen. Es war schlichtweg einfacher, zu behaupten, dass gar nicht erst Rückbriefe angekommen waren, als zugeben zu müssen, dass es sich augenscheinlich um drei erneute Absagen handelte.
Warum – zum Teufel – war es denn auch so schwer, einen Job als Rezeptionistin in einer Arztpraxis zu bekommen?
Die nötige Bildung hatte sie immerhin; ein paar Anrufe würde sie schon managen können und vor allem konnte sie Termine aufschreiben. Dazu brauchte man doch sicher keine Qualifizierung, anderenfalls…
Für was?
Dafür, dass sie den Stift richtig halten konnte?
Das war doch Unsinn. Wenn man ihr doch wenigstens einmal die Chance geben würde; ein Vorstellungsgespräch, ein einziger Anruf, doch anscheinend war auch das bereits zu viel verlangt.
In ihr kochte bereits das Bedürfnis hoch, diese verfluchten Briefe einfach zerreißen zu wollen. Das war ohnehin das Einzige, was sie damit noch tun konnte. Diese ganzen Enttäuschungen aufzuheben, war immerhin auch keine Option und schon gar keine sinnvolle, wenn sie sich überlegte, dass eben jene Schriftstücke noch immer ihrer Mutter in die Hände hätten fallen können. Erklären wollte sie das sicher nicht. Mutsunes Gedanken schalteten sich noch im gleichen Augenblick ab als das Geräusch von reißendem Papier zu hören war, bevor sie die zerrissenen Papiere auch schon zerknüllte und sie einfach in die Hosentasche schob.
Verdammter Mist.
Und dann sollte sie am Abend auch noch so tun, als wäre alles in Ordnung?
In jenem Augenblick dachte sie bereits darüber nach, das Treffen mit ihren Freunden abzusagen, welches an jenem Abend wie üblich anstand. Sie fühlte sich nicht danach, alles einmal wieder herunterzuspielen und nur stumm daneben zu sitzen, wenn sich ihre Freundinnen über ihre anstrengenden Jobs beschwerten. Wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie keine Lust, war sich gleichfalls sicher, dass eben jene auch nicht wieder zurückkehren würde und dennoch… In der letzten Sekunde abzusagen hatte keinen Sinn. Es war nicht garantiert, dass die Mail, welche sie schreiben würde, bis zum Abend gelesen würde, geschweige denn, dass man sie mit einer billigen Ausrede davonkommen lassen würde, nachdem sie noch am letzten Abend mit einer ihrer Freundinnen telefoniert hatte. Um zu behaupten, sie habe sich erkältet, reichte es einfach nicht aus.
Mutsune seufzte, zuckte im nächsten Augenblick jedoch auch schon wieder zusammen als sie vernahm, dass die Eingangstür des Wohnblocks hinter ihr aufschwang. Ruckartig fuhr sie herum, blickte ihrem Vater beinahe direkt in die Augen. Für einen Moment überkam sie ein kalter Schauer. Hätte sie nur einige Augenblicke länger gezögert…
„Ich bin jetzt auf dem Weg zur Arbeit. Haben wir Post?“
Schnell schüttelte Mutsune einfach nur den Kopf, versuchte sich zurückzuhalten, dabei nicht auch noch die Lippen aufeinander zu pressen. Es hätte nicht funktioniert. Dann hätte ihr Vater sofort gewusst, dass sie log. In dieser Hinsicht war sie viel zu leicht zu durchschauen.
„Nein, ich habe mich nur noch einen Moment mit der Postbotin unterhalten.“, folgte die mehr als knappe Antwort, doch entgegengesetzt wurde ihr nicht mehr als ein leichtes Kopfschütteln.
Zu dieser Angelegenheit musste ihr Vater schon gar nichts mehr sagen. Sie wusste genau, was er dachte; oder zumindest glaubte sie es zu wissen. Immerhin war es anscheinend das Gleiche, was sie im letzten Jahr bereits mehr als deutlich verstanden hatte und zudem konnte sie es sich noch immer von dem enttäuschten Blick ableiten, welchen sie noch bemerkt hatte, bevor ihr Vater nur kurz die Hand gehoben und sich verabschiedet hatte. Ihre Mutter würde somit wohl bald ebenfalls das Haus verlassen. Eine sturmfreie Wohnung hatte sich noch nie derart schlecht angefühlt.
