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Block King Kong

von Jadina
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama / P16 / Het
Chiyo Shuzenji / Recovery Girl Chizome Akaguro / Stain OC (Own Character) Tensei Iida / Ingenium Tenya Iida
01.01.2021
19.06.2022
29
102.620
10
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Dieses Kapitel
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11.01.2021 3.072
 
~~ Kapitel 2: Roppongi bei Nacht ~~



Das Geräusch von Kugelschreibern auf Papier erstarb nach und nach. Lautes Rascheln ertönte und kündigte an, dass meine Studenten ihre Sachen zusammenpackten. Soeben erreichte die Nachmittagsvorlesung ihr Ende.

Hastig, bevor alle aus dem Saal verschwinden konnten, sprach ich noch ins Mikrofon auf dem Stehpult: „Und denken Sie bitte daran, bis Freitag Ihre Übungsaufgaben in mein Fach zu legen!“

Einige Köpfe nickten, manche befanden sich schon auf dem Sprung nach draußen. Ich konnte es den Studenten nicht verübeln. Heute war ein ungemütlicher Februartag, kalt und windig. Seit der Mittagspause verspürte ich ein dezentes Stechen in den Schläfen, das nur vom Wetter herrühren konnte. Ja, am liebsten wäre ich sofort nach Hause gefahren und hätte es mir am Abend auf meinem Sofa gemütlich gemacht.

Tatsächlich hegte ich für meinen Feierabend aber andere Pläne. In einer halben Stunde würde ich mich mit Daisuke am Bahnhof in Shinjuku treffen, wo ich ihn abholen sollte. Von dort aus würden wir mit dem Auto weiter nach Roppongi fahren, um nach Stain zu suchen.

Sorgfältig legte ich meine Notizen aufeinander, steckte diese zurück in die Mappe, fuhr den Laptop herunter und zog den USB-Stick ab. Vorlesungen hielt ich an der Tōdai drei Stück in der Woche. Dies rührte daher, dass ich mich nur an langweilige Präsentationen aus meiner eigenen Studienzeit erinnerte. Viel häufiger und lieber stand ich mit meinen Studenten im Labor und hielt dort Seminare.

Mittwochs musste ich am längsten arbeiten, weshalb ich langsam müde wurde, aber das änderte nichts an meinem Vorhaben. Je mehr Zeit ich mir damit ließ, nach Stain zu suchen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er mir wieder einmal entwischte.

Just in diesem Moment trat Chiba Hirotaka zu mir heran. Bei ihm handelte es sich um meinen studentischen Mitarbeiter, der sich um die Technik kümmerte und darum, den Mitschnitt meiner Vorlesungen rechtzeitig auf das Online-Lernportal hochzuladen.

Er war ein netter junger Mann und begleitete mich schon seit drei Semestern. Seine Arbeit verrichtete er immer zuverlässig. Inzwischen steckte er in der Abschlussphase seines Studiums – Internationale Wirtschaftsstudien – und ich hoffte, dass er mir im nächsten Semester dabei half, einen geeigneten Nachfolger für ihn zu finden. Was Technik anging, besaß ich leider zwei linke Hände.

Chiba plauderte auf mich ein und erzählte irgendetwas von einer Kunstausstellung, die am Wochenende auf dem Campus stattfinden sollte. Ich würde nicht hingehen, aber das ahnte er vermutlich bereits. Jeder halbwegs aufmerksame Mitarbeiter oder Kollege wusste, wie wenig ich mit Malerei und Skulpturen anfangen konnte.

Manchmal bedauerte ich es, dass Chiba über eine Spezialität verfügte und damit für Block King Kong ausschied. Mit Tanaka gab es in unserer Runde zwar eine junge Person, die sehr viele neue Leute traf, aber etwas Unterstützung für sie wäre garantiert nicht verkehrt.

