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Heldtenhafte Weihnachten

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Familie / P6 / Gen
Ellen Bannenberg Emily Bannenberg Nikolas Heldt Prof. Dr. Hannah Holle
24.12.2020
10.01.2021
7
19.419
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24.12.2020 3.069
 
Achmed

Mein Telefon klingelt laut in meiner Hosentasche und ich stelle das Tablett, mit dem ich gerade noch Gläser durch die Gegend getragen habe, schnell auf dem Tresen ab, bevor ich das Gerät aus meiner Tasche ziehe. Ein Blick auf das Display verrät mir den Anrufer. „Hey Nikolas! Was gibt's?“ begrüße ich meinen Freund.
„Achmed, hey, ich wollt nur sicher gehen, hat das geklappt? Also mit der Kette mein ich! Konntest du die inzwischen abholen? Immerhin ist schon Heiligabend!“
„Alter, Nikolas, ich hab doch gesagt, ich kümmere mich! Aber ja, ich hab sie gestern Abend bekommen. Ich bring sie dir nachher mit dem Kocher zusammen, oke?“
„Oke, danke Mann, du hast was gut bei mir!“ tönt es mir ungewohnt gedämpft entgegen.
Nikolas auf geheimer Mission scheint mir!
„A propos, wenn du den Glühweinkocher nachher bringst, kann dann auch direkt Emily bei dir mitfahren? Ellen hat mir noch ne riesige Liste mit Aufgaben aufgebrummt bevor wir hier loslegen können und ich würd es sonst nicht rechtzeitig schaffen bis ihre Schicht endet.“
Ich muss grinsen - Ellen hat Nikolas wirklich gut im Griff! Aber er ist mit ihr so glücklich wie noch nie, da passt das bestimmt für die beiden gut, so wie es ist.
„Oke, ja klar, sie ist ja eh hier. Wir müssen noch kurz warten, bis Carlotta in ner halben Stunde abschließt, aber dann fahren wir los, okay? Wir wollen danach direkt weiter zum Großmarkt, Carlotta braucht noch Zutaten für das Weihnachtsmenü morgen.“
„Oke super - ...“ Nikolas stockt am anderen Ende kurz, redet dann aber weiter „Dann bis gleich, ciao!“ Und ohne auf eine Erwiderung meinerseits zu warten, hat er aufgelegt.
Ich starre kurz verwirrt auf das Telefon in meiner Hand, bevor ich es kopfschüttelnd zurück in meine Tasche stecke, das Tablett nehme und die leeren Gläser in die Spülmaschine räume. Nikolas halt!

Ellen

Ich stecke den Kopf nach draußen, um nachzusehen, wo Nikolas so lange bleibt. Ein Blick zur Seite reicht aus und ich entdecke meinen coolen Kommissar.
Er steht lässig an die violette Wand im Flur vor meinem Büro gelehnt und ist gerade dabei, sein Handy in der Hosentasche verschwinden zu lassen.

"Da bist du ja!" Ich spiele mit meinen Haaren, während ich einen Schritt auf ihn zu mache. Zur Feier des Tages trage ich sie in offenen Locken. Auch Nikolas hat sich anlässlich unserer team-internen Weihnachtsfeier mit dunklem Hemd und schwarzer Hose  in Schale geschmissen. Oder vielleicht auch nur für mich, denn er sieht verboten gut darin aus, wie ich zum zweiten Mal an diesem Tag bemerke.
"Oh, hey Ellen." Er kratzt sich am Hinterkopf, ehe er einen Arm direkt neben mir am Türrahmen abstützt und den Kopf in meine Richtung dreht. "Hast du mich etwa schon vermisst?"
In Zeitlupe lehne ich mich ebenfalls an der Wand an. "Na sicher, ich brauche dich doch zum Möbel-Verrücken." Mein Blick wandert zu seiner Hosentasche. "Wer war denn dran?"
"Hm?" Sein Gesicht ist so nah an meinem, dass ich ihn jederzeit küssen könnte. Aber dafür ist jetzt echt keine Zeit, denn eigentlich sind wir im Vorbereitungsstress.
"Am Handy?" Ich entziehe mich der Versuchung wieder, bleibe mitten im Gang stehen.
"Achso das, das war nur Achmed!" Sichtlich nervös spielt er an seinem Ehering herum.

Schon über ein Jahr ist es her, dass er mir meinen Verlobungsring in einem Bonbonpapier überreicht hat. Und seit einem halben Jahr darf ich ihn ganz offiziell meinen Ehemann nennen! Wie die Zeit rennt!

