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Minas Leben

von Dancisa45
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteDrama / P12 / Gen
Dracula Jonathan Harker Lucy Westenra Mina Murray Prof. Abraham van Helsing
18.12.2020
18.12.2020
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Mina Murray (22)

Mein Name ist Wilhelmina Editha Murray. Ich bin verlobt mit Jonathan Harker, ein gescheiter junger Mann und Kindheitsfreund. Unsere Verlobung fand kurz nach meinem 18. Geburtstag statt und war bisher der schönste Tag in meinem Leben. Nun warte ich bereits vier Jahre darauf, dass wir endlich heiraten können, doch mein Jonathan ist immer viel unterwegs. Er versprach mir aber vor seiner Abfahrt nach Transsilvanien (dort besucht er aktuell einen wichtigen Klienten), dass wir nach seiner Rückkehr endlich heiraten werden.
Wir wohnen gemeinsam in einem schönen Haus bei London, das Jonathan von seinen Eltern erbte. Glücklicher Weise müssen wir uns um Finanzen keine Sorgen machen. Mein Verlobter arbeitet als Anwalt und hat erst kürzlich eine Kanzlei übernommen. Darum können wir uns auch genug Personal leisten, damit ich mich nicht selbst um den Haushalt kümmern muss. Ich muss nur ehrlich gestehen, dass ich das gern tun würde. Ich bin eine sehr ehrgeizige junge Frau und versuchte schon als Kind alles zu verstehen und überblicken zu können.
Meine Tage verbringe ich vor allem damit, meinem Verlobten so gut es geht unter die Arme zu greifen. Ich bringe mir gerade das stenografieren bei und lerne täglich die Zugverbindungen von London auswendig. Ist mein Mann auf reisen, lese ich viel. Ab und an gebe ich jungen Mädchen und Frauen Privatunterricht in Sprachen, Literatur, Naturwissenschaften und Musik.
Mit dem Personal verstehe ich mich sehr gut. Im Haus herrscht ein freundlicher Ton und auch in der Nachbarschaft sind wir durchaus hoch angesehen. Man kennt sich, schließlich sind Jonathan und ich beide hier aufgewachsen. Das Haus meiner Eltern mussten wir leider verkaufen. Sie sind vor zweieinhalb Jahren aufgrund einer schweren Lungenentzündung verstorben.

Unsere Eltern planten schon in unserer Kindheit, dass wir einmal heiraten sollten. Als ich 12 Jahre alt war begannen meine Eltern, Treffen zwischen ihm und mir zu arrangieren. Ich fand ihn immer schon nett, doch er war sehr still und älter als ich, darum fiel es mir anfangs schwer eine engere Bindung zu ihm aufzubauen. Irgendwann jedoch bemerkte er ein Buch, dass ich gerade las und wir fanden über unsere Schwäche für Literatur zueinander. Ich erinnere mich gut, wie ich mich immer mehr auf die Treffen freute und immer enttäuschter war, wenn er keine Zeit für mich fand. Besonders die Zeit seines Studiums war schwer für mich. Doch seine Briefe halfen mir, ihn immer besser kennen zu lernen. Während dieser zeit beginnen unsere Eltern fieberhaft eine große Verlobungsfeier zu planen. Ich weiß noch, wie unwohl ich mich mit dem Gedanken an solch eine Feier fühlte. Ich kannte Jonathan inzwischen sehr gut und verstand mich prächtig mit ihm aber wir mochten alles schon immer einfach, still und unkompliziert. Doch das war nicht der Wille unserer Eltern, darum fand tatsächlich eine Verlobungsfeier im großen Stil mit beiden Familien statt.
