Mystery Dungeon: Die Legende des Dämons
von Silvers
Kurzbeschreibung
Die Weitererzählung der Geschichte von "Pokémon Mystery Dungeon: Erkundungsteam Zeit/Dunkelheit/Himmel". Erfahre, wie das Team Mystery drei Jahre nach Darkrais Komplott einer neuen Bedrohung gegenübern steht. Dieses Mal entsteht sie durch die die bevorstehende Wiederkehr des Dämons Kyurem, die es zu verhindern gilt.
GeschichteAbenteuer / P12 / Gen
27.11.2020
18.03.2023
61
275.213
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14.04.2021
3.135
Stechende gelbe Augen lugten unter einem dichten grünen Hut hervor, der vom Kopf wuchs. Der Mund war schmal und löchrig und verlieh dem Pokémon eine unheimliche Aura. Eine Art Unnahbarkeit wurde auch dadurch garantiert, dass der ganze olivgrüne Körper des Pokémon durch und durch mit dunkelgrünen Stacheln besetzt war. Das Pokémon der Art Noktuska wandte seinen Blick nach rechts und beäugte jenen zertrümmerten Felsen, den Vane zuvor aus dem Boden schießen gelassen hatte. Und jäh nahm das Noktuska auch das Stolloss ins Visier.
„Ich nehme an, dir haben wir dieses unvorhergesehene Hindernis zu verdanken?“
„Ich … ähm …“, stammelte Vane sichtlich verlegen, doch das Noktuska beachtete ihn nicht. Es schritt auf eines der riesigen Beine und Max wusste, dass er jenes suchte, dass zuvor Vanes Felsen zerschmettert hatte. Als es dieses Bein endlich fand, untersuchte er es eingehend. Unterdessen bemerkte Max, wie andere Pokémon sich vorsichtig aus dem Loch nach draußen lehnten und erst das Noktuska und dann die anderen beobachteten.
Es war eine bunt zusammengewürfelte Menge und Max zählte ungefähr sieben, wobei er glaubte, dass innerhalb dieser Burg, wie Shadow sie nannte, noch mehr Pokémon sich aufhalten mussten. Das auffälligste Pokémon von ihnen war eine Sandamer, das aufgeregt an dem steinernen Körper eines Rihorns kratzte und auf Max und die anderen deutete.
„Ist ja gut, ich sehe sie ja!“, hörte Max dieses Rihorn genervt aufseufzen.
„Also, wen haben wir denn hier?“, sagte dann das Noktuska laut. Es entfernte sich vom Bein des riesigen Pokémon und trat an die sechs Pokémon heran. Erst aus der Nähe erkannte Max, dass der löchrige Mund sich zu einem Lächeln verzogen hatte, auch wenn dieses etwas grotesk wirkte. Erwartungsvoll blickte es die sechs an, die alle aber zu perplex über diese Szenerie waren.
„Vielleicht würde es helfen, wenn ihr euch vorstellt? Schließlich habt ihr fast dafür gesorgt, dass Cas einen Beinbruch bekommt.“
„Cas?“, wiederholte Max und das Noktuska deutete ungeduldig auf das riesige Krabben-Pokémon.
„Dies hier ist Castiel, und er ist auch unser Zuhause, das ihr beinahe bewegungsunfähig gemacht habt!“
„Wieso, er hat meinen Felsen gut weggesprengt!“, rief Vane entrüstet. Das Noktuska blickte ihn mit seinen gelb glühenden Augen so scharf von der Seite an, dass Vane tatsächlich zusammenzuckte und zurückwich.
„Tut uns leid!“, sagte Max dann sofort. „Wir wussten nicht, dass mit dem Sandsturm ein Pokémon auf uns zugelaufen kam.“
„Wir haben uns nur vor diesem schützen wollen“, setzte Rose nervös an. „Wir wollten verhindern, dass wir fortgewehrt werden …“
„Hm, verstehe …“, sagte das Noktuska langsam und blickte jedem der sechs eindringlich in die Augen. Dann, nach einigen Augenblicken, streckte es Max, der ihm am nächsten war, seine mit Stacheln besetzte Hand hin. Max wusste, dass er die zum Gruß anbot, war aber wenig erpicht darauf, diese Stacheln zu ergreifen. Doch dies schien das Noktuska durchaus wenig zu stören. Es grinste bei Max‘ Zögern noch breiter und ließ dann die Hand zurückfahren.
„Ich mache nur meine Späße!“, lachte er kurz auf und wollte Max auf die Schulter klopfen. Dieser zuckte instinktiv zusammen, worüber sich das Noktuska noch mehr amüsierte. Auch Shadow lachte bei diesem Anblick laut auf. Selbst Max kam ein schwaches zögerliches Lächeln.
„Mein Name ist Nocrow“, stellte sich das Noktuska dann vor. Auch die anderen nannten ihre Namen. Dann verbeugte sich Nocrow andächtig vor ihnen: „Freut mich, eure Bekanntschaft zu machen! Ich bin Leiter der Wüstennomaden. Seid gegrüßt!“
Max wechselte rasche Blicke mit Iro und den anderen.
„Wüstennomaden?“, meldete sich Emil skeptisch. Nocrow sah ihn neugierig an.
„Du bist verwirrt, nehme ich an?“
„Nun … ja“, entgegnete Emil. „Wir dachten die ganze Zeit, dass die Schädelwüste unbewohnt sei und dass sich keine andere Seele außer uns hier befindet…“
„Das liegt daran, dass ihr von außerhalb kommt und noch nicht so mit dem eigentlichen Leben in der Wüste vertraut seid“, entgegnete Nocrow milde lächelnd, warf dann einen Blick nach oben zur Sonne und verengte etwas die Augen.