Und da besagte Zeit auch jetzt nicht stehen bleibt, muss ich Nikolas schleunigst wieder in mein Büro bugsieren, damit wir rechtzeitig, bevor alle anderen hier eintreffen, für genug weihnachtliche Stimmung sorgen können.
"Soso, geheime Telefonate in der Dienstzeit, von denen deine Chefin nichts mitkriegen soll?"
"Hm?" Er überwindet die gerade von mir geschaffene Distanz erneut, legt seine Hände an meine Taille und klärt mich über den Grund seines Telefonates auf: "Ach Quatsch, ich hab Achmed nur gefragt, ob er, wenn er den Glühwein-Kocher gleich vorbei bringt, auch Emy mitnimmt, dann muss sie nicht allein zu Hause rumsitzen und auf uns warten."
"Süß, dass du an unsere Tochter gedacht hast." Ich liebe es, immer wieder aufs Neue zu sehen, was für ein tolles Verhältnis Nikolas zu Emily hat. Lächelnd lasse ich meinen Kopf für wenige Sekunden an seiner Schulter ruhen, ehe ich mich aufraffe.
"Aber das hättest du doch auch drinnen in meinem Büro klären können. A propos Büro, ich hab da noch ne Aufgabe für dich, mein Heldt!"

Nikolas

Draußen ist es so kalt, dass ich inzwischen meine Lederjacke liebend gern im Schrank lasse und den Mantel inklusive dickem Schal bevorzuge. Dennoch stehe ich gerade in Ellens Büro und schwitze wie im Hochsommer. Was leider ausnahmsweise nicht der Attraktivität meiner neben mir stehenden Frau geschuldet ist, sondern dem Fakt, dass sie mich unentwegt durch ihr Büro scheucht und immer neue Ideen hat, was noch alles verändert, verschoben, umgeräumt oder weihnachtlich dekoriert werden muss, bevor unser Team sich gleich zu unserer alljährlichen kleinen Weihnachtsfeier hier treffen möchte.

Eigentlich finde ich ja, dass Ellens Büro immer aufgeräumt und repräsentativ genug ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir gleich nur eine Runde Glühwein trinken, Plätzchen essen und ein paar Bilder des vergangenen Jahres angucken wollen. Aber es ist, wie es immer ist mit Ellen – ich kann ihr fast keinen Wunsch abschlagen.

Also räume ich die Vase vom Sideboard an der Wand, nehme den Adventskranz wie befohlen mit zum Besprechungstisch, stelle ihn darauf ab, trage die Teller, die ich vorhin schon mitgebracht habe, vom Besprechungstisch zu ihrem Schreibtisch, den sie dann großzügiger weise doch selbst freigeräumt hat, organisiere weitere Stühle aus dem Besprechungsraum der Staatsanwaltschaft am Ende des Flurs, bis ich im Anschluss ein wenig schwerer atmend vor ihr stehen bleibe und ihr abwartend ins Gesicht schaue: „Okay. Ist das jetzt gut so? Oder soll die Vase doch noch mal zurück? Oder auf das Regal? Oder auf das Sideboard hier vorne? Denk dran – wir hatten alle Varianten heute schon einmal!“ füge ich mit einem leichten Augenzwinkern an.
Ellen ist heute tatsächlich ungewohnt unruhig und unentschlossen. Überhaupt war sie das auch schon die letzten Tage. Aber gut, wie immer hatten wir in den Wochen vor Weihnachten noch einmal ordentlich zu tun. Daran wird es wohl gelegen haben!

Aber Gott sei Dank haben wir beide die nächsten zwei Wochen Urlaub, wir wollen mit Emmi zusammen in die Berge nach Weihnachten, da kann Ellen sich dann hoffentlich gut erholen.
Ein wohliges Gefühl durchfließt mich, als ich daran denken muss, wie Ellen Emily eben betitelt hat „unsere Tochter“. Das fühlt sich schön an! Und so richtig. Denn letzten Endes bin ich für sie inzwischen genauso eine wichtige Bezugsperson wie Ellen. Wir leben zusammen, wir haben Spaß zusammen und gelegentlich streiten wir auch zusammen. Wie man das in einer Familie eben so macht. Und ich brauche weder eine biologische noch eine gesetzliche Grundlage, um Emily als meine Tochter zu betrachten.
Umso schöner, wenn Ellen auch so zu fühlen scheint!