„Danke für deine Hilfe, Chiba-kun. Morgen sind ja nur Seminare, also sehen wir uns dann am Freitag um neun?“, fragte ich, um sicherzugehen, dass alles beim Alten blieb. Manchmal musste er nämlich zu Blockseminaren antanzen, die freitags und samstags stattfanden. An diesen Tagen musste ich leider ohne ihn auskommen.

„Natürlich!“ Er strahlte mir entgegen, bevor er sich mit einer kurzen Verbeugung verabschiedete und mit dem Laptop unter dem Arm von dannen zog.

Ich schlüpfte in meinen Mantel, knöpfte ihn zu und hängte mir den Lederriemen meiner Tasche über die Schulter. Anschließend verließ ich den Saal. Auf dem Gang kam mir Professor Enomoto Kubota entgegen, einer meiner Kollegen. Im vergangenen Semester hatte ich gemeinsam mit ihm ein Seminar gehalten. Wir kamen prima miteinander aus, obwohl er eher zu der zerstreuteren Sorte Dozenten gehörte.

Kurz hielt ich an, um mit ihm zu plaudern, aber dann fiel ihm ein, dass er in seinem Büro ja noch mit einer Gruppe Studenten verabredet war, die dieses Semester ihre Abschlussarbeit unter seinen Fittichen schrieben. Von daher hastete er schnell weiter und ich begab mich in die Tiefgarage der Universität.

Die Autowerkstatt hatte mir versichert, ich könnte meinen geliebten Sirion am Montag wieder abholen. Ich hoffte, sie schafften es, ihre Frist einzuhalten. Auch wenn Daisukes großzügiger Verleih mir vorerst den Hintern rettete, wünschte ich mir mein eigenes Auto zurück.

Der Feierabendverkehr in Tokyo ließ grüßen. Als ich schon eine Viertelstunde zu spät und der Bahnhof immer noch nicht in Sichtweite gekommen war, rief Daisuke auf meinem Handy an. Ich klemmte es zwischen Ohr und Schulter ein, damit ich beide Hände am Steuer behalten konnte.

„Boss? Wo bist du?“, fragte er und klang genervt. Nicht, dass ich es ihm verübeln konnte. Ich hasste Unpünktlichkeit selbst wie die Pest.

„Tut mir leid, Daisuke! Ich stecke im Verkehr fest und es geht nur schleppend voran. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich noch zum Bahnhof brauche“, antwortete ich und schielte in den Rückspiegel. Die Schlange hinter mir erschien endlos.

„Oh man.“ Er stieß ein Seufzen aus. „Hey, hör mal! Wieso treffen wir uns nicht einfach direkt in Roppongi? Da gibt es doch dieses Maid-Café direkt neben der Bankfiliale. Weißt du, welches ich meine?“

Ja, ich wusste es, und dementsprechend entgegnete ich neckend: „Sollte ich mir Sorgen machen, dass du ausgerechnet ein Maid-Café als Treffpunkt vorschlägst?“

Raues Lachen ertönte, gefolgt von dem Klicken eines Feuerzeugs. „Mach dich nicht über mich lustig, Boss! Mit der Bahn bin ich wahrscheinlich vor dir da.“

„Das könnte hinkommen.“ Ich schmunzelte und entdeckte den Polizisten auf dem Bürgersteig glücklicherweise, bevor er mich beim Telefonieren erwischen konnte. „Ich muss auflegen, da vorne ist ein Beamter. Bis gleich!“

Bis gleich war gut gesagt. Bis ich in Roppongi ankam und das Auto in einem halbwegs sicheren Parkhaus abgestellt hatte, vergingen rund vierzig Minuten.

Der Wachmann in dem kleinen Häuschen am Parkhauseingang lächelte mir zu, aber ich ignorierte ihn. Auf Missionen blieb keine Zeit für Sonstiges.

Aufgrund meiner Verspätung wunderte es mich nicht, dass ich Daisuke nicht vor, sondern in dem Maid-Café antraf, wo er eine Tasse Tee schlürfte und dabei mit einer Bedienung plauderte.