„Aber hier draußen ist es doch etwas zu heiß, meint ihr nicht? Kommt mit rein, bestimmt seid ihr nach eurer Reise müde!“
Zufrieden mit sich lächelnd wandte er sich um und schritt zu der Zugbrücke. Er scheuchte die anderen Pokémon, die sie neugierig beobachtet hatten, wieder nach drinnen und winkte Max und den anderen zu.
„Ich kann euch sicher hier herausbringen, wenn ihr das wünscht. Aber das ist eure Entscheidung! In einer Minute schließt sich das Tor!“, rief er sachlich Pokémon zu. Max und die anderen blickten sich an und als dann Iros Magen vernehmlich knurrte, beeilten sie sich damit, die Zugbrücke raufzulaufen. Es war eigentlich verrückt, einem fremden Pokémon so zu vertrauen. Doch überall war es besser als draußen in der Schädelwüste unterwegs zu sein
Unter lautem Rattern und Klirren wurde dieser wieder hochgefahren und ein Beben kündigte wenige Augenblicke später an, dass sich Castiel wieder in Bewegung setzte.
Nocrow hatte auf sie inmitten einer kleinen Halle gewartet, in deren Wänden kleine Adern an Gestein leuchteten. Max fühlte sich, als wäre er in eine Mine getreten, in der Pokémon nach Gold und anderen Edelsteinen schürften. Nocrow entging der faszinierte Blick nicht; generell wirkten seine Augen, die nicht ein einziges Mal blinzelten, so, als würde ihnen rein gar nichts entgehen.
„Leuchtsteine“, beantwortete er Max‘ unausgesprochene Frage, als dieser die leuchtenden Adern genauer betrachtete. „Castellith, also die Pokémon-Art von Cas, haben alle verschiedene Erze in sich. Es wäre immer wieder eine Überraschung, welches Erz ein solches Castellith in sich verbirgt.“
„Und es wird abgebaut?“, fragte Iro, der sich skeptisch und verblüfft zugleich umsah.
„An sich nur, wenn ein Castellith das Ende seines Lebens erreicht hat. Davor gilt es als Unverschämtheit, ein noch lebendes entsprechend auszubeuten.“
„Aber…“, wandte Rose und ihr Blick glitt nach oben. Auch Max erkannte, dass Treppen von grober Hand in das Gestein gemeißelt waren und dass auch Nägel und allerlei in dieses geschlagen wurden. Nocrow lächelte, als sie sich ihm wieder zuwandten.
„Cas ist da eine Ausnahme, aber die Geschichte kann ich euch gleich erzählen. Kommt mit nach oben. Ach, Pan?“, und mit dem Namen wandte sich Nocrow an das Sandamer, das Max zuvor bemerkt hatte. Aufgeregt trat dieses herbei und seine braunen Stacheln richteten sich steif von seinem Körper ab.
„Wärst du so gut, und bringst du ein paar Erfrischungen zu uns hoch?“
„Nocrow …“, sagte Pan nun wenig begeistert. Ihre Stacheln sanken wieder nach unten. „Ich mag es nicht, in ihr Zimmer zu gehen. Immer will sie mir den Streich spielen, wo sie mich in ihrem Kühlschrank konservieren will.“
„Sie weiß genauso, dass sie mit mir Ärger bekommt, wenn sie das tatsächlich wagt. Ich bitte dich darum, ja?“
„Ich … na gut!“, sagte Pan nicht wirklich überzeugt. Sie warf den Neuankömmlingen einen Blick zu, als wäre das nur deren Schuld, und stapfte vorsichtig die steinerne Wendeltreppe zu einer Ebene hoch. Dort angekommen rollte sie sich zusammen und verschwand in einem Loch in der Wand.
„Nimmt es euch nicht so zu Herzen“, erklärte Nocrow ihnen lächelnd, als er Max‘ und Iros besorte Miene sah.
„Motor nutzt es als Rotom gern aus, dass sie ihre Form verändern kann. Meistens aber ist sie als eine Art kühlender Schrank sehr hilfreich, und das weiß sie auch gut gegen uns einzusetzen!“
Er lachte herzlich auf, räusperte sich und winkte die sechs Pokémon zu sich heran: „Folgt mir! Doch passt auf mit den Stufen. Da Cas sich bewegt, kann es manchmal was wacklig sein!“
„Aber eines finde ich immer noch seltsam“, sagte Emil, der hinter allen anderen herging und genauso die Höhe des Raumes betrachtete. Es war als stünden sie in einem kleinem Turm. Die Treppe beschrieb im Gesamten eine Spirale, hier und da mündete sie aber in eine kleine Fläche mit einem Felsen, in die eine Tür eingelassen war.
„Wie kann ein Castellith derartig groß werden, dass eine Hand voll an Pokémon, in diese hineinpasst?“, staunte Emil nicht wenig beeindruckt über diese Geräumigkeit. „Für gewöhnlich werden sie nicht mal zwei Meter hoch, oder?“
„All das und mehr, dazu komme ich später“, sagte Nocrow ruhig, der nun weiter oben eine schmalere und steilere Treppe nahm, die bis zur Decke führte und an einer hölzernen Falltür endete. Diese stieß er auf und helles Sonnenlicht drang durch die Decke herein.
„Kommt“, sagte er munter und einer nach dem anderen traten die sechs Pokémon durch die Tür.