Insgeheim bereue ich es, die Feier mit allen Verwandten und Freunden der Familie damals als etwas so schlimmes gesehen zu haben, denn heute weiß ich wie sehr diese Menschen einem fehlen können. Meine Eltern vermisse ich wirklich sehr. Den Spitznamen Mina habe ich von meinem Vater. Er war ein gebildeter Mann und hat mir selbst das Lesen beigebracht. Wir saßen oft zusammen im Kaminzimmer und lasen und gegenseitig Gedichte vor. Schon als kleines Mädchen saß ich auf Papas Schoß und beobachtete, wie er seine Bücher studierte und sich dabei etwas notierte. Meine Mutter sah das nicht gern. Sie wollte mich zu einer „wohlerzogenen jungen Frau“ erziehen, wie sie es immer nannte. Dazu gehörten Handarbeiten, musizieren und der Kontakt zu den Bediensteten. Ich möchte nicht sagen, dass mir diese Tätigkeiten keinen Spaß gemacht hätten, aber meine freie Zeit verbrachte ich doch immer bei Papa. Meinen Zweitnamen bekam ich zu Ehren seiner Mutter. Ich glaube sie war sehr stolz auf ihn und er auf sie. Er sagte immer ich sei ihr sehr ähnlich, denn auch sie war sehr neugierig und hat selbst dafür gesorgt, dass ihre Kinder eine gute Bildung erfahren. Mein Vater besaß eine große Firma im Bereich der Textilherstellung. Da ich keine Geschwister habe (meiner Mutter blieben nach meiner Geburt leider weitere Kinder verwehrt), hat er das Unternehmen an seinen Freund und Geschäftspartner Lord Thompson vererbt. Dieser erklärte sich auch bereit mir Unterhalt zu zahlen, solange ich unverheiratet blieb. Doch das war dank Jonathans Güte mich bereits kurz nach der Verlobung bei sich aufzunehmen, nicht nötig. Zu Lord Thompson habe ich nur noch sporadischen Kontakt, da ich ihn nie besonders gut kannte. Mindestens einmal im Jahr fahre ich meine liebe Tante Jenny besuchen. Sie ist die ältere Schwester meines Vaters und meine einzig noch lebend Verwandte. Ich mag sie sehr, auch wenn sie immer wieder betont, wie sehr sie ihren Bruder vermisst und mich damit immer wieder an den Tod meiner Eltern erinnert. Sie wohnt südlich von London in einem schönen kleinen Ort und oft verbinde ich die Besuche bei ihr auch mit einem Besuch bei meiner guten Freundin Lucy Westenra. Die gute Lucy lernte ich bei einem Urlaub mit meinen Eltern kennen. Sie fiel mir auf, als wir am Sonntag in der Kirche waren und sie an mir vorbei lief. Dieses Mädchen hat etwas an sich, das man nicht beschreiben kann, einen aber sofort in eine Art Bann zieht. Sie beeindruckte mich. So jung und schon so selbst bewusst. Sie schien jeden ihrer Schritte genau geplant zu haben, nichts geschah zufällig. Nach der Messe nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach sie an. Es wunderte mich zu hören, sie sei sogar noch zwei Jahre jünger als ich. Von da an schrieben wir uns regelmäßig. Ich genoss die Aufenthalte bei ihr und ihrer Mutter sehr. Heute nutze ich oft die Zeit von Jonathans Reisen für Besuche bei Lucy. Sie ist für mich wie eine kleine Schwester geworden und ich habe oft das Gefühl sie vor Fehlern bewahren zu müssen. Zum Glück hat sie noch ihre Mutter, die ebenfalls auf sie Acht gibt, denn Lucy ist oft unvorsichtig und ich mache mir schnell Sorgen.
Das geht mir auch bei Jonathan so. Wir haben die Abmachung getroffen, dass er auf Reisen mindestens jeden zweiten Tag einen Brief schickt, damit ich mich nicht sorgen muss. Er ist doch das Einzige, was ich noch habe. Manchmal neckt er mich damit und meint ich würde mir zu viele Gedanken machen, doch ich weiß, dass es ihm ähnlich geht, wenn ich nicht bei ihm bin.
Einmal kurz nach meiner Verlobung fuhr ich zum ersten mal mit Jonathan allein zu ihr. Wir verbrachten dort zwei Wochen und genossen es, einfach mal Zeit für uns zu haben. Eines Abends fuhr Jonathan mit mir hinunter zum Hafen von Whitby und beobachteten die Wellen. Er hielt mich fest und ich fühlte mich sicher bei ihm.

