The Inked Skin
von Yurya
Kurzbeschreibung
Es war einmal ein Hut, dem die Macht gegeben war, Familien zu bilden und Bande zu schaffen. Ein Zauberer mittleren Alters setzte ihn auf den Kopf eines Jungen, gerade einmal 10 Jahre alt. Der Hut tanzte einen Entscheidungstanz, aber anders als bei jenen, die er vorher einer Gemeinschaft zugeordnet hatte, blieb er still. Eigentlich war dem Jungen klar, wohin er gehörte. Dem Hut aber nicht. Louis Weasley hörte ganz klar die letzten, an ihn gerichteten Worte der sprechenden Kopfbedeckung in seinem Oberstüblein nachhallen. Hufflepuff. Er war von seiner Familie, seinen Schwestern, seinen Eltern und Großeltern einfach wegsortiert worden. Sogar von seinem besten Freund, Fred. Zwölf Jahre später eröffnet sich dem Weasley eine neue Chance. Er hat vieles verloren, die Liebe zu seiner Familie, den besten Freund, der nun in den USA Quidditch spielt und den Glauben an sich selbst. Es ist, wie der Hut sagte: »Nochmal ein Weasley? Aber Junge, du gehörst nicht hierher. Du bist keiner von ihnen und wirst es niemals werden.«
GeschichteFantasy, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Louis Weasley
Lysander Scamander
Magische Wesen
01.01.2021
18.09.2023
11
51.131
4
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18.09.2023
4.182
„Ich hätte einen Zauberstab im Angebot, der dich interessieren könnte. Du hast deinen nämlich nicht dabei, oder? Weil du ihn neulich zerbrochen hast.“
Louis schluckte. Woher wusste dieser Typ das? Wer war das?
Kieran zog die Augen zusammen und musterte Louis eindringlich. Als wolle er überprüfen, ob die Provokation auch da angekommen war, wo sie hinsollte und ob Louis sich jetzt in seinem kompletten Sein auch vollkommen unsicher war. Sein Hand war langsam eng um Louis‘ Unterarm gewandert.
„Lass mich los“, Louis wollte sein Handgelenk aus dem starken Griff winden, Kieran legte den Kopf schief und merkte offenbar erst jetzt, dass Louis ihn nicht für vertrauenswürdig hielt. Er lockerte seinen Griff und schüttelte den Kopf.
„Ich meine das nicht als Kampfansage. Und ich wollte dich auch nicht ängstigen. Als Squib mach ich hybride Führungen durch das magische und Muggel-London. Ich war im Museum um meine Unterlagen abzugeben für eine Spezial-Führung, die gemeinsam mit dem MBMH organisiert wird. Und da habe ich die Auseinandersetzung gesehen. Also… und… das mit dem Zauberstab… war vielleicht ein bisschen missverständlich. Ich würde gerne die Nacht mit dir verbringen. Und daher meine ich einen ganz anderen Zauberstab.“ Kieran biss sich auf die Unterlippe und stützte das Gesicht in die linke Handfläche. Er wich Louis‘ Blick ein bisschen peinlich berührt aus.
Nun war es an Louis zu stutzen. Der Griff Kierans rechter Hand war jetzt so locker, dass er den Arm problemlos zurückziehen konnte, Kierans Hand folgte seiner aber und die langen Finger schoben sich über Louis‘ Handrücken.
„Hatte ich eigentlich nicht vor, das so einfach zu sagen, aber ich glaube, da du mich für ziemlich obskur hältst, war es die richtige Entscheidung.“
„Du willst mit mir schlafen?“
„So ausgedrückt: Jep.“
„Nein!“ Louis war das Ganze hier nicht geheuer. „Und überhaupt, du weißt, dass ich meinen Zauberstab zerbrochen habe – wie lange beobachtest du mich schon?“
„Hm, beobachten ist zu viel gesagt. Wie gesagt, ich hab es gesehen und danach mit Flint geredet. Ich weiß auch wer du bist nur von Flint. Hab dich zuerst gar nicht erkannt, du sahst dem Bild auf der Veröffentlichung im Seitenprofil so gar nicht ähnlich. Also von, Elias Flint. Er ist mit meiner großen Schwester liiert. Er meinte, Candy würde ihm zustimmen, wenn man die Ironie darin bedachte, dass der zauberunfähige Louis Weasley wenigstens einen Zauberstab bekommen hätte, den er zerbrechen konnte.“
Kieran seufzte und richtete den Blick wieder auf Louis, als habe er sich gefangen.
„Ironie des Schicksals, dass ich dich heute hier treffe, nicht? Bei Morgana, ich muss dir unglaublich dubios vorkommen.“
Louis brauchte einen Moment, um zu verarbeiten und zu beurteilen, ob die Aussage glaubhaft war.
„Wer ist Candy?“
„Candace. Meine Schwester.“
„Keith hat nur einen Bruder. Wieso lügst du mich an?“
„Ja… Keith erzählt den meisten nur von mir. Er akzeptiert mich einigermaßen. Da Candy das nicht tut ist sie in seiner Welt nicht wirklich erwähnenswert. Vor allem ist sie nur unsere Halbschwester, die uneheliche Tochter meiner Mutter. Meine Eltern haben sich kennengelernt, da war Mum gerade hoch schwanger. Mein Vater hat Candy dann direkt adoptiert, umso mehr, da ihr Vater aus einer der höchst angesehensten Zauberfamilien Brasiliens stammte. Er ist wohl in den Massakern im MPB umgekommen.“
Louis versuchte zu folgen. Von den Massakern im Magical Parliament of Brasli hatte er gehört, aber die hatten noch vor seiner Zeit stattgefunden. Da war er noch nicht einmal geplant gewesen.
„Und wieso hast du dich entschieden den Zauberstab zu erwähnen? Ich meine, du müsstest doch selbst wissen, dass dich das suspekt macht.“
„Ach, na ja. Zum einen, weil ich mich dir in dem Moment, in dem Candy sich über mich lustig gemacht hat, auf seltsame Weise nahe gefühlt habe. Zum anderen, weil ich dachte, so könnte ich den Verweis besser verpacken.“
„Welchen Verweis?“
„Den auf Sex.“
„Sex? Wie genau… was soll da ein Verweis…“ Louis hatte wohl mit beiden Füßen fest auf der Leitung gestanden, denn erst jetzt verstand er den Zusammenhang.
„Warte. Der Zauberstab, der mich also interessieren könnte und sollte… ist deiner?“
„Jep.“
„Und du bist wirklich ein Squib?“
„Hör auf dich zu vergewissern, einen anderen als den in meiner Hose hab ich nicht.“
Kieran nippte an dem Getränk, das der Barkeeper eben hier abgestellt hatte. Er wirkte immer noch ein bisschen verlegen.
Louis konnte nicht anders. Er kicherte.
„Ich muss zugeben, dass ich dich bis gerade eben für einen Typen gehalten habe, den ich meiden sollte. Wirklich. Wenn du jemanden ansprichst, mit dem du ins Bett willst, solltest du dein ganzes Stalker-Wissen nicht an erster Stelle auspacken.“
„Ich wollte dich aber echt immer schon mal treffen. Nach Keith Erzählungen hab ich dich immer als eine Art Verbündeten gesehen. Und wer hätte erwarten können, dass du in Natura so anziehend bist.“
„Da liegt nur an den Viertel-Veela-Genen“, die Reduktion auf Louis Aussehen und Wesen hatten seine aufkeimende gute Laune direkt wieder niedergeschlagen. Es war auch hier letztlich wieder nicht er, der begehrt wurde, sondern vielmehr das Wesen der Veela.
„Seitens deiner Mutter, oder? Keith hat mir das erzählt. Ich glaube, er war ab und an schon mal eifersüchtig, dass du die ganzen Mädels abbekommen hast.“
„Und wie kommst du dann darauf, dass ich mit dir schlafen würde?“ In Louis‘ Oberstübchen kehrte wieder die aufplusternde Figur des Missmuts zurück die sich verächtlich schnaubend an der Wand entlang nach unten sinken ließ. Klar. Man wollte ihn treffen. Kieran kannte ihn nicht. Wie sollte er ihn da treffen wollen. Er hatte maximal ein von Tagträumen geprägtes Bild von einem Pseudo-Verbündeten, der zufällig denselben Namen trug wie Louis selbst. Und als er ihn gesehen hatte, hatte er resümiert, dass der Köper und das Gesicht auch nicht zu verachten waren. Warum die Zufallsbekanntschaft also nicht einfach aufs Körperliche ausweiten. Verdammte Veela-Gene.
