"Tanz der Amphisbaena"
von Die Linda
Kurzbeschreibung
Dies hier ist eine Chronik. Angefangen in Babylon bis hin zum Zeitalter meiner anderen Geschichte "Apfel im Kelch" und darüber hinaus. Zusammengestellt aus OneShots und Zweit/Dreiteilern. Erziraphael und Crowley wirken so unterschiedlich, bis jeder von ihnen auf seine Art spürt, dass sie doch nur das Gleiche, sogar das Selbe wollen. Den Schutz, die Freude, das Glück des anderen. Und dessen Liebe...
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Anthony J. Crowley
Erziraphael
10.08.2020
15.05.2023
17
67.542
7
Alle Kapitel
31 Reviews
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Dieses Kapitel
1 Review
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11.10.2020
3.117
Hallöchen und guten Abend! ^-^
Es tut mir leid euch zu enttäuschen, weil ihr euch doch so über das letzte Kapitel gefreut habt. Aber ihr wisst ja selbst, wann die zwei endlich mal in die Puschen kommen und zu einander finden. Ich verdrehe gerade auch selbst die Augen....
Auch wenn das hier nur eine dünne schwache Scheibe von einem Kapitel ist, hoffe ich, dass es euch irgendetwas bringt.
Ach ja, erinnert ihr euch an den Dämon, der in Babylon einen kurzen Auftritt hatte? Dessen Namen fällt hier, bitte gut merken!!
Also, dann wünsche ich euch einen wunderschönen Sonntag und eine gute gesunde Zeit. Esst abwechslungsreich und lacht viel, dass hält gesund und munter. :)
Tschaui und bis bald, eure Linda ^-^
************************************************************************************************
Der Himmel konnte nicht blauer sein als seine Augen, wenn sie zu leuchten begannen. Der ebenso hellblaue Samtrock wippte in voller Leichtigkeit auf, als er den roten Schopf aus einer prunkvollen Pferdekutsche steigen sah. Erziraphael stand auf der anderen Straßenseite und setzte sich den Dreispitz akkurat zurecht. Richtete sich den seidigen Halsbund ordentlich und umgriff den schwarzen Gehstock wie ein natürlicher englischer Gentleman. Die Fachwerkhäuser hielten in dieser walisischen Stadt die Oberhand und ließen deren Bewohner ihre alltäglichen Pflichten erfüllen. Auf der grob gepflasterten Straße drängten sich Fuhrwerke und andere Händler hindurch, während Fischfrauen sich beschimpften und unordentliche Kinder durch die dichte Menge tollten. Pfeife rauchende alte Männer, die auf Fässern oder knorrigen Kisten saßen und von reibenden Gelenken und vergangenen Taten schwatzten. Nur die munteren Seevögel schwebten über diesen unsinnigen Treiben hinfort, während sie ihre krächzenden Lieder schrien. Allerdings ging es bei dem Engel um alles andere, als um die gewöhnlichen Aufgaben seines Lebens. Keine Anordnung führte ihn nach Wales, sondern ganz allein die Sehnsucht nach Crowley. Auch wenn er es selbst nicht ganz so direkt für sich ausdrückte. Das letzte Mal sahen sie sich in London, im Jahre 1601. Doch bevor Erziraphael nach ihrem Glücksspiel nach Edinburgh reiste, schenkte ihm Crowley eine zartblühende Rose zum Abschied und auf den Weg. Ohne Worte, ohne Erklärung, stillschweigend und doch alles sagend. Ebenso wortlos nahm sie der Engel entgegen und lächelte auf seine sanfte Art ein liebreizendes Dankeschön hervor.
Und bei jenen Treffen grummelte der Dämon in ihren Gesprächen nebenbei etwas von Cardiff. Er würde sich eine ganze Weile dort aufhalten wollen und deswegen war Erziraphael nun hier. Das süße Städtchen lag an der breiten Mündung des Severn und zeugte immerzu von der Küstenhaften Mentalität des Landes. Ein munteres Völkchen das gerne feierte, stellte der Engel fest, während er endlich die vertraute Aura des Dämonen wahrgenommen und orten konnte. Die raue Luft wirkte alles andere als kühl, vielmehr belebend und frisch. Und dennoch war er froh, das er durch die derzeitige Mode soviel Stoffe übereinander tragen musste.
Crowley entstieg dem geschlossenen Kutschraum, streckte genüsslich die Arme in den hohen Himmel und rückte dann den Kopf noch einmal in die Karosserie hinein. Plötzlich hielt Erziraphael inne. Seine Brauen zuckten leicht zusammen, denn er glaubte feminine Finger über das dämonische Gesicht streicheln gesehen zu haben. Sein Herz machte einen winzigen Sprung, aber in die falsche Richtung. Denn es stach leicht. Dann nahm der Dämon diese Stoffumhüllte Hand in die seine und küsste sie rasch. Irgendwie überkam Erziraphael soeben eine ungenaue Traurigkeit und er verstand nicht so recht wieso. Ein neuer gefälschter Sprung für sein Herz. Er sah dabei zu, wie Crowley etwas entgegen nahm, die Kutsche schloss und sie an sich vorbeifahren ließ, kaum dass der Mensch auf dem Bock die Peitsche knallen ließ.
Das Pferd wieherte auf und Dreck wurde auf den vereinzelten Steinen aufgescheucht.
Er ist ein Dämon, an nichts und niemanden gebunden, rief sich der Engel ins Gedächtnis. Schon gar nicht an eine kameradschaftliche....was waren sie eigentlich genau? Freunde? Oder...was nun?
Erziraphael räusperte sich und setzte einen Fuß nach den anderen durch die laut schwatzende Meute. Dennoch war es so belebend ihn zu sehen, auch wenn sich sein Herz irgendwie verletzt fühlte.
