"Tanz der Amphisbaena"
von Die Linda
Kurzbeschreibung
Dies hier ist eine Chronik. Angefangen in Babylon bis hin zum Zeitalter meiner anderen Geschichte "Apfel im Kelch" und darüber hinaus. Zusammengestellt aus OneShots und Zweit/Dreiteilern. Erziraphael und Crowley wirken so unterschiedlich, bis jeder von ihnen auf seine Art spürt, dass sie doch nur das Gleiche, sogar das Selbe wollen. Den Schutz, die Freude, das Glück des anderen. Und dessen Liebe...
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Anthony J. Crowley
Erziraphael
10.08.2020
30.05.2023
18
68.673
7
Alle Kapitel
33 Reviews
33 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
2 Reviews
07.10.2020
3.328
Hallöchen und einen guten Vormittag wünsche ich euch! ^.^
Und rasch geht es weiter. Nicht nur mit den Kapitel, sondern auch mit den Beiden. Es wird mit jeden neuen Jahr besser. Hoffentlich merken die zwei das auch mal. XD
Wahrscheinlich werde ich bald eine neue FF hochladen. Sie ist noch in Arbeit und viel, viel seichter, als mein AiK-Unisversum. Erzi und Crowley werden da etwas "gelassener" mit der Liebe umgehen. Oh großer Gott. XD
Aber hier erst mal etwas kleines aus dem Norden.
Viel Spaß und bis bald,
eure Linda ^-^
************************************************************************************************************
Sein gellendes lauthalses Lachen dröhnte durch jeden Holznagel und durch jede Etage des knorrigen Hauses. Crowley schlug drei mal auf die alte Tischkante und amüsierte sich über seinen Sieg. Gleichwohl er geschummelt hatte, fühlte sich der letzte Eroberungszug wie süßer Honig in Pudding an. Die drei Menschen in seiner Runde wirkten weniger zufrieden und fluchten leise in sich hinein. Der Dämon griff nach seinem Gewinn und grinste hämisch in die verlorenen Gesichter der Männer.
Sie wirkten mürrisch, wahrscheinlich weil sie in jenen Moment bereits die notwendigen Verteidigungen gegen ihre Frauen zusammenkratzten. Das spärlich mit Kerzen behangene Zimmer, in denen verschiedene ruchlose Spiele vonstatten gingen, befand sich im hinteren Bereich einer Fjordschänke, auf der Zunge des Hafens von Oslo. Mitternacht klopfte an die Uhr und der Himmel quoll vor düsteren Wolken über, die bereits einen fürchterlichen Wind vorausschickten. Der Geschmack von bösartigem Unwetter lag in der Luft. Die Männer baten Crowley um ein Rückspiel, doch der Rothaarige brachte nur die goldenen dicken Knöpfe seines Wams zum blitzen, während er schamlos kicherte und die Abrechnungsgulden in seiner Tasche verstaute. Aus der Wirtsstube drangen Gesang und Befehle nach Bier zu ihnen hinter, während Crowley über ein Geschäft mit deren Seelen nachdachte. Die dunkle Brille funkelte hinterlistig auf, als er sich neben dem schwankenden Kerzenschein über die Tischplatte beugte und die Stimme dämpfte.
„Wollt ihr alles riskieren? Ich habe da ein recht befangenes Angebot für jeden einzelnen von euch.“
Irgendwie wurde er Raum eisiger und die Stühle begannen unheimlich zu knarzen, während man das gedämpfte Lied des pfeifenden Windes vor den Fenstern hörte. Als das kantige Gesicht des Rothaarigen eine Aura des Verderbens in die Luft freisetzte, wurde es den Männern unheimlich und jedes einzelne Haar an ihren Körpern stellte sich auf. So schleichend wie eine Schlange, überkam sie eine flüsternde Macht, die ihre Gliedmaßen unbeweglich werden ließen. Sie blickten ihn nur aufgerissen entgegen und schienen wehrlos. Gerade als sich der Dämon innerlich die Hände rieb, weil er sich auf die darauffolgenden Lobpreisungen von unten freute, wandte er die Augen kurzzeitig ab. Die länglichen Pupillen erkannten es, etwas helles und erfrischendes. Eine Gestalt, die über den verwaisten Hafen schlich. Das Fensterkreuz konnte nichts verhindern. Ebenso wenig das grausige Wetter. Crowley grinste schief.
