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Marmeladencroissants

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Frieda Goldmann Wilhelm Blödorn / Willi
10.11.2020
10.11.2020
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3.097
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10.11.2020 3.097
 

Hey!
Ich hab letzt zum Einschlafen mal wieder Die Wilden Hühner gehört und auch wenn ich viel des letzten Films nicht mochte, haben Frieda und Willi für mich immer Sinn gemacht. Deshalb habe ich hier einen kleinen OneShot über die beiden geschrieben.
Wenns euch gefällt lasst mir gerne ein Favo oder ein Review oder so da :)

Viel Spaß!



Marmeladencroissants

You fill my head with pieces of a song I can’t get out
- Bloom, The Paper Kites



Es war einer dieser Tage, an denen ihr Kopf einfach zu voll war. Frieda lag auf ihrem Bett und sie wusste nicht wie sie zwischen den tausend Gedanken, die in ihrem Kopf herumschwirrten den Tag überstehen sollte. Sie fühlte sich nicht einmal dazu in der Lage aufzustehen und zu duschen. Ihr Kopf dröhnte so qualvoll, dass sie glaubte er würde explodieren, wenn sie ihn zu schnell bewegte. Wie sollte sie da ihrem Vater gegenübertreten? Der heute auf gute, heile Welt tat und sie alle zum Essen einlud.
Allein bei dem Gedanken an Essen wurde ihr so unglaublich schlecht, dass sie nicht glaubte auch nur einen Bissen herunter zu bekommen. Vielleicht konnte sie einfach im Bett liegen bleiben. Die Zimmertür abschließen, ihre Decke über ihren Kopf ziehen und darauf warten, dass es wieder dunkel wurde und sie wieder schlafen konnte.
Drei Wochen waren seit dem Ende der Klassenfahrt vergangen und doch hatte Frieda das Gefühl gehabt sie hatte seit dem noch keine ruhige Minute gehabt, um die Geschehnisse zu verarbeiten.
Neben der dem Betrug ihres Vaters gab es  noch so viel, dass in Friedas Kopf herumschwirrte. Melanie, die Schwangerschaft von Sprotte Mutter, Sprotte und Fred, Willi und sie selbst, Willis Vater. Die Liste war so lang, dass sie manchmal nicht einmal wusste, ob sie die Sachen schon aufgezählt hatte oder nicht. Sie erschien ihr so endlos zu sein, dass sie nicht wusste, wie sie das alles schaffen sollte.
Der Signalton ihres Handys riss sie aus der Gedankenspirale, die sich gebildet hatte. Doch am liebsten wollte sie einfach nicht rangehen. Nicht sehen wer etwas von ihr wollte. Einfach ihren Kopf unter dem Kissen vergraben und so tun als hätte sie das nicht gehört. Sich vor der Welt verstecken. Aber das erneute piepen ihres Handys ließ sie doch blind auf ihren Nachttisch greifen. Es lag dort, neben dem Buch, das sie gestern versucht hatte zu lesen. Doch sie war nicht über eine Seite hinaus gekommen, weil die Wörter vor ihr einfach keinen Sinn ergeben wollten.
Das grelle Licht, das ihr das Display entgegen starrte, ließ sie die Augen zusammenkneifen. Es verstärkte ihre Kopfschmerzen nur. Ein weiterer Grund es einfach wieder in die Ecke zu schmeißen und ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken.
Stattdessen, klickte sie auf ihre Nachrichten und das freundlich lächelnde Gesicht von Sprotte grinste ihr entgegen. ‚Mein Vater kommt morgen nach Hause. Wollen wir uns heute beim Wohnwagen treffen? Halte meine Mutter keine Sekunde länger aus.‘
Frieda wusste, dass Sprottes Mama ein wenig durchdrehte seit sie schwanger war. Ihr Vater wusste das auch immer noch nicht. Ihr entwich ein kleiner Seufzer, für den Frieda sich, obwohl niemand sie gehört hatte, ein wenig schämte. Ihre beste Freundin hatte Probleme und sie war nicht für sie da.
Seit sie die wilden Hühner aufgelöst hatten, hatte sich an ihrer Freundschaft nicht viel geändert. Lediglich die Male an denen sie sich zu fünft am Wohnwagen trafen, waren deutlich weniger geworden. Melanie hatte Frieda seit der Klassenfahrt beispielsweise nicht oft gesehen. Doch sie wusste, dass sie es nicht böse meinte. Für sie musste es hart sein zu wissen, dass Frieda jetzt mit Willi zusammen war, den Melanie so lange geliebt hatte. Ob sie es jetzt noch tat, wusste Frieda nicht. Aber sie konnte es sich vorstellen. Selbst wenn es zwischen den beiden schon länger nicht mehr funktioniert hatte. Liebe verflog nicht von einem Tag auf den andern.