Warme Luft, die aber nicht mehr so heiß wie weiter unten wirkte, empfing sie und Max sah sich um. Sie standen auf einer kahlen kleinen fast quadratischen Steinfläche, die auch an manchen Stellen von Venen an Leuchtsteinen durchzogen waren. Über den Rand dieser Fläche hinweg konnte Max die Weiten der Schädelwüste erkennen. Ein nahezu endloses Mehr an rissigem gelblichem Steinboden, der sich träge zu bewegen schien. Doch an dem sanften Beben unter seinen Füßen wusste Max, dass es jenes Castellith namens Cas war. Vorsichtig trat er an den Rand blickte nach unten. Obwohl ihn dieser Anblick mulmig war, so war er doch erstaunt. Die langen und dicken Beine von Cas hoben sich und stießen herab im Takt und von weiter vorn sah Max, wie eine große Staubwolke aufgewirbelt wurde, die die ganze Frontseite des Castellith umfasste. So hatte es gewiss den Anschein, als würde ein riesiger Sandsturm auf jemanden zukommen.
„Der Wahnsinn…“, hörte Max Shadow kaum durch das Brausen der schweren Schritte sagen. Max trat vom Rand weg und trat wieder zu den anderen.
„Bitte setzt euch“, rief Nocrow und wies auf eine kleine Einbuchtung inmitten der Felsfläche. Zögerlich und gegen das Wackeln von Cas setzten sie sich hin. Max hörte ein Knarren. Die Sandamer namens Pan trat zu ihnen und ihren Klauen hielt sie eine große Feldflasche sowie kleine Holzbecher, die sie ihnen reichte.
„Vielen Dank, Pan“, sagte Nocrow mit einem Lächeln. „War Motor nett zu dir?“
„Hmpf“, sagte sie mürrisch. Wasser tropfte von den Spitzen ihrer Stacheln herunter. Nocrows Grinsen wurde noch vergnügter.
„Sie hat dich wenigstens nicht ganz eingefroren“, zwinkerte er der Sandamer zu. „Willst du nicht was zu uns setzen?“
„Es ist ziemlich eng“, entgegnete Pan mit Blick auf den recht ausgefülltem Kreis. „Am besten, die anderen lernen sie erst kennen, wenn wir unseren Halt erreicht haben.“
„Halt?“, fragte Rose verwirrt. Nocrow lächelte nun ihr zu: „Denkst du, wir alle würden rein ziellos durch diese Einöde waten? Man sollte für dieses Gebiet schon einen Plan haben, wohin man will, bevor man sich verläuft.“
„Und was habt ihr … wie nanntet ihr euch? … Wüstennomaden hier zu tun?“, fragte Emil scharf. Er betrachtete eingehend das Gestein um sich herum und fuhr dann fort: „Es hat ganz den Anschein, als könntet ihr jederzeit diesen Ort verlassen…“
„Das könnten wir durchaus …“, nippte Nocrow gelassen an seinem Drink. Als Max seinen Becker an den Mund fuhr, spürte er eine eiskalte Flüssigkeit seine Zunge benetzen. Sie schmeckte wie eisgekühltes Obstwasser.
„Wenn wir dies aber tun würden“, fuhr Nocrow fort, „wer würde dann Pokémon wie euch aufgabeln?“
„Heißt das also…“, schloss Rose dann direkt. „Ihr rettet Pokémon aus der Schädelwüste?“
„Seid ihr alle Erkunder?“, antwortete Nocrow ihr und Rose stutzte. Sie blickte zu Shadow, Emil und Vane. Doch Shadow nickte direkt: „Sozusagen, ja …“, und er warf Max und Iro einen flüchtigen Blick zu. Nocrow aber schien diese Antwort zu genügen: „Dann hattet ihr bestimmt einen Grund hierher zu kommen, musstet aber dann recht früh einsehen, dass ihr die Schädelwüste schnell unterschätzt habt, nicht wahr?“
Nur Max und Iro warfen sich betroffene Blicke zu, während Shadow und die anderen recht entspannt dreinblickten. Nocrows gelbe Augen huschten zu ihnen hinüber.
„Ich sehe“, sagte er, nachdem er sich Max und Iro genau angesehen hatte, „ihr seht eindeutig aus, dass ihr beinahe es nicht überstanden habt … was war es bei euch?“
„Wie meinen?“, fragte Max perplex.
„Was euch gerettet hat. War es vielleicht ein Sandsturm, der euch zu einer der beiden Ruinen gebracht habt?“
„Woher-?“, wollte Iro verdutzt wissen, doch Nocrow kicherte.
„Bei mir, Pan und ein paar anderen war es genauso. Wir hatten enorme Schwierigkeiten mit der Hitze und wussten nicht, wie wir hier rauskommen sollten. Dann aber hat uns ein Sandsturm zu einer Ruine gebracht und wir konnten einen sicheren Ort finden.“
„Aber ihr seid doch … ich meine, dieses Castellith … Cas …“, stammelte Vane verwirrt. Nocrow warf ihm einen erstaunten Blick zu, während er sich mit einem seiner Kaktusarme am Kopf kratzte.
„Habt ihr in eurer Heimat nicht davon gehört, dass sieben Erkundungsteams in die Wüste gegangen waren und nur zwei Pokémon je zurückgekehrt sind?“
„General Stahlard und Axel?“, fragte Max sofort. Nicht nur Nocrow warf ihm einen erstaunten Blick zu, sondern auch Shadow.
„Sieh an, Stahlard ist General geworden?“, sagte Noktuska.