„Schmollst du?“
„Die Frage stellt sich doch, oder? Beantworte sie schon.“
„Also schmollst du. Ich wusste nicht, ob du auf Männer stehst, aber ich gehe stark davon aus, dass du schon längst nein gesagt hättest, wenn es dir so zuwider wäre. Bist du bi?“
„Nein, schwul.“
„Das heißt Keith hat sich all die Jahre vollkommen umsonst aufgeregt?“, Kieran schmunzelte und schüttelte den Kopf, ehe er erneut ansetzte und an seinem Drink nippte.
„Warum schmollst du? Du steckst wirklich voller Überraschungen. Warte. Lass mich reduzieren.“
„Reduzieren? Meinst du deduzieren?“, Louis fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Die Geschehnisse des Tages drängten in den Hintergrund. Vielleicht schmollte er, ja. Er hatte heute auch allen Grund dazu. Nicht nur dazu, auch niedergeschlagen zu sein hatte er allen Grund.
Dominique hatte ihn ausgespielt und provoziert, hatte sich hinter Francisca Zabini gestellt und ihn als den Bösen geoutet, der Sandy und Francy auseinanderbrachte. Vic heiratete im Februar und er stritt sich mit dem viel zu aufdringlichen Sandy und hatte Kieran McMillan am Hals, der ihn nur auf sein Aussehen reduzierte. Zudem hatte er Freds Quidditch-Spiel vergessen, was ihm gerade siedend heiß einfiel, und er hatte keinen Zauberstab mehr, konnte sich also nicht einmal mehr der Illusion hingeben, sich verteidigen zu können, sollte hier irgendetwas schief gehen.
„Wegen mir auch deduzieren. Also. Du hältst mich hoffentlich nicht mehr für zwielichtig“, nein, irgendwie hat sich dieser Eindruck mit dem Verweis auf deinen eigenen Zauberstab aber sowas von relativiert. So eine Anmache kann doch keiner Ernst nehmen.
„Du schmollst erst seit gerade, zwischendrin hast du sogar gelacht. Es war also irgendetwas, das ich gesagt habe. Aber nicht, dass ich dich gerne flachlegen würde, oder?“
„Nein, der Sex ist nicht das Problem. Aber schöne Fährte.“ Die schmollende Figur in Louis Oberstübchen puffte ihre Wut nach oben hin aus und wurde etwas kleiner.
„Dann… bist du sauer, weil ich gesagt habe, du siehst gut aus?“
„Ich bin nicht sauer.“
„Red dir das gerne weiter selbst ein. Aber wer würde schon über ein Kompliment sauer sein?“ Statt mit Kieran hätte Louis auch mit einem Blumentopf quatschen können. Hätte wahrscheinlich mehr Mehrwert gehabt.
„Also nicht das Kompliment… Etwa die Veela-Gene? Hast du dich selbst sauer gemacht?“
„Ich glaube das geht gar nicht. Und ich bin nicht sauer.“
„Ach, Firlefanzereien. Sauer, gereizt, du schmollst! Und ich weiß jetzt auch, dass es wegen der Veela-Gene ist! … aber warum?“
„Ich dachte du weißt es?“, die Wut-Figur in seinem Kopf war fast verraucht. Er fand Kieran beinahe schon belustigend. Ähnlich wie Lysander. Sandy wäre ihm hier aber deutlich lieber gewesen. Er hatte eigentlich keine Lust mit Kieran zu schlafen. Der Typ sah gut aus, das ja, aber er hatte durch seinen letzten One-Night-Stand so viele Probleme bekommen, er brauchte nicht nochmals eine solche Ausgangssituation. Vor allem, weil sich die Situationen viel zu sehr ähnelten. Auch mit Lysander war er nach dem gemeinsamen Trinken im Bett gelandet. Nein, nein, nein, ein Krisenherd in seinem Leben reichte durchaus.
„Jetzt lass mich nicht so zappeln, Weasley.“ Kierans Finger spielten über Louis‘ Handrücken.
„Tu ich doch gar nicht. Es ist nur meine freie Entscheidung, dir gewisse Informationen vorzuenthalten. Im Übrigen war ich weder sauer noch sonst irgendetwas, du musst mir in diesem Punkt wohl einfach vertrauen.“
„Obwohl du auch mir nicht vertraust?“ Louis lachte auf.
„Wundert dich das allen Ernstes?“
Nun zog Kieran einen Schmollmund, was zu seinem Sunny-Boy-Aussehen und seiner 180-Volt Ausstrahlung, den warmen Augen und dem angenehmen Wesen so gar nicht passen wollte.
„Okay, machen wir einen Deal.“ Kierans Ohren zuckten und seine Augen suchten Louis‘ verschwommen graugrünen Blick: „Ich vertraue dir vielleicht ein bisschen mehr, wenn du mir beweist, dass man dir vertrauen kann. Heute schlafe ich nicht mit dir. Keine Ahnung, ob ich es irgendwann tue. Aber ich höre mir mal eine deiner Führungen an und lerne dich ein bisschen besser kennen, wäre das ein Deal? Wenn derjenige, mit dem du dich schon so lange verbunden fühlst, zu einer deiner Führungen kommt, dann müsste das doch vorerst mal genug sein, oder?“
Louis umging so zum einen die gefährliche Situation mit dem immer noch nicht ganz seriösen Kieran allein zu sein, er gab ihm die Chance zu beweisen, dass er ein Guter war, er ging weiteren Problemen aus dem Weg und er gab ihm keinen Hinweis darauf, dass er es nicht mochte, auf sein Veela-beeinflusstes Äußeres reduziert zu werden. Win-Situation. Keine Win-Win, da sich Kieran in der Beweispflicht befand und offensichtlich nicht gewann, aber immerhin hatte Louis ihn nicht vollkommen abgewiesen.
„Ich bin dir wohl wirklich ziemlich suspekt, oder?“ Kieran grinste und der Raum wurde ein Stück heller nur allein durch den Verzug seiner Mimik.
„Na gut. Wenn du es so willst. Dann komm doch einfach in zwei Tagen zur Spezialführung über das london’sche Postwesen, ja? Das MBMH denkt darüber nach, die Führung wöchentlich zu etablieren, wenn sie genug Anklang findet, daher werden die ersten Gruppen nur zu festgesetzten Terminen herumgeführt. Wir starten am The Postal Museum London in Muggel-London und beginnen mit einigen Einblicken in das Transportwesen der Muggel-Post. Um 15:00 Uhr, ja? Nicht direkt beim Eingang, sondern einfach den Eulen folgen, ja?“
„Den Eulen? Ich dachte wir starten in Muggel-London?“
„Tun wir ja auch. Es gibt an den Wänden nur für Magier sichtbare Eulen-Zeichnungen, die direkt zum Treffpunkt führen. Gar nicht zu verfehlen, wenn du beim Postal Museum bist. Im Übrigen schön, dass du schon ‚wir‘ gesagt hast. Du kommst also?“
Louis war fast etwas perplex über diese Aussage. Dennoch zuckte sein Mundwinkel nach oben: „na gut, dann komm ich dich eben bei deiner Führung besuchen.“
Das ‚in zwei Tagen‘ war schneller da gewesen, als Louis geglaubt hatte. Sein Terminkalender an diesem tag war viel zu voll. Lysander hatte er den gesamten vorherigen Tag nicht gesehen, was gut so war. Er hasste sich schon etwas weniger wegen dem, was er Lysanders kleiner, unfertiger Familie angetan hatte. Sandy war auf einem Außeneinsatz gewesen und hatte einigen Drachenschützern geholfen einen Wasserdrachen aus dem Kanalisationssystem Bristols zu befreien. Wahrscheinlich mal wieder nur ein missverstandenes Wesen. Heute Mittag hatte er sich von der Arbeit abgemeldet und zum Außendienst eingetragen, um ungestört die Führung Kierans mitmachen zu können – offiziell natürlich nicht, weil er sich mit Post beschäftigte, sondern weil er einen Quelltext in den Archiven eines irischen Schlosses suchte, der gar nicht existierte. Ab und an half er sich selbst mit einer solchen Notlüge aus, immerhin überwachte niemand, wohin er ging und Mrs Atwood wusste, dass er zu solch abgelegenen Plätzen gerne einmal mehr Zeit brauchte, als ein einfacher Apparationssprung benötigen würde. Na ja, vielleicht hatte Kieran ja auch Informationen über das 12. Jahrhundert und die Entwicklung des Postwesens seither. Am Ende war das Schwert ein sehr gut versteckter Brieföffner gewesen.