Aber war Frieda überhaupt wirklich mit Willi zusammen? Sie wollte es sein. In den letzten Wochen hatten sie sich mehrfach getroffen und auch viel rumgeknutscht. Doch nie mehr als das. Oder weniger als das. Ganz tief in ihrem inneren, war sie ein wenig unsicher und sie hasste sich dafür, weil sie wusste, dass Willi das alles schon einmal mit Melanie gemacht hatte. Und sie nicht. Auf der anderen Seite redeten sie auch nicht. Meistens trafen sie sich und mir nichts dir nichts waren sie mehr dabei zu knutschen anstatt zu reden und sich kennen zu lernen. Nicht, dass Frieda es schlimm fand zu knutschen, doch das war eben nur eine Komponente einer Beziehung.
Die zweite Nachricht auf ihrem Handydisplay war von Will und normalerweise hätte sie gewartet, bis ihr Herz versichernd schneller anfing zu schlagen, aber heute tat sie das nicht. Sie stockte nur kurz, weil sie ihm gestern Abend nicht mehr auf seine Nachrichten geantwortet hatte. Dann tippte sie auf die Nachricht und ihr schlechtes Gewissen nagte an ihrem inneren, als wollte es sie komplett aufessen. Sie überflog die Nachricht, doch ihr Gehirn konnte es nicht in sich aufnehmen. Mehrfach probierte sie die Wörter in sich aufzunehmen und einen Sinn aus ihnen zu ziehen. Vielleicht verstand sie es nicht, weil sie erwartet hatte, dass er sauer war. Vielleicht auch, weil in ihrem Kopf so viele unterschiedliche Sachen herumschwirrten in diesem Moment, dass sie sich nicht auf eine weitere konzentrieren konnte.
„Ich komme vorbei.“ Sie schaute auf die Uhr. Es war bereits elf und auch schon ein wenig her, dass Willi die Nachricht geschickt hatte. Am liebsten wollte sie ihm schreiben, dass er nicht kommen sollte. Dass sie zu tun hatte. Dass sie gerade einfach nicht konnte.
Doch Frieda tat es nicht.
Stattdessen sah sie in den Spiegel, der an ihrem Schrank hing. Ihre Haare lagen überall nur da nicht, wo sie hingehörten und sie sah so müde aus, dass sie gar nicht mehr wusste wo ihre Augenringe aufhörten. Der Smilie auf ihrem Schlafanzugsoberteil, ein altes T-Shirt von Titus, lächelte ihr strahlend entgegen. Frieda seufzte. Wenn Willi vorbeikam, würde sie sich anziehen müssen und fertig machen müssen. Und die Zähne putzen.
Obwohl beide Sachen ihr so unglaublich anstrengend vorkamen, stieg sie aus ihrem Bett und öffnete den Schrank. Frieda war es nie egal, was sie trug. Es sollte schon immer ein wenig zusammen passen. Sie achtete nicht so sehr darauf wie Melanie oder auch Trude, aber dennoch machte sie sich Gedanken über ihr Outfit. Aber nicht heute.
Heute griff sie nach der Hose und dem Oberteil, die oben auf dem Stapel lagen. Sie kämmte sich die Haare und gerade, als Frieda ins Bad gehen wollte und die Zähne putzen wollte, öffnete Titus die Tür zu ihrem Zimmer. Ohne zu klopfen. Wie immer.
„Du hast Besuch.“, sagte er und schien genauso verwirrt zu sein wie Frieda selbst. Normalerweise schrieb Willi ihr, wenn er bei ihrem Haus war, damit sie ihm die Tür öffnen konnte und er wenn möglich keinem ihrer Familie begegnen würde. Einmal hatte sie ihn sogar reingeschmuggelt ohne dass ihre Eltern wussten, dass er da war.
Aber hinter Titus stand Willi, die Hände in den Hosentaschen, sie mit seinem typischen zahnlosen Willigrinsen angrinsend und Frieda wusste nicht, ob sie sauer oder erstaunt sein sollte.
Hingegen ihrer Erwartungen ließ Titus keinen dummen Spruch ab, sondern verließ ihr Zimmer einfach wieder und so waren Willi und sie Sekunden später allein.