Genau diese zieht meine Aufmerksamkeit nun wieder auf sich, nachdem sie noch drei Mal ihren Blick durch ihr Büro hat schweifen lassen. „Nein, ich glaube, das ist gut so. Ich danke dir!“ Mit einem warmen Lächeln auf dem Gesicht dreht sie sich zu mir und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, ziehe sie kurz an den Hüften zu mir und gebe ihr einen Kuss, ehe ich erwidere: „Sei froh, du bist die Einzige, deren Büro ich auch zehn Mal umräumen würde, ohne zu murren...“
„Ohne zu murren, aha!“ Ellen lacht laut auf. Ich muss auch grinsen.
Oke, so ganz ohne zu meckern hab ich es wirklich nicht geschafft. Aber trotzdem! Ich verkneife mir einen weiteren Kommentar in diese Richtung, sondern komme zu dem zurück, was noch fehlt: „Ich hole noch schnell Tassen und Punsch aus der Küche, auf dem Weg gebe ich Mario und Herrn Grün Bescheid, dass sie mit dem Wein und der Technik so langsam anrücken können, okay?“
„Okay, mach das. Ich suche währenddessen die passende Musikliste aus.“ schließt Ellen mit einem Lächeln.

Ich laufe die Treppe ins Erdgeschoss hinab und stutze, als ich meinen Chef nervös vor der Eingangstür auf und ab laufen sehe. „Äh... Herr Grün? Also... wenn sie so weiweitert wären, wir haben oben alles vorbereitet, dann könnten sie so langsam mit dem Wein hoch gehen, Achmed kommt gleich mit dem Glühweinkocher vorbei.“ beginne ich das Gespräch.
Mit einem recht peinlich berührt wirkenden Gesichtsausdruck druckst Herr Grün entgegen seiner Gewohnheit: „Nun, zugegeben, es ist mir rechtschaffen unangenehm, wenn nicht sogar geradezu peinlich, aber ich habe mit Bedauern feststellen müssen, dass ich es tatsächlich vergessen haben muss, die Kiste mit den Weinflaschen, die meine Frau die Tage extra noch von unserem Haus- und Hoflieferanten hat ergattern können, in meinen Wagen zu räumen.“
Wild gestikulierend fuchtelt mein Chef mit beiden Händen vor meinen Augen herum, um das Umpacken der Flaschen vom einen in den anderen Kofferraum zu demonstrieren.
Dumm, dass er diesen Handgriff gestern vergessen hat.
„Dieser Fauxpas ist mir leider erst vor wenigen Minuten aufgefallen, ich habe meine Frau bereits angerufen und sie befindet sich derzeit auf dem Weg hierher, aber aufgrund der aktuellen Wetterlage wird es wohl noch einen Moment dauern, bis sie ankommt. Ich bin untröstlich, aber ich werde der Frau Staatsanwältin am besten selbst Bescheid geben, dass sich unser Glühweinumtrunk ein wenig verzögern wird.“ spricht er und rauscht von dannen, bevor ich überhaupt noch ergänzen kann, dass das jetzt echt kein Weltuntergang ist.

Dennoch halbwegs darüber belustigt, dass mein sonst so überkorrekter Chef auch mal etwas vergisst, begebe ich mich in Richtung meines Büros. „Mario, bist du soweit?“ begrüße ich meinen Lieblingskollegen. „Ellen und ich haben alles vorbereitet, fehlen nur noch deine Technik und deine Kekse – es sei denn, du hast sie genauso vergessen wie Grün den Wein!“
„Was meinst du Nikolas? Der Chef vergisst doch nie was?“ kommt es verwundert von meinem Gegenüber.
„Äh doch, gerade hat er es zugegeben. Wenn du dich beeilst und schnell hoch gehst, kannst du dich vielleicht auch noch selbst davon überzeugen, wie peinlich ihm das ist. Ehrlich gesagt ist das schon ein sehr witziger Beginn unseres diesjährigen Weihnachtstreffens!“ bringe ich grinsend hervor, was mir ein erheitertes Kichern von Mario einbringt.

Er packt seinen Laptop, den Beamer und eine große Kiste, die genug Essen nach meinem Geschmack verspricht. Ich schließe unsere Bürotür hinter uns und während Korthi schon in Richtung Treppe davoneilt, mache ich auf den Weg in die Teeküche, um die versprochenen Tassen und die große Thermoskanne, die ich bereits vorhin mit dem heißen alkoholfreien Punsch befüllt habe, mit nach oben zu nehmen.