Der Rothaarige indes pustete nur gedehnt aus, nachdem er die Wangen mächtig aufgeblasen hatte. Er wollte sich gerade etwas ungelenk fortbewegen, als er unwillkürlich stehen bleiben musste, weil soeben ein Schlotfeger an ihm vorbei stampfte und ihm beinahe das Schultereisen an den Kopf gerammt hätte. Endlich war sie weg, allmählich wurde es ziemlich anstrengend, dachte Crowley nur bei sich und schaute kurzzeitig auf ihr Abschiedsgeschenk in seiner Hand. Ein Taschentuch. Glaubt sie, er hätte Schnupfen ober wie? Sie war zwar eine rechte Sirene im Bett, aber alles andere an ihr empfand er nur unerträglich. Die Art und Weise wie sie ihn angeschaut hatte, ihre einfältigen Gesten, ihr dümmliches Gekicher und dann noch dieses unsägliche Geplapper. „Oh, Satan, beinahe hätte ich mich um den Innendienst beworben, wenn sie weiter so geschwafelt hätte. Doch sie war so verflucht gut darin gewesen ihre Beine weit zu schwingen und von dem Rhythmusgefühl in ihren Unterleib mal ganz zu schweigen. Warum stopfe ich mich eigentlich immer mit solchen Hohlköpfen zu?“, fragte sich Crowley aufrichtig und drehte sich zum Bürgersteig herum. Aber wie sollten seine Bettgenossen auch sonst sein? Vielleicht so in der Art wie...
„Crowley!“
Ja, ganz genau wie er! Also nicht wie Crowley, sondern genau so wie Erziraphael. Ebenso diese unschuldige Art, wenn er....nein, Moment! So etwas durfte er noch nicht einmal denken! Wieso sollte er auch so was denken? War er vielleicht bereits zu lang....
„Crowley?!“
Stopp! Die Stimme war real? Der Dämon riss sich abrupt aus den Gedanken heraus, rührte keines seiner Beine mehr und verlor gerade sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Vorsichtig drehte er erst einmal nur den Kopf über die Schulter hinweg und erstarrte de facto zum weiteren Male.
„Oweh.“, murmelte Crowley vor sich her, als Erziraphael näher kam und mit dem Gehstock nur einmal die Pflastersteine schallte. Noch ehe ein lächelnder Engel etwas aus dem geöffneten Mund sagen konnte, wirbelten sich die roten Locken im Winde herum und der Feuerrote Brokatrock tänzelte sein eigenes Spiel.
„Wusstest du, dass die Menschen kurz davor stehen eine Dampfmaschine zu erfinden?! Noch sind sie in der Entwicklungsphase, aber ich glaube fest daran, dass sie es schaffen werden! Ich meine, diese großartigen Menschen erfinden ständig diese großartigen Dinge! Die kommenden Jahrhunderte werden mir bestimmt äußerst gut gefallen! Ja!“
Ruckartig blieb Erziraphael stehen und blickte ihn aufgrund dieser, selbst für dessen Verhältnisse, groteske Begrüßung, verwirrt an.
„Ich, ähm...nun ja, wenn du es sagst. Ja, wenn sie sich anstrengen, klappt es garantiert......denke ich, glaub ich.“
Crowley leckte sich über die Lippen und beugte sich mit erhobenen Augenbrauen leicht vor, weil er sich mit beiden Händen an der Hüfte abstützte. Der Engel durfte doch nicht hier sein, schon gar nicht jetzt. Durfte auch nicht das viel zu exzentrische Parfüm an ihm schnuppern. Die vergangene Nacht war hemmungslos und schien die Sünde neu erfunden zu haben. Aber nun...nun stand das einzig wahre Reinheitsgebot in diesem Kosmos in der puren Manifestation vor ihm. Diese zwei Welten durften nicht kollidieren. Niemals! Gerade als sich das Himmelswesen wieder auf ihn zu bewegen wollte, wich der Dämon einen leichten Schritt zur Seite aus. Es sollte elegant und bedeutungslos wirken, tat es aber nicht. Um sich selbst nicht noch mehr zu verwirren, blieb Erziraphael einfach nur auf der Stelle stehen und versuchte über dessen Gebaren hinwegzusehen.
„Also, Crowley, ich bin in Cardiff, weil ich dich etwas fragen wollte...“
„Wie war Schottland? Haben die Rinder gut gehorcht?“
Erziraphael starrte ihn verblüfft an und richtete den Kopf neben den Dämon. Schloss kurz die Augen und schnaubte durch. Dann hob er beide Hände und gestikulierte mit ihnen ermahnende Bewegungen.
„Ich mag nicht darüber sprechen. So etwas werde ich nie wieder tun. Selbst für dich nicht.“
Crowley grinste schief, er konnte es sich so schön bildlich vorstellen. Schade, denn jetzt bereute er es, ihm nicht doch heimlich hinterher gereist zu sein, um ihn dabei zu beobachten. Wie er sich bei einer harmlosen Schandtat verhielt. Und das erst in einen dieser bunten Wickelröcke.
„Seit wann besitzt du eigentlich ein Spitzentüchlein?“
Gleichwohl Erziraphael wusste woher der Dämon es hatte, wollte er sich nicht als Spitzel darstellen. Also deutete der Engel nur unwissend auf das schneeweiße feingearbeitete Stofftuch in Crowleys Hand. Mechanisch erhob es der Rothaarige und formte den Mund kreisrund.
„Das...Das ist der Restbestand meiner Verkleidung. Ich war als menschliche Frau unterwegs.“
Plötzlich erhellte sich Erziraphaels freundliches Gesicht. Vielleicht hatte er die Situation nur falsch gedeutet? Wenn Crowley von einem Auftrag sprach, dann war sie eventuell nur so eine Art menschliche Arbeitskollegin. Ein wenig zu aufgeregt zeigte er mit dem Stock hinter sich.
„Oh, dann war die Frau in der Kutsche also nur deine Komplizin?“
Starr vor Schreck, blieb Crowleys Mund leicht offen, ohne das ein Ton zu hören war. Doch dann nickte er nur heftig und wedelte mit dem Tüchlein in die blaue Richtung.