Louis unterstand sich, in sich hineinzulachen. Das hier war alles gar nicht zum Lachen. Eigentlich war er gerade aufgeregt. Denn just in diesen Sekunden hatte er sich erneut bei Mr Nott in seiner Zauberstabwerkstatt eingefunden. Der vierte Tag war angebrochen, nachdem er den Stab bestellt hatte. Er glaubte kaum, dass Mr Nott ihn bereits vollständig gefertigt hatte, es hieß nur, er solle sich bis heute wegen der Tattoos entscheiden. Das war ein Thema gewesen, dem er sich gedanklich am Vortag ausgiebig angenommen hatte. Schlussendlich war er zu dem Schluss gekommen, dass er noch zu wenige Informationen hatte um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
„Ah, Mr Weasley! Willkommen zurück”, der Zauberstabmacher federte die Wendeltreppe hinab, an seinen schweren Gürteln klimperten Hobel und Messer.
„Haben Sie sich bereits entschieden bezüglich der Tattoos? Und haben Sie Zeit mitgebracht? Es gilt einen Zauberstab zu testen.“ Louis hatte sich von der grünsamtig überzogenen Sitzgelegenheit auf dem kirschholzdunklen Boden erhoben und brachte kein Wort heraus. Der Stab war bereits fertig?
Mr Nott rümpfte die Nase.
„Obwohl…“
„Was?“, Louis hatte mit einem Mal seine Stimme wiedergefunden. Es war ja aber auch so offensichtlich gewesen, dass irgendetwas schief gehen würde! Bei ihm klappte nie alles einfach so, wie es klappten könnte! Er würde nicht zaubern können, was hatte diese Resthoffnung eigentlich von ihm gewollt. Zum Teufel scheren sollte sie sich. Und zwar hurtig. Asmodeus würde sicherlich nach getaner Arbeit freudestrahlend wieder begrüßen und in seinem höllischen Hause aufnehmen.
„Sie riechen nach Macht, Mr Weasley. Ich kann so etwas beurteilen. Nach Magie und Macht. Um genau zu sein riechen Sie nach einer Magie, die nicht ihre Eigene ist. Es ist, als seien noch Reste fremder Magieeinflüsse in ihren Adern. Dingmagie. Gab es eine Veränderung in den letzten Tagen, was ihre Talente angeht?“
Mr Nott reckte Louis die Hand entgegen, die diese nur zuögerlich ergriff. Statt auf Mr Notts Frage zu antworten, stammelte er nur: „Ich kann den Zauberstab bekommen, oder?“
Mr Nott zog die Augenbrauen zusammen und nickte zaghaft, ehe er Louis Hand fester griff und sie in die Nähe seiner Nase zog.
„Schwebemagie. Ausgeführt von einer Hexe mittleren Alters. Wie kommt diese Schwebemagie in ihren Körper, Mr Weasley?“ Vor Louis innerem Auge regnete die Erfahrung mit dem walisischen Zwölfzeiler herunter wie Sternschnuppen. Das roch dieser Zauberstabmacher? Er roch das allen Ernstes? Louis hatte den Spruch nicht mehr angerührt. Er trug ihn noch immer eng am Körper, hatte sich aber entschieden, ihn nicht mehr aufzusagen und ihm keine weitere Bedeutung zuzumessen, ehe er nicht den gesamten Rechtstext übersetzt hatte. Wer wusste schon, was er damit anrichten konnte! Nicht, dass er nicht ab und an einmal im Sinne hatte auch leichtsinnig zu sein, einfach etwas auszuprobieren, aber dieser plötzliche Magieschub war ihm nicht geheuer gewesen. Er hatte immer noch nicht zur Gänze realisiert, dass er derjenige gewesen sein hätte können, der tatsächlich den Gegenständen, die sich um ihn gesammelt hatten, die Magie entzogen hatte. Er konnte doch gar nicht zaubern!
Vor Mr Nott sollte er das allerdings wahrscheinlich nicht verschweigen. Oder er sollte es verschweigen, am Ende hatte das Auswirkungen, auf seinen Zauberstab!
„Bekomme ich den Stab trotzdem, auch wenn ich Ihnen diese Frage beantworte?“
„Natürlich.“ Keine Einschränkungen? Kein Herumdrucksen? Einfach eine Zusage?
„Ein Zauberer ohne Zauberstab ist in einer magischen Welt aufgeschmissen. Sie müssen ihre Magie irgendwie Bündeln. Wenn Sie bereits eine Art der Magie entdeckt haben, die sich bündeln lässt, ist das nur dienlich, so kann ich sie und die etwaigen, nötigen Tätowierungen besser einschätzen. Machen Sie sich keine Gedanken. Sie erhalten den Zauberstab.“ Der Blick aus den granitkolorierten Augen war so aufrichtig, dass Louis schlucken musste.
Die Farbe Mr Notts Augen erinnerte ihn an das Meer, das an die Granitklippen Islands spielte und an ihnen zerbarst. Unumstößlich, voller Geheimnisse, aber nicht falsch. Er kommunizierte ganz klar seine Intention – und wenn es nur das donnernde Wogen an die isländische Küste war. Louis wollte ihm glauben, dennoch hielt ihn etwas in seinem Inneren zurück. Er sollte es diesem Zauberstabmacher erzählen. Er sollte es endlich irgendjemandem erzählen.
„Vor drei Tagen habe ich in den Archiven einen altwalisischen Runenspruch gefunden und ihn zu Recherchezwecken übersetzt. Ich bin über ein paar bekannte Runen gestoßen und habe sie aus Spaß aufgesagt. Da die altwalisische Runenmagie in der Ausführung so ganz anders funktioniert als herkömmliche Magie, ging ich nicht davon aus, dass irgendetwas passieren könnte. Immerhin habe ich kein magisches Talent, da bringt es auch nicht, wenn ich in der Luft herumfuchtle. Aber… Es scheint, als hätte der Zauber irgendetwas bewirkt.“
Mr Notts Augen fuhren zusammen. „Haben Sie den Zauberspruch noch im Kopf?“
„Nein, aber hier…“ Louis zog das Stück Papier aus der Manteltasche, das Mr Nott ihm direkt aus der Hand pflückte. Er überflog die Zeilen fahrig.
„Sagen Sie nicht, Sie können auch noch Runen lesen. Wer sind Sie?“
„Ach, die Frage ist weniger wer ich bin, als vielmehr was ich bin. Ich bin dir gar nicht so unähnlich. Auch meine Magie kommt aus meinem Blut, aus meinem Geist, sie wird ebenso wie Ihre, mr Weasley, nicht durch ein Medium gebündelt. Oder zumindest ist es bei mir nicht nötig. Posaunen Sie das bitte nicht herum.“ Mr Notts Mundwinkel zuckten und er drückte Louis das Blatt wieder in die Hand, der noch perplexer als vorher ohnehin schon die Augenlider auseinanderfahren ließ. Ungläubig wie er nun mal war.
„Für mich ist der Vorteil, dass ich die magischen Potentiale und auch die Talente meiner Kunden sehr gut einschätzen kann – als magisches Wesen liegt es mir im Blut. Sie sind eine Veela, zumindest zum Teil, auch Sie müssten wissen, was es mit solchen Eigenheiten auf sich hat.“ Wieso wussten die Menschen, denen er in letzter Zeit begegnete, nur so viel über ihn.