Hannah

Das Licht flackert jetzt schon zum vierundzwanzigsten Mal, seit ich heute morgen hier unten zu arbeiten begonnen habe. Heute ist nichts Besonderes angefallen außer liegen gebliebenem Papierkram, die Katalogisierung der Asservate betreffend. Es ist jedes Jahr dasselbe. Wenn die Verjährungsfristen am 31. Dezember auslaufen und sich zwischen den Feiertagen niemand von den Kollegen damit befassen will, bleibt es an mir hängen. Dabei hätte ich heute wirklich besseres zu tun. Alle Viere gerade sein lassen nach einem Jahr voller obskurer Tatorte, absurder Tatwaffen und verrückter Täter.
Beispielsweise, mich schon mal schick machen für heute Abend, wenn Arthur und ich auf diese Kostümparty gehen, die diejenigen unter uns besuchen, welche von christlichen Festivitäten wenig halten. Ich könnte mir vieles vorstellen, das im Moment spannender wäre, als kleine Haken ans Ende jeder Zeile einer Excel-Tabelle zu setzen. Aber einer muss es ja machen und bevor ich Linda kurz vor ihrem Urlaub mit dieser Sisyphusarbeit bestrafe, mache ich es lieber selbst.

Dafür darf sie sich mit Heldt und Grün um die Getränke für später kümmern, denn wie jedes Jahr steuert die KTU wieder selbstgebrannten Schnaps bei.
Während ich mich weiter durch die grauen Spalten des Katalogs schlage, flackert das Licht ein fünfundzwanzigstes Mal. Und mein Handy klingelt. Ein kurzer Blick und ich weiß, dass es endlich an der Zeit ist, meine Katakomben zu verlassen und zurück ans Tageslicht zu kehren.

Lächelnd nehme ich den Anruf entgegen.
"Hallo Arthur!"
Ich laufe während unseres Telefonats auf und ab und schaffe etwas Ordnung in meinem Labor, um meine Hände zu beschäftigen.
"Ich kann es auch kaum erwarten, dich in diesem umwerfenden Kostüm zu sehen!", raune ich voller Vorfreude in mein Smartphone. Selbst nach fünf Jahren schafft es dieser Mann immer noch, mich nervös zu machen. "Ja, ich bin gleich fertig hier, aber es kann noch ein bisschen dauern. Das Team trifft sich gleich noch in Frau Bannenbergs Büro, unser alljährlicher Jahresrückblick."

Die Erinnerung an das letzte Weihnachtsfest lässt mich herzhaft lachen. Es war durchaus amüsant, unser geheimes Traumpaar das erste Mal im Büro als eben dieses zu erleben. Kurz zuvor hatte unser Heldt seiner Ellen zu unser aller Überraschung den Antrag gemacht und seitdem stehen die beiden endlich auch öffentlich zueinander. Aber ich habe es ja schon immer gewusst. Genauer gesagt von dem Augenblick an, als die beiden in meinem alten Labor - nach Heldts heldenhafter Undercoveraktion bei einer dieser Endlich-Frei-Partys - gar nicht mehr aufhören konnten, sich gegenseitig in die Augen zu starren. Von da an war es ein beschwerlicher Weg, der unseren Kommissar und unsere Staatsanwältin dorthin geführt hat, wo sie heute sind.

"Jaja, ich weiß! Ich dich auch schon!", möchte ich mich gerade von Arthur verabschieden, denn ein Blick auf die Wanduhr verrät mir, dass unsere diesjährige Weihnachtsfeier bald losgeht. Doch Arthur springt heute über seinen Schatten und unterbreitet mir einen ungewöhnlichen Vorschlag.
"Was hast du mit Arthur Brenner gemacht?", scherze ich. "Ich erkenne dich ja kaum wieder! Aber klar kannst du vorbeikommen, wenn dir der Trubel hier im Präsidium nicht zu viel ist." Er besteht tatsächlich darauf, sich noch ein wenig zu uns zu gesellen, bevor wir aufbrechen. "Gerne, bis später. Ich freu mich!"
Damit beende ich das Telefonat und schließe mein KTU-Labor das letzte Mal für dieses Jahr zu.
Oben angekommen werde ich beinahe von zwei sehr geschätzten Mitgliedern unseres Teams über den Haufen gerannt.
"Herr Korthals!"

Heldt erscheint hinter seinem Kollegen in meinem Blickfeld. Die beiden stoßen sich kameradschaftlich in die Seite und kichern übertrieben aufgedreht. "Die Drogen, die Sie genommen haben, bringen Sie mir bitte das nächste Mal, wenn wir uns sehen, auch mit!"
"Drogen? Ich bitte Sie Hannah, die gibt's doch eigentlich nur aus Ihrem Labor!", antwortet Heldt schlagfertig.
"Ja genau!", schiebt Korthals bemüht lustig hinterher. "Wie sieht's eigentlich aus, haben Sie den Weihnachtsschnaps schon fertig?"

