Block King Kong
von Jadina
Kurzbeschreibung
„Die Welt ist voll von Helden, die tief im Inneren nichts als Schurken sind. Wenn Schurken verehrt werden, kann das, was ich getan habe, gar nicht falsch sein!“ || Nach dem Tod ihres Bruders hat Mika sich zum Ziel gesetzt, falsche Helden auszuradieren. Pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Organisation „Block King Kong“ lernt sie jedoch jemanden kennen, der ganz anders ist als die meisten Helden. Auf einmal findet Mika sich in einer Sinnkrise wieder. Will sie ihr Leben wirklich so weiterführen wie bisher? Kann sie ihre Kameraden noch beschützen? [#SavingHeroes | In den Hauptrollen: OC(s) und die Familie Iida]
GeschichteDrama / P16 / Het
Chiyo Shuzenji / Recovery Girl
Chizome Akaguro / Stain
OC (Own Character)
Tensei Iida / Ingenium
Tenya Iida
01.01.2021
19.06.2022
29
102.620
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01.01.2021
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~~ Kapitel 1: Die Fäden des Schicksals ~~
Efeu überwucherte den hellgrauen Stein, bedeckte ihn mit leuchtend grünen Blättern, die an den Rändern leicht gelblich erschienen. Sein Grab erinnerte an einen Ort aus einem verwunschenen Garten, einer magischen Welt, zu der nur ausgewählte Personen Zutritt erhielten. Hinter meinem Rücken hörte ich die übrigen Besucher des Friedhofs murmeln, dass ich mich viel zu wenig um das Grab kümmern würde. In Wahrheit liebte ich den Efeu und wie die Blätter raschelten, wenn der Wind über sie strich. Es gab mir das Gefühl, dass dieser Ort immer etwas Besonderes bleiben würde.
Ich bückte mich und stellte das Grablicht vorsichtig neben die weiße Rose, die jemand anderes vorbeigebracht hatte, vermutlich meine Großmutter. Wer sonst würde herkommen? Unsere Eltern wohl kaum.
„Heute sind die zehn Jahre voll, Mu-chan“, flüsterte ich wohl wissend, dass er mich für diesen Spitznamen zur Strafe immer durchgekitzelt hatte. Solche Albernheiten vermisste ich dermaßen, es gab keine Worte, um meine Sehnsucht nach ihm zu beschreiben. Ich würde alles dafür geben, die Zeit zurückdrehen zu können.
Am meisten vermisste ich seine Stimme – wenn er wütend war und wir uns angebrüllt hatten; wenn er mich getröstet hatte; ja sogar wenn er mich mit diesem neckenden Tonfall über ein Rendezvous ausgefragt hatte, über das ich eigentlich nicht reden wollte.
Diese Stimme klang einzigartig und hatte mir immer das Gefühl gegeben, geliebt zu werden. Das sollte nicht so klingen, als hätten meine Eltern es nicht getan. Aber mein Verhältnis zu ihnen litt unter dem, was hinter uns lag.
Der Grabstein erschien schlicht, weil er es so gewollt hatte. Sein Geburtsdatum stand dort, gefolgt von seinem Todesdatum, und schließlich stand in geschwungener Schrift sein Name eingraviert. Isamu, so hieß mein älterer Bruder, den ich an diesem Ort vor genau zehn Jahren begraben hatte.
Meistens nahmen die Menschen an, dass zwei Sorten von Abschieden existierten. Es gab diejenigen, die sich über lange Zeit hinweg quälten und für die der Tod die Erlösung bedeutete. Und es gab diejenigen, die mitten aus dem Nichts aus dem Leben gerissen wurden, dabei eine klaffende Lücke hinterließen, auf die sich niemand vorbereiten konnte.
Ganz selten, so wie in Isamus Fall, wurde es eine Mischung aus beidem. Als wäre es erst gestern gewesen, erinnerte ich mich an den plötzlichen Anruf des Krankenhauses. Ich hatte gerade in einer Vorlesung gesessen und den Unmut diverser Kommilitonen auf mich gezogen, als ich abrupt aufgesprungen und gegangen war.
