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Im Spukhaus

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteKrimi, Thriller / P12 / Gen
Detlev Grün Ellen Bannenberg Nikolas Heldt
06.11.2020
30.11.2020
8
7.774
12
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06.11.2020 1.138
 
Ellen Bannenberg
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Während ich versuche, Grüns Ausschweifungen bezüglich eines möglichen Verdächtigen im Fall des verschwundenen Obdachlosen Dr. Wilmenrod zu folgen, betritt Nikolas mein Büro.
"Hm. Das heißt also, wir haben nichts", fasse ich den ernüchternden Stand der Ermittlungen augenrollend zusammen.  
"Nichts, null, nada, niente", erwidert mein geschätzter Kollege kopfschüttelnd, während er wie ein Tiger im Käfig vor meinem Schreibtisch auf und ab schleicht.
"Das Haus", tönt es plötzlich in Heldts bester Gruselfilm-Stimme durch den Raum. An die Tür gelehnt starrt er mit leerem Blick in meine Richtung. "Alle Spuren führen immer wieder zu diesem Haus... Ich habe gerade mit einem Zeugen geredet, der behauptet, dass er mehrfach nachts dort seltsame Dinge beobachtet hat..."
"Sind wir jetzt wieder bei diesem Spukladen, Herr Heldt?" Grün fasst sich bei der bloßen Erwähnung des Spukhauses an den Kopf und belehrt Heldt darüber, dass er nicht an diese Gespenster Geschichten glaubt.
Ich nehme einen Schluck aus meiner Kaffetasse. Wenn er Nikolas einfach ausreden lassen würde, kämen wir heute vielleicht noch weiter.
"Herr Grün", weise ich unseren Hauptkommissar in seine Grenzen. Arme verschränkend schmollt er vor sich hin.
"Was für Dinge, Heldt?", hake ich, an Nikolas gewandt, nach. Seine Denkansätze haben unser Ermittlungsteam des Öfteren schon auf eine heiße Fährte gebracht.
Sofort schießt Nikolas los:" Geräusche, Stimmen, seltsame Gerüche, irgendwas geht da vor sich."
Natürlich muss Grün sofort seinen Senf dazugeben: "Und diese Information erhielten Sie von einem glaubwürdigen Zeugen?"
Ich entscheide mich dafür, mich nicht länger einzumischen, sondern die beiden Herren ihre Meinungsverschiedenheiten untereinander klären zu lassen. Stattdessen lehne ich mich zurück und genieße die Show. Eigentlich fehlt nur noch Popcorn.
"Naja also," Nikolas räuspert sich. "Er hat nen kleinen Gebäck Fetisch, leidet unter Verfolgungswahn..." Die beiden treten an meinen Tisch heran. "Aber ich glaube ihm! Außerdem..."Er und Grün nehmen Platz und gucken mich an, als müsste ich darüber entscheiden, ob diese Geschichte kompletter Unsinn ist oder nicht.
Nikolas guckt mich eindringlich an. "...gibt's ja schon lange Gerüchte." Unbewusst nähern sich unsere Gesichter dem anderen an. "Die Leute schieben das zwar auf den Spuk, aber..."
"Was schlagen Sie jetzt vor?", unterbreche ich Nikolas nun ebenfalls und wahre die professionelle Distanz. Nicht, dass Grün noch etwas mitbekommt! Außerdem möchte ich endlich konkrete Ideen hören.
"Eine Nacht im Haus!" Er klingt hellauf begeistert, nur Grün schnauft verächtlich.
Nikolas grinst breit und verfällt in einen zweideutig humoristischen Tonfall: "Sie und ich." Ich traue meinen Augen kaum, mein Freund zwinkert unserem geschätzten Herrn Grün tatsächlich zu.
"Das ist Unfug! Bei einer derartig albernen Indizienlage schlage ich mir doch mit Ihnen keine Nacht um die Ohren, nein, kommt überhaupt nicht in Frage!", stößt er empört hervor.
Doch Nikolas weiß genau, was er sagen muss, um unseren Kollegen aus der Reserve zu locken: "Ja klar, ich versteh schon. So ein Spukhaus, das ist auch wirklich..." Beide sehen mich wie auf Kommando an. "Gruselig!", schließt Heldt. Seine Augen halten mich fest.
Dieses Braun... Ellen, konzentrier dich auf den Fall! Wobei, als ich langsam in Nikolas' Augen versinke, kommt mir da so eine Idee...

