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To the top (of your heart)

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P18 / Gen
Kozume Kenma Nishinoya Yuu Oikawa Tooru Sawamura Daichi Sugawara Koushi Ushijima Wakatoshi
23.10.2020
24.12.2020
67
150.338
45
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Dieses Kapitel
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25.10.2020 3.234
 
Die letzten drei Tage dachte ich immer wieder darüber nach, was Kuroo gesagt hatte und vor allem versuchte ich jemanden zu finden, der mit mir diesen waghalsigen Plan in die Tat umsetzen wollten. Und so saß ich nun neben Daichi im Mannschaftsbus und versuchte unbemerkt durch die Reihen zu schauen. Es war ja immerhin nicht so, als würde keine große Auswahl an Jungs herrschen – es gab schon fast ein Überangebot. Und auch wieder nicht. Es war kompliziert.

Daichi und Suga selbst waren aus meinem Plan schon einmal gecancelt, blieben also somit noch ganze acht Jungs, die auf meiner Mission Sugawara davon zu überzeugen, dass ich nicht nur die blöde kleine Schwester seines besten Freundes war, begleiten konnte.

Zuerst fielen mir Tanaka und Ennoshita ins Blickfeld und ich konnte innerlich auf der Stelle den Kopf schütteln. Weder Ryu noch Chikara waren ein Typ, der in mein Beuteschema passte und wenn Suga mir auch nur ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, dann wäre er auch deutlich im Bilde. Ich durfte nichts riskieren bei der Sache – es sollte glaubwürdig sein. Keine halben Sachen.

Das gleiche galt für Kinoshita und Narita, welche mir als nächstes im Bus auffielen. Sie schliefen mit gegeneinander gelehnten Köpfen und ich musste kurz etwas grinsen. Aber auch mit ihnen hing ich eigentlich nie wirklich ab. Ich kannte sie nur flüchtig, lief ihnen manchmal im Gang über den Weg, grüßte sie dann, aber wirklich unterhalten taten wir uns auch nie. Sie waren sicherlich coole Kerle, aber ebenso ein großes Nein.

Dann waren da noch Kei und Yamaguchi. Yamaguchi kannte ich nicht so gut, wie Kei. Tsukki und ich unterhielten uns oft in den Pausen, seitdem er beigetreten war. Er strahlte mit seinem Eintritt sofort so einen introvertierten Vibe aus, der mir direkt auffiel. Deshalb befanden wir uns oft auf der selben Wellenlänge – zumindest gaben wir uns immer die größte Mühe dabei - und konnten ab und an sogar miteinander lachen. Aber schlussendlich strahlten wir für jeden das Gefühl von guten Freunden aus, aus denen sich nie mehr entwickeln könnte.

Und den körnenden Abschluss bildeten Shoyo und Tobio. Hinata wurde dahingehend direkt ausgeschlossen, seitdem er hier angekommen war, behandelte ich ihn wie einen kleinen Bruder. Wenn nicht sogar wie mein eigenes Kind, das ich bemuttern musste. Er war oft überdreht, auch wenn er andere Seiten hatte. Tja und Kageyama. Ich geriet immer wieder mit ihm gegeneinander, genauso, wie Shoyo und er es manchmal taten. Aber vielleicht wäre er tatsächlich am besten dafür geeignet. Dass er aktuell einen guten Posten bezüglich des Zuspielers belegte an Sugas Stelle, war dabei sogar noch ein nettes Topping.

Den restlichen Weg, den wir mit dem Schulbus zurücklegten, dachte ich darüber nach, ob Tobio tatsächlich die beste Idee sei. Nach mehrerem hin und her entschied ich mich einfach dazu, dem ganzen eine Chance zu geben, was mich direkt dazu leitete, wie ich das am besten anstellte. Ich konnte Kageyama aktuell noch schlecht einschätzen. Immerhin kannte ich ihn bei weitem noch nicht lange genug. Aber eine Sache, die wusste ich doch über Tobio. Und die würde ich mir zu eigen machen.