„Zur Erklärung“, Mr Nott richtete sich auf und wischte die Haare aus der Stirn: „Dieser altwalisische Runenzauber kann ganze Heere lahmlegen. Dieser letzte Ausspruch hier und der Verweis auf das Wasser sin dunglaublich starke Spruchbestandteile. Der Ritter ist offensichtlich der Ausführende, der luziferische Knochenkamm der hier erwähnt ist“ – sogar das wusste er? Louis war da nicht drauf gekommen! – „ist nicht nur ein beliebter Transport- und Flugdrache der Zeit gewesen, sein Name verweist deutlich auf etwas, das dieser Drachenrasse eigen war, das die Menschen heute aber nicht mehr wissen. Uraltes Wissen, das nur Zeitzeugen überliefern hätten können. Es wurde nirgends vermerkt, es war streng verboten, es zu vermerken, da die Kampfraft der Drachen sonst kolossal geschwächt geworden wäre.“
„Woher wissen Sie es dann?“ Louis fiel dem Zauberstabmacher einfach ins Wort.
„Hm? Oh, ich habe vor einigen hundert Jahren einen luziferischen Knochenkamm kennengelernt. Ein angenehmer Zeitgenosse. Das ist nicht mein erstes Leben, Mr Weasley.“ Louis hatte am Ende dieses Satzes ein ‚Mein Junge‘ erwartet und er war seltsam enttäuscht, dass Mr Nott es nicht so ausgesprochen hatte.
„Der Knochenkamm und sein Können sind Verweis auf die Feindesversteinerung. Der Drache hatte einen Atem, der die Bewegungen seiner Opfer so weit verlangsamte, dass es einem Zeitstillstand gleichkam. Sie waren hochgradig gefährliche Gegner. Die Zauberergemeinschaft hat sie nicht umsonst schlussendlich ausgerottet. Eine Schande.“ Was?
„Der Ritter verweist hier darauf, dass derjenige, der die erste Zeile spricht automatisch die beiden Grundeigenschaften von Luziferischem Knochenkamm und dem Ritter erlangt – Er hält in seiner Umgebung die Zeit an und er erlangt einen Schutzschild, eine Rüstung, wie ein Ritter sie trägt, eventuell auch eine Waffe, bei den folgenden Zeilen aber eher unwahrscheinlich. Das Wasser und die vier Säfte, in welche die Magie gezogen werden, sind zwei weitere Verweise auf die Zauberwirkung. Wasser ist die Grundlage allen Lebens, Magie die Basis eines jeden Sieges. Nimm deinem Gegner beides, umgreifend und nachhaltig. Ziehe es zu dir und mache dich damit übermächtig. Dieser Zauber kann Gegner ausdörren und seinem Sprecher all ihre Magie zuführen. Hochgradig gefährlich. Waren Menschen in der Nähe, als sie ihn gesprochen haben?“ Auch auf die Gefahr hin, dass Louis sich wiederholte: Was? Woher wusste dieser Mr Nott all das?
„Nein, ich… war zu diesem Zeitpunkt im Archiv.“
Mr Nott nickte. „Dann sind dort wahrscheinlich weder Motten, noch Silberfische, noch Spinnen seit diesem tag gesehen worden. Ein Glück, dass der Zauber nicht auf das ganze Gebäude umgegriffen hat! Vielleicht war die Ausführung dafür zu laienhaft.“ Louis würde gerne protestieren, aber er wusste, dass der Zauberstabmacher wahrscheinlich recht hatte.
„Ja… ich habe auch herausgefunden, dass der Zauberspruch nur in einem Rechtstext festgehalten wurde, in dem diverse Hochmagier unterzeichneten, ihn nicht mehr zu nutzen.“
Irgendwie erwartete Louis nun eine Standpauke, stattdessen lächelte Mr Nott. Er mochte wohl Rebellen.
„Nun denn. Das erklärt zumindest, woher die fremde Restmagie in ihren Adern kommt. Sie haben offenbar den nächsten, magischen Gegenständen um sich herum ihre Magie entzogen. Dann zurück zur Frage der Tattoos.“ Wie, das sollte es gewesen sein? Das war alles, was Mr Nott dazu zu sagen hatte?
„Haben Sie sich entschieden, ob Sie welche wollen? Oder wollen Sie die Male mit Tinte auftragen, die unter bestimmten Bedingungen abwaschbar ist?“
Louis zuckte wahrheitsgemäß die Schultern. Der beige Mantel wog schwer. All die Informationen flirrten in seinem Kopf durcheinander. Das alles klang so surreal, so absolut nicht nachvollziehbar. Von der Tatsache, dass Mr Nott ein magisches Wesen war, über den Tatbestand, dass er bereits mehrere hundert Jahre auf dem Buckel hatte, bis hin zu der Frage, welche Hautcreme er wohl nutzte. Und dann noch die Sache mit dem Runenspruch! Warum hatte das geklappt?
„Mr Nott… ich habe mich bezüglich der Tattoos noch nicht ganz entschieden. Ich würde sie nehmen, aber… ich war mir nicht sicher, ob Sie wirklich einen Zauberstab für mich fertigen könnten. Und auch das mit der altwalisischen Runenmagie – warum hat das funktioniert?“
Der Zauberstabmacher lächelte und nickte in Richtung des Abgangs nach unten in den Laden. Er begann die Fragen zu beantworten, als er sich sicher war, dass Louis ihm folgte: „Die walisischen Runen kann prinzipiell jeder magisch begabte Mensch anwenden. Sie basieren auf der Vier-Säfte-Lehre und Naturmagien, die jedem magischen Wesen eigen ist. Im Gegensatz zur modernen englischen Magie, die sich auf die Nutzung eines Gegenstandes fokussiert, um die Magie der Zauberer und Hexen zielgerichtet zu bündeln und einzusetzen. Runenmagie schließt niemanden aus, der sie beherrscht. Nur ist sie sehr aufwändig in der Ausführung und daher aus der Mode geraten – viermaliges Aufsagen von zwölf Zeilen und nebenher das Zeichnen der Runen – da war die Berufung auf lateinische Ein-Wort-zauber doch deutlich sinnvoller. Wobei die stärksten modernen Magiesysteme – diese bestehen vor allem in Asien und Westafrika“, was für eine Zusatzinformation, „noch heute vornehmlich mit Silben- oder Morenbasierten Systemen arbeiten und auf die Einfachheit der Bedeutung einer einzelnen, natürlichen Silbe Bedeutung legen. Je älter die Sprache, je weniger Stadien die Sprache und ihre Runen hatte umso wirksamer ist ihr magisches System, umso mächtiger ihre Verbindung zur Naturmagie.“
Louis nickte, als ob er irgendetwas davon verstehen würde. Er setzte hinter Mr Nott einen Fuß auf die Wendeltreppe in Richtung Keller.
„Und sagen Sie bitte niemals wieder, sie hätten kein magisches Talent. Sie haben ein anderes Talent, als der neumodische Zauberer, das gibt ihnen aber auch ungeahnte Möglichkeiten. Während Zaubergrößen von heutzutage, seien es nun schwarze oder weiße Zauberer, an einem Utensil festhängen, das die Wirksamkeit ihrer Zauber bestätigt, verstärkt oder bündelt und vielen von ihnen eine Umschulung unmöglich ist, ist das, was ihnen bislang das Leben erschwert hat, ihre größte Chance.“ Mr Nott reckte den Finger aus und ein Funke schoss aus seiner Fingerspitze in den Raum hinein.
„ich habe einen Zauberstab für Sie. Mit dem Sie sich der Gemeinschaft im Weiteren Sinne angleichen können. Als erstes Tattoo würde ich Ihnen einen Apparationszauber vorschlagen.“ Louis hatte schon ziemlich lange nichts mehr gesagt. Vor seinen Augen erhellte sich der Raum, der hinter dem schwarzen, gewundenen Geländer lag. Der Funke stob durch die Kristalladern an der Decke und brachte ein goldenes, angenehmes Licht in die Welt. Vor ihm taten sich Kellergewölbe auf, auf deren zauberstabstand Ollivander hätte nicht einmal neidisch sein können – er hätte es schlichtweg nicht geglaubt. Auf der einen Seite lagerten Materialien. An einem der deckenhohen Regale hockten Spinnen, das nächste leuchtete in Substanzen aller Farben und Schattierungen. Holzbeschriftungen wiesen Kerne und Hölzer aus, weiße, schwarze, weiche und harte, asiatische, afrikanische, europäische, amerikanische, australische. Ein weiß glänzendes Holz lag in gekrümmten Ästen im obersten Regal des Schrankes, es erinnerte an klares Eis, das von milchigen Adern durchzogen war. Kristalle stapelten sich auf der anderen Seite.