„Na, da ist er ja.“
Er griff mit flinken Fingern nach seinem Hut an der Stuhllehne und sprang auf. Noch ehe die Menschen ihrer Verwirrung Worte verleihen konnten, schnippte Crowley gleichgültig mit den Fingern. Plötzlich warf einer der breiten Männer einen Stuhl um und ging auf einen der anderen los.
„Kjell, du elender Schuft, betrügen wolltest du mich?!“
Als der Dämon die nach Rauchstinkende Schankstube verließ eroberte Prügelgeplärre und das aufqietschende Geschrei verschiedener Menschen die Atmosphäre. Auch als er die schwere Eichentür schloss, hörte er etliche dumpfe Schläge durchdringen. Sofort griff kalter Wind ihn angriffslustig ins Gesicht, doch blieb er selbst höchst zufrieden und gleichzeitig so anteillos. Crowley stülpte sich den kurzkrempigen Hut schräg über die wedelnden Schulterlangen Haare und trat auf den Grund seines Aufenthalts zu. Quer über den düsteren Hafen.
Es war die Herbstzeit bald vorbei, doch brauchte er weder Mantel noch Pelz um sich irgendetwas fernzuhalten. Der Vorteil eines Dämonen, sie konnten faktisch von Innen heraus glühen. Im Gegensatz zu gewissen Himmelswesen, dachte Crowley schelmisch bei sich, während er eine mollig verpackte Gestalt anvisierte. Das Wetter ließ nicht nach und der Wind toste unablässig um die Ohren. Wie ein riesiges Maul eines Unterweltviehs, sperrte der Hafen die gefahrvollen Breiten auf. Feuchte kühle Luft ummantelte seine Nase, während er dafür sorgte, dass seine Absätze keinen Laut von sich gaben.
Erziraphael blickte auf die launigen Wellen im Hafenbecken hinaus, während er seinen Pelzbesetzten Schulterkragen enger zusammenzog. Irgendwoher thronte der Donner auf und der Engel blickte über seinen mittelhohen Hut hinweg. Das aufkeimende Unwetter klang wie ein Instrumentenepos aus eines dieser neumodischen Stücke, wie er fand und seufzte.
„Ein Englein steht im Hafen, ganz still und stumm
Es hat vor lauter Kälte ein Mäntlein um.
Sag wer mag das Englein sein,
Das da steht so ganz allein?“
Erschrocken, aber dennoch nach Contenance suchend, versuchte Erziraphael nicht allzu sehr zu wirbeln. Sein Knielanger Mantel schwenkte elegant herum und sein rundes Gesicht hellte sich ehrlich auf.
„Crowley?! Was tust du denn hier?“
Mit beiden Händen in den Taschen schlenderte der Dämon in der üblichen Schlangenbewegung zu ihm hinüber und zuckte stetig mit den Schultern.
„Ach weißt du, all die Gelehrten, Weisen, Experten und die anderen hochqualifizierten Menschen nennen dieses Etwas einfach: Zufall.“
Nicht gänzlich davon überzeugt, verengte Erziraphael kurz die Brauen, beließ es aber dabei und machte nur eine verständliche Miene dazu. Doch kaum begann der Dämon hin halbwegs zu umkreisen, wurde der Engel leicht nervös und knebelte mit seinen Fingern herum. Selbstredend war dies hier nicht der Fall. Nach ihrem letzten unschönen Treffen in Prag hatte Crowley sich noch einmal geschworen etwas besser auf den Engel aufzupassen. Sein Innerstes wollte diesen scheußlichen Fehltritt seinerseits wieder gut machen, deswegen nutzte er jede Gelegenheit um Erziraphael im Auge zu behalten. Er hatte erfahren, dass der Engel sich mit einem Händler treffen wollte, weil es um ein kostbares Buch ging. Oder um irgend so ein anderen wertlosen Firlefanz. Es schmeckte einfach nach Gefahr und wie konnte sich Crowley da heraushalten?
„Und was tust du hier in dieser finsteren Nacht an einem finsteren Fjord?“, fragte der Dämon entschieden und gespielt zwang- und ahnungslos.