Vor Ort war mein Bruder bereits auf die Intensivstation verlegt worden, schwer verwundet, aber immerhin lebend. Drei Tage des Hoffens und Bangens, deren Misserfolg bis heute meine Meinung über die Gnade von Göttern stark beeinflusste. Gevatter Tod hatte ihn trotz all der Opfergaben zu sich geholt.
Die kleine Flamme des Grablichts flackerte und tänzelte am Kerzendocht herum, als wollte Isamu mir ein Zeichen seiner Anweseheit geben. Egal, wo ich mich befand oder was der Tag brachte, er sah mir stets zu. Dieser Gedanke, wenn auch abwegig, zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Mir gefiel die Vorstellung, dass er auf Schritt und Tritt überwachte, was ich auf Erden tat.
Dabei handelte es sich um nicht gerade wenige Aktivitäten. Kurz vor seinem Tod hatte ich ihm ein Versprechen gegeben: Ich würde das Leben im Schatten nicht mehr länger hinnehmen. Fremde Leute bestimmten nicht länger über meinen Wert als Person urteilten. Inzwischen urteilte ich darüber, wer als wertvoll galt und wer nicht.
Im Zuge dieses Versprechens hatte ich Block King Kong gegründet. Heute war von den Gründungsmitgliedern, abgesehen von mir selbst, nur noch meine beste Freundin Hidemi übrig. Zwei andere ruhten in Frieden, der Dritte ging seinen eigenen Weg. Dafür hatte ich im Laufe der Jahre neue Mitstreiter um mich gesammelt, was mich just daran erinnerte, dass diese in unserem Hauptquartier auf mich warteten.
Das heutige Datum markierte nicht nur Isamus zehnten Todestag, sondern auch das zehnjährige Jubiläum von Block King Kong. Leben und Tod gingen Hand in Hand, die Fäden des Schicksals unverwüstlich miteinander verwoben.
„Tut mir leid, Mu-chan. Ich habe heute nicht viel Zeit. Die anderen warten schon auf mich“, sagte ich entschuldigend. Der Efeu raschelte im Wind und ich nahm es als Zeichen der Akzeptanz an. Isamu verstand mich. Er hatte es immer getan. Er war eben der beste große Bruder!
Ein letztes Mal streckte ich die Hand aus und strich zärtlich über die grünen Blätter. Anschließend drehte ich mich um und ging. Ein paar Plätze weiter kniete eine ältere Dame vor einem Grab und weinte. Es mochte abartig klingen, aber irgendwie beneidete ich sie. Ihre Tränen wirkten so echt. Warum, das wusste ich selbst nicht, aber meine verkniff ich mir unter Anstrengung. Mein Bruder sollte nicht denken, ich hätte kein schönes Leben.
Das eiserne Tor schlug hinter mir zu, als ich den Friedhof verließ und hinaus auf die Straße trat, mich in die Richtung begab, in der ich das Auto geparkt hatte. Ich hasste Musutafu, diese elende, verfluchte Stadt mit ihrer noch verfluchteren Oberschule, an der sie Helden ausbildeten.
Ich besaß meine ganz eigenen Vorstellungen darüber, wann man ein Held war und wann nicht. Vermutlich lag es daran, dass ich Isamu wegen eines sogenannten Helden verloren hatte. Darin lag auch das schwierige Verhältnis zu meinen Eltern begründet, die meine Einstellung keineswegs teilten und, im Falle meiner Mutter, sogar noch mit Helden zusammenarbeiteten.
Der dunkelblaue Toyota Corolla kam in Sichtweite. Eigentlich fuhr ich einen schwarzen Daihatsu Sirion, der sich derzeit aber wegen Reparaturarbeiten in der Werkstatt befand. Mein Kumpel Daisuke war glücklicherweise so nett gewesen, mir seinen Wagen zu leihen. Im Gegensatz zu mir, die an fünf Tagen die Woche halbwegs pünktlich zur Tōdai-Universität gelangen musste, konnte er seine Arbeitsstätte bequem zu Fuß erreichen.
Im Innenraum des Autos roch es nach einer Mischung aus Daisukes Deodorant und Zigaretten, obwohl ich den Aschenbecher gleich nach der Übernahme des Fahrzeugs geleert hatte. Der Motor sprang mit einem lauten Rattern an, als ich ihn startete.