Innerlich wollte Frieda sich  ärgern, dass sie ihre Augenringe nicht mehr überschminken konnte oder sich die Zähne putzen konnte. Aber war das nicht eigentlich völlig egal?
„Hey!“, sagte Willi zögerlich, während sie sich zurück auf ihr ungemachtes Bett setzte. Sie merkte  wie Willi sie musterte, aber sie traute sich nicht ihn ebenfalls anzuschauen. „Du hast nicht geantwortet.“, nun sah sie doch zu ihm hoch. Sie hatte erwartet, dass er sauer war oder es ihm einfach komplett gleichgültig war, aber nichts von beidem schien der Fall zu sein. Stattdessen konnte Frieda, die normalerweise außerordentlich gut darin war Menschen zu lesen, überhaupt nichts aus seiner Miene erkennen.
Sie antwortete nicht.
„Ich hab dir zwei Marmeladencrossaints mitgebracht.“, er hielt eine Bäckertüte in die Höhe, die ihr bisher noch gar nicht aufgefallen war. Sie runzelte die Stirn. Das waren ihre liebsten. „Sprotte hat gemeint du magst die.“, Willi setzte sich neben sie aufs Bett und hielt ihr die Tüte hin. Frieda, die eigentlich gar keinen Hunger hatte, griff trotzdem nach ihr, in der Hoffnung sich nicht erklären zu müssen, während sie aß.
Das Croissant schmeckte nach Erdbeeren und Vertrautheit, weil sie es sich schon so oft hatte schmecken lassen, dass Frieda das Gefühl hatte, es wäre das einzig Bekannte in ihrem Leben.
„Ist alles ok?“, fragte Willi, nachdem sie eine Weile das Schweigen genossen hatten und sie antwortete wieder nicht. Aber nicht, weil sie nicht mit ihm reden wollte, sondern weil sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte. Also schwiegen sie wieder und Frieda kam sich abscheulich vor ihm nicht zu antworten. Ihn so in der Schwebe hängen zu lassen.
Bis sie ihr Croissant aufgegessen hatte, sprach keiner ein Wort. Erst dann setzte Willi sich seitlich aufs Bett und beobachtete sie von der Seite. „Ich glaube du musst mal an die frische Luft.“, auf einmal schien Willi voller Tatendrang zu sein, sprang von ihrem Bett auf und griff nach ihrer Hand um sie ebenfalls hochzuziehen. „Wir gehen jetzt so lange bis du mir sagst was los ist.“, Willi griff nach ihrem Schlüssel, der auf ihrem Schreibtisch lag und sah Frieda erwartungsvoll an, die nur fassungslos zurück starrte.
So voller Tatendrang hatte sie ihn selten gesehen. Das letzte Mal auf der Klassenfahrt, als sie diesen unfassbar dummen Streich geplant hatten. Gerade deshalb beschloss sie ihm keine Widerworte zu geben, obwohl sie überhaupt keine Lust hatte irgendwohin zu laufen. Wortlos gingen sie die Treppe runter und Frieda war unglaublich erleichtert, dass ihre Mutter einkaufen war und ihr Vater bei der Arbeit. Luki war im Kindergarten und Titus spielte vermutlich in seinem Zimmer irgendein Videospiel. So konnten sie einfach überhaupt niemandem begegnen und Frieda musste sich auch nicht abmelden.
Es war warm wie es sich für Sommer gehörte und die Sonne prallte auf die Erde nieder. Noch war es angenehm, doch schon bald würden sie schwitzen.
Dies Bewahrheitete sich. Denn eine Weile liefen sie einfach durch die Gegend und Frieda konnte nicht mal sagen wohin sie liefen. Aber ihr wurde so unerträglich warm, dass sie sich gewünscht hätte am Morgen doch mehr auf ihre Outfitwahl zu achten. Ab und an erzählte Willi ihr irgendetwas, davon, dass ihn meistens Fußball von seinen Problemen ablenkte. Oder aber Joggen. Deshalb war er mit Frieda spazieren gegangen. Auch andere Dinge erzählte Willi ihr und obwohl das genau das war, was sie sich eigentlich gewünscht hatte, hörte sie ihm die meiste Zeit nicht zu. Denn zum ersten Mal seit langem schienen ihre Gedanken sich ein wenig ordnen zu können. Als wäre dieser Spaziergang wirklich alles, was sie gebraucht hätte. Irgendwann, nachdem er aufgehört hatte zu reden, ergriff er vorsichtig Friedas Hand, um ihr zu zeigen, dass er für sie da war und sie musste bei der Geste sogar ein wenig Lächeln. Sie kamen am Wohnwagen vorbei und auch das Baumhaus hatten sie einmal umrundet.