Etwa gegen späten Nachmittag kamen wir bei der Aoba Johsai an. Herr Takeda parkte auf dem Parkplatz direkt neben dem Schulgebäude und schon aus dem Bus heraus konnte ich die große Schule entdecken, gegen die heute ein Testspiel laufen sollte. Sie wirkte direkt ganz anders, als die Karasuno. Etwas mächtiger – größer. Ich war überrascht und eventuell sogar ein wenig eingeschüchtert, auch wenn ich selbst nicht mal auf dem Feld stand.

„Kazuko, kommst du endlich?“, der Bus war schon fast leer, als ich Daichis Stimme erhörte. Er riss mich aus meinen Gedanken und ich griff schnell nach meinem Rucksack und stolperte zusammen mit meinem Bruder aus dem Bus heraus.

Ich hielt zum Glück niemanden mit meiner Träumerei auf, denn einige der Jungs holten noch etwas Gepäck aus dem Kofferraum des Busses. Einer davon war Suga gewesen. Meine Augen ließen ihn nicht entkommen, während er sich in den Kofferraum beugte und nach seiner Tasche griff. Seine Haare wirkten heute wieder so flauschig, ich wollte am liebsten hindurchwuscheln. Und immer, wenn ich seinen kleinen Leberfleck neben seinem Auge entdeckte, kribbelte es mir im Bauch. Aber der Gedanke, dass ich nun genau wusste, Koshi wollte rein gar nichts von mir, ließ mich innerlich zusammensacken. So war es doch aber immer gewesen, wenn sich die Schwester in den besten Freund des Bruders verliebte, dann konnte es nie etwas werden – das war eine ungeschriebene Regeln. Aber wie sollte ich von dem Gedanken ablassen? Koshi war schon immer der Junge gewesen, den ich neben meinem Bruder am meisten bewunderte. Er war immer so freundlich und höflich. Besonders hilfsbereit und er hatte mir oft bei meinen Problemen geholfen. Ob es nun mal ein Streit mit Daichi war oder das nächstbeste Mathematikproblem. Suga konnte mir helfen und über all die Jahre hinweg, wurde er zu dem Jungen, der mir mit am wichtigsten war.

Als ich von alleine wieder zurück aus meiner Gedankenwelt gekommen war, fiel mir auf, wie Sugawara mich anschaute. Mit einem Blickgemisch aus Reue, Traurigkeit und Scham schien er nicht zu wissen, wie er mir gegenübertreten sollte. Ich hätte gerne gewusst, ob er auch entgegen meiner Antwort, vielleicht doch weiterhin daran glaubte, ich würde ihm gegenüber Gefühle hegen. Aber selbst, wenn nicht, warum zog er mir gegenüber dann so ein Gesicht?

„Auf geht’s! Wir wollen unsere Rivalen doch nicht warten lassen!“, rief Herr Takeda lauf auf, sodass es jeder der anwesenden Schüler mitbekam. Zusammen als Grüppchen überquerten wir die Straße zur Schule hin und nahmen den direkten Weg in Richtung der großen Sporthalle. Schon von Außen schien diese deutlich moderner zu sein. Und auch, als wir sie als Mannschaft betraten, kamen wir alle aus dem Staunen nicht heraus. Groß, hohe Decke und sehr hell. Eine wirklich schöne Halle. Vermutlich ein entfernter Wunsch der Jungs.

Aber schnell wurde unsere Aufmerksamkeit auf die Mannschaft gelenkt, wegen der wir hier waren. Denn unsere Gastgeber waren gerade mit den letzten Schliffen des Aufbaus beschäftigt. Noch das Netz festgezogen und schon bildete sich das Team der Aoba Johsai zu einer kleinen Gruppe zusammen. Neben ihnen, ihr Trainer, auf den Herr Takeda sofort zustürmte, um ihn zu begrüßen.

Ich sah genau zu, wie die beiden Lehrer sich die Hand schüttelten und sich kurz unterhielten, als der Takeda nach etwa 5 Minuten wieder zu seinem eigenen Club zurück kam.