Unser Hauptquartier lag in Asahi, einem Bezirk der Stadt Yokohama in der Präfektur Kanagawa. Hier gab es viele Hotels und eine gute Verbindung zum zoologischen Garten, weshalb es vor Touristen nur so wimmelte. Demnach konnte man recht leicht in der Masse untertauchen. Außerdem zahlte man hier im Gegensatz zu Tokyo nicht so surreal hohe Mieten.
Letzteres kam jedoch eher einer Ausrede gleich. Eigentlich wohnten nur Daisuke und Hidemi wirklich in Asahi. Der Rest von uns lebte an anderen Orten, womit sich unsere Spuren noch schwieriger zurückverfolgen ließen. Nicht, dass ich mir darüber ernsthaft Sorgen machte. Mir war noch nie ein Fehler unterlaufen, der unsere Aktivität in der Szene verraten hätte.
Ich lenkte das Auto auf die Hauptstraße in Musutafu und schaltete das Radio ein. Es lief ein uralter Hit, den ich Ewigkeiten lang nicht mehr gehört hatte. Er beförderte mich geradewegs zurück auf die Tanzfläche meiner damaligen Stammdiskothek. Heute fragte ich mich, wie ich das als Jugendliche überlebt hatte. Allein der Gedanke an ausufernde Festivitäten ließ mich innerlich bibbern.
Apropos Party, ich hoffte, die übrigen Mitglieder von Block King Kong nahmen meine Warnung ernst und hielten die Füße still. Wenn sie im Versteck mit einer Jubiläumsfeier inklusive Luftschlangen und Konfetti aufwarteten, würde ich sie alle eigenhändig einen Kopf kürzer machen.
Die Fahrt nach Asahi verlief dank des Feierabendverkehrs schleppend. Mir graute es jetzt schon vor der Heimfahrt nach Tokyo. Vielleicht würde ich mir das sparen und heute im Hauptquartier übernachten. Ein Mitstreiter mit einer Teleport-Fähigkeit wäre wirklich praktisch! Die ständige Fahrerei zwischen Yokohama und Tokyo zehrte an den Nerven, von Abstechern an andere Orte ganz zu schweigen.
Nach etwa einer Stunde kam ich endlich an und parkte das Auto einen Block weiter. Das Hauptquartier befand sich inmitten eines belebten Viertels und lag verborgen in einem kleinen Haus.
Im Erdgeschoss gab es eine Ramen-Bar, mit der wir nichts zu tun hatten außer der Tatsache, dass wir dort häufig als Gäste einkehrten. Die Wohnung im ersten Stock war von Hidemi angemietet, die im zweiten und letzten Stockwerk von Daisuke. In Wahrheit lebten die beiden jedoch größtenteils zusammen im ersten Stock und Daisuke ging nur zum Schlafen nach oben, damit wir unter dem Dach Gäste unterbringen oder uns in Ruhe zusammensetzen konnten.
Laute Stimmen sowie ein köstlicher Duft drangen aus der Ramen-Bar, waberten im Treppenhaus umher. Ich stieg die Stufen in den zweiten Stock hinauf und zog den Schlüssel aus der Tasche. Erst im Flur entledigte ich mich meiner Schuhe.
Stille empfing mich und zunächst fürchtete ich, dass meine Kameraden das für heute angesetzte Treffen vergessen hatten. Doch dann hörte ich glücklicherweise Stimmen aus dem hinteren Zimmer der kleinen Dachgeschosswohnung und bemerkte die Schuhe, die alle ausnahmsweise einmal ins Regal gestellt hatten.
Das vordere Zimmer wurde als eine Art Wohn- und Schlafzimmer zugleich genutzt, ausgestattet mit einer großen ausziehbaren Couch und allem, was man für ein paar Tage Auszeit brauchte. Jeder von uns lagerte hier Ersatzkleidung und andere Dinge, beispielsweise eine Zahnbürste.
Ich näherte mich dem hinteren Zimmer, wo unsere Besprechungen abgehalten wurden. Jemand lachte, aber alle Stimmen verstummten schlagartig, als ich eintrat. Mir wurde klar, wie viel Zeit ich im Feierabendverkehr verloren hatte, als ich missmutig feststellte, dass ich als Letzte in der Runde ankam. Eine ziemlich schlechte Leistung für den Boss.
