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Naos Gedanken

von Hey506
Kurzbeschreibung
OneshotSchmerz/Trost, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Nao Tomori
16.10.2020
16.10.2020
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Yū… Wo du wohl jetzt gerade bist? Vermutlich in Peru, von dort haben zumindest die Medien das letzte Mal von dir berichtet. „Todesgott“, so nennen sie dich. Sie haben doch keine Ahnung. Du bringst die Kinder und Jugendlichen, zu denen du kommst, nicht um, du rettest sie. Aber das verstehen sie nicht, sie können es nicht verstehen. Viele sind sich der Gefahr, in der sie sich befinden, nicht einmal bewusst. Nicht alle werden als Soldaten oder Versuchskaninchen missbraucht, zum Glück. Ich habe erleben müssen, wie sehr die Betroffenen unter dieser Folter leben.

Mein Bruder… Ich hatte jede Hoffnung für ihn aufgegeben, aber du nicht. Du hast mehr an ihn geglaubt als ich, seine eigene Schwester. Es geht ihm jetzt schon viel besser, er erkennt mich, wenn ich ihn besuchen komme und er versucht sogar, mit mir zu reden. Es funktioniert noch nicht richtig, aber ich glaube ganz fest daran, dass er es schaffen wird. Sala Shane hat ihn auch schon zwei Mal besucht und ich glaube, er hat sie erkannt. Wenn sie singt, hat sie die Kraft, Menschen zu berühren, so, wie sie es mit meinem Bruder getan hat, und mit dir, Yū. Sie hat sogar ein Lied für dich geschrieben, nachdem ich mit ihr über dich geredet habe. Ich wünsche mir so sehr, dass wir es eines Tages zusammen hören können.

Ach, Yū… Ich hätte niemals gedacht, dass ich dich so vermissen würde. Manchmal glaube ich, dass es falsch von mir war, sich auf die Idee zu bringen, du könntest die Fähigkeiten aller rauben. Damit sind zwar ihre Leben sicher, aber um deins mache ich mir zunehmend Sorgen. Wir wissen nicht wirklich, was es für Auswirkungen auf dich hat, wenn du die Gaben anderer an dich nimmst. Irgendeinen Nachteil muss deine Fähigkeit ja haben, es gibt keinen einzigen Fall, in dem die Krankheit ausschließlich für den Träger arbeitet. Es fällt mir schwer, es zuzugeben, aber ich habe Angst um dich. Ich weiß nicht, ob mir jemals so deutlich bewusst geworden wäre, wie viel du mir bedeutest, wenn du nicht weggegangen wärst. Als du mich gefragt hast, ob ich eine Lösung wüsste, habe ich dir die Wahrheit gesagt. Es erschien mir das einzig richtige, dir die große Chance deiner Fähigkeit aufzuzeigen und vielleicht habe ich mir auch ein Stück weit gewünscht, du würdest es tun. Ja, ich habe alle Kinder und Jugendlichen auf dieser Welt beschützen wollen und deine Krankheit war, nein, ist der Schlüssel dazu. Aber warum ausgerechnet du? Hätte es nicht jemand anderes sein können? Ich will nicht, dass du für meine Ideale leidest.

Du hast dich schon so lange nicht mehr bei uns gemeldet, nicht bei Jōjirō, nicht bei deinem Bruder Shunsuke oder deiner Schwester und auch nicht bei mir. Wir machen uns alle schreckliche Sorgen um dich. Jedes Mal, wenn sie dich im Fernsehen zeigen, wirkst du ein bisschen verrückter, siehst immer verzweifelter aus. Schläfst du überhaupt? Oder macht dir das alles so sehr zu schaffen, dass das nicht mehr funktioniert? Shunsuke macht sich Vorwürfe, dass er dich hat gehen lassen, der restliche Schülerrat ebenfalls, aber eigentlich bin ich doch diejenige, die Schuld an all dem ist. Du verlierst immer mehr die Kontrolle über dich und du hast noch lange nicht alle Fähigkeiten geraubt. Was soll nur aus dir werden? Erinnerst du dich überhaupt noch an uns, an mich?