*
„Hey! Schön, dass du die Zeit gefunden hast, herzukommen, Ito-chan.“, lächelte die Hellbrünette, welche am Eingang der Bar gewartet hatte, wahrscheinlich, um alle ihrer anderen Freundinnen ebenfalls zu begrüßen.
Sie hätte absagen sollen. In jenem Augenblick war es so deutlich wie nie, doch sagen konnte sie einfach nichts dazu. Vielleicht war sie zu freundlich, aber sie wusste, dass sie gute Freundinnen hatte und eben jene wollte sie mindestens genauso wenig enttäuschen wie ihre Eltern. An Ausreden war somit kaum noch zu denken.
„Dann können wir jetzt auch endlich nach drinnen gehen. Hier draußen wird es mittlerweile doch ein wenig kalt.“
„Oh, bin ich zu spät?“, wurde ihr von Mutsune gleich die Frage entgegengebracht, während diese jedoch auch schon nickte.
Zeit zu verlieren gab es in jenem Augenblick anscheinend nicht. Ihr Gegenüber, Shimamiya Amaya, schüttelte jedoch gleich den Kopf, lächelte leicht und ließ eine einladende Handgeste folgen, bevor sie die Tür bereits – voreilig, wie sie auch schon in der Schule war – aufdrückte.
„Nein, die anderen beiden waren einfach nur früher hier. Du liegst genau in der Zeit. Außerdem gibt es gute Neuigkeiten.“, flötete Amaya beinahe.
Sie hatte viel zu deutlich gute Laune, im Gegensatz zu Mutsunes bereits nicht mehr vorhandener guten Laune.
Gute Neuigkeiten also?
Wenn sie ehrlich sein sollte, klang das kein bisschen vielversprechend. Vielleicht heiratete inzwischen die erste ihrer Freundinnen oder erwartete ihr erstes Kind. Mit dreiundzwanzig Jahren war das immerhin nicht vollkommen unmöglich, auch wenn sie darüber gar nicht erst nachdenken wollte.
Ihre längste Beziehung hatte immerhin auch nicht länger gehalten als vier Monate; danach wurde der Abstand zu groß und sie hatte bei Weitem – allein mit der Jobsuche – mehr als genug zu tun, um sich auch noch mit derartigen Nebensächlichkeiten zu befassen. Möglicherweise war es falsch, all das so zu bezeichnen, aber ihre Prioritäten hatten schlichtweg eine andere Reihenfolge. Selbst wenn es bei genauerem Nachdenken gar nicht mehr derart unschlüssig war; vergleichen konnte sie immerhin nicht – ihre Schulfreundinnen hatten bereits Jobs, in denen sie gebraucht wurden, einen festen Platz hatten. Dann konnten sie sich somit auch über andere Dinge Gedanken machen.
„Verstehe.“
„Sei doch nicht so mies drauf! Der Abend ist noch jung und in einer Woche kann viel passieren.“, setzte Amaya noch einmal optimistisch an, doch viel zu machen war auch dadurch nicht und gerade Alkohol war dabei schlichtweg ebenfalls keine Lösung.
„Oder es passiert schlichtweg gar nichts.“, seufzte Mutsune, strich sich mit der Hand kurz die dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und folgte schließlich nur noch ins Innere der Bar.
Es nutzte immerhin auch nichts, wenn sie die ganze Zeit einfach nur herumstand und sich beschwerte. Beschwerden hatten noch nie etwas genutzt, nicht in der Schule, nicht bei den ganzen Absagen und schon gar nicht bei ihren Eltern. Immerhin war ihre Mutter in einem Callcenter eines Telefonanbieters als Kundendienstmitarbeiterin angestellt und ihr Vater arbeitete als Promoter für einen Autohandel. Selbst das war ihr mittlerweile recht, auch wenn sie sich in der letzten Branche nicht einmal auskannte. Die Hauptsache war es nur, eigenes Geld zu verdienen, nicht mehr von den Eltern abhängig zu sein und – vor allem – mit dreiundzwanzig Jahren nicht mehr von Taschengeld abhängig zu sein. Das war doch peinlich.