Und die Zauberstäbe lagen alle wohlbehütet in eigens angefertigten Schachteln. Während Ollivander denselben Schachteltypus in diversen Farben verwendete gab es hier Boxen aus allen möglichen Materialien und Formen, Größen, Längen und mit diversen Verzierungen.
Mr Nott sprang von der letzten Treppenstufe in den Raum hinein.
„Sind Sie bereit für Ihren Zauberstab, Mr Weasley?“
Louis schluckte. Woher wusste dieser Typ das? Wer war das?
Kieran zog die Augen zusammen und musterte Louis eindringlich. Als wolle er überprüfen, ob die Provokation auch da angekommen war, wo sie hinsollte und ob Louis sich jetzt in seinem kompletten Sein auch vollkommen unsicher war. Sein Hand war langsam eng um Louis‘ Unterarm gewandert.
„Lass mich los“, Louis wollte sein Handgelenk aus dem starken Griff winden, Kieran legte den Kopf schief und merkte offenbar erst jetzt, dass Louis ihn nicht für vertrauenswürdig hielt. Er lockerte seinen Griff und schüttelte den Kopf.
„Ich meine das nicht als Kampfansage. Und ich wollte dich auch nicht ängstigen. Als Squib mach ich hybride Führungen durch das magische und Muggel-London. Ich war im Museum um meine Unterlagen abzugeben für eine Spezial-Führung, die gemeinsam mit dem MBMH organisiert wird. Und da habe ich die Auseinandersetzung gesehen. Also… und… das mit dem Zauberstab… war vielleicht ein bisschen missverständlich. Ich würde gerne die Nacht mit dir verbringen. Und daher meine ich einen ganz anderen Zauberstab.“ Kieran biss sich auf die Unterlippe und stützte das Gesicht in die linke Handfläche. Er wich Louis‘ Blick ein bisschen peinlich berührt aus.
Nun war es an Louis zu stutzen. Der Griff Kierans rechter Hand war jetzt so locker, dass er den Arm problemlos zurückziehen konnte, Kierans Hand folgte seiner aber und die langen Finger schoben sich über Louis‘ Handrücken.
„Hatte ich eigentlich nicht vor, das so einfach zu sagen, aber ich glaube, da du mich für ziemlich obskur hältst, war es die richtige Entscheidung.“
„Du willst mit mir schlafen?“
„So ausgedrückt: Jep.“
„Nein!“ Louis war das Ganze hier nicht geheuer. „Und überhaupt, du weißt, dass ich meinen Zauberstab zerbrochen habe – wie lange beobachtest du mich schon?“
„Hm, beobachten ist zu viel gesagt. Wie gesagt, ich hab es gesehen und danach mit Flint geredet. Ich weiß auch wer du bist nur von Flint. Hab dich zuerst gar nicht erkannt, du sahst dem Bild auf der Veröffentlichung im Seitenprofil so gar nicht ähnlich. Also von, Elias Flint. Er ist mit meiner großen Schwester liiert. Er meinte, Candy würde ihm zustimmen, wenn man die Ironie darin bedachte, dass der zauberunfähige Louis Weasley wenigstens einen Zauberstab bekommen hätte, den er zerbrechen konnte.“
Kieran seufzte und richtete den Blick wieder auf Louis, als habe er sich gefangen.
„Ironie des Schicksals, dass ich dich heute hier treffe, nicht? Bei Morgana, ich muss dir unglaublich dubios vorkommen.“
Louis brauchte einen Moment, um zu verarbeiten und zu beurteilen, ob die Aussage glaubhaft war.
„Wer ist Candy?“
„Candace. Meine Schwester.“
„Keith hat nur einen Bruder. Wieso lügst du mich an?“
„Ja… Keith erzählt den meisten nur von mir. Er akzeptiert mich einigermaßen. Da Candy das nicht tut ist sie in seiner Welt nicht wirklich erwähnenswert. Vor allem ist sie nur unsere Halbschwester, die uneheliche Tochter meiner Mutter. Meine Eltern haben sich kennengelernt, da war Mum gerade hoch schwanger. Mein Vater hat Candy dann direkt adoptiert, umso mehr, da ihr Vater aus einer der höchst angesehensten Zauberfamilien Brasiliens stammte. Er ist wohl in den Massakern im MPB umgekommen.“
Louis versuchte zu folgen. Von den Massakern im Magical Parliament of Brasli hatte er gehört, aber die hatten noch vor seiner Zeit stattgefunden. Da war er noch nicht einmal geplant gewesen.
„Und wieso hast du dich entschieden den Zauberstab zu erwähnen? Ich meine, du müsstest doch selbst wissen, dass dich das suspekt macht.“
„Ach, na ja. Zum einen, weil ich mich dir in dem Moment, in dem Candy sich über mich lustig gemacht hat, auf seltsame Weise nahe gefühlt habe. Zum anderen, weil ich dachte, so könnte ich den Verweis besser verpacken.“
„Welchen Verweis?“
„Den auf Sex.“
„Sex? Wie genau… was soll da ein Verweis…“ Louis hatte wohl mit beiden Füßen fest auf der Leitung gestanden, denn erst jetzt verstand er den Zusammenhang.
„Warte. Der Zauberstab, der mich also interessieren könnte und sollte… ist deiner?“
„Jep.“
„Und du bist wirklich ein Squib?“
„Hör auf dich zu vergewissern, einen anderen als den in meiner Hose hab ich nicht.“
Kieran nippte an dem Getränk, das der Barkeeper eben hier abgestellt hatte. Er wirkte immer noch ein bisschen verlegen.
Louis konnte nicht anders. Er kicherte.
„Ich muss zugeben, dass ich dich bis gerade eben für einen Typen gehalten habe, den ich meiden sollte. Wirklich. Wenn du jemanden ansprichst, mit dem du ins Bett willst, solltest du dein ganzes Stalker-Wissen nicht an erster Stelle auspacken.“
„Ich wollte dich aber echt immer schon mal treffen. Nach Keith Erzählungen hab ich dich immer als eine Art Verbündeten gesehen. Und wer hätte erwarten können, dass du in Natura so anziehend bist.“
„Da liegt nur an den Viertel-Veela-Genen“, die Reduktion auf Louis Aussehen und Wesen hatten seine aufkeimende gute Laune direkt wieder niedergeschlagen. Es war auch hier letztlich wieder nicht er, der begehrt wurde, sondern vielmehr das Wesen der Veela.
„Seitens deiner Mutter, oder? Keith hat mir das erzählt. Ich glaube, er war ab und an schon mal eifersüchtig, dass du die ganzen Mädels abbekommen hast.“
„Und wie kommst du dann darauf, dass ich mit dir schlafen würde?“ In Louis‘ Oberstübchen kehrte wieder die aufplusternde Figur des Missmuts zurück die sich verächtlich schnaubend an der Wand entlang nach unten sinken ließ. Klar. Man wollte ihn treffen. Kieran kannte ihn nicht. Wie sollte er ihn da treffen wollen. Er hatte maximal ein von Tagträumen geprägtes Bild von einem Pseudo-Verbündeten, der zufällig denselben Namen trug wie Louis selbst. Und als er ihn gesehen hatte, hatte er resümiert, dass der Köper und das Gesicht auch nicht zu verachten waren. Warum die Zufallsbekanntschaft also nicht einfach aufs Körperliche ausweiten. Verdammte Veela-Gene.
„Schmollst du?“
„Die Frage stellt sich doch, oder? Beantworte sie schon.“
„Also schmollst du. Ich wusste nicht, ob du auf Männer stehst, aber ich gehe stark davon aus, dass du schon längst nein gesagt hättest, wenn es dir so zuwider wäre. Bist du bi?“
„Nein, schwul.“
„Das heißt Keith hat sich all die Jahre vollkommen umsonst aufgeregt?“, Kieran schmunzelte und schüttelte den Kopf, ehe er erneut ansetzte und an seinem Drink nippte.