„Max, du kennst den General?“, rief Shadow fast erschrocken. Max wandte sich an Shadow: „Ist das so besonders? Viele kennen ihn doch …“
„Er hat sich also wirklich einen Namen gemacht. Ganz wie er es immer wieder angekündigt hatte ...“, sagte Nocrow und grinste, als würde er sich rührselig an eine vergangene Zeit erinnern. Dann aber blickte er wieder auf: „Aber genau, diese beiden meine ich. Zwei junge Burschen, die ebenso die Herausforderung unterschätzt hatten, wie jene, die vor ihnen kamen.“
„Aber sie haben es überlebt“, entgegnete Iro und ballte seine linke Faust. „Die anderen sechs Teams haben es nicht herausgeschafft und sind umgekommen…“
„Ach, ist das so?“, entgegnete Nocrow in einem Ton, der keineswegs besorgt war. Auf die verdutzten Blicke der anderen grinste er und trank erneut aus seinem Becher: „Nur weil diese sechs nie herausgekommen sind, heißt das nicht, dass sie tot sind. Tatsächlich leben sie alle … und zwar hier!“
„Du meinst, in Cas?“, hauchte Rose ehrfürchtig. Nocrows Blick verfinsterte sich.
„Ich muss mich korrigieren, nur fünf haben es damals überstanden. Bei dem sechsten Team kamen wir zu spät … und um deine Frage zu beantworten, Rose: Ja, wir retten Pokémon aus der Schädelwüste und eskortieren sie aus dieser hinaus, sofern sie nicht eine Weile bei uns bleiben und die Schädelwüste von Cas aus kennenlernen wollen. Bisher aber - mit Ausnahme von Stahlard und Axel - wollten alle bleiben, nachdem sie sich an das Leben hier gewöhnt haben, aber der Platz reicht nicht aus, um weitere sechs dauerhaft aufzunehmen …“
Nocrow sah bestürzt aus und sein Blick wirkte entschuldigend. „Trotz aller Hilfsbereitschaft sind unsere Ressourcen beschränkt und wir steuern nur einmal die Woche eine Oase an, um die Vorräte aufzufüllen.“
„Oase?!“, rief Vane begierig. Nocrow nickte.
„Da sonst kaum Pokémon von außerhalb der Schädelwüste hierher kommen, haben wir uns sehr gut mit dem Öko-System hier arrangiert. Es gibt so um die sechs Oasen hier, doch diese allein zu erreichen ist ein schwieriges Unterfangen. Ihr wisst ja, wie tückisch diese Sandstürme sein können …“
„Oh ja …“, entgegneten die sechs Erkunder einstimmig. Max fand es immer weniger seltsam, auch Shadow und die anderen als solche zu bezeichnen. Doch nachdem er Nocrow zugehört hatte, fiel ihm etwas ein. Doch bevor er seinem Gedanken länger nachhängen konnte, meldete sich Iro zu Wort:
„Wieso haben die beiden uns nicht gesagt, dass ihr hier unterwegs seid? Uns haben sie davon abgeraten, in die Schädelwüste zu gehen. Sie haben es uns nicht wirklich zutrauen!“, und erbost schlug er mit der Faust auf den Boden. Nocrow blickte ihn eine Weile fasziniert an, bis er antwortete:
„Wie du bestimmt jetzt von hier oben sehen kannst, ist die Schädelwüste ein sehr großes Gebiet der Trockenzone. Und obwohl Cas gigantisch für seine Art, ist er von hoch oben betrachtet nur ein kleiner Fleck … Wenn Pokémon anfangen würden, motivierter Erkundungstouren in die Schädelwüste zu unternehmen und dabei hoffen, uns über dem Weg zu laufen … Was meinst du, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist?“
„Die dürfte nicht gerade groß sein, wenn man bedenkt dass die Sandstürme einen an einen anderen Ort bringen“, antwortete Rose nachdenklich. Nocrow nickte.
„Es ist besser, wenn die Schädelwüste im Hören-Sagen weiter als solch ein gefährlicher Ort bestehen bleibt. Denn sie ist es nachwievor und man sollte sie in keinem Fall unterschätzen! Uns zu begegnen zeugt von enormen Glück; andere werden nicht so viel Glück wie ihr haben. Ich habe euch ja gesagt, dass von den sieben Erkundungsteam einzig das sechste es nicht überlebt hat. Stahlard und Axel haben wir darum gebeten, nichts von uns Wüstennomaden zu erzählen. Es würde nur falsche Hoffnungen in angehende Reisen erwecken und ich will nicht nochmal Leichname in der Wüste bergen …“
„Es hatte aber nicht gerade den Anschein, als hättet ihr uns mitnehmen wollen …“, warf Shadow ein. Wir wären ja fast von eurem Cas überrannt worden, wenn wir nicht rechtzeitig zur Seite gesprungen wären.“
„Das stimmt. Selbst uns über dem Weg zu laufen ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Noch ein Grund also, weswegen nicht allzu viele Pokémon hier unterwegs sein sollten. Aber wir hätten euch nicht übersehen, wenn du darauf hinauswolltest. In Cas haben wir ein wachsames Auge, das mir mitteilt, wenn wir Pokémon in der Wüste passieren."
„Wo wir gerade dabei sind!“, meldete sich Max rasch und Nocrow blickte ihn verdutzt an.
„Seid ihr vielleicht zwei anderen Pokémon begegnet?“
„Ihr seid die ersten sechs Pokémon nach Wochen, denen wir begegnen“, antwortete Nocrow kurz angebunden und legte den Kopf schief: „Sucht ihr Freunde von euch?“
„Eines von denen ist unser Freund“, erklärte Max und achtete nicht darauf, wie Iro kaum merklich die Augen verdrehte. „Wir haben uns verloren, als wir allein in der Wüste unterwegs waren.“
„Was heißt allein?“, fragte Nocrow erstaunt und blickte jeden der sechs Erkunder an. „Ich habe gedacht, ihr seid alle zusammen hierher gekommen?“
„Wir haben uns sozusagen hier in der Wüste bei einer Ruine getroffen“, erklärte Shadow. Das Noktuska blickte ihn neugierig an und Max fragte sich allmählich, ob er sich daran erfreute, so viele andere Pokémon als die anderen Nomaden vor sich zu sehen. Auch glaubte er fast zu spüren, wie Nocrow eine bestimmte Frage auf seinem löchrigen Mund lag: Was habt ihr eigentlich in dieser Wüste zu suchen?