„Stellt euch doch gerne einmal bei den Spielern der Seihjo vor“, grinste er in die Reihen unseres eigenen Teams und wandte sich dann an mich und Kiyoko, „mögt ihr die Sachen bitte an den Rand stellen und die Bänke von der Wand an den Spielfeldrand schieben?“

Jeder anwesende Schüler nickte dem Clublehrer zu und während ich Sugawara hinterher blickte, mit getrübten Augen, während er und der Rest zu den Spielern der Aoba Johsai gingen, trat ich mit Kiyoko den Weg zu den Bänken an. Noch bevor ich mich wegdrehte und mich vollends meinen Aufgaben widmete, bekam ich spitz, wie Daichi mich ebenso anblickte. Als sich unsere Blicke trafen, zog er sofort die Augenbrauen hoch, zu einem fragenden Gesichtsausdruck. Ich jedoch nickte nur ab, dass alles okay sei. So, wie immer eben. Versuchte sogar etwas zu grinsen.

Gemeinsam mit Shimizu baute ich soweit alles auf. Die Sitzbänke fanden ihren Platz neben dem Spielfeld und wir stellten auch feinsäuberlich die Trinkflasche jedes Spielers dort auf. Ich half Kiyoko immer gerne, auch, wenn ich eigentlich gar kein Clubmitglied war. Ab und an spielte ich jedoch mit dem Gedanken, Managerin hier zu werden. Ob es sich jedoch jetzt noch lohnte, war eine andere Frage – immerhin befand auch ich mich schon im zweiten Jahr. Die Taschen zu guter Letzt noch ordentlich zur Seite gepackt, winkte uns Herr Takeda zu unseren Spielern heran. Im Trott gesellten Kiyoko und ich uns dazu.

„Vor dem Spiel habt ihr noch einmal kurz Zeit euch zu sammeln und fertig zu machen. In etwa 20 Minuten geht es dann schlussendlich los“, erklärte Herr Takeda uns allen und entließ uns erst einmal in eine kleine Pause, bevor der richtige Spaß des Tages losgehen sollte.

Jeder der Spieler und auch Shimizu und ich lösten uns auf und ich setzte mich vorübergehend auf die Bank. Als ich jedoch beobachtete, wie Tobio sich mit dem Zuspieler aus dem anderen Team unterhielt, mehr oder weniger freudig, erhob ich mich und verließ die Sporthalle vorerst. Auf unserem Weg hierher, hatte ich einen Automaten mit diversen Getränken darin gefunden. Wenn Kageyama ihn ebenso gesehen hatte, dann war mir zu 90 Prozent klar, auch ihn würde es hierhin verschlagen.

Ich warf also ein bisschen Kleingeld in den Automaten, als ich dort angekommen war und drückte folgend die Taste für die Erdbeermilch. Als das kleine Päckchen auf den Boden des Automaten fiel,  sammelte ich es nach dem lauten Plumpsen auf und ab da hieß es warten. Angespannt lehnte ich mich an die Seite des Spenders und ließ die Zeit verstreichen. Immer mal wieder schaute ich auf die Uhr und es verstrichen etwa 8 Minuten, bis ich leise Schritte hörten, die sich auf mich und den Automaten zubewegten. Kaum war die Person neben mir zum Stillstand gekommen, gab ich mich zu erkennen. Es war tatsächlich Tobio gewesen.

Kaum nahm er mich in den Blick, warf ich ihm das kühle Trinkpäckchen entgegen, welches er mit seinen katzenartigen Reflexen direkt auffing. Ich grinste auf und beobachtete ihn dabei, wie er den Strohhalm in das dafür vorhergesehene Loch steckte.

„Danke, schätze ich“, er nahm einen Zug und wusste nichts zu sagen. Sein Blick aber verriet, dass er deutlich verwirrt darüber war, was ich hier zu suchen hatte und noch mehr, was ich wohl von ihm wollte.