Das Fenster zum Hinterhof stand offen und Sawashiro Daisuke lehnte am Rahmen, rauchte eine Zigarette. Er trug die dunkelbraunen Haare kürzer als bei unserem letzten Treffen und er wirkte, als hätte er etwas zugenommen.
Fukurai Hidemi saß in dem zerknautschten Ledersessel vor dem Fenster, den Mund im üblichen Tomatenrot angemalt. Auf ihrem Schoß lag ein linierter Collegeblock und in der rechten Hand hielt sie eine Tüte Chips mit Teriyaki-Geschmack.
Auf dem Sofa bemerkte ich zunächst Aorikawa Naeko, die ziemlich gestresst aussah. Vermutlich kam sie direkt von ihrer Schicht im Wettbüro und wegen des Niveaus ihrer Kundschaft lagen ihre Nerven blank.
Schließlich blieb nur noch Toyama Tanaka übrig, die Jüngste in unserer Runde, die von der deutlich größeren Naeko halb verdeckt wurde. Sie grinste mir breit zu, was mich die Geste automatisch erwidern ließ. Einst war ich Tanakas Mentorin an der Universität gewesen, bevor sie vor zwei Jahren das Fach gewechselt hatte.
„Du bist spät, Boss“, bemerkte Daisuke stirnrunzelnd, drückte den Zigarettenstummel im Aschenbecher aus und schloss das Fenster. „Ist etwas passiert?“
„Nein. Auf den Straßen ist nur viel los. Ich war noch auf dem Friedhof in Musutafu“, antwortete ich wahrheitsgetreu, zog die Jacke aus und setzte mich auf meinen Stammplatz in den freien Sessel am kurzen Ende des Tisches.
Sie alle kannten Isamus Geschichte und demzufolge fragte niemand nach. Stattdessen sahen sie mich erwartungsvoll an. Einen Augenblick lang starrte ich schweigend in die Runde. Bei diesen vier Personen handelte es sich um meinen inneren Kreis. Auf ihnen baute Block King Kong auf. Unser Informationsnetzwerk bestand aus viel mehr Leuten, denen ich jedoch nicht vertraute. Vor allem deshalb nicht, weil sie nicht wie wir dachten.
Bei Tanaka, Daisuke, Hidemi und Naeko handelte es sich um Normalos. Menschen ohne Spezialität, ohne übernatürliche Fähigkeiten. Sie gehörten zu den zwanzig Prozent der Weltbevölkerung, die nicht von diesem Phänomen profitierten, welches das tägliche Leben fest im Griff hielt.
Normalos wurden wie Dreck behandelt. Wie Abschaum! Die gesegneten achtzig Prozent bemitleideten oder bespuckten Leute wie uns. Ich erinnerte mich zu genau daran, wie es meinem Bruder in der Schule ergangen war.
Genau das lieferte den Grund, weshalb mein Leben von Block King Kong dominiert wurde. Diese in höchstem Maße diskriminierende Unterteilung musste aufhören. Insbesondere aber musste jemand gegen die sogenannten Helden aufstehen, hinter deren Fassade sich in Wahrheit egoistische Schmarotzer verbargen.
Zugegeben, in einer Sache unterschied ich mich von meinen vier Mitstreitern auf entscheidende Art und Weise. Wenn man es genau nahm, so besaß ich eine Spezialität. Eine, welche die seltsame Eigenschaft hatte, mich immun gegen Spezialitäten zu machen, insofern ich mit diesen direkt angegriffen wurde. Aus einem mir unerfindlichen Grund wirkten sie dann bei mir einfach nicht.
Natürlich hatte es Jahre gedauert, bis das herausgekommen war. Jahre, die mich in Erinnerung an die Schikane von damals und die beleidigenden Normalo-Sprüche noch heute schaudern ließen.
Diese Immunität klang toll, entpuppte sich für meine Mission und das Ziel von Block King Kong aber als völlig unbrauchbar. Ich musste trotzdem mit eigenen Händen kämpfen, was mir mehr oder weniger gut gelang. Das traf genauso auf meine Kameraden zu, weshalb sie zwischen ihnen und mir keinen Unterschied machten. In unser aller Augen war ich genauso ein Normalo wie sie.