Und als sie auf einer Lichtung stehen geblieben waren, ergriff Frieda dann doch das Wort. Denn sie hatte irgendwo einmal gelesen - oder vielleicht hatte Sprotte ihr mal erzählt das ihre Oma das sagte, das wusste sie nicht - das Probleme wie Pakete waren. Man musste eins nach dem anderen öffnen, nicht alle auf einmal.
„Vergleichst du mich manchmal mit Melanie?“, sagte sie und bereute es eigentlich sofort, als sie Willis entgeistertes Gesicht sah. „Ich meine das machen Menschen doch ganz automatisch.“ Es war mehr eine genuschelte Erklärung für ihre Frage. Doch sie glaubte nicht, dass sie die Frage wieder gut machte.
Diesmal war es Willi, der schwieg und damit Frieda ein noch schlechteres Gefühl für ihre Frage gab.  Er hatte sogar ihre Hand losgelassen. Sie wollte noch etwas sagen und sich noch weiter erklären, war sie doch sonst so gut darin, sich zu artikulieren, fühlte sie sich gerade als hätte sie noch nie ein Wort gesprochen. Es sei denn ein Gespräch geführt.
„Ich hab mit Fred darüber geredet, weil ich bin ja nicht so gut in so was.“, seine Stimme klang kratzig, als hätte er schon lange nicht mehr geredet und er gestikulierte mit den Händen zwischen ihnen hin und her. Er war nervös. „Und er hat gemeint, dann soll ich dir das vielleicht anders zeigen. Also wollte ich dir eigentlich ein Lied schreiben. Aber das ist wirklich eher Steves Ding. Dann dachte ich, vielleicht könnte ich dir ja was malen.“, er blubberte nervös vor sich hin und Frieda musste lächeln. Flink wie ein Fuchs drückte sie ihm für den Hauch einer Sekunde einen Kuss auf die Lippen. Doch so schnell wie sie entschieden hatte ihn zu küssen, löste sie sich auch wieder von ihm.
„Du brauchst mir nicht sagen, dass du mich magst.“, sie lächelte ihn an und es war so komisch, aber es kam Frieda so vor, als wäre alles andere wie weggewischt. Als wäre Melanie nicht wichtig, Oder ihre Eltern. Oder Sprotte und ihre Mama. Oder Willis Vater. Gerade zählte nur Willi. „Du hast mir heute schon oft genug gezeigt, dass du mich magst.“, erklärte sie ihm und wieder sah er sie nur unverständlich an.
Es war, als hätte er zumindest ein kleines Problem komplett von allein gelöst. Und sie hatte es gerade erst bemerkt.  
„Du bist vorbei gekommen, weil ich dir nicht geantwortet habe und du dir Sorgen gemacht hast. Ich hätte einfach beschäftigt gewesen sein können. Oder mein Akku wär leer gewesen. Aber du hast dir so viele Sorgen gemacht, dass du dachtest du musst noch vorbei kommen. Und du hast Sprotte gefragt, was mein liebstes Frühstück ist, weil du mich glücklich machen wolltest. Und gemerkt, dass es mir nicht gut ging, obwohl ich dir nicht mal was gesagt habe.“
Diesmal war es Willi der Frieda küsste, weil sie ihn mit ihren Worten gerade so glücklich gemacht hatte, dass er nicht anders konnte. Er fühlte sich als wäre das sein erster Kuss und er wusste überhaupt nicht was er tun sollte. So aufgeregt war er gerade.
Doch auch dieser Kuss hielt nicht lange. Denn schnell löste sich Frieda wieder von ihm, obwohl alles in ihr kribbelte und tausend Feuerwerke in ihrem Körper entfacht waren und sie nichts weiter wollte, als ihre Lippen erneut miteinander zu verbinden. Sie lehnte seine Stirn an seine und seine Hände wanderten über ihren Rücken nach oben zu ihrem Kopf, während ihre auf seinen Wangen ruhten.
All das schlechte, was in ihrem Kopf war, hatte sie in eine kleine Schublade gepackt und beschlossen sich damit wann anders zu beschäftigen. Vielleicht würde sie direkt morgen mit ihrer Mutter sprechen. Vielleicht würde sie heute Abend einfach gar nicht zu dem Essen mit ihrem Vater kommen. Das kam ihr alles vor wie in so ferner Zukunft, dass sie da noch gar nicht drüber nachdenken brauchte.