„Wie? Keine Frage, wieso ich mein Geld für dich ausgebe und dir eine nette Überraschung zukommen lasse?“, murmelte ich zurück und zog eine Augenbraue hoch, während Kageyama sich mit der Schulter gegen den Automaten fallen ließ.

Er lachte auf und schüttelte kurz den Kopf: „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich wissen will, wieso ich diese Nettigkeit erfahre. Lieber genieße ich meine kostenlose Milch und schlage mich nicht damit herum.“

Kageyama wollte gerade kehrt machen und mich wieder verlassen, als ich ihn unüberlegt am Handgelenk packte: „Hör‘ mir doch wenigstens zu, Tobio. Warum gleich so negativ eingestellt?“

Der Junge mit den dunklen Haaren und tiefblauen Augen blieb stehen und drehte sich mit einem angespannten Blick zu mir um. Er seufzte kurz aus, bevor er mir antwortete: „Geschwisterkind Nummer 2 wird grundsätzlich das Gegenteil von Geschwisterkind Nummer 1. Wenn Sawamura also so unglaublich fröhlich, nett und gutherzig ist, dann weiß ich nicht, was bei dir rumgekommen ist.“

Sofort stemmte ich meine Hände in die Hüfte und schaute gespielt böse drein: „Also das nehme ich dir jetzt wirklich übel.“

Als unreflektierte Racheaktion nahm ich mehr oder weniger geistesgegenwärtig Tobios Strohhalm in meinen Mund und nahm einen Schluck der Erdbeermilch. Sie war unglaublich süß, was mich kurz das Gesicht verziehen ließ: „Da du so frech warst, hab‘ ich jetzt was bei dir gut, Bakageyama!“

Ich konnte von Glück sprechen, dass Kageyama nicht sofort kehrt machte und wirklich einfach ging. Er hätte es tun können, wenn er wirklich wollte. Aber er blieb und hörte sich mein Gequassel an, von dem ich selbst nicht wirklich überzeugt war. Das wäre wohl niemand.
„Was gibt’s denn so wichtiges?“, er verschränkte die Arme und schaute auf den Strohhalm seiner Milch. Er schien nicht wirklich daraus trinken zu wollen – nicht mehr. Immerhin würde dies nun als indirekter Kuss gelten und Kageyama schien das wirklich nicht riskieren zu wollen.

„Du bist doch Single, oder Tobio? Findest du nicht auch, du und ich würden ein gutes Paar abgeben?“, hätte Tobio in diesem Moment etwas getrunken, würde er es wohl jetzt direkt wieder gen Boden spucken. Zumindest sagte dies sein Blick aus.

Er schaute kurz fragend hin und her: „Wenn ich jetzt nein sage, wirst du‘s dann Daichi petzen und er schmeißt mich aus dem Team?“

Dass es Kageyama nur darum ging, das reichte mir schon als Antwort aus und nun war ich die von uns beiden, die seufzte. Ich hätte es besser wissen müssen. Aber zumindest zu Ende erklären sollte ich mich wohl. Ansonsten würde er Daichi nur Unwahrheiten petzen.

„Man, ich brauch‘ nun mal jemanden, um eine gewisse Person eifersüchtig zu machen. Und du bist die beste Wahl – kannst du nicht mal ein Auge zudrücken? Ich hab‘ dir ne Milch gekauft!“, versuchte ich mich nicht um Kopf und Kragen zu reden, doch Tobio schien nur noch mehr den Zweifel an mir zu hegen. Ich sollte an meiner Überzeugungskraft arbeiten.

„Ah ja und um wen soll es sich dabei bitte handeln?“, dass zumindest kein direktes Nein zurück kam, ließ mich aufatmen. Vielleicht konnte man an der Sache ja doch noch was rütteln, wenn Kageyama nicht gleich den Fluchtweg antrat. Auf der anderen Seite musste ich ihm nun jedes Detail verraten, ob ich wollte oder nicht.