Rückblick (Beginn des Stücks bis Ende des Lebens)

Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, wie Jonathan sich von mir verabschiedete, bevor er nach Transillvanien fuhr. Das war der Tag an dem meine Alpträume und Visionen begannen. Ich machte mir furchtbare Sorgen um ihn, denn es war die bisher größte Reise, die er antrat und niemand wusste so genau, wie lange sie dauern würde. Nach ungefähr zwei Wochen bekam ich auch keine Briefe mehr von ihm, was ihm überhaupt nicht ähnlich sah. Um mich von meinen Gedanken etwas abzulenken und nicht zu allein zu sein, fuhr ich fort, um meine Freundin Lucy zu besuchen. Wie immer versuchte sie mich zu beruhigen und nahm meine Bedenken nicht zu ernst, da sie wusste, dass bei Jonathans Reisen noch nie etwas schief gegangen war und ich oft überreagierte. Außerdem stand ihre Verlobung an. Ich versuchte eine gute Freundin zu sein und mich mit ihr zu freuen, doch so recht gelingen wollte es mir nicht. Auch in ihrer Nähe hatte ich immer wieder ein seltsames Gefühl. Immer öfter schlief ich schlecht, sah in meinen Träumen eine dunkle Gestalt, die ich nicht genau deuten konnte und hatte tagsüber das Gefühl beobachtet zu werden. Irgendwie kam in diesen Tagen ein Unglück nach dem nächsten und ich ahnte noch nicht, dass dies nur der Anfang war. Alles begann mit diesem Schiffsunglück und Lucys Schwächeanfällen, die nun wieder häufiger auftraten. Lucy hatte schon immer Probleme mit dem Kreislauf, ihre Mutter sagte immer, sie müsste nur mehr essen. Ich hatte allerdings im Gefühl es würde mehr dahinter stecken. Als sie dann ihre Verlobung feierte, sank sie auf einmal völlig in sich zusammen. Ich bekam einen riesigen Schreck und wich ihr nicht von der Seite, bis sie wieder erwachte. Danach erzählte sie mir von einem furchtbaren Traum, der mich nur zu gut an meine Eigenen Träume der letzten Tage erinnerte. Doch das schlimmste war, dass ich selbst auch für einen Moment die Besinnung verloren haben muss, denn ich erinnere mich, wie die dunkle Gestalt meiner Träume auf einmal über Lucy stand und sogar zu mir sprach, als würde sie mich kennen. Es war ein Mann, ein gutaussehender, wie ich zugeben muss und er schien mich bereits zu kennen. Noch heut läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke.
Kurz darauf bekam ich ein Telegramm und machte mich noch am selben Tag auf den Weg nach Budapest um meinen Verlobten dort in einem Hospital aufzufinden. Er schien schreckliches erlebt zu haben, scheute sich aber davor, seine Erlebnisse mit mir zu teilen. Auf der Reise zu ihm erwartete ich das Schlimmste, denn in besagtem Telegramm stand nichts zu seinem gesundheitlichen Zustand. Glücklicherweise sagten mir die Ärzte vor Ort, er würde wieder ganz gesund werden, doch ich merkte, dass das, was ihm widerfahren war, ihn total verändern würde. Er hatte sich während seiner Reise und des Aufenthalts in Transillvanien Notizen gemacht, die er mir anvertraute. Ich wollte zuerst nicht glauben, was ich da las, doch ich bemerkte bald, dass seine Aufzeichnungen nicht so abwegig waren, wie sie mir vorkamen. Wir blieben noch einige Tage im Hospital und Jonathan ließ einen Priester rufen, der uns zwei Tage nach meiner Ankunft traute. Natürlich war das nicht die Hochzeit, von der ich als Kind träumte, aber es war unsere Trauung. Ein Erlebnis, das ich nur mit dem wichtigsten Menschen in meinem Leben teile. Als Jonathan wieder bei Kräften war, machten wir uns auf den Heimweg. Die Rückreise verlief sehr ruhig und wir genossen die Zeit zu zweit sehr.
Als wir nach London zurückkehrten, erreichte mich die Nachricht von Lucys Tod. Ich wollte das nicht wahr haben und wahrscheinlich schützte sich mein Körper selbst vor der Trauer, die mich überkommen müsste, denn ich begann einfach zu funktionieren. Ich ordnete das erneute packen der Koffer an, bereitete alles vor, weihte das Personal ein und machte mich mit Jonathan am nächsten Tag auf den Weg zu ihr… nein zu ihrer Beerdigung. Wie furchtbar das noch immer klingt.
Auf der Trauerfeier lernten wir die Prefessorin Helsing kennen. Eine gute Frau, wenn auch etwas seltsam. Sie erklärte uns, was mit Lucy geschehen war und wir sprachen lange über Jonathans Erlebnisse in Transillvanien. Mag man nun an Übernatürliches glauben oder nicht, das was diese Frau erzählte, passte alles zusammen. Es machte Sinn, auch wenn es sich komisch anhören mochte. Auch meine Alpträume und Visionen passten auf einmal zu der Theorie des Vampirgrafen Dracula, der nicht nur Jonathan bedroht und verletzt, sondern auch Lucy getötet haben sollte.