„Warum schmollst du? Du steckst wirklich voller Überraschungen. Warte. Lass mich reduzieren.“
„Reduzieren? Meinst du deduzieren?“, Louis fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Die Geschehnisse des Tages drängten in den Hintergrund. Vielleicht schmollte er, ja. Er hatte heute auch allen Grund dazu. Nicht nur dazu, auch niedergeschlagen zu sein hatte er allen Grund.
Dominique hatte ihn ausgespielt und provoziert, hatte sich hinter Francisca Zabini gestellt und ihn als den Bösen geoutet, der Sandy und Francy auseinanderbrachte. Vic heiratete im Februar und er stritt sich mit dem viel zu aufdringlichen Sandy und hatte Kieran McMillan am Hals, der ihn nur auf sein Aussehen reduzierte. Zudem hatte er Freds Quidditch-Spiel vergessen, was ihm gerade siedend heiß einfiel, und er hatte keinen Zauberstab mehr, konnte sich also nicht einmal mehr der Illusion hingeben, sich verteidigen zu können, sollte hier irgendetwas schief gehen.
„Wegen mir auch deduzieren. Also. Du hältst mich hoffentlich nicht mehr für zwielichtig“, nein, irgendwie hat sich dieser Eindruck mit dem Verweis auf deinen eigenen Zauberstab aber sowas von relativiert. So eine Anmache kann doch keiner Ernst nehmen.
„Du schmollst erst seit gerade, zwischendrin hast du sogar gelacht. Es war also irgendetwas, das ich gesagt habe. Aber nicht, dass ich dich gerne flachlegen würde, oder?“
„Nein, der Sex ist nicht das Problem. Aber schöne Fährte.“ Die schmollende Figur in Louis Oberstübchen puffte ihre Wut nach oben hin aus und wurde etwas kleiner.
„Dann… bist du sauer, weil ich gesagt habe, du siehst gut aus?“
„Ich bin nicht sauer.“
„Red dir das gerne weiter selbst ein. Aber wer würde schon über ein Kompliment sauer sein?“ Statt mit Kieran hätte Louis auch mit einem Blumentopf quatschen können. Hätte wahrscheinlich mehr Mehrwert gehabt.
„Also nicht das Kompliment… Etwa die Veela-Gene? Hast du dich selbst sauer gemacht?“
„Ich glaube das geht gar nicht. Und ich bin nicht sauer.“
„Ach, Firlefanzereien. Sauer, gereizt, du schmollst! Und ich weiß jetzt auch, dass es wegen der Veela-Gene ist! … aber warum?“
„Ich dachte du weißt es?“, die Wut-Figur in seinem Kopf war fast verraucht. Er fand Kieran beinahe schon belustigend. Ähnlich wie Lysander. Sandy wäre ihm hier aber deutlich lieber gewesen. Er hatte eigentlich keine Lust mit Kieran zu schlafen. Der Typ sah gut aus, das ja, aber er hatte durch seinen letzten One-Night-Stand so viele Probleme bekommen, er brauchte nicht nochmals eine solche Ausgangssituation. Vor allem, weil sich die Situationen viel zu sehr ähnelten. Auch mit Lysander war er nach dem gemeinsamen Trinken im Bett gelandet. Nein, nein, nein, ein Krisenherd in seinem Leben reichte durchaus.
„Jetzt lass mich nicht so zappeln, Weasley.“ Kierans Finger spielten über Louis‘ Handrücken.
„Tu ich doch gar nicht. Es ist nur meine freie Entscheidung, dir gewisse Informationen vorzuenthalten. Im Übrigen war ich weder sauer noch sonst irgendetwas, du musst mir in diesem Punkt wohl einfach vertrauen.“
„Obwohl du auch mir nicht vertraust?“ Louis lachte auf.
„Wundert dich das allen Ernstes?“
Nun zog Kieran einen Schmollmund, was zu seinem Sunny-Boy-Aussehen und seiner 180-Volt Ausstrahlung, den warmen Augen und dem angenehmen Wesen so gar nicht passen wollte.
„Okay, machen wir einen Deal.“ Kierans Ohren zuckten und seine Augen suchten Louis‘ verschwommen graugrünen Blick: „Ich vertraue dir vielleicht ein bisschen mehr, wenn du mir beweist, dass man dir vertrauen kann. Heute schlafe ich nicht mit dir. Keine Ahnung, ob ich es irgendwann tue. Aber ich höre mir mal eine deiner Führungen an und lerne dich ein bisschen besser kennen, wäre das ein Deal? Wenn derjenige, mit dem du dich schon so lange verbunden fühlst, zu einer deiner Führungen kommt, dann müsste das doch vorerst mal genug sein, oder?“
Louis umging so zum einen die gefährliche Situation mit dem immer noch nicht ganz seriösen Kieran allein zu sein, er gab ihm die Chance zu beweisen, dass er ein Guter war, er ging weiteren Problemen aus dem Weg und er gab ihm keinen Hinweis darauf, dass er es nicht mochte, auf sein Veela-beeinflusstes Äußeres reduziert zu werden. Win-Situation. Keine Win-Win, da sich Kieran in der Beweispflicht befand und offensichtlich nicht gewann, aber immerhin hatte Louis ihn nicht vollkommen abgewiesen.
„Ich bin dir wohl wirklich ziemlich suspekt, oder?“ Kieran grinste und der Raum wurde ein Stück heller nur allein durch den Verzug seiner Mimik.
„Na gut. Wenn du es so willst. Dann komm doch einfach in zwei Tagen zur Spezialführung über das london’sche Postwesen, ja? Das MBMH denkt darüber nach, die Führung wöchentlich zu etablieren, wenn sie genug Anklang findet, daher werden die ersten Gruppen nur zu festgesetzten Terminen herumgeführt. Wir starten am The Postal Museum London in Muggel-London und beginnen mit einigen Einblicken in das Transportwesen der Muggel-Post. Um 15:00 Uhr, ja? Nicht direkt beim Eingang, sondern einfach den Eulen folgen, ja?“
„Den Eulen? Ich dachte wir starten in Muggel-London?“
„Tun wir ja auch. Es gibt an den Wänden nur für Magier sichtbare Eulen-Zeichnungen, die direkt zum Treffpunkt führen. Gar nicht zu verfehlen, wenn du beim Postal Museum bist. Im Übrigen schön, dass du schon ‚wir‘ gesagt hast. Du kommst also?“
Louis war fast etwas perplex über diese Aussage. Dennoch zuckte sein Mundwinkel nach oben: „na gut, dann komm ich dich eben bei deiner Führung besuchen.“
Das ‚in zwei Tagen‘ war schneller da gewesen, als Louis geglaubt hatte. Sein Terminkalender an diesem tag war viel zu voll. Lysander hatte er den gesamten vorherigen Tag nicht gesehen, was gut so war. Er hasste sich schon etwas weniger wegen dem, was er Lysanders kleiner, unfertiger Familie angetan hatte. Sandy war auf einem Außeneinsatz gewesen und hatte einigen Drachenschützern geholfen einen Wasserdrachen aus dem Kanalisationssystem Bristols zu befreien. Wahrscheinlich mal wieder nur ein missverstandenes Wesen. Heute Mittag hatte er sich von der Arbeit abgemeldet und zum Außendienst eingetragen, um ungestört die Führung Kierans mitmachen zu können – offiziell natürlich nicht, weil er sich mit Post beschäftigte, sondern weil er einen Quelltext in den Archiven eines irischen Schlosses suchte, der gar nicht existierte. Ab und an half er sich selbst mit einer solchen Notlüge aus, immerhin überwachte niemand, wohin er ging und Mrs Atwood wusste, dass er zu solch abgelegenen Plätzen gerne einmal mehr Zeit brauchte, als ein einfacher Apparationssprung benötigen würde. Na ja, vielleicht hatte Kieran ja auch Informationen über das 12. Jahrhundert und die Entwicklung des Postwesens seither. Am Ende war das Schwert ein sehr gut versteckter Brieföffner gewesen.