Du hast mir gesagt, dass du mich liebst. Ich konnte es dir im ersten Moment nicht glauben, aber eigentlich… Vielleicht habe ich mir gewünscht, dass du das zu mir sagst. Aber warum habe ich dich dann nicht einfach in den Arm genommen oder dich geküsst? Nein, ich musste dich ja unbedingt ganz weit wegschicken, um mich nicht meinen Gefühlen stellen zu müssen. Weißt du, Yū, nachdem unsere Mutter mich und meinen Bruder damals an die Wissenschaftler verkauft hat, habe ich mir geschworen, nie wieder irgendjemandem zu vertrauen. Ach, stimmt ja, ich habe es dir erzählt, als wir Kazuki zum ersten Mal besucht haben. Ich wollte dich abschrecken, weil ich dir nicht vertraut habe. Schon komisch, dass ich jetzt das Schicksal aller begabten Kinder in deine Hände gelegt habe. Nun, ich habe niemandem vertraut, bis ich deinen Bruder getroffen habe. Du bist ganz anders als er, weißt du, aber eine Sache habt ihr gemeinsam: Ihr seid unglaublich mutig. Ihr seid bereit, alles für andere zu opfern. Ich habe an dich geglaubt, als du weggegangen bist, und ich tue es immer noch. Aber weißt du, Yū, für mich stand es immer an erster Stelle, möglichst alle vor der Krankheit zu beschützen und dabei habe ich mich ausschließlich auf mich verlassen. Und auf Shunsuke natürlich. Nicht einmal Jōjirō habe ich wirklich vertraut, obwohl wir doch schon so lange ein Team waren. Verrat verändert, weißt du? Ich habe meiner Mutter Vertrauen geschenkt und sie hat es missbraucht. Ich habe sowohl sie als auch meinen Bruder verloren. So etwas wollte ich nie wieder zulassen. Vielleicht verstehst du jetzt, warum es für mich so schwer war, dir zu zeigen, dass ich dich mag.

Aber naja, wie sehr weiß ich eben auch erst, seit du weg bist. Sag mal, Yū, bist du mir eigentlich böse? Weil ich dir das angetan habe? Ist das der Grund, warum du dich nicht mehr meldest? Nein, bestimmt nicht, das rede ich mir nur ein. Hoffentlich.

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Du warst so ein arrogantes Arschloch. Ich hätte nicht gedacht, dass du mal zu jemandem werden würdest, in den ich mich verlieben könnte. Und dann war da der Tag, an dem du mir gesagt hast, dass du durch die Zeit gereist bist, um Ayumi zu retten. Auch, wenn du es nicht gezeigt hast, ich habe von Anfang an gewusst, wie viel dir deine kleine Schwester bedeutet. Sie vermisst dich auch sehr. Wir versuchen, sie von Fernseher wegzuhalten, sie soll dich nicht so sehen. Naja, wie auch immer. Du hast mir gesagt, ich hätte dich gerettet, als sie es in einer anderen Zukunft nicht geschafft hat.  Ich weiß nicht, was passiert ist und was ich getan habe, aber ich bin froh, dass ich für dich da war. Ich wünschte, ich könnte es jetzt sein.

Was ist eigentlich mit meinen Übersetzungskarten? Helfen sie dir wenigstens ein bisschen? Oder hast du schon längst eine Übersetzerfähigkeit an dich genommen und die Karten liegen im Müll? Bitte, Yū, gib nicht auf. Du hast versprochen, zu mir zurück zu kommen, damit wir ein Liebespaar werden können. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich mir das einmal so sehr wünschen würde.
Komm wieder, bitte.

Yū Otosaka, ich liebe dich.
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