Unterdessen verteidigt Grün seine gekränkte Ehre: "Lassen Sie mich Ihnen versichern, Heldt, meine begründeten Zweifel haben nichts aber auch gar nichts mit ihrem kindischen Aberglauben zu tun!"
Die beiden verschränken die Arme vor der Brust und erdolchen sich gegenseitig mit ihren Blicken. "Sie haben Angst", bemerkt Nikolas kaltschnäuzig und ich untermale das ganze mit einem Zischen, ehe ich mich selbst zu Wort melde. "Wenn Herr Hauptkommissar Grün doch solche Angst hat, warum fragen Sie dann nicht mich, Herr Heldt?"
Mein Freund reißt die Augen auf. Sehe ich da etwa pure Ungläubigkeit in seinem verdutzten Blick? "Aber El... Frau Bannenberg...", stammelt Nikolas überrascht. "Das ist doch viel zu ..."
"Viel zu was?" Ermahnend wandert meine rechte Augenbraue nach oben. '"Gefährlich...", flüstert er kaum hörbar hinter vorgehaltener Hand.
"Ich bitte Sie, Heldt! Dass es nicht romantisch wird, hab ich mir fast gedacht! Trauen Sie Ihrer Chefin denn gar nichts zu?"
Jetzt grinst er und lacht sich ins Fäustchen. Und ich finde es auch noch zum Dahinschmelzen süß.
"Wenn Sie unbedingt wollen, Frau Bannenberg, kann ich Sie nicht davon abhalten. Aber immerhin bin ich ja da, um Sie zu beschützen, so für den Notfall." Er nickt Grün zu.

Damit ist die Sache vom Tisch, Staatsanwältin und Kommissar ermitteln gemeinsam und verbringen die Nacht zusammen in einem alten Spukhaus am Waldesrand. Mensch, Ellen, diese Verliebtheitsgefühle lassen bei dir aber auch sämtliche Sicherungen durchbrennen!

Nachdem Herr Grün das Zimmer verlassen hat, um Heldt und mir die weitere Planung unseres kleinen Ausflugs zu überlassen, hält Nikolas nichts mehr auf seinem Stuhl.
"Mensch Ellen!" Aufgebracht eilt er um den Tisch herum. Ehe ich etwas erwidern kann, umfassen seine Hände mein Gesicht. Dieser eindringliche Blick. Ich weiß nicht, ob ich vor Schmetterlingen im Bauch wegfliege oder Angst kriegen soll, denn in Nikolas Blick lese ich keinen Schalk.
"Ja?", erwidere ich kleinlaut.
"Ich denke, es ist wirklich gefährlich! Und ich will dich nicht diesem Risiko aussetzen!" Er zieht mich in seinen Arm und drückt seine Stirn gegen meine Schulter.
Sachte streichle ich seinen Rücken. "Ich wusste das nicht, Nikolas, ich hab gedacht, du machst Spaß", versuche ich mich rauszureden. "Aber ich möchte trotzdem mit, ich könnte die Nacht kein Auge zu machen, wenn ich wüsste, dass du dort..." Ich löse mich aus seiner Umarmung. "Na gut, ich gebe es zu: Ich hatte Angst dass ..." Scheiße, mir kommen die Tränen. ".... dass ... ich ... Ich wollte nicht, dass ... Ich ... ach egal", murmel ich, ehe meine Stimme verschwindet.

Ich habe Angst, dass er nicht wieder zurück kommt, dass er entführt wird, dass er wieder verschwindet und dass ich nichts tun kann, weil mir die Hände gebunden sind. Ja, ich habe Angst, dass Nikolas wieder aus meinem Leben verschwinden könnte, wie er es schonmal getan hat.

"Hey, Ellen", vorsichtig greift er nach meinen Händen. "Mach dir keine Sorgen, es passiert schon nichts."
"Ich wünschte es, ich wünschte, ich wüsste, dass wir nicht in bewusster Fahrlässigkeit enden."
Mit diesem Juristenwitz räumen wir das Schlachtfeld und machen uns eine Liste für die Ermittlungen im Spukhaus.

"Also dann bis heute Abend, Frau Bannenberg." Nikolas zieht mich an sich und gibt mir einen zärtlichen Kuss zur Verabschiedung. "Bis heute Abend, Heldt", erwidere ich, als er zur Tür hinaus geht. Mein Herz klopft wie wild gegen meine Brust. Auf was habe ich mich da nur eingelassen?
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