Louis unterstand sich, in sich hineinzulachen. Das hier war alles gar nicht zum Lachen. Eigentlich war er gerade aufgeregt. Denn just in diesen Sekunden hatte er sich erneut bei Mr Nott in seiner Zauberstabwerkstatt eingefunden. Der vierte Tag war angebrochen, nachdem er den Stab bestellt hatte. Er glaubte kaum, dass Mr Nott ihn bereits vollständig gefertigt hatte, es hieß nur, er solle sich bis heute wegen der Tattoos entscheiden. Das war ein Thema gewesen, dem er sich gedanklich am Vortag ausgiebig angenommen hatte. Schlussendlich war er zu dem Schluss gekommen, dass er noch zu wenige Informationen hatte um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
„Ah, Mr Weasley! Willkommen zurück”, der Zauberstabmacher federte die Wendeltreppe hinab, an seinen schweren Gürteln klimperten Hobel und Messer.
„Haben Sie sich bereits entschieden bezüglich der Tattoos? Und haben Sie Zeit mitgebracht? Es gilt einen Zauberstab zu testen.“ Louis hatte sich von der grünsamtig überzogenen Sitzgelegenheit auf dem kirschholzdunklen Boden erhoben und brachte kein Wort heraus. Der Stab war bereits fertig?
Mr Nott rümpfte die Nase.
„Obwohl…“
„Was?“, Louis hatte mit einem Mal seine Stimme wiedergefunden. Es war ja aber auch so offensichtlich gewesen, dass irgendetwas schief gehen würde! Bei ihm klappte nie alles einfach so, wie es klappten könnte! Er würde nicht zaubern können, was hatte diese Resthoffnung eigentlich von ihm gewollt. Zum Teufel scheren sollte sie sich. Und zwar hurtig. Asmodeus würde sicherlich nach getaner Arbeit freudestrahlend wieder begrüßen und in seinem höllischen Hause aufnehmen.
„Sie riechen nach Macht, Mr Weasley. Ich kann so etwas beurteilen. Nach Magie und Macht. Um genau zu sein riechen Sie nach einer Magie, die nicht ihre Eigene ist. Es ist, als seien noch Reste fremder Magieeinflüsse in ihren Adern. Dingmagie. Gab es eine Veränderung in den letzten Tagen, was ihre Talente angeht?“
Mr Nott reckte Louis die Hand entgegen, die diese nur zuögerlich ergriff. Statt auf Mr Notts Frage zu antworten, stammelte er nur: „Ich kann den Zauberstab bekommen, oder?“
Mr Nott zog die Augenbrauen zusammen und nickte zaghaft, ehe er Louis Hand fester griff und sie in die Nähe seiner Nase zog.
„Schwebemagie. Ausgeführt von einer Hexe mittleren Alters. Wie kommt diese Schwebemagie in ihren Körper, Mr Weasley?“ Vor Louis innerem Auge regnete die Erfahrung mit dem walisischen Zwölfzeiler herunter wie Sternschnuppen. Das roch dieser Zauberstabmacher? Er roch das allen Ernstes? Louis hatte den Spruch nicht mehr angerührt. Er trug ihn noch immer eng am Körper, hatte sich aber entschieden, ihn nicht mehr aufzusagen und ihm keine weitere Bedeutung zuzumessen, ehe er nicht den gesamten Rechtstext übersetzt hatte. Wer wusste schon, was er damit anrichten konnte! Nicht, dass er nicht ab und an einmal im Sinne hatte auch leichtsinnig zu sein, einfach etwas auszuprobieren, aber dieser plötzliche Magieschub war ihm nicht geheuer gewesen. Er hatte immer noch nicht zur Gänze realisiert, dass er derjenige gewesen sein hätte können, der tatsächlich den Gegenständen, die sich um ihn gesammelt hatten, die Magie entzogen hatte. Er konnte doch gar nicht zaubern!
Vor Mr Nott sollte er das allerdings wahrscheinlich nicht verschweigen. Oder er sollte es verschweigen, am Ende hatte das Auswirkungen, auf seinen Zauberstab!
„Bekomme ich den Stab trotzdem, auch wenn ich Ihnen diese Frage beantworte?“
„Natürlich.“ Keine Einschränkungen? Kein Herumdrucksen? Einfach eine Zusage?
„Ein Zauberer ohne Zauberstab ist in einer magischen Welt aufgeschmissen. Sie müssen ihre Magie irgendwie Bündeln. Wenn Sie bereits eine Art der Magie entdeckt haben, die sich bündeln lässt, ist das nur dienlich, so kann ich sie und die etwaigen, nötigen Tätowierungen besser einschätzen. Machen Sie sich keine Gedanken. Sie erhalten den Zauberstab.“ Der Blick aus den granitkolorierten Augen war so aufrichtig, dass Louis schlucken musste.
Die Farbe Mr Notts Augen erinnerte ihn an das Meer, das an die Granitklippen Islands spielte und an ihnen zerbarst. Unumstößlich, voller Geheimnisse, aber nicht falsch. Er kommunizierte ganz klar seine Intention – und wenn es nur das donnernde Wogen an die isländische Küste war. Louis wollte ihm glauben, dennoch hielt ihn etwas in seinem Inneren zurück. Er sollte es diesem Zauberstabmacher erzählen. Er sollte es endlich irgendjemandem erzählen.
„Vor drei Tagen habe ich in den Archiven einen altwalisischen Runenspruch gefunden und ihn zu Recherchezwecken übersetzt. Ich bin über ein paar bekannte Runen gestoßen und habe sie aus Spaß aufgesagt. Da die altwalisische Runenmagie in der Ausführung so ganz anders funktioniert als herkömmliche Magie, ging ich nicht davon aus, dass irgendetwas passieren könnte. Immerhin habe ich kein magisches Talent, da bringt es auch nicht, wenn ich in der Luft herumfuchtle. Aber… Es scheint, als hätte der Zauber irgendetwas bewirkt.“
Mr Notts Augen fuhren zusammen. „Haben Sie den Zauberspruch noch im Kopf?“
„Nein, aber hier…“ Louis zog das Stück Papier aus der Manteltasche, das Mr Nott ihm direkt aus der Hand pflückte. Er überflog die Zeilen fahrig.
„Sagen Sie nicht, Sie können auch noch Runen lesen. Wer sind Sie?“
„Ach, die Frage ist weniger wer ich bin, als vielmehr was ich bin. Ich bin dir gar nicht so unähnlich. Auch meine Magie kommt aus meinem Blut, aus meinem Geist, sie wird ebenso wie Ihre, mr Weasley, nicht durch ein Medium gebündelt. Oder zumindest ist es bei mir nicht nötig. Posaunen Sie das bitte nicht herum.“ Mr Notts Mundwinkel zuckten und er drückte Louis das Blatt wieder in die Hand, der noch perplexer als vorher ohnehin schon die Augenlider auseinanderfahren ließ. Ungläubig wie er nun mal war.
„Für mich ist der Vorteil, dass ich die magischen Potentiale und auch die Talente meiner Kunden sehr gut einschätzen kann – als magisches Wesen liegt es mir im Blut. Sie sind eine Veela, zumindest zum Teil, auch Sie müssten wissen, was es mit solchen Eigenheiten auf sich hat.“ Wieso wussten die Menschen, denen er in letzter Zeit begegnete, nur so viel über ihn.
„Zur Erklärung“, Mr Nott richtete sich auf und wischte die Haare aus der Stirn: „Dieser altwalisische Runenzauber kann ganze Heere lahmlegen. Dieser letzte Ausspruch hier und der Verweis auf das Wasser sin dunglaublich starke Spruchbestandteile. Der Ritter ist offensichtlich der Ausführende, der luziferische Knochenkamm der hier erwähnt ist“ – sogar das wusste er? Louis war da nicht drauf gekommen! – „ist nicht nur ein beliebter Transport- und Flugdrache der Zeit gewesen, sein Name verweist deutlich auf etwas, das dieser Drachenrasse eigen war, das die Menschen heute aber nicht mehr wissen. Uraltes Wissen, das nur Zeitzeugen überliefern hätten können. Es wurde nirgends vermerkt, es war streng verboten, es zu vermerken, da die Kampfraft der Drachen sonst kolossal geschwächt geworden wäre.“
„Woher wissen Sie es dann?“ Louis fiel dem Zauberstabmacher einfach ins Wort.