Zielgerichtet ging ich auf ihn zu. „Tut mir echt leid!“

„Kein Problem.“ Er bedeutete mir, mich zu setzen. Kaum geschehen, schob er den Teller mit dem Stück Kuchen vor sich zu mir hinüber. „Hier, iss! Die Mittagspause an der Uni ist schließlich schon eine ganze Weile vorbei.“

Erst jetzt, da er das sagte, spürte ich den Hunger, also griff ich nach der Gabel und ließ mir das kein zweites Mal sagen. Der Kuchen bestand aus einem Teig mit Haselnüssen und einem cremigen Schokoladenüberzug, der ganz von alleine auf der Zunge schmolz. Er schmeckte gut, wenn auch etwas zu süß.

Die Bedienung gab Daisuke ihre Handynummer auf einer Serviette mit, als wir das Café verließen. Sobald wir außer Sichtweite des Ladens gelangten, ließ er diese in einem Mülleimer verschwinden, was ich nicht kommentierte.

Er bevorzugte Frauen, nur verschwendete er im Allgemeinen wenig Zeit mit Romantik. Eventuell wirkten hier die Jahre bei der Armee nach, in denen er lange ohne Intimität hatte auskommen müssen. Auf Schwachfug wie Dates, so nannte er es, gab er wirklich nicht viel. Dass er dabei auch noch fürchterlich wählerisch war, gab dem Ganzen den Rest.

„Wo sollen wir anfangen, Boss?“, fragte er, nachdem wir eine große Kreuzung überquert hatten und uns in der schwätzenden Menschenmasse des Feierabends wiederfanden.

Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Gestern Nacht hatte ich mir dazu Gedanken gemacht und zog nun aus meiner Tasche einen Plan des Viertels. Mit dem großen roten Kreuz hatte ich den Ort markiert, an dem Stain zuletzt gesehen worden war, mit den blauen Kreuzen die Orte, von denen ich glaubte, dass man ihn dort antreffen konnte.

Obwohl ich ihn seit Jahren nicht gesehen hatte, kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass Stain ein Gewohnheitstier war. Er kehrte immer an dieselben Orte zurück, insofern er sich dort sicher fühlte.

Nur hinsichtlich des kleinen Lokals, in dem man das beste Sukiyaki in ganz Tokyo essen konnte, verspürte ich Unsicherheit, ob es noch zu den sicheren Orten zählte. Einerseits würden die Inhaber ihn zweifelsohne erkennen. Andererseits wusste ich, dass sie im Hinterraum der Gaststätte nicht ganz legalen Geschäften nachgingen. Also würden sie jemanden wie Stain wohl kaum verpfeifen, wenn er dort einkehrte.

Vielleicht war es sogar von Vorteil, diesen Ort zuerst abzuklappern, also gab ich den Plan an Daisuke weiter und antwortete: „Zu dem Laden ganz unten links.“

„Gut vorbereitet wie immer“, schmunzelte er, während er die markierten Zielorte sichtete. „Lass uns die Positionen von Westen nach Osten abklappern! Ich denke nicht, dass er sich in der Nähe des Ortes aufhalten wird, an dem er zuletzt gesehen wurde.“

Ebenso dachte ich auch, also gab es nichts hinzuzufügen. Seite an Seite spazierte ich mit Daisuke durch Roppongi. Zwischendrin griff ich nach seiner Hand, da ich trotz der Absätze an meinen Schuhen deutlich kleiner war als der Durchschnitt der Menschen und ich beinahe abgedrängt worden wäre.

Irgendwann lachte er auf, da ich seine Hand aus Sicherheitsgründen einfach nicht mehr losließ. „Wenn die Mädels uns jetzt sehen könnten.“

Ich schmunzelte. Hidemi würde wahrscheinlich gar nichts sagen, weil es ihr Vorschlag gewesen war, den einzigen Mann in unserer Runde mitzunehmen. Naeko würde sich fragen, ob sie etwas verpasst hatte, während Tanaka dies mit einem frechen Witz über eine Schwangerschaft unterstützte. Allerdings kam der Witz nur deshalb zustande, weil unser Küken nichts von Daisukes kleinem Geheimnis wusste, ebenso wenig wie Naeko.