Doch bevor Nocrow tatsächlich eine Frage stellen konnte, drang ein tiefes, langgezogenes Röhren zu ihnen herauf und Max spürte, wie das sanfte durchgehende Beben unter sich nachzulassen begann. Nocrow wirkte hellwach und richtete sich auf: „Wir sind am Siwasser angekommen! Ich nehme an, ihr wollt euch dort etwas erfrischen?“
„Ich nehme an, dir haben wir dieses unvorhergesehene Hindernis zu verdanken?“
„Ich … ähm …“, stammelte Vane sichtlich verlegen, doch das Noktuska beachtete ihn nicht. Es schritt auf eines der riesigen Beine und Max wusste, dass er jenes suchte, dass zuvor Vanes Felsen zerschmettert hatte. Als es dieses Bein endlich fand, untersuchte er es eingehend. Unterdessen bemerkte Max, wie andere Pokémon sich vorsichtig aus dem Loch nach draußen lehnten und erst das Noktuska und dann die anderen beobachteten.
Es war eine bunt zusammengewürfelte Menge und Max zählte ungefähr sieben, wobei er glaubte, dass innerhalb dieser Burg, wie Shadow sie nannte, noch mehr Pokémon sich aufhalten mussten. Das auffälligste Pokémon von ihnen war eine Sandamer, das aufgeregt an dem steinernen Körper eines Rihorns kratzte und auf Max und die anderen deutete.
„Ist ja gut, ich sehe sie ja!“, hörte Max dieses Rihorn genervt aufseufzen.
„Also, wen haben wir denn hier?“, sagte dann das Noktuska laut. Es entfernte sich vom Bein des riesigen Pokémon und trat an die sechs Pokémon heran. Erst aus der Nähe erkannte Max, dass der löchrige Mund sich zu einem Lächeln verzogen hatte, auch wenn dieses etwas grotesk wirkte. Erwartungsvoll blickte es die sechs an, die alle aber zu perplex über diese Szenerie waren.
„Vielleicht würde es helfen, wenn ihr euch vorstellt? Schließlich habt ihr fast dafür gesorgt, dass Cas einen Beinbruch bekommt.“
„Cas?“, wiederholte Max und das Noktuska deutete ungeduldig auf das riesige Krabben-Pokémon.
„Dies hier ist Castiel, und er ist auch unser Zuhause, das ihr beinahe bewegungsunfähig gemacht habt!“
„Wieso, er hat meinen Felsen gut weggesprengt!“, rief Vane entrüstet. Das Noktuska blickte ihn mit seinen gelb glühenden Augen so scharf von der Seite an, dass Vane tatsächlich zusammenzuckte und zurückwich.
„Tut uns leid!“, sagte Max dann sofort. „Wir wussten nicht, dass mit dem Sandsturm ein Pokémon auf uns zugelaufen kam.“
„Wir haben uns nur vor diesem schützen wollen“, setzte Rose nervös an. „Wir wollten verhindern, dass wir fortgewehrt werden …“
„Hm, verstehe …“, sagte das Noktuska langsam und blickte jedem der sechs eindringlich in die Augen. Dann, nach einigen Augenblicken, streckte es Max, der ihm am nächsten war, seine mit Stacheln besetzte Hand hin. Max wusste, dass er die zum Gruß anbot, war aber wenig erpicht darauf, diese Stacheln zu ergreifen. Doch dies schien das Noktuska durchaus wenig zu stören. Es grinste bei Max‘ Zögern noch breiter und ließ dann die Hand zurückfahren.
„Ich mache nur meine Späße!“, lachte er kurz auf und wollte Max auf die Schulter klopfen. Dieser zuckte instinktiv zusammen, worüber sich das Noktuska noch mehr amüsierte. Auch Shadow lachte bei diesem Anblick laut auf. Selbst Max kam ein schwaches zögerliches Lächeln.
„Mein Name ist Nocrow“, stellte sich das Noktuska dann vor. Auch die anderen nannten ihre Namen. Dann verbeugte sich Nocrow andächtig vor ihnen: „Freut mich, eure Bekanntschaft zu machen! Ich bin Leiter der Wüstennomaden. Seid gegrüßt!“
Max wechselte rasche Blicke mit Iro und den anderen.
„Wüstennomaden?“, meldete sich Emil skeptisch. Nocrow sah ihn neugierig an.
„Du bist verwirrt, nehme ich an?“
„Nun … ja“, entgegnete Emil. „Wir dachten die ganze Zeit, dass die Schädelwüste unbewohnt sei und dass sich keine andere Seele außer uns hier befindet…“
„Das liegt daran, dass ihr von außerhalb kommt und noch nicht so mit dem eigentlichen Leben in der Wüste vertraut seid“, entgegnete Nocrow milde lächelnd, warf dann einen Blick nach oben zur Sonne und verengte etwas die Augen.
„Aber hier draußen ist es doch etwas zu heiß, meint ihr nicht? Kommt mit rein, bestimmt seid ihr nach eurer Reise müde!“
Zufrieden mit sich lächelnd wandte er sich um und schritt zu der Zugbrücke. Er scheuchte die anderen Pokémon, die sie neugierig beobachtet hatten, wieder nach drinnen und winkte Max und den anderen zu.