Darin lag sogar unsere Stärke. Niemand erwartete auch nur ansatzweise Widerstand gegen das System von einer Gruppe Normalos. Abgesehen davon, bedienten wir unsere Rollen einfach zu gut. Wir führten alle ein ganz durchschnittliches Leben, das wir mehr oder weniger im Licht glänzen ließen. Was im Schatten tatsächlich geschah, davon konnte niemand erzählen. Wir verwischten unsere Spuren gut.
„Weil wir uns länger nicht gesehen haben, will ich mit einer Runde starten. Jeder erzählt, was es für Neuigkeiten gibt“, sagte ich und sah Naeko an, um ihr zu bedeuten, dass sie beginnen sollte.
„Es gibt keine Neuigkeiten“, seufzte sie und schlug die Beine übereinander. „Der Kerl, den ich aushorchen sollte, habe ich seit dem letzten Treffen nur ein Mal gesehen. Da war er in Begleitung eines ziemlich betrunkenen Kumpels und nach einer halben Stunde hat unser Türsteher die beiden rausgeschmissen. Seither ist er nicht wiedergekommen.“
Ich nickte und blickte zu Tanaka. Sie grinste immer noch breit und verkündete: „Ich habe letzte Woche die Bekanntschaft eines jungen Mannes gemacht. Er hat sich sehr geheimniskrämerisch verhalten, aber ich denke, da ist was zu holen. Ich bleibe dran!“
Durch die Tatsache, dass Tanaka noch an der Tōdai studierte, kam sie enorm schnell mit allerlei Leuten in Kontakt. Auch verstand sie sich durch ihr Psychologiestudium inzwischen darauf, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wenn sie sagte, dass der Kerl Potenzial besaß, musste das was heißen.
„In Ordnung. Bleib an ihm dran!“, stimmte ich zu, wandte das Gesicht nach links und sah zu Daisuke.
Er lachte knapp auf, blickte aber nicht besonders glücklich drein. Dies erklärte sich, als er berichtete: „Ich fürchte, Collide hat mal seinen stinkenden Anzug gewaschen und der Sensor hat das nicht überlebt. Sein Bewegungsprofil ist fast vollständig, aber seit drei Tagen habe ich keine Daten mehr übermittelt bekommen.“
Collide war ein professioneller Held, neuerdings nicht mehr aktiv in Ōsaka, sondern angestellt bei einer Agentur in Kamino, etwa zwanzig Autominuten entfernt von uns. Er stand als nächstes Ziel auf unserer Liste, weshalb ich Daisuke, unseren Profi in Sachen Überwachungstechnik, auf ihn angesetzt hatte.
„Reichen die Daten, um das konkrete Vorgehen zu planen?“, wollte ich wissen. Bisher hatte ich Anschläge immer gemeinsam mit Daisuke geplant und das äußerst erfolgreich. Wenn ihm die Daten reichten, taten sie das auch für mich.
„Ich denke schon“, entgegnete er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Bis wann soll ich sie auswerten?“
Das wiederum hing davon ab, wie weit Hidemi mit ihren Nachforschungen gekommen war, weshalb ich mich ihr zuwandte. „Hattest du Erfolg? Falls ja, müssen wir Collide hinten anstellen. Falls nein, kann Daisuke sich reinhängen, dann wäre unser momentaner Lieblingsheld Anfang nächster Woche unter der Erde.“
Tanaka kicherte, während Hidemi die roten Lippen schürzte. Selbstzufrieden legte sie die Chipstüte weg und schlug den Collegeblock auf. Sie las vor: „Hero Killer Stain, mit richtigem Namen Akaguro Chizome. Einunddreißig Jahre alt, geboren in Kamagaya, Präfektur Chiba. Gesuchter Serienmörder mit Fokus auf registrierten Helden, zuletzt gesehen vor fünf Tagen in Roppongi, Tokyo.“
Roppongi, das ist ja näher als erwartet, und die Sichtung ist nicht einmal eine Woche her. Sehr gut!, dachte ich zufrieden, nickte aus Gewohnheit und sagte ohne Zögern zu Daisuke: „Wir schieben Collide hinten an. Es ist wichtiger, Kontakt zu Stain aufzunehmen. Darum werde ich mich persönlich kümmern.“
„Hast du mal wieder die Datenbank angezapft?“, fragte Tanaka neugierig an Hidemi gerichtet.