Innerlich konnte sie nur mit dem Kopf schütteln, versuchte es sich aber wenigstens nicht anmerken zu lassen, als sie die Treppen herunterstieg und im Anschluss auch schon die Hand zum Gruß hob. Bis auf ihre anderen beiden, gemeinsamen Freundinnen war die Bar so gut wie leer. Die Rush Hour hatte noch nicht begonnen, somit war auch dies noch kein Wunder. Sowohl Mizuko als auch Ena hoben ebenfalls die Hand, erhoben sich aber nicht von den Sitzplätzen, welche sie direkt am Bartresen ergattert hatten.
„Ich habe gehört, es gäbe gute Neuigkeiten… Schockiert mich einfach.“, nahm Mutsune in jenem Augenblick die Zügel des Gesprächs in die Hand und den drei anderen den Wind aus den Segeln.
Erst im Anschluss konnte sie sich mit ruhigem Gewissen setzen.
Kurz tauschten Ena und Mizuko einige vielsagende Blicke miteinander aus, nickten sich im Anschluss zu und räusperten sich beinahe zeitgleich, was Mutsune bereits eine Augenbraue hochziehen ließ. Wenn sie ehrlich sein sollte, rechnete sie in jenem Augenblick angefangen von spontaner Verpaarung bis zu einem überstürzten Umzug in eine Region ohne Telefonnetz mit jeglicher Nachricht. Wenigstens war sie somit gewappnet, selbst wenn sie das nicht mehr behaupten konnte, nachdem Ena die Stimme erhoben hatte und sich während ihrer Worte an den rotgefärbten Haaren herumspielte.
„Letzte Woche hatten wir doch beide erwähnt, dass wir uns nach einem neuen Job umsehen wollten und… Seit heute sind wir beide genau hier eingestellt. Das bedeutet, Getränke gibt es heute zum halben Preis!“, wurde die Rothaarige immer euphorischer, konnte kaum noch die Beine ruhighalten.
Nicht schon wieder dieses Thema.
„Glückwunsch; an euch beide.“
Es nutzte schlichtweg nichts, zu schmollen, auch wenn Mutsune innerlich seufzte. Amaya klinkte sich jedoch schnell in die Glückwünsche ein, sorgte dafür, dass für einen Augenblick ohnehin niemand auf sie achtete und vielleicht war dies in jenem Moment auch besser so, dann konnte niemand sie fragen…
„Und wie sieht es bei dir aus?“
Genau diese Frage hatte sie vermeiden wollen, doch anscheinend hatte das Karma sich an jenem Tag gegen sie gewendet – wie auch in den vergangenen Tagen und Wochen.
Flüchtig zuckte die Dunkelbrünette einfach nur mit den Schultern, versuchte das Thema abzuwenden, doch jeder Versuch hätte anscheinend nichts genutzt, wenn sie noch einmal darüber nachdachte, wie hartnäckig ihre Freundinnen sein konnten, wenn sie etwas erfahren wollten.
„Da gibt es noch immer nichts zu erzählen, anderenfalls wärt ihr wohl die ersten, welche davon gewusst hätten, meint ihr nicht auch?“, konterte Mutsune nahezu im gleichen Augenblick als Mizuko sich von ihrem Barhocker erhob.
„Dann hätte ich vielleicht eine Lösung anzubieten. Ich weiß, du möchtest eigentlich in eine andere berufliche Richtung gehen, aber… Mein Vater hat sich neulich beschwert, dass ihm eine seiner Mitarbeiterinnen abgesprungen wäre. Wenn du möchtest, kann ich ihn noch jetzt anrufen und ein gutes Wort für dich einlegen. Heute ist er zuhause.“
Als was arbeitete Mizukos Vater noch einmal?
Mutsune konnte sich nicht erinnern und wenn sie ehrlich sein sollte, konnte sie sich auch nicht daran erinnern, dass diese überhaupt irgendwann einmal darüber gesprochen hatte. Zudem hatte sie recht; sie wollte keinen anderen Job, aber irgendetwas musste sie anscheinend falsch machen; entweder bei den Bewerbungen oder in ihrem Lebenslauf. Möglicherweise wirkte es sich auch schon auf ihre Qualität aus, dass sie bereits dreiundzwanzig war und noch immer nicht gearbeitet hatte. Irgendein Job war in jenem Augenblick vielleicht auch besser als kein Job, oder die Schmach, ihren Vater fragen zu müssen, ob sie im Notfall vielleicht das Gleiche wie er ausüben konnte.