„Ich kann euch sicher hier herausbringen, wenn ihr das wünscht. Aber das ist eure Entscheidung! In einer Minute schließt sich das Tor!“, rief er sachlich Pokémon zu. Max und die anderen blickten sich an und als dann Iros Magen vernehmlich knurrte, beeilten sie sich damit, die Zugbrücke raufzulaufen. Es war eigentlich verrückt, einem fremden Pokémon so zu vertrauen. Doch überall war es besser als draußen in der Schädelwüste unterwegs zu sein
Unter lautem Rattern und Klirren wurde dieser wieder hochgefahren und ein Beben kündigte wenige Augenblicke später an, dass sich Castiel wieder in Bewegung setzte.
Nocrow hatte auf sie inmitten einer kleinen Halle gewartet, in deren Wänden kleine Adern an Gestein leuchteten. Max fühlte sich, als wäre er in eine Mine getreten, in der Pokémon nach Gold und anderen Edelsteinen schürften. Nocrow entging der faszinierte Blick nicht; generell wirkten seine Augen, die nicht ein einziges Mal blinzelten, so, als würde ihnen rein gar nichts entgehen.
„Leuchtsteine“, beantwortete er Max‘ unausgesprochene Frage, als dieser die leuchtenden Adern genauer betrachtete. „Castellith, also die Pokémon-Art von Cas, haben alle verschiedene Erze in sich. Es wäre immer wieder eine Überraschung, welches Erz ein solches Castellith in sich verbirgt.“
„Und es wird abgebaut?“, fragte Iro, der sich skeptisch und verblüfft zugleich umsah.
„An sich nur, wenn ein Castellith das Ende seines Lebens erreicht hat. Davor gilt es als Unverschämtheit, ein noch lebendes entsprechend auszubeuten.“
„Aber…“, wandte Rose und ihr Blick glitt nach oben. Auch Max erkannte, dass Treppen von grober Hand in das Gestein gemeißelt waren und dass auch Nägel und allerlei in dieses geschlagen wurden. Nocrow lächelte, als sie sich ihm wieder zuwandten.
„Cas ist da eine Ausnahme, aber die Geschichte kann ich euch gleich erzählen. Kommt mit nach oben. Ach, Pan?“, und mit dem Namen wandte sich Nocrow an das Sandamer, das Max zuvor bemerkt hatte. Aufgeregt trat dieses herbei und seine braunen Stacheln richteten sich steif von seinem Körper ab.
„Wärst du so gut, und bringst du ein paar Erfrischungen zu uns hoch?“
„Nocrow …“, sagte Pan nun wenig begeistert. Ihre Stacheln sanken wieder nach unten. „Ich mag es nicht, in ihr Zimmer zu gehen. Immer will sie mir den Streich spielen, wo sie mich in ihrem Kühlschrank konservieren will.“
„Sie weiß genauso, dass sie mit mir Ärger bekommt, wenn sie das tatsächlich wagt. Ich bitte dich darum, ja?“
„Ich … na gut!“, sagte Pan nicht wirklich überzeugt. Sie warf den Neuankömmlingen einen Blick zu, als wäre das nur deren Schuld, und stapfte vorsichtig die steinerne Wendeltreppe zu einer Ebene hoch. Dort angekommen rollte sie sich zusammen und verschwand in einem Loch in der Wand.
„Nimmt es euch nicht so zu Herzen“, erklärte Nocrow ihnen lächelnd, als er Max‘ und Iros besorte Miene sah.
„Motor nutzt es als Rotom gern aus, dass sie ihre Form verändern kann. Meistens aber ist sie als eine Art kühlender Schrank sehr hilfreich, und das weiß sie auch gut gegen uns einzusetzen!“
Er lachte herzlich auf, räusperte sich und winkte die sechs Pokémon zu sich heran: „Folgt mir! Doch passt auf mit den Stufen. Da Cas sich bewegt, kann es manchmal was wacklig sein!“
„Aber eines finde ich immer noch seltsam“, sagte Emil, der hinter allen anderen herging und genauso die Höhe des Raumes betrachtete. Es war als stünden sie in einem kleinem Turm. Die Treppe beschrieb im Gesamten eine Spirale, hier und da mündete sie aber in eine kleine Fläche mit einem Felsen, in die eine Tür eingelassen war.
„Wie kann ein Castellith derartig groß werden, dass eine Hand voll an Pokémon, in diese hineinpasst?“, staunte Emil nicht wenig beeindruckt über diese Geräumigkeit. „Für gewöhnlich werden sie nicht mal zwei Meter hoch, oder?“
„All das und mehr, dazu komme ich später“, sagte Nocrow ruhig, der nun weiter oben eine schmalere und steilere Treppe nahm, die bis zur Decke führte und an einer hölzernen Falltür endete. Diese stieß er auf und helles Sonnenlicht drang durch die Decke herein.
„Kommt“, sagte er munter und einer nach dem anderen traten die sechs Pokémon durch die Tür.
Warme Luft, die aber nicht mehr so heiß wie weiter unten wirkte, empfing sie und Max sah sich um. Sie standen auf einer kahlen kleinen fast quadratischen Steinfläche, die auch an manchen Stellen von Venen an Leuchtsteinen durchzogen waren. Über den Rand dieser Fläche hinweg konnte Max die Weiten der Schädelwüste erkennen. Ein nahezu endloses Mehr an rissigem gelblichem Steinboden, der sich träge zu bewegen schien. Doch an dem sanften Beben unter seinen Füßen wusste Max, dass es jenes Castellith namens Cas war. Vorsichtig trat er an den Rand blickte nach unten. Obwohl ihn dieser Anblick mulmig war, so war er doch erstaunt. Die langen und dicken Beine von Cas hoben sich und stießen herab im Takt und von weiter vorn sah Max, wie eine große Staubwolke aufgewirbelt wurde, die die ganze Frontseite des Castellith umfasste. So hatte es gewiss den Anschein, als würde ein riesiger Sandsturm auf jemanden zukommen.