Grausame Dinge müssen sich abspielen, wenn man einen Vampir, wie Lucy einer geworden wahr, endgültig töten wollte. Dinge, über die ich nie sprechen möchte, weil sie mich immer noch erschrecken. Kurz nach Lucys endgültigem Tod jedoch, sah ich Dracula zum ersten Mal wahrhaftig vor mir stehen und wusste, wer er war. Ich war voller Wut, Verzweiflung und Trauer, denn mir war eine gute Freundin, fast eine Schwester genommen worden. Wenn ich mir vorstelle, dass dieser Mann auch dazu in der Lage gewesen war, meinem geliebten Jonathan so etwas anzutun… Und doch war ich fasziniert davon, wie sehr er sich für mich interessierte. Ich kann nicht leugnen, dass mich etwas an seinem Wesen anzog. Er schien eine unsichtbare macht über mich zu besitzen und zog mich praktisch magisch an.
In den darauffolgenden Tagen versuchten die Professorin, Jonathan und die anderen 3 Männer, Dracula zu finden und ihn zu „vernichten“. Ich gab mein Bestes sie zu unterstützen und meinen Gefühlen Herr zu werden, doch immer öfter ertappte ich mich dabei, wie ich an Dracula dachte. Dieser starke stattliche Mann, der genau wusste was er wollte und nicht in Frage stellte, ob er dies auch bekommen würde. Sein Auftreten und sein Wesen waren eben so klar, wie auch ein völliges Rätsel. Inzwischen erschien er jede Nacht in meinen Träumen und ich kann nicht leugnen, dass er mich anzog. Manchmal wenn ich allein war, kam er zu mir und wir sprachen mit einander. Wir kamen uns von Mal zu Mal näher. Ich wusste, dass was ich tat falsch war. Ich war verheiratet, eine glückliche Ehefrau und außerdem war er der Grund dafür, dass ich meine beste Freundin verloren hatte. Doch als er eines Abends zu mir kam und mich in seinen Armen hielt, konnte ich nicht mehr widerstehen.
Mir war klar, dass Er eine Bedrohung für uns darstellte und es machte mir Angst, dass er mich so sehr unter Kontrolle hatte. Die Professorin nutzte immer wieder die Gelegenheit mich zu hypnotisieren und dadurch seine Pläne zu verfolgen. Anscheinend standen er und ich über unseren Geist in Verbindung. Was mir besondere Angst machte, war die Veränderung in Jonathans Wesen. Immer öfter zog er sich allein in ein zimmer unseres Anwesens zurück und kam dort stundenlang nicht wieder heraus. Ich merkte ihm an, dass ihm die Situation zu schaffen machte und vermute, dass er ebenso wie ich die Zeit allein dafür nutzte, sich seinen Gefühlen hinzugeben und den Schmerz in Form von Tränen raus zu lassen. Ich bereue nicht darauf bestanden zu haben bei ihm zu bleiben. Wir hätten uns gegenseitig Trost spenden können.
Wenige Wochen nach Lucys Tod machten wir uns bereits auf die Reise nach Transillvanien. Dort vermuteten und hofften die Männer und allen voran auch die Professorin Helsing, Dracula zu finden und töten zu können. Die Reise bereitete mir große Sorgen.
Nichts wünschte ich mehr, als mein normales Leben mit Jonathan weiter leben zu können. Und doch hatte ich Angst um die mir doch so verwandte Seele, die mich täglich besuchte. Ich wollte nicht, dass Dracula etwas geschah. Ich hätte zu der Zeit gesagt, ich liebte ihn zu sehr, doch heute weiß ich, dass Liebe noch etwas ganz anderes ist, als das, was ich für Dracula empfand. Die Liebe zwischen ihm und mir war kurz und intensiv. Für die Zeit, in der ich sie erlebte, schien es mir wahr, ehrlich und einzig zu sein, doch da wusste ich noch nicht wie viel wichtiger die beständige dauernde Liebe ist.