Seine Hand ließ ich erst los, als wir das Lokal erreichten. Ein beherzter Blick durch das Fenster nach drinnen und ich wurde darin bestätigt, dass dieser Ort für Stain nicht mehr sicher genug schien.

„Fehlanzeige“, sagte ich zu Daisuke, der den Plan des Stadtviertels an sich genommen hatte.

„Ich habe auch nicht erwartet, dass wir gleich beim ersten Versuch einen Treffer landen“, meinte er schulterzuckend. „Dein nächstes Kreuz ist gleich um die Ecke.“

So streiften wir in der Dunkelheit der hereinziehenden Nacht durch Roppongi, klapperten die Läden ab und gingen Ärger möglichst aus dem Weg. Irgendwo in einer Nebenstraße gab es Ärger, weshalb wenig später ein Polizeiauto mit Sirene an uns vorbeifuhr. Das wiederum fuchste mich, weil es Stain aufschrecken würde, insofern er sich überhaupt noch hier aufhielt.

Sieben Kreuze zeichneten die Karte, doch recht viele in Anbetracht der Tatsache, dass er ein landesweit gesuchter Mann war. Kurz bevor wir den vorletzten Ort erreichten – eine heruntergekommene Sportbar – sah ich aus dem Augenwinkel einen Schatten in einer Gasse zwischen zwei Häuserblocks verschwinden.

Daisuke bemerkte ihn auch, blieb stehen und starrte für einige Sekunden in die Dunkelheit, bevor er vorschlug: „Hinterher?“

Ich nickte. Meine Beine setzten sich ganz von selbst in Bewegung. Schneller als in gewöhnlichem Laufschritt, aber nicht zu schnell, damit wir nicht auffällig wirkten, folgten wir dem Schatten in die Gasse hinein.

Den Straßenplan steckte Daisuke weg. Stattdessen zog er den Reißverschluss seiner Jacke auf, um mit der rechten Hand an die Innentasche zu greifen, wo er in der Regel bei Aufträgen eine Schusswaffe mit sich trug.

In der engen Gasse roch es nach Abfällen, obwohl wir weit und breit keine Mülltonne entdecken konnten. Eine rot getigerte Katze kreuzte unseren Weg und huschte eilig davon, als wir ihr zu nahe kamen.

Schließlich endeten wir in einer Sackgasse und sahen einander verwirrt an. Hatten wir uns den Schatten nur eingebildet?

„Ich hätte schwören können, dass er es gewesen ist“, meinte Daisuke, zog die Hand wieder unter der Jacke hervor und schloss diese. „Er kann sich ja nicht einfach in Luft aufgelöst haben.“

Ich sah an der Hauswand hinauf. Anscheinend ein altes Bürogebäude. Keine Feuertreppen auf dieser Seite, auch keine Balkone. Niemals hätte Stain hier hinaufklettern und über die Dächer vor uns flüchten können.

Ein Seufzen entfuhr mir. Wieso nur gestaltete sich die Suche nach ihm so schwierig? Konnte es nicht einmal sein wie in diesen Filmen, in denen den Protagonisten jede nützliche Person vor die Füße lief?

Wir kehrten um, fanden zurück auf die Straße und gingen weiter zur letzten Station, die ich auf dem Stadtplan markiert hatte. Auch hier entdeckten wir nicht die geringste Spur von Stain.

Schließlich spähte Daisuke irgendwann auf seine Armbanduhr und meinte: „Es ist spät geworden, Boss. Du musst morgen früh raus. Lass es für heute gut sein! Wir suchen morgen weiter.“

Zunächst neigte ich dazu, gegen seine Worte zu protestieren, aber schlussendlich ließ ich es bleiben. Wir hatten alle Orte abgeklappert, von denen ich glaubte, Stain dort antreffen zu können, und keinen Erfolg vorzuweisen. Inzwischen war es dunkel, der Polizeieinsatz vorbei und die Gestalten, denen ich ungern begegnen wollte, trauten sich aus ihren Schlupflöchern auf den Asphalt.