„Ganz richtig. Sie hat geholfen mich in die Adelskreise einzuschleusen. Feine Frau, sie dachte es wäre ein Streich von mir, mich als Frau zu verkleiden und die hohen Herrschaften zum Narren zu halten. War irre witzig. Ja, ja.“
„Welch... ein sonderbarer Humor.“
Crowley musste das Thema wechseln, schnellstmöglich. Reaktionslos, aber innerlich nervös, warf er das Taschentuch hinter sich, ohne von dem Engel wegzuschauen.
„Bleibst du etwa hier in Cardiff?“
Der Lärm eines Einspänners unterbrach ihr Gespräch, ehe Erziraphael den vorbeilaufenden Menschen hinterher blickte und dann die eigenen Hände fokussierte.
„Nein, ich...war in Dublin wegen eines Auftrags und bin auf einen kleinen Abstecher, wie man so schön sagt, hier vorbeigekommen. Du hast beim letzten Treffen erwähnt, dass du hier sein würdest. Und da dachte ich, ich könnte... um... ich...also...ich wollte dich fragen, ob du noch einmal nach London kommen würdest. Das Treffen wäre natürlich rein zufällig. Sonst hagelt es ja Probleme. Aber der Earl of Orrery besitzt ein Miniatur-Planetmaschinchen. Es zeigt wie Sonne, Mond und Erde zueinanderstehen, sie kreisen mit einem raffinierten Uhrwerk von ganz allein. Natürlich weiß ich, dass du es besser weißt, dennoch... dachte ich, dass es dir vielleicht gefallen könnte?“
In Crowley fiel etwas zusammen und es war schön. Eigentlich durfte es sich nicht schön anfühlen. Aber er wollte, dass es so sein sollte. Vor ihm stand ein unsicherer Engel, der Engel, und fragte ihn um ein...freundschaftliches Rendezvous. Nur für ihn, Crowley. Nein!
Der Dämon spürte plötzlich wie sich vor ihm ein Wall hochzog. Einer, der viel zu gefährlich war. Für Erziraphael. Crowley schluckte schwer und gestikulierte in beliebige Richtungen umher.
„Nein, äh, ich kann nicht. Ich habe viele wichtige Dinge zu erledigen. Meine Zu-erledigen-Liste ist verdammt lang. Sagt dir die Mauer im Chinesischen Kaiserreich etwas? Und ebenso lang ist auch meine Liste. Wenn ich die bis Ende der Woche nicht abgehakt habe, dann pfuu, hagelt es bei mir. Und zwar ziemlich gewaltig von unten.“
Mit jedem Wort knickte Erziraphael innerlich ein, doch nach Außen zeigte er sich verständnisvoll. Er lächelte halbwegs und zuckte mit Schultern und Kopf.
„Oh, nun, es ist halb so wild. Es ist ja auch nichts wichtiges. Wie kam ich nur auf solch eine Idee? Natürlich hast du keine Zeit für derlei Unfug. Gut, dann...dann mach nur weiter in dem was du sowieso vorhattest. Also dann bis zu einem anderen zufälligem Treffen?“
Für wenige Momente sahen sie sich tief in die Augen und entrissen sich zum ersten Mal jeden Schlauer davon fort. Crowley erkannte die blaue Traurigkeit darin und Erziraphael sah die gelbe Lüge.
Kaum, dass sich der mollige Körper abwenden wollte, um sich der Enttäuschung offen hinzugeben, gab Crowleys schwarzer Schnallenschuh ein dumpfes Klacken von sich.
„Tut mir leid, dass du doch nicht dieses Buch von dieser Dingens-Frau da bekommen hast. In Oslo.“
Überrascht drehte sich Erziraphael wieder um und spielte unsicher mit dem Stock, während er angedeutet mit dem Kopf schüttelte.
„Oh. Nein, das muss es nicht. Ähm, mir tut es leid, dass du eine Bibel retten musstest.“
Angedeutet grinsend hoben sich die rot eingepackten Schultern.
„Ach naja, die ist ja nichts Heiliges oder so was.“
Schwerfällig ließ der Engel den Kopf nach vorne gleiten und lächelte ebenso schwach.
„Das stimmt, aber es wäre trotzdem ein schöner Anfang für mein Geschäft geworden.“
„Hast du immer noch diese verkorkste Eingebung von einem Buchladen? Mensch, Engel, so was braucht doch keiner. Rate mal, warum es solche Läden nicht gibt?“
Doch Erziraphael lächelte nur weiter, dieses Mal jedoch trauriger und fest in Crowleys Augen hinein.
„Es gibt etliche Wünsche, die man zwar nicht braucht, aber unbedingt haben will. Einfach nur, weil sie so unfassbar gut tun und wunderschön wirken.“
Crowley erntete diesen tiefen Blick und konnte nur erstaunt zurück starren. Denn plötzlich fühlte er sich angesprochen. Warum wusste er das er damit gemeint war? Mit einem Mal zuckte Erziraphael hoch und bekam rötliche Wangen.
„Ich...also...sollte mich auf den Weg machen. Wie gesagt, wir...wir sehen uns. Vielleicht, rein zufällig natürlich.“
Rasch wandte sich der Engel um, flatterte mit seinem Himmelblauen Rock auf, als wären es die eigenen Flügel und schob sich über die viel zu belebte Straße hinweg. Dreizehenmöwen kreischten laut auf und umkreisten die Giebeldächer des Hafenstädtchens wie alteingesessene Geier.
Crowley wollte ihm nicht hinterherschauen, keine Einsamkeit und Frustration empfinden. Doch er tat es. Er drehte sich um und erkannte auf dem Boden das einst so blütenweiße Taschentuch dieser Frau, deren Name er sowieso bereits wieder vergessen hatte. Absichtlich trat er es noch tiefer in den Dreck und fluchte. Seine hiesige Unterkunft war nicht weit fort, er lief mit seinen drahtigen Beinen nur 100 Meter die Straße empor und fühlte sich von den Händlern und dem Geschwätz der Sterblichen ungeheuerlich genervt. Er duckte sich unter dem Türrahmen des schmächtigen Fachwerkhauses und gelangte mit eiligen Bewegungen in das einzige obige Stockwerk.