Daisuke schloss sich dem an: „Sie hat recht! Ich dachte, du hast momentan keinen Zugriff mehr darauf, aber die Akte von Stain liegt sicher nicht für jedermann gut sichtbar herum.“
Meine bestens ausgestattete Informationseintreiberin lehnte sich grinsend im Sessel zurück. „Zufälligerweise waren mein Kollege und ich mit einem Fall betraut, der theoretisch zu Stain gepasst hätte. Also hatte ich einen offiziellen Grund, um über seinen Zugang in der Datenbank nachzuforschen.“
Hidemi arbeitete als Kriminalinspektorin bei der Polizei in Tokyo, wo es viele nach der Oberschule hin verschlug. Meistens handelte es sich um diejenigen ohne Eignung für eine Heldenkarriere, die aber ihren Traum von einem Leben im Licht nicht aufgeben konnten. So auch bei ihr.
Seit einer ganzen Weile besaß sie keinen Zugriff mehr auf die Datenbank der Schurken, was sie sich selbst auch nicht erklären konnte. Angeblich lag es daran, dass gerade das System umgestellt wurde. Wir beide favorisierten eine andere Theorie, die wir aber nicht beweisen konnten. Außerdem hinderte sie die Sperre nicht daran, Informationen zu bekommen, wenn sie diese brauchte.
Tanaka erwiderte noch etwas, aber ich hörte nicht richtig hin. Mir fiel auf, dass Naeko dem Geschehen stumm folgte. Nicht, dass ich mich darüber gewundert hätte. Mein Plan, Kontakt zu Stain aufzunehmen, erfreute sie ganz und gar nicht. Allerdings funktionierte Block King Kong in vielen Dingen demokratisch, weshalb sie in den sauren Apfel beißen musste. Überstimmt war nun mal überstimmt.
Wir hatten lange gebraucht, um eine konkrete Spur zu ihm ausfindig zu machen. Stain besaß das nervige Talent, überall untertauchen zu können und plötzlich am anderen Ende Japans wieder in Erscheinung zu treten. Dass er sich ausnahmsweise mal in der Nähe befand, war wohl ein Zeichen des Schicksals. Vielleicht sollte ich ihn endlich treffen. Unsere Fäden wirkten noch verwobener als ursprünglich angenommen.
„Gut“, sagte ich laut und beendete somit das Gespräch von Tanaka, Hidemi und Daisuke. „Ich werde dann morgen nach der Arbeit direkt nach Roppongi fahren und versuchen, ihn ausfindig zu machen.“
„Nimm Daisuke mit!“, schlug Hidemi vor. „Du solltest nicht abends alleine in diesem Stadtviertel herumlaufen, Mika.“
„Ich bin eine erwachsene Frau“, erwiderte ich. „Ich weiß mich schon zu wehren.“
„Genau genommen kann sie sich alleine besser wehren, als wenn ich dabei bin“, murrte Daisuke trocken und zündete eine neue Zigarette an. „Aber wenn du mich dabei haben willst, komme ich natürlich trotzdem gerne mit, Boss.“
Bei dem Gedanken daran, alibihalber Hand in Hand mit meinem Kumpel durch Roppongi zu laufen, musste ich grinsen. Eigentlich war es kein übler Vorschlag. Nicht, weil ich ihn zwecks Verteidigung brauchte, sondern weil er dann Schmiere stehen konnte, sollte ich Stain tatsächlich im ersten Anlauf finden.
„Ich denke darüber nach“, verschob ich die Entscheidung. „Also halten wir fest: Collide steht so lange hinten an, bis ich es geschafft habe, Stain zu kontaktieren. Sollte es mir nicht gelingen, machen wir weiter wie bisher.“
Keine Einwände ertönten.