„Du hast recht“, gab ich zu. „Willst du bei mir schlafen? Du kannst unmöglich jetzt noch mit der Bahn zurück nach Asahi fahren.“

„Das Angebot nehme ich gerne an. Aber so, wie ich dich kenne, hast du nichts Essbares mehr im Kühlschrank. Wir sollten also einen Abstecher zu einem Supermarkt machen“, erwiderte er.

Es brachte nichts, die Wahrheit zu leugnen, also nickte ich lediglich. Da ich in der Kantine der Universität zu Mittag aß und ansonsten abends oft unterwegs war, gab mein Kühlschrank wirklich nicht viel her. Abgesehen davon stand es um meine Kochkünste nicht besonders gut.

Der Weg zum Parkhaus kam mir unendlich lang vor. Ich bezahlte die Parkgebühr und ärgerte mich kurz über den hohen Betrag. Anschließend fuhren wir mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Meine Kopfschmerzen hatten zugenommen, deshalb hielt ich Daisuke den Autoschlüssel hin.

„Fahr du bitte!“

„Wieder der Kopf?“, fragte er besorgt und nahm den Schlüssel entgegen. Er wartete, bis wir auf den Sitzen saßen, bevor er hinzufügte: „Mika, du solltest einmal zum Arzt gehen! Nicht zu deiner Hausärztin, sondern zu einem Spezialisten. Diese ständigen Kopfschmerzen können nicht normal sein.“

„Hm“, brummte ich, da ich keine Lust verspürte, dieses Thema schon wieder durchzukauen.

Seit etwa sieben Monaten plagten mich ständig Kopfschmerzen, mal weniger schlimm, mal so heftig, dass ich mich bei der Universität krankmelden musste. Normale Schmerztabletten halfen wenig, die Migränemedikamente, die ich verschrieben bekommen hatte, nur manchmal.

Theoretisch hätte ich meine Großmutter fragen können. Sie war eine ziemlich gute Ärztin und praktizierte auch in hohem Alter noch. Allerdings hatte ich mich schon eine ganze Weile nicht mehr bei ihr blicken lassen. Ungern wollte ich mit diesem Anliegen bei ihr auf der Matte stehen.

Ich stellte den Kragen meines Mantels hoch, da Daisuke, kaum dass er aus dem Parkhaus fuhr, sein Fenster öffnete und sich eine Zigarette ansteckte.

Unterwegs hielten wir bei einem durchgehend geöffneten Supermarkt an, um einige Lebensmittel und zwei Dosen Bier zu kaufen. Die würde Daisuke allerdings alleine trinken. Ich mochte kein Bier. Wenn ich Alkohol trank, dann meistens Wein.

Danach fuhren wir schweigend durch das nächtliche Tokyo bis in den Bezirk Suginami, wo ich wohnte.

Als Kinder hatten Isamu und ich immer von einem Doppelhaus geträumt, sodass wir mit unseren Familien Seite an Seite leben konnten. Inzwischen schätzte ich mich glücklich darüber, keine direkten Nachbarn zu haben. Dadurch herrschte Ruhe.

Mein Haus besaß einen kleinen Garten, der sich ringsum erstrecke und von einer hohen Hecke eingesäumt wurde, die neugierige Blicke fernhielt. Herr Minamisaki in dem Haus rechts von mir arbeitete für einen großen Pharmakonzern und reiste geschäftlich ständig außer Landes. Das Ehepaar Itō in dem Haus links von mir genoss bereits seine Rente und verbrachte den Großteil seiner Zeit mit ganztägigen Angelausflügen.

Alles in allem handelte es sich um eine ziemlich spießige Gegend, die sich gut in meiner Biografie machte. Niemand würde vermuten, dass das Gründungsmitglied einer Bande hier lebte, die daran arbeitete, falsche Helden aus dem Weg zu räumen.