„Der Wahnsinn…“, hörte Max Shadow kaum durch das Brausen der schweren Schritte sagen. Max trat vom Rand weg und trat wieder zu den anderen.
„Bitte setzt euch“, rief Nocrow und wies auf eine kleine Einbuchtung inmitten der Felsfläche. Zögerlich und gegen das Wackeln von Cas setzten sie sich hin. Max hörte ein Knarren. Die Sandamer namens Pan trat zu ihnen und ihren Klauen hielt sie eine große Feldflasche sowie kleine Holzbecher, die sie ihnen reichte.
„Vielen Dank, Pan“, sagte Nocrow mit einem Lächeln. „War Motor nett zu dir?“
„Hmpf“, sagte sie mürrisch. Wasser tropfte von den Spitzen ihrer Stacheln herunter. Nocrows Grinsen wurde noch vergnügter.
„Sie hat dich wenigstens nicht ganz eingefroren“, zwinkerte er der Sandamer zu. „Willst du nicht was zu uns setzen?“
„Es ist ziemlich eng“, entgegnete Pan mit Blick auf den recht ausgefülltem Kreis. „Am besten, die anderen lernen sie erst kennen, wenn wir unseren Halt erreicht haben.“
„Halt?“, fragte Rose verwirrt. Nocrow lächelte nun ihr zu: „Denkst du, wir alle würden rein ziellos durch diese Einöde waten? Man sollte für dieses Gebiet schon einen Plan haben, wohin man will, bevor man sich verläuft.“
„Und was habt ihr … wie nanntet ihr euch? … Wüstennomaden hier zu tun?“, fragte Emil scharf. Er betrachtete eingehend das Gestein um sich herum und fuhr dann fort: „Es hat ganz den Anschein, als könntet ihr jederzeit diesen Ort verlassen…“
„Das könnten wir durchaus …“, nippte Nocrow gelassen an seinem Drink. Als Max seinen Becker an den Mund fuhr, spürte er eine eiskalte Flüssigkeit seine Zunge benetzen. Sie schmeckte wie eisgekühltes Obstwasser.
„Wenn wir dies aber tun würden“, fuhr Nocrow fort, „wer würde dann Pokémon wie euch aufgabeln?“
„Heißt das also…“, schloss Rose dann direkt. „Ihr rettet Pokémon aus der Schädelwüste?“
„Seid ihr alle Erkunder?“, antwortete Nocrow ihr und Rose stutzte. Sie blickte zu Shadow, Emil und Vane. Doch Shadow nickte direkt: „Sozusagen, ja …“, und er warf Max und Iro einen flüchtigen Blick zu. Nocrow aber schien diese Antwort zu genügen: „Dann hattet ihr bestimmt einen Grund hierher zu kommen, musstet aber dann recht früh einsehen, dass ihr die Schädelwüste schnell unterschätzt habt, nicht wahr?“
Nur Max und Iro warfen sich betroffene Blicke zu, während Shadow und die anderen recht entspannt dreinblickten. Nocrows gelbe Augen huschten zu ihnen hinüber.
„Ich sehe“, sagte er, nachdem er sich Max und Iro genau angesehen hatte, „ihr seht eindeutig aus, dass ihr beinahe es nicht überstanden habt … was war es bei euch?“
„Wie meinen?“, fragte Max perplex.
„Was euch gerettet hat. War es vielleicht ein Sandsturm, der euch zu einer der beiden Ruinen gebracht habt?“
„Woher-?“, wollte Iro verdutzt wissen, doch Nocrow kicherte.
„Bei mir, Pan und ein paar anderen war es genauso. Wir hatten enorme Schwierigkeiten mit der Hitze und wussten nicht, wie wir hier rauskommen sollten. Dann aber hat uns ein Sandsturm zu einer Ruine gebracht und wir konnten einen sicheren Ort finden.“
„Aber ihr seid doch … ich meine, dieses Castellith … Cas …“, stammelte Vane verwirrt. Nocrow warf ihm einen erstaunten Blick zu, während er sich mit einem seiner Kaktusarme am Kopf kratzte.
„Habt ihr in eurer Heimat nicht davon gehört, dass sieben Erkundungsteams in die Wüste gegangen waren und nur zwei Pokémon je zurückgekehrt sind?“
„General Stahlard und Axel?“, fragte Max sofort. Nicht nur Nocrow warf ihm einen erstaunten Blick zu, sondern auch Shadow.
„Sieh an, Stahlard ist General geworden?“, sagte Noktuska.
„Max, du kennst den General?“, rief Shadow fast erschrocken. Max wandte sich an Shadow: „Ist das so besonders? Viele kennen ihn doch …“
„Er hat sich also wirklich einen Namen gemacht. Ganz wie er es immer wieder angekündigt hatte ...“, sagte Nocrow und grinste, als würde er sich rührselig an eine vergangene Zeit erinnern. Dann aber blickte er wieder auf: „Aber genau, diese beiden meine ich. Zwei junge Burschen, die ebenso die Herausforderung unterschätzt hatten, wie jene, die vor ihnen kamen.“
„Aber sie haben es überlebt“, entgegnete Iro und ballte seine linke Faust. „Die anderen sechs Teams haben es nicht herausgeschafft und sind umgekommen…“
„Ach, ist das so?“, entgegnete Nocrow in einem Ton, der keineswegs besorgt war. Auf die verdutzten Blicke der anderen grinste er und trank erneut aus seinem Becher: „Nur weil diese sechs nie herausgekommen sind, heißt das nicht, dass sie tot sind. Tatsächlich leben sie alle … und zwar hier!“
„Du meinst, in Cas?“, hauchte Rose ehrfürchtig. Nocrows Blick verfinsterte sich.