Jedenfalls kamen wir an seinem Schloss an und teilten uns auf. Während Helsing und ich allein durch das Schloss gingen, versuchten die Männer Dracula aufzuspüren und zu töten. Bis heute weiß ich nicht genau, was wirklich in den Minuten im Schloss mit mir passiert ist. Alles schien mir ähnlich wie ein Traum. Ich war gefangen in meinen Gedanken, nahm alles entfernt und wie im Nebel wahr. Ich weiß noch, dass nach einer Weile meine Beine immer schwerer wurden. Irgendetwas schien an mir zu ziehen, mich fest zu halten und gleichzeitig zu Boden zu drücken. So sehr ich auch wollte, ich konnte die Professorin nicht weiter begleiten. Vermutlich sprach auch die Angst aus mir, was passieren würde, sollten wir Dracula begegnen. Würde sie ihn töten? Würde er ihr offenbaren, welche Verbindung wir wirklich teilten? Das alles machte mir große Angst. Ich erinnere mich, wie meine knie nachgaben und ich die Professorin bat, allein weiter zu gehen und mich zurück zu lassen. Irgendwer würde mich schon finden und hinaus bringen, dachte ich. Wer das war, das war mir in diesem Moment völlig egal, denn ich war einfach vollkommen erschöpft.
Ich hatte kaum noch ein Zeitgefühl als ich dort saß, ganz allein im Dunkeln, doch es konnte nicht viel Zeit vergangen sein, ehe Dracula auftauchte. Er nahm meine Hand und geleitete mich ans andere Ende des Zimmers, weg von dem Kreis aus Weihwasser, den Helsing sicherheitshalber um mich gezogen hatte. Auf einmal fühlte ich mich sicher. Er nahm mich in den Arm und hielt mich fest. Ich wollte am liebsten für immer so in seinen Armen liegen. Doch als ich ihm diesen Wunsch offenbarte, schlug seine Stimmung plötzlich um. Er packte mich fest an den Armen und erklärte mir, dass er mir nicht das selbe Schicksal antun wollte, das ihn ereilte. Ich verstand nicht, was ihn auf einmal umgestimmt hatte, ich hatte gedacht, er würde mich zu einem seinesgleichen machen und wir könnten für immer zusammen sein. Doch er hatte anders entschieden und wie auch schon in der vergangenen Zeit, gab es keine andere Möglichkeit, als genau das zu tun, was er verlangte. Ich sollte ihn töten.
Nie wäre mir in den Sinn gekommen einem Menschen das Leben zu nehmen, erst recht nicht, wenn er mir doch so viel bedeutete. Doch war er ja kein Mensch und außerdem hatte ich nicht das Selbe auch von den Menschen verlangt, die mich hierher begleiteten? Noch ehe ich über all das genauer nachdenken konnte, hatte Dracula einen Dolch zur Hand, hielt diesen gegen seine Brust gerichtet und umschloss mit seiner Hand meine, die wiederum den Dolch fest umklammerte. Ich sah in seine Augen und plötzlich erschienen sie mir fremd. Dann spürte ich, wie sich unsere Hände auf ihn zubewegten und auf einen Widerstand stießen. Das Messer durchbohrte seine Brust und ihn verließ alle Kraft, so wie auch mich. Ich sank über ihm zusammen und begann zu weinen.
Ich bemerkte eine Veränderung in mir. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mich von etwas befreit zu haben und doch war da eine Anspannung in mir und etwas in meinem Körper zog sich zusammen. Entsetzt stellte ich fest, dass meine Eckzähne spitzer zu sein schienen. Ich wollte es nicht wahr haben, doch trotz der Tatsache, dass Dracula mich nicht zu einem Vampir werden lassen wollte, war genau das dies geschehen. Dabei schien es doch immer, als könne er alles kontrollieren. Warum dann nicht auch das?
Vollkommen verzweifelt und voller Angst blickte ich mich um. Da sah ich Helsing, Jonathan, Jack und Arthur am Ende des Raumes stehen. Mein Mann kam sofort zu mir gelaufen und nahm mich in den Arm. Was würde ich nur ohne ihn tun, dachte ich und entschied, die einzige Lösung, die mir ermöglichte, nicht allein in der Ewigkeit verdammt zu sein, war ihm das Selbe an zu tun, auch wenn es mir das Herz brach. Ich drehte meinen Kopf ein Stück in Richtung seines Halses, als ich ein starkes Brennen auf dem Rücken spürte. Es war Helsing, die ihre Bibel an mich drückte und mit ihren Worten ein furchtbares Pfeifen in meinen Ohren erzeugte. Ich ließ von Jonathan ab und versuchte mich zu drehen. Kaum hatte ich das getan, warf sie sich über mich und ich sah nur noch ihren Pflock, der sich im nächsten Moment in mein Herz bohrte. Mein letzter Blick galt Jonathan. Ich hoffte er würde mir verzeihen und die schreckliche Zeit irgendwann verarbeiten können.
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