Stille empfing uns, als ich die Haustür aufschloss. Kein Wunder, ich lebte alleine. Ich mochte keine Tiere, auch wenn Tanaka es immer noch nicht aufgegeben hatte, mich überreden zu wollen, für das Hauptquartier in Asahi eine Katze anzuschaffen.

Daisuke brachte die Lebensmittel in die Küche und räumte sie in den Kühlschrank, kümmerte sich darum, uns etwas zum Abendessen zuzubereiten. Währenddessen stieg ich die Treppe hinab in den Keller, wo ich ein kleines Labor betrieb.

Dort schien alles in bester Ordnung zu sein, was mich aufatmen ließ. Zu Beginn meiner Experimente war einmal ein Reagenzglas in meiner Abwesenheit explodiert. Der Inhalt hatte eine Art Stinkbombe erzeugt, an deren unsäglichen Geruch ich mich nur zu gut erinnerte.

Ich ging hier meinen eigenen Forschungen nach, was nicht einmal alle Mitglieder von Block King Kong wussten. Dafür hielt ich meine Ideen für viel zu gefährlich. Daisuke war eingeweiht, ebenso Hidemi. Was Tanaka und Naeko anging, vertrat ich die Meinung, dass sie ihre Nasen besser heraushalten sollten. Nicht, weil ich ihnen nicht vertraute. Ganz im Gegenteil! Ich wollte sie beschützen.

Da es keine unvorhergesehenen Ereignisse im Labor gab, ging ich zurück ins Erdgeschoss, suchte die Küche auf und nahm einen Kühlakku aus dem Gefrierfach. Diesen wickelte ich in ein Tuch ein und drückte ihn auf meine Stirn, legte mich damit aufs Sofa.

Das Essen brutzelte in der Pfanne und es kam mir vor wie nur ein paar Minuten, bis Daisuke plötzlich vor mir stand und sagte: „Essen ist fertig, Boss. Komm! Danach kannst du ins Bett gehen und schlafen.“

Gesagt, getan. Auch beim Essen schwiegen wir, wobei das keinen von uns störte. Ich schätzte an Daisuke ganz besonders, dass ich mit ihm nicht ständig reden musste. Die Stille empfand ich als keineswegs merkwürdig oder unangenehm. Ich brachte gerade den Kameraden, die mich auch ohne Worte verstanden, besonderes Vertrauen entgegen.

Den Abwasch überließen wir der Spülmaschine, die ich mir aus purer Faulheit angeschafft hatte. Daisuke bezog das Schlafsofa im Wohnzimmer, ich stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock.

Bevor ich gestern zur Arbeit und von dort aus direkt nach Asahi weitergefahren war, hatte ich vergessen, die Heizung herunterzudrehen. Dementsprechend warm empfing mich mein Schlafzimmer.

Ich zog mich um und verschwand ins Badezimmer, um mich abzuschminken und meine Zähne zu putzen. Anschließend ging ich ins Bett, ignorierte das Buch auf meinem Nachtschrank geflissentlich und zog die Brille aus.

Morgen früh stand ein Seminar an, auf das ich mich freute, und ich hoffte, bis dahin würde ich wieder fit sein. Daisuke hatte recht mit seinen Worten, dass ich wegen der Kopfschmerzen einen Spezialisten zurate ziehen sollte. Aber momentan fehlte mir die Zeit dafür. Die Arbeit und Block King Kong spannten mich zu sehr ein.

Ich sollte mal wieder Urlaub im Ausland machen. Hawaii wäre schön. Oder ein europäisches Land, in dem es warm ist, war mein letzter Gedanke, bevor ich die Augen schloss und einnickte.


~~*~~*~~


Preview: Neue Zielpersonen werden diskutiert und Mika treibt ihre geheime Forschung voran. Plötzlich erhält sie einen Überraschungsbesuch. Wer ist der unerwartete Gast? Kann Mika einen früheren Mitstreiter zurückgewinnen? Das alles erfahrt ihr in Kapitel 3: Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Bis dahin – Plus Ultra! ;D
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