„Hey Partner? Bist du…bist du okay?“
Besorgt blickt G seinen Partner an. Seit Tagen wirkte er bereits abwesend, als wäre er permanent in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen. Er hatte ständig diesen Blick drauf… G mochte diesen Blick bei seinem Partner nicht, denn er verhieß niemals etwas Gutes. Etwas machte dem ehemaligen Navy SEAL zu schaffen, fraß ihn von innen auf und vereinnahmte seine Gedanken vollständig. Sam war seit Tage nicht bei der Sache. Natürlich sprach er nicht darüber… Nie. Sam unterdrückte seine Sorgen nur allzu gern und baute eine Fassade um sie herum auf. Sam biss sich auf die Lippe und nickte: „Klar. Alles in Ordnung.“
So kurz angebunden erlebte G ihn ebenfalls nur, wenn ihn irgendein Gedanke plagte. Wenige Augenblicke später hielt Sam vor einem Haus den Wagen an und wartete darauf, dass sein Partner ausstieg. G bickte seinen Partner noch einen Moment an, nickte dann niedergeschlagen: „Na gut… Du musst es wissen.“
Mit diesen Worten öffnete er die Beifahrertür.
„Du weißt ja, wie du mich erreichst“, damit schloss er die Tür des Challengers und machte sich auf in Richtung Haus. Als er hinter der Haustür verschwunden war, startete Sam den Motor des Wagens wieder. Nein er war nicht okay. Viel zu lang plagten ihn schon die Zweifel. Aber er behielt sie für sich…  



Zuhause fuhr er auf seinen Parkplatz und blieb noch eine ganze Weile in seinem Wagen sitzen. Er konnte Michelle am Fenster sehen. Sie bereitet wohl gerade das Abendessen zu. Nie… Niemals hatte er gedacht, das er einmal die Instanzen für die er stand, hinterfragen würde. Er ließ es sich nicht anmerken, aber es belastete ihn, wie das Land für das er Tag für Tag sein Leben aufs Spiel setzte, Menschen wie ihn… Menschen… so im Stich ließ… verfolgte… verachtete… umbrachte… ohne Grund… ohne Reue…




Er frage sich immer wann es soweit war, dass er jemanden an diesen blinden, ekelhaften Rassismus verlor. Er lebte seit dem letzten Vorfall in ständiger Angst. Angst um Michelle, Aiden, Kamran… Seine ganze Familie. Er hatte sich nie groß Gedanken gemacht, aber jetzt… Er hatte realisiert, dass er für eine Instanz tätig war, die nichts dagegen unternahm… das er in seinem Beruf irgendwie Teil des Problems war. Er war kein Polizist, aber er arbeitete für eine Agency… einer Polizeiähnlichen Einrichtung… Und er arbeitet für eine Regierung, die einfach nichts unternahm, um das Problem zu lösen… Es machte ihn fertig ein Teil davon zu sein und das war, was ihn innerlich zu zerreißen drohte. Er wusste nicht wo er dazu gehörte… Wofür er eintreten sollte… Wem er mehr Loyalität und Unterstützung zeigen musste… War er mehr Agent… oder war er doch mehr Mensch… Niemals hatte er damit gerechnet sich selbst eines Tages einmal so zu verlieren, doch er fühlte sich als habe er seine Seele an den Staat verkauft…

Er stieg aus und betrat das Haus. Noch bevor er das Wohnzimmer betreten konnte, fiel ihm seine kleine Tochter um den Hals. Fest schloss er das Mädchen in die Arme… Er lächelte… Er hatte vielleicht seine Seele verkauft, aber sein Herz gehörte ihr. Er sah in ihre strahlenden Augen und fühlte, wie etwas in ihm zerbrach, weil er sich so machtlos fühlte. Er konnte es nicht verhindern und er konnte es nicht aufhalten. Sie konnten es nicht von ihr fernhalten. Auch sie wusste, dass sie gefährlich lebte… Sam hasste sich dafür, dass er es zuließ, dass seine Tochter in einer feindlichen Umgebung aufwuchs…



Als Kamran endlich von ihm abließ ging er in die Küche, um Michelle zu begrüßen. Bei ihrem Lächeln ging ihm das Herz auf. Bis zum Hals schlug es.
„Hey Babe.“
Sie hauchte ihm einen leichten Kuss auf die Lippen.
„Alles in Ordnung?“
Nein…vieles war nicht in Ordnung… Aber gerade war das unwichtig. Er blickte seine Tochter an, die fest sein Bein umarmte.
„Hier ist es das… in Ordnung. Bei euch ist alles in Ordnung.“
Schwungvoll nahm er Kamran auf den Arm und trug sie zum Esstisch, half ihr bei den Hausaufgaben bis das Essen fertig war. Danach spielte er auf quengelndes Bitten seiner Tochter noch eine Runde Just Dance, aus der drei wurden und nach denen er erstmal unter die Dusche musste.

„Gute Nacht Tanzmaus“, flüsterte er als er Kamran einen Gute Nacht Kuss gab und ihr Zimmer verließ. Als er ins Schlafzimmer kam, sah Michelle ihn wissend an. Natürlich entging ihr sein merkwürdiges Verhalten nicht. Aber sie sprachen nicht darüber. Sam wusste, dass auch sie Angst hatte. Alle fühlten diese Angst. Jedem war sie anzusehen. Die meisten fühlten sich nicht sicher. Nicht beschützt… Und er trug mit dazu bei… Irgendwie.



Er war so durcheinander… Wie sollte man in dieser Welt seine Kinder behütet aufwachsen sehen? Und war nicht genau das der Grund, warum er jeden einzelnen Tag aufstand? Wollte er die Welt nicht zu einem besseren Ort machen? War es nicht von Anfang an sein Ziel gewesen, seiner Familie eine sichere Umgebung zu schaffen? Das Böse zu bekämpfen? Und nun? Kämpfte er nun für die Bösen? Für die, die die Leute sterben ließen und nichts dafür taten das Unrecht zu strafen, das den Menschen angetan wurde?




Aber was brachte es, wenn er allein damit war? Mit seinen Sorgen? Aber gab es nicht noch andere, denen es ähnlich ging? Sicher… Sicher gab es noch andere, die genau jetzt ebenfalls im Bett lagen und deren Zweifel sie nicht schlafen ließen, weil sie das Gefühl hatten, für eine korrupte Instanz tätig zu sein… Ein Land das sie alle im Stich ließ… Das sie ausgebeutet hatte und nichts dafür tat, dass es jetzt besser wurde…



Sam schloss die Augen… Gab es denn eine Alternative? Gab es einen Weg? Es gab immer einen Weg… Aber wenn ein einzelner diesen Weg ging, würde daraus niemals eine Straße werden… es würde ein winziger Trampelpfad bleiben.




Sam hasste Ungerechtigkeit, ganz egal wem sie angetan wurde… Aber auch ein Sam Hanna war nicht mächtig genug, alle Ungerechtigkeit auf der Welt zu beenden, dass musst er einsehen. Aber er würde alles tun, um es zu versuchen. Seine Tochter zum Beispiel, sah nämlich genau das in ihm, einen Helden, der jede Ungerechtigkeit bekämpfen konnte! Und das war der Grund weshalb er morgen nicht aufstehen würde, um für das Land und die Regierung zu arbeiten. Er würde sich darauf konzentrieren, warum er mit der ganzen Quälerei eigentlich angefangen hatte… Die Welt für seine Familie ein Stück weit besser zu machen. Für seine Familie würde er kämpfen… und für nichts Anderes mehr!