„Ich muss mich korrigieren, nur fünf haben es damals überstanden. Bei dem sechsten Team kamen wir zu spät … und um deine Frage zu beantworten, Rose: Ja, wir retten Pokémon aus der Schädelwüste und eskortieren sie aus dieser hinaus, sofern sie nicht eine Weile bei uns bleiben und die Schädelwüste von Cas aus kennenlernen wollen. Bisher aber - mit Ausnahme von Stahlard und Axel - wollten alle bleiben, nachdem sie sich an das Leben hier gewöhnt haben, aber der Platz reicht nicht aus, um weitere sechs dauerhaft aufzunehmen …“
Nocrow sah bestürzt aus und sein Blick wirkte entschuldigend. „Trotz aller Hilfsbereitschaft sind unsere Ressourcen beschränkt und wir steuern nur einmal die Woche eine Oase an, um die Vorräte aufzufüllen.“
„Oase?!“, rief Vane begierig. Nocrow nickte.
„Da sonst kaum Pokémon von außerhalb der Schädelwüste hierher kommen, haben wir uns sehr gut mit dem Öko-System hier arrangiert. Es gibt so um die sechs Oasen hier, doch diese allein zu erreichen ist ein schwieriges Unterfangen. Ihr wisst ja, wie tückisch diese Sandstürme sein können …“
„Oh ja …“, entgegneten die sechs Erkunder einstimmig. Max fand es immer weniger seltsam, auch Shadow und die anderen als solche zu bezeichnen. Doch nachdem er Nocrow zugehört hatte, fiel ihm etwas ein. Doch bevor er seinem Gedanken länger nachhängen konnte, meldete sich Iro zu Wort:
„Wieso haben die beiden uns nicht gesagt, dass ihr hier unterwegs seid? Uns haben sie davon abgeraten, in die Schädelwüste zu gehen. Sie haben es uns nicht wirklich zutrauen!“, und erbost schlug er mit der Faust auf den Boden. Nocrow blickte ihn eine Weile fasziniert an, bis er antwortete:
„Wie du bestimmt jetzt von hier oben sehen kannst, ist die Schädelwüste ein sehr großes Gebiet der Trockenzone. Und obwohl Cas gigantisch für seine Art, ist er von hoch oben betrachtet nur ein kleiner Fleck … Wenn Pokémon anfangen würden, motivierter Erkundungstouren in die Schädelwüste zu unternehmen und dabei hoffen, uns über dem Weg zu laufen … Was meinst du, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist?“
„Die dürfte nicht gerade groß sein, wenn man bedenkt dass die Sandstürme einen an einen anderen Ort bringen“, antwortete Rose nachdenklich. Nocrow nickte.
„Es ist besser, wenn die Schädelwüste im Hören-Sagen weiter als solch ein gefährlicher Ort bestehen bleibt. Denn sie ist es nachwievor und man sollte sie in keinem Fall unterschätzen! Uns zu begegnen zeugt von enormen Glück; andere werden nicht so viel Glück wie ihr haben. Ich habe euch ja gesagt, dass von den sieben Erkundungsteam einzig das sechste es nicht überlebt hat. Stahlard und Axel haben wir darum gebeten, nichts von uns Wüstennomaden zu erzählen. Es würde nur falsche Hoffnungen in angehende Reisen erwecken und ich will nicht nochmal Leichname in der Wüste bergen …“
„Es hatte aber nicht gerade den Anschein, als hättet ihr uns mitnehmen wollen …“, warf Shadow ein. Wir wären ja fast von eurem Cas überrannt worden, wenn wir nicht rechtzeitig zur Seite gesprungen wären.“
„Das stimmt. Selbst uns über dem Weg zu laufen ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Noch ein Grund also, weswegen nicht allzu viele Pokémon hier unterwegs sein sollten. Aber wir hätten euch nicht übersehen, wenn du darauf hinauswolltest. In Cas haben wir ein wachsames Auge, das mir mitteilt, wenn wir Pokémon in der Wüste passieren."
„Wo wir gerade dabei sind!“, meldete sich Max rasch und Nocrow blickte ihn verdutzt an.
„Seid ihr vielleicht zwei anderen Pokémon begegnet?“
„Ihr seid die ersten sechs Pokémon nach Wochen, denen wir begegnen“, antwortete Nocrow kurz angebunden und legte den Kopf schief: „Sucht ihr Freunde von euch?“
„Eines von denen ist unser Freund“, erklärte Max und achtete nicht darauf, wie Iro kaum merklich die Augen verdrehte. „Wir haben uns verloren, als wir allein in der Wüste unterwegs waren.“
„Was heißt allein?“, fragte Nocrow erstaunt und blickte jeden der sechs Erkunder an. „Ich habe gedacht, ihr seid alle zusammen hierher gekommen?“
„Wir haben uns sozusagen hier in der Wüste bei einer Ruine getroffen“, erklärte Shadow. Das Noktuska blickte ihn neugierig an und Max fragte sich allmählich, ob er sich daran erfreute, so viele andere Pokémon als die anderen Nomaden vor sich zu sehen. Auch glaubte er fast zu spüren, wie Nocrow eine bestimmte Frage auf seinem löchrigen Mund lag: Was habt ihr eigentlich in dieser Wüste zu suchen?
Doch bevor Nocrow tatsächlich eine Frage stellen konnte, drang ein tiefes, langgezogenes Röhren zu ihnen herauf und Max spürte, wie das sanfte durchgehende Beben unter sich nachzulassen begann. Nocrow wirkte hellwach und richtete sich auf: „Wir sind am Siwasser angekommen! Ich nehme an, ihr wollt euch dort etwas erfrischen?“