„Wie du dich vorher noch amüsieren kannst, obwohl wir heute Nacht unsere Orgie feiern, ist mir wahrlich ein Rätsel. Ich spare mir lieber meine Körpersäfte auf, um die ganze Wallung intensiv spüren zu können. Schließlich brauchen wir doch unsere Kräfte um all diese Frauen und Männer durchzustehen und zu beglücken. Nicht wahr, Crawley?“
Diese süffisanten dunkel gestimmten Worte kamen von einem schwarzhaarigen Dämon, der unverkennbar mit einer braunen Strähne bestückt war und mit einem Pferdefußzeichen entlarvt werden konnte. Behemoth. Der athletische Körper lag auf eines ihrer Betten und rekelte sich genüsslich darauf herum. Während Crowley diesbezüglich nur kommentarlos Rock, Halsbinde und die Schuhe von sich fallen ließ. Der Rothaarige fiel auf sein eigenes Schlaflager und blickte zur Decke hinauf. Behemoth summte unheilvolle Töne vor sich her, ehe er nach einer hellen Weintraube von einem Tellerchen fummelte.
„Was hast du denn? Erbrachte sie nicht die erwartete Höchstleistung?“
Crowley dachte an Erziraphael, wie er ihn angeschaut hatte. Mit dieser reinen, freundlichen Zuneigung. Das selbst auf ihrer Entfernung hin, dieser unschuldige Duft zu ihm durchdrang und ihn ebenso unschuldig nach einem Treffen gefragt hatte, schleuderte den Dämon irgendwie aus der Standhaftigkeit. Trotz ihrer langen Bekanntschaft überrumpelte es Crowley jedes Mal auf´s neue, dass Erziraphael eigentlich gar nichts von ihm verlangte. Niemals. Er wollte nur geben, nichts weiter. Wie konnte er den Engel also nur mit einem >Nein< ziehen lassen?
„Ich werde nach London gehen.“
Abrupt hörte Behemoth mit kauen auf und stützte den Kopf auf seiner Hand ab und stierte verdattert zu ihm hinüber.
„Wann?“
„Morgen.“
Beinahe schon erbost richtete sich der andere Dämon auf und verschluckte sich dabei am Kern.
„Und was ist mit Caerphilly Castle? Dort erwarten uns heute Nacht lustvolle Anhänger, die dich als den wahren Satan preisen wollen. Sie alle wollen sich mit dir versündigen. Wir gründeten Domus Diaboli schließlich nur für diesen Zweck. Damit wir einmal im Jahr alles vergessen können. Und jetzt willst du kneifen?“
Crowley schnalzte mit der Zunge und machte einen schlangenartige Kopfbewegung.
„Ach was, natürlich bleibt es auch weiterhin bestehen, nur dieses eine Mal musst du es eben allein machen. So oder so werde ich nach London gehen.“
Die langen seidigen Haare fielen ihm über die schwarze Schulter und die Pferdefußtätowierung zuckte merklich auf.
„Nur wegen einer Dirne? Die kannst du auch heute Nacht bekommen, viele, etliche! Oder hol sie dazu, dann kannst du sie endlose Stunden lang bearbeiten. Danach kannst du sie hübsch zu den anderen Lumpen legen. Ich kann dir gerne...“
Plötzlich preschte Crowley zu ihm hinüber, packte ihm am Kragen und drückte dessen schmalen Hals unbeugsam und tief in das Federkissen hinein. Die Trauben fielen herunter, die Keramik zersprang. Schlangenaugen wurden zu gefahrvollen Schlitzen, spitze Zähne bleckten sich und das Rot der Haare schien Gift und Galle zu spritzen.
„Wie kannst du es wagen so von ihm zu sprechen? Er ist mehr wert als alle zusammen von unserer Sorte!“
Der Schlangendämon erschrak vor sich selbst. Wieso tat er das hier? Behemoth sprach doch gar nicht wirklich von Erziraphael. Und selbst wenn, was hatten seine Worte schon für eine Bedeutung? Wieso machte es ihn so rasend? Entsetzt starrte ihn der Schwarzhaarige an und suchte einen beeinflussbaren Punkt an seinem Gefährten. Innerlich keimte bereits die Furcht auf. Äußerlich hatte er aber seinen Ausdruck wieder rasch im Griff und versuchte überschätzt zu lächeln. Auch wenn ihm das Atmen schwerfiel.
„Oho, dieses Mal scheint es also ein Mann zu sein. Um was für einen wahrlich prächtigen Knaben muss es sich doch handeln, wenn du so derartig wütend wirst, Crawley.“
„Ich heiße Crowley.“
Er stieß ihn noch einmal nach und warf sich wieder zurück in sein eigenes Bett. Räuspernd fühlte sich Behemoth schon etwas eifersüchtig, doch er richtete sich nur die Halsbinde und klaubte sich sein Obst wieder vom Boden auf.
„Na schön, wenn dir dieser Knabe so wichtig, dann reise eben. Du hättest wohl nichts dagegen, wenn ich dich begleite?“
Ruckartig wirbelte Crowley den Kopf wieder herum.
„Natürlich hätte ich das. Untersteh dich dort aufzukreuzen. Außerdem ist London nichts für dich, viel zu brav und untergeordnet. Hattest du nicht eh einen Auftrag im Mongolischen Reich?“
Behemoth verdrehte die Augen und bettete die schwarze Haarpracht zurück in das Kissen.
„Erinnere mich nicht daran. Lord Beelzebub hat versucht mir Asasel aufzudrücken.“
„Bei der guten Medusa, ist ihm das gelungen?“
„Nein, ich habe jeden Einwand gelten gemacht, damit ich nicht seinen Aufpasser spielen muss. Asasel ist vollkommen verrückt geworden, faselte etwas von einer eigenen Unterwelt und einer neuen Rangordnung.“
Die gelben Augen verengten sich und er zuckte mit dem Kopf vor.
„Weiß Lord Beelzebub davon?“
Nach einem verächtlichen Ausruf, schob sich der andere Dämon eine halb zerquetschte Traube in den Mund.