„Naeko, dein Auftrag bleibt derselbe. Tanaka, du weißt, was du zu tun hast! Daisuke, wenn dir langweilig ist, kannst du schon mal das Bewegungsprofil auswerten. Und Hidemi?“
Aufmerksam sah sie mich an, bereit, neue Anweisungen entgegenzunehmen. Ich dachte an den Zeitungsartikel zurück, den ich am Morgen gelesen hatte, und zog das zusammengefaltete Papier aus meiner Hosentasche, um es ihr zu übergeben.
„Auf die Heldendatenbank hast du ja uneingeschränkten Zugriff, nicht wahr?“, hakte ich nach. „Ich möchte, dass du mir Informationen über diesen Kerl einholst.“
Hidemi klappte die Seite der Tokyoer Morgenpost auseinander, überflog die Schlagzeile und das darunter platzierte Foto. Ihre Mundwinkel zuckten amüsiert. „Nichts leichter als das!“
Damit hatte ich alle Aufgaben verteilt und abgeklärt. Das Datum für das nächste Treffen gab ich immer spontan kund, so war es nicht so einfach, entdeckt zu werden. Sowieso nahmen die Wirtsleute der Ramen-Bar an, dass es sich bei Tanaka, Naeko und mir um enge Freunde von Hidemi oder Daisuke handelte.
Apropos Ramen-Bar, wie aufs Stichwort knurrte mein Magen. Ich lächelte meine Mitstreiter an, zum ersten Mal an diesem Tag richtig, und schlug vor: „Ich habe Hunger. Wisst ihr was? Heute ist unser zehnjähriges Jubiläum. Lasst uns runter gehen und Ramen essen! Ich zahle!“
~~*~~*~~
Preview: Mika und Daisuke sind auf der Suche nach Stain. Wird der Feierabendverkehr in Tokyo ihnen einen Strich durch die Rechnung machen? Können sie den Hero Killer finden? Was für ein Geheimnis hütet Mika im Keller ihres Hauses? Das alles erfahrt ihr in Kapitel 2: Roppongi bei Nacht. Bis dahin – Plus Ultra! ;D
~~*~~*~~
Ein herzliches Hallo von meiner Seite! :-)
Willkommen bei meinem neuen Textmonster. Das meine ich wirklich so! Diese Story habe ich wie immer bereits fertig geschrieben. Euch erwarten 28 Kapitel und ein kleinerer Epilog; insgesamt über 100.000 Wörter.
Aus dem ersten Kapitel ist schon ersichtlich, dass Ich-Erzählerin Mika eine erwachsene Frau ist. Unsere 1-A Nachwuchshelden werden in dieser Geschichte also nur am Rande vorkommen mit Ausnahme von Tenya, denn die Familie Iida spielt eine tragende Rolle.
Mal ganz ehrlich – im Canon wurde Tensei von Stain einfach für den Rest seines Lebens in den Rollstuhl verfrachtet, aber abseits des Hero Killer Arcs spielt das kaum mehr eine Rolle. Wenn das keine Vorlage für eine Fanfiction gibt, weiß ich auch nicht ...
Vielleicht ist dir zu Beginn aufgefallen, dass die Kurzbeschreibung mit einem Hashtag versehen ist. Doch was bedeutet #SavingHeroes eigentlich?
Bei #SavingHeroes handelt es sich um ein im Februar 2020 gegründetes kleines Gemeinschaftsprojekt, das zum Ziel hat, die Themen- und Charaktervielfalt im My Hero Academia-Fandom zu fördern. Meine Mitschreiber*Innen findest du auf meinem Profil bei den Favoriten. Dort ist auch eine stetig aktuell gehaltene Liste mit den Beiträgen zu #SavingHeroes. Ebenfalls haben wir eine Website, wo du dich genauer informieren kannst. Wenn Fragen offen bleiben, kannst du mir auch jederzeit eine PN schreiben :-)
Bist du bereit für eine Story mit einem Pairing, das ich auf dieser Seite noch nicht gesehen habe? Bist du bereit, Mika auf ihrer Reise zu begleiten und mit ihr zu erleben, wie es ist, wenn man für alles die Verantwortung trägt? Was hat es mit dem Namen Block King Kong auf sich? Wer wird Mikas Leben drastisch verändern? Gibt es ein Licht der Hoffnung am Ende des Tunnels?
Ich freue mich auf dich!
Jadina