Angespannt schaute ich hin und her, wusste erst einmal nichts zu sagen, antwortet aber dennoch – was blieb mir auch anderes übrig: „S-sugawara.“

Keine Ahnung, ob Tobio gleich in ein riesiges Gelächter ausbrechen wollte oder mir – dem Mädchen, was mehr als ein Jahr älter als er war – die Ratschläge und Standpauken um die Ohren hauen wollte. Sein Blick ließ in etwa auf beides deuten.

„A-ach? Echt?“, er grinste in sich hinein, hielt den großen Lacher jedoch zurück und wurde wieder etwas ernster, „tut mir leid, aber ich glaub‘ nicht, dass ich dafür der richtige bin. Dafür hab‘ ich auch echt keinen Kopf.“

Ich nickte ihm zu und schaute verlegen von ihm weg: „Tja, da waren meine Überredungskünste wohl nicht so gut. Was will man machen. Posaune es wenigstens nicht in die Welt hinaus, verstanden? Dann verpetz‘ ich dich wirklich an Daichi..“

Mit zuckenden Schultern zog ich an dem großen Jungen vorbei, der mir jedoch nach einigen Schritten hinterher rief: „He, und was ist jetzt mit meiner Milch?“

Während ich mir die letzten Worte von Tobio anhörte, winkte ich nur ab ohne mich noch einmal zu ihm zu drehen: „Trink‘ doch einfach weiter! Da ist wohl jemand ziemlich abergläubisch!“

Ich steckte meine Hände angespannt und mit einem zarten Schweißfilm bedeckt, vorsichtig in die Taschen meiner Trainingsjacke. Warum habe ich es nicht besser gewusst? War ja irgendwie klar, dass Tobio den Quatsch nicht mitmachen würde. Dafür hatte er viel zu viel Volleyball im Kopf, als alles andere. Ob er überhaupt jemals die Gedanken für eine wirkliche Freundin haben würde, bezweifelte ich vehement.

Während ich in den Gedanken schon verzweifelt nach einer möglichen Alternative suchte und gleichzeitig irgendwie den Weg zurück zur Sporthalle angetreten hatte, bemerkte ich gar nicht, wie mir eine große Statur entgegen kam, in welche ich unkontrolliert hinein torkelte.
Meine Hände drückten sich, nachdem ich mich wieder etwas gesammelt hatte, von einer starken Brust ab und ich bemerkte, wie sich lange dünne aber dennoch kräftige Finger, um meine Arme geschwungen hatten, um mich auf den Beinen zu halten. Sie waren ganz warm – glühten fast im Gegensatz zu meiner kühlen Haut.

„Du solltest etwas besser aufpassen, wo du hinläufst. Hast du dir weh getan?“, drang eine zarte Stimme in mein Ohr und ich schüttelte meinen Kopf kurz von jeglichen Gedanken frei, bevor ich zurück trat und mich wieder aus eigener Kraft auf den Beinen halten konnte.

„Entschuldige, das war nicht meine Absicht. Hab‘ wohl ein bisschen zu viel nachgedacht“, murmelte ich vor mich her und schaute das erste Mal in das Gesicht meines Anrempelopfers. Seine nussbraunen Haare schwangen sich in alle Richtungen, aber lagen dennoch beinahe perfekt. Er war groß, besaß ein definiertes Gesicht und das Braun seiner Augen schien fast einzigartig zu sein. Ich schluckte tief.

„Müssen ja ziemlich interessante Gedanken gewesen sein, wenn du deine Umwelt gleich so vergisst“, das schräge, aber definitiv Interessante Lächeln auf seinen Lippen gefiel mir. Deshalb war es kurzzeitig unvermeidbar, dass meine Wangen sich in ein leichtes Rosé verfärbten und ich verpeilt auflachte.

„Ach, wohl nicht so interessant, dass ich nicht besser hätte aufpassen können. Ich hoffe, es ist noch alles dran“, stammelte ich zaghaft und erntete nur ein Auflachen von meinem Gegenüber. Daraufhin nickte er jedoch mit dem Kopf, um mir eine Bestätigung zukommen zu lassen. Ich war kurzzeitig erleichtert.