„Wenn er das wüsste, dann würde Asasel schon längst Dienst im Hetemit vollziehen. Nein, nein, ich warte ab zu welchen Spektakel uns dessen Irrsinn bringen wird. Danach werden wir alle unseren Spaß haben, da bin ich mir sicher.“ Während Behemoth vor sich hin kicherte und sich irgendwie die Hände zu reiben schien, legte sich Crowley nur wieder längs über das Bett und dachte daran, was er wohl antworten würde, wenn er das freudig überraschte Gesicht Erziraphaels in London erblickte.
Es tut mir leid euch zu enttäuschen, weil ihr euch doch so über das letzte Kapitel gefreut habt. Aber ihr wisst ja selbst, wann die zwei endlich mal in die Puschen kommen und zu einander finden. Ich verdrehe gerade auch selbst die Augen....
Auch wenn das hier nur eine dünne schwache Scheibe von einem Kapitel ist, hoffe ich, dass es euch irgendetwas bringt.
Ach ja, erinnert ihr euch an den Dämon, der in Babylon einen kurzen Auftritt hatte? Dessen Namen fällt hier, bitte gut merken!!
Also, dann wünsche ich euch einen wunderschönen Sonntag und eine gute gesunde Zeit. Esst abwechslungsreich und lacht viel, dass hält gesund und munter. :)
Tschaui und bis bald, eure Linda ^-^
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Der Himmel konnte nicht blauer sein als seine Augen, wenn sie zu leuchten begannen. Der ebenso hellblaue Samtrock wippte in voller Leichtigkeit auf, als er den roten Schopf aus einer prunkvollen Pferdekutsche steigen sah. Erziraphael stand auf der anderen Straßenseite und setzte sich den Dreispitz akkurat zurecht. Richtete sich den seidigen Halsbund ordentlich und umgriff den schwarzen Gehstock wie ein natürlicher englischer Gentleman. Die Fachwerkhäuser hielten in dieser walisischen Stadt die Oberhand und ließen deren Bewohner ihre alltäglichen Pflichten erfüllen. Auf der grob gepflasterten Straße drängten sich Fuhrwerke und andere Händler hindurch, während Fischfrauen sich beschimpften und unordentliche Kinder durch die dichte Menge tollten. Pfeife rauchende alte Männer, die auf Fässern oder knorrigen Kisten saßen und von reibenden Gelenken und vergangenen Taten schwatzten. Nur die munteren Seevögel schwebten über diesen unsinnigen Treiben hinfort, während sie ihre krächzenden Lieder schrien. Allerdings ging es bei dem Engel um alles andere, als um die gewöhnlichen Aufgaben seines Lebens. Keine Anordnung führte ihn nach Wales, sondern ganz allein die Sehnsucht nach Crowley. Auch wenn er es selbst nicht ganz so direkt für sich ausdrückte. Das letzte Mal sahen sie sich in London, im Jahre 1601. Doch bevor Erziraphael nach ihrem Glücksspiel nach Edinburgh reiste, schenkte ihm Crowley eine zartblühende Rose zum Abschied und auf den Weg. Ohne Worte, ohne Erklärung, stillschweigend und doch alles sagend. Ebenso wortlos nahm sie der Engel entgegen und lächelte auf seine sanfte Art ein liebreizendes Dankeschön hervor.
Und bei jenen Treffen grummelte der Dämon in ihren Gesprächen nebenbei etwas von Cardiff. Er würde sich eine ganze Weile dort aufhalten wollen und deswegen war Erziraphael nun hier. Das süße Städtchen lag an der breiten Mündung des Severn und zeugte immerzu von der Küstenhaften Mentalität des Landes. Ein munteres Völkchen das gerne feierte, stellte der Engel fest, während er endlich die vertraute Aura des Dämonen wahrgenommen und orten konnte. Die raue Luft wirkte alles andere als kühl, vielmehr belebend und frisch. Und dennoch war er froh, das er durch die derzeitige Mode soviel Stoffe übereinander tragen musste.
Crowley entstieg dem geschlossenen Kutschraum, streckte genüsslich die Arme in den hohen Himmel und rückte dann den Kopf noch einmal in die Karosserie hinein. Plötzlich hielt Erziraphael inne. Seine Brauen zuckten leicht zusammen, denn er glaubte feminine Finger über das dämonische Gesicht streicheln gesehen zu haben. Sein Herz machte einen winzigen Sprung, aber in die falsche Richtung. Denn es stach leicht. Dann nahm der Dämon diese Stoffumhüllte Hand in die seine und küsste sie rasch. Irgendwie überkam Erziraphael soeben eine ungenaue Traurigkeit und er verstand nicht so recht wieso. Ein neuer gefälschter Sprung für sein Herz. Er sah dabei zu, wie Crowley etwas entgegen nahm, die Kutsche schloss und sie an sich vorbeifahren ließ, kaum dass der Mensch auf dem Bock die Peitsche knallen ließ.
Das Pferd wieherte auf und Dreck wurde auf den vereinzelten Steinen aufgescheucht.
Er ist ein Dämon, an nichts und niemanden gebunden, rief sich der Engel ins Gedächtnis. Schon gar nicht an eine kameradschaftliche....was waren sie eigentlich genau? Freunde? Oder...was nun?
Erziraphael räusperte sich und setzte einen Fuß nach den anderen durch die laut schwatzende Meute. Dennoch war es so belebend ihn zu sehen, auch wenn sich sein Herz irgendwie verletzt fühlte.