„Du schmeckst nach Marmelade.“, murmelte Willi gegen ihren Lippen. Vorsichtig, als würde er zerbrechen, wenn sie ihn zu fest drückte, strich sie mit ihren Fingen in seinen Nacken und tanzte über diesen. Bis er kurz zusammen zuckte.
„Was ist?“, fragte Frieda und ihre Stimme war nur ein wenig zu laut dafür, dass sie nur ganz casual nachfragen wollte. Vorsichtig fuhr sie erneut über die Stelle bei der er zusammengezuckt hatte. Doch sie spürte unter ihren Fingern nichts ungewöhnliches.
„Nichts.“, antwortete Willi. Aber Frieda wusste, dass das gelogen war. Sie stellte sich auf Zehenspitzen, merkte wie Willi sie davon abhalten wollte nachzuschauen, indem er sanfte Küsse auf ihrem Hals platzierte. Doch dies gab ihr nur besseren Einblick auf seinen Nacken. Dort erkannte sie leichte blaue Flecken. Genau in dem Abstand von zwei Fingern, die sich dort hinein gebohrt haben mussten. Alarmiert wich Frieda zurück.
„War das dein Vater?“, fragte sie und bemühte sich Ruhe in ihrer Stimme zu bewahren.
„Nein, ich bin einfach hängen geblieben.“, seine Antwort kam etwas zu schnell, als das man glauben könnte dass es wahr wäre. Frieda zog die Augenbrauen hoch und griff nach seiner Hand.
„Ja. Er ist gestern ein bisschen ausgerastet.“, gab Willi es schließlich nach einer Weile unter ihrem bohrenden Blick zu.
Wieder machte sich ihr schlechtes Gewissen in ihrem Magen breit. Wäre sie an ihr Handy gegangen, hätte sie Willi vielleicht zumindest für den Abend von seinem Vater Fernhalten können und dann hätte er jetzt keine blauen Flecken im Nacken. Sie biss sich auf die Unterlippe und ihre braunen Augen bohrten sich in seine blauen.
„Wir kriegen das gemeinsam hin. Wir werden einfach gemeinsam mit ihm reden. Du musst da nämlich unbedingt raus.“, sagte sie, als wollte sie sich damit Entschuldigen nicht für ihn da gewesen zu sein. Willi verringerte den Abstand zwischen ihnen und gab ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen. Aber wieder war er kurz und unschuldig, als hätten sie sich zuvor noch nie geküsst. So anders als ihre bisherigen Küsse. Erschöpft von der Welt und allem außer Willi legte sie ihren Kopf gegen seine Brust. Einfach froh bei ihm zu sein.
Eine Weile standen sie dort und Stille schien ihr freundlicher Begleiter an diesem Tag zu sein. Sie wirkte nicht erdrückend. Es mussten einfach gerade keine weiteren Worte gesagt werden. Dachte zumindest Frieda.
„Frieda?“, fragte Willi in das Schweigen hinein.
„Ja.“, ihre Stimme war leise, als wollte sie, dass er auch wieder still war und das Schweigen nicht unterbrach.
„Du weißt, dass du die Welt nicht allein retten musst?“, nun sah Frieda zu ihm hoch, die Stirn gerunzelt, so dass sich kleine Fältchen zwischen ihren Augen bildeten.
„Ich-“, fing sie an ohne zu Wissen wie sie den Satz beenden wollte.
„Ich kann dir auch helfen. Wir können auch gemeinsam mit deiner Mama rede. Oder deinem Vater. Oder was auch immer noch alles in deinem Kopf herumschwirrt.“, all diese Sachen waren ihr in diesem Moment egal. Denn gerade hatte er genau das gesagt, was Frieda hören musste. Und das obwohl Willi nicht gut mit Worten war.  
Denn das nächste Mal wen ihr Kopf zu voll war, hatte sie sicher einen Menschen mehr auf der Kontaktliste der Leute, die immer viel zu kurz zu sein schien. Auch wenn sie glaubte, es schon vorher gewusst zu haben, war es wichtig es noch einmal aus seinem Mund zu hören.
Frieda griff nach seiner Hand und deutete ihm wortlos an ihr zu folgen. Sie wollte noch nicht nach Hause gehen. Sondern weiter mit Willi laufen. So weit bis sie all das über ihn wusste, was ihr in den Sinn kam. Oder auch das, was ihr nicht in den Sinn kam.
„Du weißt ja jetzt schon, dass Marmeladencroissants mein liebstes Frühstück sind. Was ist deins?“
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