Eine kurze Stille baute sich zwischen uns auf, bevor der Fremde noch einmal ein erneutes Gespräch begann: „Du bist nicht von hier – sonst wärst du mir sicher schon aufgefallen. Wie nennt man dich?“

Ich war gerade dabei, meinen Mund aufzumachen, um seiner Frage eine Antwort zu schenken, als mein Blick an seinem Körper auf und ab fuhr. Die trainierten Arme und Beine steckten zusammen mit dem Rest seines Körpers in einer weiß türkisen Uniform. Auf seinem Trikot eine dicke fette Eins abgedruckt. Und spätestens, als ich in seiner rechten Hand zwei Schützer für seine Knie baumeln sah, dämmerte mir so einiges.

„N-nun ja, ich ehm –“, begann ich nervös zu brabbeln und entfernte mich etwas von ihm. Er musste es sein – der Teamcaptain der Aoba Johsai. Und wenn Daichi mich hier jetzt erwischt, dann würde er nicht nur mir tausend Löcher in den Bauch fragen, sondern dem Kerl hier auch gleich ein paar Takte erzählen.

„Warum plötzlich so schüchtern?“, der große Typ zog seine Augenbrauen fragend in die Höhe, was mich nur noch mehr unter Druck setzte. Dass er gleichzeitig ein überzeugtes Grinsen zog, ließ mich nicht weniger nervös schwitzen.

„Ihr Name ist Lass-deine-Finger-von-ihr“, ertönte es plötzlich hinter meinem Rücken und hätte ich es nicht sofort besser gewusst, hätte es mir gedämmert, dass mein Bruder sich an meine Fersen geheftet hatte. Zum Glück war es jedoch nur Tobio, der im Lauf nach meinem Handgelenk griff und mich ungehobelt mit sich zog.

Ich warf dem Fremden noch einen kurzen Blick zu, bevor Kageyama mich um die nächste Ecke schleifte und wir den restlichen Weg zur Sporthalle gemeinsam absolvierten. Er fasste sich sofort genervt an den Kopf.

„Meine Güte, dass du dich gleich an Tōru ranschmeißen musst, nur weil ich nicht mitmachen will – du scheinst ja wirklich verzweifelt zu sein“, grummelte der 1. Klässler neben mir auf und nahm den letzten Zug seiner Milch, bevor er das leere Trinkpäckchen in den nächsten Mülleimer schmiss. Es fiel mir nur nebenbei auf, aber ich konnte nicht anders, als zu schmunzeln.

Ich seufzte: „Ich bin doch nur in ihn reingerannt. Hätte ich von Anfang gewusst, wer er ist, hätte ich direkt einen Abflug gemacht.“

Beim direkten Anblick hatte ich den Fremden gar nicht erkannt – es dämmerte mir, mehr jedoch auch nicht. Als Tobio mir jedoch deutlich zu verstehen gab, dass der große Kerl von eben der Tōru Oikawa war, der grundsätzlich immer in den regionalen Sportnachrichten war, konnte ich nicht anders, als tief zu schlucken.

„Halt dich einfach nicht mit ihm auf. Tōru ist unberechenbar und ein guter Lügner, wenn’s drauf ankommt, also lass‘ das, was auch immer du vorhast am besten bleiben“, Kageyama zog an mir vorbei, um als erstes wieder in die Sporthalle zu verschwinden, „meine Hilfe war für die Milch. Jetzt sind wir aber auch wieder quitt.“

Und schon war er weg, während ich noch kurz draußen in der Abendsonne stehen blieb. Ich wollte doch gar nichts von Tōru Oikawa, warum machte Tobio jetzt so ein Fass auf? Ich war doch nur in ihn reingerannt – ein kleines Malleur, nichts weiter. Am besten wäre es doch sowieso, den Quatsch zu vergessen. Immerhin hatte ich was wichtigeres in meinem Kopf vor. Denn Plan „Sugawara“ befand sich noch immer in der ersten Phase. Eine Testperson war noch nicht gefunden.
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