Der Rothaarige indes pustete nur gedehnt aus, nachdem er die Wangen mächtig aufgeblasen hatte. Er wollte sich gerade etwas ungelenk fortbewegen, als er unwillkürlich stehen bleiben musste, weil soeben ein Schlotfeger an ihm vorbei stampfte und ihm beinahe das Schultereisen an den Kopf gerammt hätte. Endlich war sie weg, allmählich wurde es ziemlich anstrengend, dachte Crowley nur bei sich und schaute kurzzeitig auf ihr Abschiedsgeschenk in seiner Hand. Ein Taschentuch. Glaubt sie, er hätte Schnupfen ober wie? Sie war zwar eine rechte Sirene im Bett, aber alles andere an ihr empfand er nur unerträglich. Die Art und Weise wie sie ihn angeschaut hatte, ihre einfältigen Gesten, ihr dümmliches Gekicher und dann noch dieses unsägliche Geplapper. „Oh, Satan, beinahe hätte ich mich um den Innendienst beworben, wenn sie weiter so geschwafelt hätte. Doch sie war so verflucht gut darin gewesen ihre Beine weit zu schwingen und von dem Rhythmusgefühl in ihren Unterleib mal ganz zu schweigen. Warum stopfe ich mich eigentlich immer mit solchen Hohlköpfen zu?“, fragte sich Crowley aufrichtig und drehte sich zum Bürgersteig herum. Aber wie sollten seine Bettgenossen auch sonst sein? Vielleicht so in der Art wie...
„Crowley!“
Ja, ganz genau wie er! Also nicht wie Crowley, sondern genau so wie Erziraphael. Ebenso diese unschuldige Art, wenn er....nein, Moment! So etwas durfte er noch nicht einmal denken! Wieso sollte er auch so was denken? War er vielleicht bereits zu lang....
„Crowley?!“
Stopp! Die Stimme war real? Der Dämon riss sich abrupt aus den Gedanken heraus, rührte keines seiner Beine mehr und verlor gerade sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Vorsichtig drehte er erst einmal nur den Kopf über die Schulter hinweg und erstarrte de facto zum weiteren Male.
„Oweh.“, murmelte Crowley vor sich her, als Erziraphael näher kam und mit dem Gehstock nur einmal die Pflastersteine schallte. Noch ehe ein lächelnder Engel etwas aus dem geöffneten Mund sagen konnte, wirbelten sich die roten Locken im Winde herum und der Feuerrote Brokatrock tänzelte sein eigenes Spiel.
„Wusstest du, dass die Menschen kurz davor stehen eine Dampfmaschine zu erfinden?! Noch sind sie in der Entwicklungsphase, aber ich glaube fest daran, dass sie es schaffen werden! Ich meine, diese großartigen Menschen erfinden ständig diese großartigen Dinge! Die kommenden Jahrhunderte werden mir bestimmt äußerst gut gefallen! Ja!“
Ruckartig blieb Erziraphael stehen und blickte ihn aufgrund dieser, selbst für dessen Verhältnisse, groteske Begrüßung, verwirrt an.
„Ich, ähm...nun ja, wenn du es sagst. Ja, wenn sie sich anstrengen, klappt es garantiert......denke ich, glaub ich.“
Crowley leckte sich über die Lippen und beugte sich mit erhobenen Augenbrauen leicht vor, weil er sich mit beiden Händen an der Hüfte abstützte. Der Engel durfte doch nicht hier sein, schon gar nicht jetzt. Durfte auch nicht das viel zu exzentrische Parfüm an ihm schnuppern. Die vergangene Nacht war hemmungslos und schien die Sünde neu erfunden zu haben. Aber nun...nun stand das einzig wahre Reinheitsgebot in diesem Kosmos in der puren Manifestation vor ihm. Diese zwei Welten durften nicht kollidieren. Niemals! Gerade als sich das Himmelswesen wieder auf ihn zu bewegen wollte, wich der Dämon einen leichten Schritt zur Seite aus. Es sollte elegant und bedeutungslos wirken, tat es aber nicht. Um sich selbst nicht noch mehr zu verwirren, blieb Erziraphael einfach nur auf der Stelle stehen und versuchte über dessen Gebaren hinwegzusehen.
„Also, Crowley, ich bin in Cardiff, weil ich dich etwas fragen wollte...“
„Wie war Schottland? Haben die Rinder gut gehorcht?“
Erziraphael starrte ihn verblüfft an und richtete den Kopf neben den Dämon. Schloss kurz die Augen und schnaubte durch. Dann hob er beide Hände und gestikulierte mit ihnen ermahnende Bewegungen.
„Ich mag nicht darüber sprechen. So etwas werde ich nie wieder tun. Selbst für dich nicht.“
Crowley grinste schief, er konnte es sich so schön bildlich vorstellen. Schade, denn jetzt bereute er es, ihm nicht doch heimlich hinterher gereist zu sein, um ihn dabei zu beobachten. Wie er sich bei einer harmlosen Schandtat verhielt. Und das erst in einen dieser bunten Wickelröcke.
„Seit wann besitzt du eigentlich ein Spitzentüchlein?“
Gleichwohl Erziraphael wusste woher der Dämon es hatte, wollte er sich nicht als Spitzel darstellen. Also deutete der Engel nur unwissend auf das schneeweiße feingearbeitete Stofftuch in Crowleys Hand. Mechanisch erhob es der Rothaarige und formte den Mund kreisrund.
„Das...Das ist der Restbestand meiner Verkleidung. Ich war als menschliche Frau unterwegs.“
Plötzlich erhellte sich Erziraphaels freundliches Gesicht. Vielleicht hatte er die Situation nur falsch gedeutet? Wenn Crowley von einem Auftrag sprach, dann war sie eventuell nur so eine Art menschliche Arbeitskollegin. Ein wenig zu aufgeregt zeigte er mit dem Stock hinter sich.
„Oh, dann war die Frau in der Kutsche also nur deine Komplizin?“
Starr vor Schreck, blieb Crowleys Mund leicht offen, ohne das ein Ton zu hören war. Doch dann nickte er nur heftig und wedelte mit dem Tüchlein in die blaue Richtung.
„Ganz richtig. Sie hat geholfen mich in die Adelskreise einzuschleusen. Feine Frau, sie dachte es wäre ein Streich von mir, mich als Frau zu verkleiden und die hohen Herrschaften zum Narren zu halten. War irre witzig. Ja, ja.“
„Welch... ein sonderbarer Humor.“
Crowley musste das Thema wechseln, schnellstmöglich. Reaktionslos, aber innerlich nervös, warf er das Taschentuch hinter sich, ohne von dem Engel wegzuschauen.
„Bleibst du etwa hier in Cardiff?“
Der Lärm eines Einspänners unterbrach ihr Gespräch, ehe Erziraphael den vorbeilaufenden Menschen hinterher blickte und dann die eigenen Hände fokussierte.