„Hm? Oh, ich habe vor einigen hundert Jahren einen luziferischen Knochenkamm kennengelernt. Ein angenehmer Zeitgenosse. Das ist nicht mein erstes Leben, Mr Weasley.“ Louis hatte am Ende dieses Satzes ein ‚Mein Junge‘ erwartet und er war seltsam enttäuscht, dass Mr Nott es nicht so ausgesprochen hatte.
„Der Knochenkamm und sein Können sind Verweis auf die Feindesversteinerung. Der Drache hatte einen Atem, der die Bewegungen seiner Opfer so weit verlangsamte, dass es einem Zeitstillstand gleichkam. Sie waren hochgradig gefährliche Gegner. Die Zauberergemeinschaft hat sie nicht umsonst schlussendlich ausgerottet. Eine Schande.“ Was?
„Der Ritter verweist hier darauf, dass derjenige, der die erste Zeile spricht automatisch die beiden Grundeigenschaften von Luziferischem Knochenkamm und dem Ritter erlangt – Er hält in seiner Umgebung die Zeit an und er erlangt einen Schutzschild, eine Rüstung, wie ein Ritter sie trägt, eventuell auch eine Waffe, bei den folgenden Zeilen aber eher unwahrscheinlich. Das Wasser und die vier Säfte, in welche die Magie gezogen werden, sind zwei weitere Verweise auf die Zauberwirkung. Wasser ist die Grundlage allen Lebens, Magie die Basis eines jeden Sieges. Nimm deinem Gegner beides, umgreifend und nachhaltig. Ziehe es zu dir und mache dich damit übermächtig. Dieser Zauber kann Gegner ausdörren und seinem Sprecher all ihre Magie zuführen. Hochgradig gefährlich. Waren Menschen in der Nähe, als sie ihn gesprochen haben?“ Auch auf die Gefahr hin, dass Louis sich wiederholte: Was? Woher wusste dieser Mr Nott all das?
„Nein, ich… war zu diesem Zeitpunkt im Archiv.“
Mr Nott nickte. „Dann sind dort wahrscheinlich weder Motten, noch Silberfische, noch Spinnen seit diesem tag gesehen worden. Ein Glück, dass der Zauber nicht auf das ganze Gebäude umgegriffen hat! Vielleicht war die Ausführung dafür zu laienhaft.“ Louis würde gerne protestieren, aber er wusste, dass der Zauberstabmacher wahrscheinlich recht hatte.
„Ja… ich habe auch herausgefunden, dass der Zauberspruch nur in einem Rechtstext festgehalten wurde, in dem diverse Hochmagier unterzeichneten, ihn nicht mehr zu nutzen.“
Irgendwie erwartete Louis nun eine Standpauke, stattdessen lächelte Mr Nott. Er mochte wohl Rebellen.
„Nun denn. Das erklärt zumindest, woher die fremde Restmagie in ihren Adern kommt. Sie haben offenbar den nächsten, magischen Gegenständen um sich herum ihre Magie entzogen. Dann zurück zur Frage der Tattoos.“ Wie, das sollte es gewesen sein? Das war alles, was Mr Nott dazu zu sagen hatte?
„Haben Sie sich entschieden, ob Sie welche wollen? Oder wollen Sie die Male mit Tinte auftragen, die unter bestimmten Bedingungen abwaschbar ist?“
Louis zuckte wahrheitsgemäß die Schultern. Der beige Mantel wog schwer. All die Informationen flirrten in seinem Kopf durcheinander. Das alles klang so surreal, so absolut nicht nachvollziehbar. Von der Tatsache, dass Mr Nott ein magisches Wesen war, über den Tatbestand, dass er bereits mehrere hundert Jahre auf dem Buckel hatte, bis hin zu der Frage, welche Hautcreme er wohl nutzte. Und dann noch die Sache mit dem Runenspruch! Warum hatte das geklappt?
„Mr Nott… ich habe mich bezüglich der Tattoos noch nicht ganz entschieden. Ich würde sie nehmen, aber… ich war mir nicht sicher, ob Sie wirklich einen Zauberstab für mich fertigen könnten. Und auch das mit der altwalisischen Runenmagie – warum hat das funktioniert?“
Der Zauberstabmacher lächelte und nickte in Richtung des Abgangs nach unten in den Laden. Er begann die Fragen zu beantworten, als er sich sicher war, dass Louis ihm folgte: „Die walisischen Runen kann prinzipiell jeder magisch begabte Mensch anwenden. Sie basieren auf der Vier-Säfte-Lehre und Naturmagien, die jedem magischen Wesen eigen ist. Im Gegensatz zur modernen englischen Magie, die sich auf die Nutzung eines Gegenstandes fokussiert, um die Magie der Zauberer und Hexen zielgerichtet zu bündeln und einzusetzen. Runenmagie schließt niemanden aus, der sie beherrscht. Nur ist sie sehr aufwändig in der Ausführung und daher aus der Mode geraten – viermaliges Aufsagen von zwölf Zeilen und nebenher das Zeichnen der Runen – da war die Berufung auf lateinische Ein-Wort-zauber doch deutlich sinnvoller. Wobei die stärksten modernen Magiesysteme – diese bestehen vor allem in Asien und Westafrika“, was für eine Zusatzinformation, „noch heute vornehmlich mit Silben- oder Morenbasierten Systemen arbeiten und auf die Einfachheit der Bedeutung einer einzelnen, natürlichen Silbe Bedeutung legen. Je älter die Sprache, je weniger Stadien die Sprache und ihre Runen hatte umso wirksamer ist ihr magisches System, umso mächtiger ihre Verbindung zur Naturmagie.“
Louis nickte, als ob er irgendetwas davon verstehen würde. Er setzte hinter Mr Nott einen Fuß auf die Wendeltreppe in Richtung Keller.
„Und sagen Sie bitte niemals wieder, sie hätten kein magisches Talent. Sie haben ein anderes Talent, als der neumodische Zauberer, das gibt ihnen aber auch ungeahnte Möglichkeiten. Während Zaubergrößen von heutzutage, seien es nun schwarze oder weiße Zauberer, an einem Utensil festhängen, das die Wirksamkeit ihrer Zauber bestätigt, verstärkt oder bündelt und vielen von ihnen eine Umschulung unmöglich ist, ist das, was ihnen bislang das Leben erschwert hat, ihre größte Chance.“ Mr Nott reckte den Finger aus und ein Funke schoss aus seiner Fingerspitze in den Raum hinein.
„ich habe einen Zauberstab für Sie. Mit dem Sie sich der Gemeinschaft im Weiteren Sinne angleichen können. Als erstes Tattoo würde ich Ihnen einen Apparationszauber vorschlagen.“ Louis hatte schon ziemlich lange nichts mehr gesagt. Vor seinen Augen erhellte sich der Raum, der hinter dem schwarzen, gewundenen Geländer lag. Der Funke stob durch die Kristalladern an der Decke und brachte ein goldenes, angenehmes Licht in die Welt. Vor ihm taten sich Kellergewölbe auf, auf deren zauberstabstand Ollivander hätte nicht einmal neidisch sein können – er hätte es schlichtweg nicht geglaubt. Auf der einen Seite lagerten Materialien. An einem der deckenhohen Regale hockten Spinnen, das nächste leuchtete in Substanzen aller Farben und Schattierungen. Holzbeschriftungen wiesen Kerne und Hölzer aus, weiße, schwarze, weiche und harte, asiatische, afrikanische, europäische, amerikanische, australische. Ein weiß glänzendes Holz lag in gekrümmten Ästen im obersten Regal des Schrankes, es erinnerte an klares Eis, das von milchigen Adern durchzogen war. Kristalle stapelten sich auf der anderen Seite.
Und die Zauberstäbe lagen alle wohlbehütet in eigens angefertigten Schachteln. Während Ollivander denselben Schachteltypus in diversen Farben verwendete gab es hier Boxen aus allen möglichen Materialien und Formen, Größen, Längen und mit diversen Verzierungen.
Mr Nott sprang von der letzten Treppenstufe in den Raum hinein.
„Sind Sie bereit für Ihren Zauberstab, Mr Weasley?“