"Damit hab ich Linda dieses Jahr betraut. Ist sie noch nicht bei Frau Bannenberg?"  Skeptisch blicke ich zu Heldt hinüber. "Ähm ne..." Er stößt Mario in die Seite, der dabei fast den ganzen sperrigen Technikkram, den er sich irgendwie unters Kinn geklemmt hat, fallen lässt. "Hast du Linda gesehen?"
Herr Korthals fängt sich im letzten Moment. "Mann Nikolas, pass doch auf. Nein, ich hab Linda heute noch nicht gesehen." Er wird ein kleines bisschen rot.
Amüsiert blicke ich in die Runde.
Nun läuft auch noch Grün seine spärlich vorhandenen Haare raufend den Gang entlang, an uns vorbei und die Treppe hinauf.

Heldt sieht ihm nach und sagt laut: "So wie das aussieht, kriegt das mit dem Alkohol heute niemand so wirklich auf die Reihe!"
"Wieso? Wer denn noch?", frage ich verdutzt.
Korthals, der mittlerweile ebenfalls die ersten Treppenstufen erklommen hat, dreht sich zu mir um und erhebt die Stimme. "Der Chef hat vergessen, den Glühwein in seinen Wagen umzupacken." Kichernd verschwindet er nach oben und lässt mich und Nikolas im Foyer des Präsidiums stehen.
Staunend ziehe ich meine Augenbraue nach oben. "Bitte? Herr Grün vergisst mal was?"

"Detlev Grün vergisst durchaus öfter etwas, als man erwarten könnte." Barbara Grün, in ein edles dunkelgrünes Samtkostüm, schwarze Strumpfhose, einen dunkelbrauen Wollmantel und schwarze Stiefelletten gekleidet, erscheint in der Eingangstür. Grüns Frau ist wahrlich eine elegante Erscheinung.

"Barbara, Sie schickt der Himmel!" Nikolas eilt zu ihr, um ihr den große Holzbehälter abzunehmen, in dem sich mutmaßlich die Lösung für unser Alkoholproblem befindet. "Danke, dass Sie so schnell kommen konnten, geben Sie den am besten mir." Erfreut über seine Hilfe überreicht sie ihm die offenbar Recht schwere Kiste und schüttelt ihre rotbraunen Locken aus, in denen sich einige Schneeflocken verfangen haben. "So. Hallo Nikolas! Na, Sie sehen ja heute festlich aus. Das erinnert mich fast an Ihre Hochzeit im Sommer! Wo ist denn Ellen, geht es ihr gut?" Sie strahlt nur so vor guter Laune.
"Ohja! Die ist oben in ihrem Büro und verteilt überall Dekoschnee, für das wirkliche und wahrhaftige Weihnachtsgefühl."

Ich muss schmunzeln. Nachdem Frau Grün sich ausgezeichnet mit unserer Staatsanwältin verstanden hat, als sie zur großen Hochzeitsfeier unseres Traumpaares eingeladen war, hat sie im letzten halben Jahr immer mal wieder im Präsidium vorbeigeschaut. Aber so schick wie damals hat sie Heldt natürlich nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Heldt macht einen Schritt zur Seite.
"Oh und guten Tag Frau Dr. Holle." Barbara Grün stockt kurz. "Sie habe ich ja schon länger nicht mehr gesehen! Wie geht es Ihnen?"
Ich lächle, gehe auf sie zu und reiche ihr die Hand. "Guten Tag, Frau Grün! Ausgezeichnet, so kurz vorm Fest, danke der Nachfrage, und Ihnen? Wie schön, dass Sie es einrichten konnten!"
"Es konnte nicht besser sein." Sie lächelt uns an. "Die Freude ist ganz meinerseits, ihr Lieben, es ist schön, das ganze Team einmal wieder zu sehen. Ist alles bereits in die Wege geleitet für einen besinnlichen Nachmittag?"
"Dank Ihnen, fast. Achmed und Carlotta bringen gleich noch Emily und den Glühwein-Kocher vorbei, damit wir Ihren edlen Tropfen auch heiß genießen können. Aber kommen Sie, gehen wir in Ellens Büro."

Damit lässt Heldt uns Damen, charmant wie eh und je, den Vortritt.
In diesem Moment spüre ich mein Handy in der Jackentasche vibrieren.
"Gehen Sie schon mal vor", entschuldige ich mich und zücke mein Smartphone. "Ich antworte nur eben Linda, sie hat geschrieben, dass sie gerade von einer Untersuchung losgefahren ist. Und Arthur hat sich auch angemeldet."
"Welch seltene Ehre", scherzt Heldt, dann verschwinden er und Frau Grün aus meinem Blickfeld.
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