„Nein, ich...war in Dublin wegen eines Auftrags und bin auf einen kleinen Abstecher, wie man so schön sagt, hier vorbeigekommen. Du hast beim letzten Treffen erwähnt, dass du hier sein würdest. Und da dachte ich, ich könnte... um... ich...also...ich wollte dich fragen, ob du noch einmal nach London kommen würdest. Das Treffen wäre natürlich rein zufällig. Sonst hagelt es ja Probleme. Aber der Earl of Orrery besitzt ein Miniatur-Planetmaschinchen. Es zeigt wie Sonne, Mond und Erde zueinanderstehen, sie kreisen mit einem raffinierten Uhrwerk von ganz allein. Natürlich weiß ich, dass du es besser weißt, dennoch... dachte ich, dass es dir vielleicht gefallen könnte?“
In Crowley fiel etwas zusammen und es war schön. Eigentlich durfte es sich nicht schön anfühlen. Aber er wollte, dass es so sein sollte. Vor ihm stand ein unsicherer Engel, der Engel, und fragte ihn um ein...freundschaftliches Rendezvous. Nur für ihn, Crowley. Nein!
Der Dämon spürte plötzlich wie sich vor ihm ein Wall hochzog. Einer, der viel zu gefährlich war. Für Erziraphael. Crowley schluckte schwer und gestikulierte in beliebige Richtungen umher.
„Nein, äh, ich kann nicht. Ich habe viele wichtige Dinge zu erledigen. Meine Zu-erledigen-Liste ist verdammt lang. Sagt dir die Mauer im Chinesischen Kaiserreich etwas? Und ebenso lang ist auch meine Liste. Wenn ich die bis Ende der Woche nicht abgehakt habe, dann pfuu, hagelt es bei mir. Und zwar ziemlich gewaltig von unten.“
Mit jedem Wort knickte Erziraphael innerlich ein, doch nach Außen zeigte er sich verständnisvoll. Er lächelte halbwegs und zuckte mit Schultern und Kopf.
„Oh, nun, es ist halb so wild. Es ist ja auch nichts wichtiges. Wie kam ich nur auf solch eine Idee? Natürlich hast du keine Zeit für derlei Unfug. Gut, dann...dann mach nur weiter in dem was du sowieso vorhattest. Also dann bis zu einem anderen zufälligem Treffen?“
Für wenige Momente sahen sie sich tief in die Augen und entrissen sich zum ersten Mal jeden Schlauer davon fort. Crowley erkannte die blaue Traurigkeit darin und Erziraphael sah die gelbe Lüge.
Kaum, dass sich der mollige Körper abwenden wollte, um sich der Enttäuschung offen hinzugeben, gab Crowleys schwarzer Schnallenschuh ein dumpfes Klacken von sich.
„Tut mir leid, dass du doch nicht dieses Buch von dieser Dingens-Frau da bekommen hast. In Oslo.“
Überrascht drehte sich Erziraphael wieder um und spielte unsicher mit dem Stock, während er angedeutet mit dem Kopf schüttelte.
„Oh. Nein, das muss es nicht. Ähm, mir tut es leid, dass du eine Bibel retten musstest.“
Angedeutet grinsend hoben sich die rot eingepackten Schultern.
„Ach naja, die ist ja nichts Heiliges oder so was.“
Schwerfällig ließ der Engel den Kopf nach vorne gleiten und lächelte ebenso schwach.
„Das stimmt, aber es wäre trotzdem ein schöner Anfang für mein Geschäft geworden.“
„Hast du immer noch diese verkorkste Eingebung von einem Buchladen? Mensch, Engel, so was braucht doch keiner. Rate mal, warum es solche Läden nicht gibt?“
Doch Erziraphael lächelte nur weiter, dieses Mal jedoch trauriger und fest in Crowleys Augen hinein.
„Es gibt etliche Wünsche, die man zwar nicht braucht, aber unbedingt haben will. Einfach nur, weil sie so unfassbar gut tun und wunderschön wirken.“
Crowley erntete diesen tiefen Blick und konnte nur erstaunt zurück starren. Denn plötzlich fühlte er sich angesprochen. Warum wusste er das er damit gemeint war? Mit einem Mal zuckte Erziraphael hoch und bekam rötliche Wangen.
„Ich...also...sollte mich auf den Weg machen. Wie gesagt, wir...wir sehen uns. Vielleicht, rein zufällig natürlich.“
Rasch wandte sich der Engel um, flatterte mit seinem Himmelblauen Rock auf, als wären es die eigenen Flügel und schob sich über die viel zu belebte Straße hinweg. Dreizehenmöwen kreischten laut auf und umkreisten die Giebeldächer des Hafenstädtchens wie alteingesessene Geier.
Crowley wollte ihm nicht hinterherschauen, keine Einsamkeit und Frustration empfinden. Doch er tat es. Er drehte sich um und erkannte auf dem Boden das einst so blütenweiße Taschentuch dieser Frau, deren Name er sowieso bereits wieder vergessen hatte. Absichtlich trat er es noch tiefer in den Dreck und fluchte. Seine hiesige Unterkunft war nicht weit fort, er lief mit seinen drahtigen Beinen nur 100 Meter die Straße empor und fühlte sich von den Händlern und dem Geschwätz der Sterblichen ungeheuerlich genervt. Er duckte sich unter dem Türrahmen des schmächtigen Fachwerkhauses und gelangte mit eiligen Bewegungen in das einzige obige Stockwerk.
„Wie du dich vorher noch amüsieren kannst, obwohl wir heute Nacht unsere Orgie feiern, ist mir wahrlich ein Rätsel. Ich spare mir lieber meine Körpersäfte auf, um die ganze Wallung intensiv spüren zu können. Schließlich brauchen wir doch unsere Kräfte um all diese Frauen und Männer durchzustehen und zu beglücken. Nicht wahr, Crawley?“
Diese süffisanten dunkel gestimmten Worte kamen von einem schwarzhaarigen Dämon, der unverkennbar mit einer braunen Strähne bestückt war und mit einem Pferdefußzeichen entlarvt werden konnte. Behemoth. Der athletische Körper lag auf eines ihrer Betten und rekelte sich genüsslich darauf herum. Während Crowley diesbezüglich nur kommentarlos Rock, Halsbinde und die Schuhe von sich fallen ließ. Der Rothaarige fiel auf sein eigenes Schlaflager und blickte zur Decke hinauf. Behemoth summte unheilvolle Töne vor sich her, ehe er nach einer hellen Weintraube von einem Tellerchen fummelte.
„Was hast du denn? Erbrachte sie nicht die erwartete Höchstleistung?“
Crowley dachte an Erziraphael, wie er ihn angeschaut hatte. Mit dieser reinen, freundlichen Zuneigung. Das selbst auf ihrer Entfernung hin, dieser unschuldige Duft zu ihm durchdrang und ihn ebenso unschuldig nach einem Treffen gefragt hatte, schleuderte den Dämon irgendwie aus der Standhaftigkeit. Trotz ihrer langen Bekanntschaft überrumpelte es Crowley jedes Mal auf´s neue, dass Erziraphael eigentlich gar nichts von ihm verlangte. Niemals. Er wollte nur geben, nichts weiter. Wie konnte er den Engel also nur mit einem >Nein< ziehen lassen?
„Ich werde nach London gehen.“
Abrupt hörte Behemoth mit kauen auf und stützte den Kopf auf seiner Hand ab und stierte verdattert zu ihm hinüber.
„Wann?“
„Morgen.“
Beinahe schon erbost richtete sich der andere Dämon auf und verschluckte sich dabei am Kern.
„Und was ist mit Caerphilly Castle? Dort erwarten uns heute Nacht lustvolle Anhänger, die dich als den wahren Satan preisen wollen. Sie alle wollen sich mit dir versündigen. Wir gründeten Domus Diaboli schließlich nur für diesen Zweck. Damit wir einmal im Jahr alles vergessen können. Und jetzt willst du kneifen?“
Crowley schnalzte mit der Zunge und machte einen schlangenartige Kopfbewegung.
„Ach was, natürlich bleibt es auch weiterhin bestehen, nur dieses eine Mal musst du es eben allein machen. So oder so werde ich nach London gehen.“
Die langen seidigen Haare fielen ihm über die schwarze Schulter und die Pferdefußtätowierung zuckte merklich auf.
„Nur wegen einer Dirne? Die kannst du auch heute Nacht bekommen, viele, etliche! Oder hol sie dazu, dann kannst du sie endlose Stunden lang bearbeiten. Danach kannst du sie hübsch zu den anderen Lumpen legen. Ich kann dir gerne...“
Plötzlich preschte Crowley zu ihm hinüber, packte ihm am Kragen und drückte dessen schmalen Hals unbeugsam und tief in das Federkissen hinein. Die Trauben fielen herunter, die Keramik zersprang. Schlangenaugen wurden zu gefahrvollen Schlitzen, spitze Zähne bleckten sich und das Rot der Haare schien Gift und Galle zu spritzen.
„Wie kannst du es wagen so von ihm zu sprechen? Er ist mehr wert als alle zusammen von unserer Sorte!“
Der Schlangendämon erschrak vor sich selbst. Wieso tat er das hier? Behemoth sprach doch gar nicht wirklich von Erziraphael. Und selbst wenn, was hatten seine Worte schon für eine Bedeutung? Wieso machte es ihn so rasend? Entsetzt starrte ihn der Schwarzhaarige an und suchte einen beeinflussbaren Punkt an seinem Gefährten. Innerlich keimte bereits die Furcht auf. Äußerlich hatte er aber seinen Ausdruck wieder rasch im Griff und versuchte überschätzt zu lächeln. Auch wenn ihm das Atmen schwerfiel.
„Oho, dieses Mal scheint es also ein Mann zu sein. Um was für einen wahrlich prächtigen Knaben muss es sich doch handeln, wenn du so derartig wütend wirst, Crawley.“
„Ich heiße Crowley.“
Er stieß ihn noch einmal nach und warf sich wieder zurück in sein eigenes Bett. Räuspernd fühlte sich Behemoth schon etwas eifersüchtig, doch er richtete sich nur die Halsbinde und klaubte sich sein Obst wieder vom Boden auf.
„Na schön, wenn dir dieser Knabe so wichtig, dann reise eben. Du hättest wohl nichts dagegen, wenn ich dich begleite?“
Ruckartig wirbelte Crowley den Kopf wieder herum.
„Natürlich hätte ich das. Untersteh dich dort aufzukreuzen. Außerdem ist London nichts für dich, viel zu brav und untergeordnet. Hattest du nicht eh einen Auftrag im Mongolischen Reich?“
Behemoth verdrehte die Augen und bettete die schwarze Haarpracht zurück in das Kissen.
„Erinnere mich nicht daran. Lord Beelzebub hat versucht mir Asasel aufzudrücken.“
„Bei der guten Medusa, ist ihm das gelungen?“
„Nein, ich habe jeden Einwand gelten gemacht, damit ich nicht seinen Aufpasser spielen muss. Asasel ist vollkommen verrückt geworden, faselte etwas von einer eigenen Unterwelt und einer neuen Rangordnung.“
Die gelben Augen verengten sich und er zuckte mit dem Kopf vor.
„Weiß Lord Beelzebub davon?“
Nach einem verächtlichen Ausruf, schob sich der andere Dämon eine halb zerquetschte Traube in den Mund.
„Wenn er das wüsste, dann würde Asasel schon längst Dienst im Hetemit vollziehen. Nein, nein, ich warte ab zu welchen Spektakel uns dessen Irrsinn bringen wird. Danach werden wir alle unseren Spaß haben, da bin ich mir sicher.“ Während Behemoth vor sich hin kicherte und sich irgendwie die Hände zu reiben schien, legte sich Crowley nur wieder längs über das Bett und dachte daran, was er wohl antworten würde, wenn er das freudig überraschte Gesicht Erziraphaels in London erblickte.