„Oh, es geht um ein Treffen mit einem sogenannten Zwischenhändler. Es hieße, sein Herr hätte eines der neun Bücher der Sappho in seinem Besitz und wolle es unter dem Mantel der Verschwiegenheit los werden.“
Theatralisch drehte sich der Dämon nach allen Seiten um und verzog die Mundwinkel zu einer gekonnten Fragwürdigkeit.
„Hier? An so einem Ort? Ein wenig unglaubwürdig, meinst du nicht?“
Der Engel drehte sich ganz zu ihm herum und lotste seine flauschigen Hände unter dem hellbunten Mantel raus.
„Aber so muss es doch sein. Schließlich kann man doch nicht an einem Menschenvollen, heiteren Ort verschollen geglaubte Bücher übergeben. Ich meine, immerhin handelt es sich hier um eine der Schriften von Sappho.“
Auch Crowley hatte sich parallel zu ihm gedreht, ohne jäh die Hände aus den tiefen Taschen zu zeigen, und beugte sich nur unerfahren vor. Dessen Gesicht sagte dem Engel alles und er konnte diese Unwissenheit einfach nicht begreifen. Woraufhin seine pelzigen Handschuhe noch mehr herumgefuchtelt wurden.
„Sappho war die Lyrikerin in der Antike und hatte eine kanonische Bedeutung. Du musst doch damals von ihr gehört haben.“
Immer noch mit den Schultern zuckend blickte der Dämon aber nur auf die wackelnden Hände des Engels hinunter und deutete in völliger Neugierde auf diese.
„Wir haben noch nicht mal Winter und du trägst schon Handschuhe?“
„Nun ja, es ist ja auch ziemlich kalt. Wir sind hier immerhin im hohen Norden.“
„Du kannst doch deine Körpertemperatur regulieren.“
„Ja, aber doch nicht so sehr, dass ich nicht frieren muss. Im Himmel brauchen wir solche Dinge schließlich nicht. Niemand hatte mir damals gesagt, dass es auf der Erde Gebiete gibt, wo es...“
Abrupt stockte Erziraphael der Atem. Denn während des letzten Satzes umfasste Crowley plötzlich dessen Hände mit den Fingern und hielt sie fest umklammert. Durch die Selbstverständlichkeit dieser Geste, trat der Rothaarige näher heran und Erziraphael wurde sprachlos durch diese Intimität. Und dann spürte er, wie durch das Leder eine Wärme seine Haut eroberte, ganz vorsichtig und irgendwie mit solch ungewohntem Gefühl. Es schien, als würden kleine liebenswürdige Sonnenstrahlen in seine Zellen dringen. Sanft strömend durch den ganzen Körper. Zum ersten Mal befand sich dieses dämonische Gesicht so dicht an ihm dran, dass er die goldfarbenen Augen durch die dunkle Brille durchschimmern sehen konnte.
„Ist es so besser?“
Ohne von seiner Schüchternheit beeinflusst zu werden, nickte der Engel leicht und blickte ihn nur weiter an.
„Ja, sehr sogar.“, hauchte er ihm entgegen und Crowley lächelte.
„Gut, dann werde ich noch ein bisschen so bleiben.“
Seit wann konnte er denn so fein lächeln, fragte sich Erziraphael und beschaute sich die winzigen Nuancen in dem dämonischen Gesicht. Noch nicht einmal der scharfe Wind durchschnitt diese eigentümlich erschaffene Welt der beiden. Die Wellen preschten an den schmalen Stegen des Hafens und die Kälte der Nacht nahm unaufhörlich zu. Doch Erziraphael spürte seltsamerweise keinen Schauer mehr über seinen Körper huschen, plötzlich fühlte sich alles so angenehm und ertragbar an. Wenn nur das lautstarke Räuspern nicht wäre.
Schnurstracks entriss sich der Blonde aus den Händen und warf sich in die andere Richtung herum. Seine Wangen waren licht gerötet und seine Kehle vertrocknet. Crowley indes blickte nur seufzend und genervt zu der auftauchenden fremden Gestalt hinüber und stopfte sich die Hände wieder zurück in die Seitentaschen.
„Und was willst du jetzt?“
Vor ihnen stand nun ein schmalschultriger Mann, mit tiefer Hutkrempe und einem braunen Mantel, von dem die Säume durch den starken Wind wie wild auf- und abflatterten. Sein spitzes Gesicht zeugte von schlechter Lebenserfahrung und Trinkerei. Er hielt in seinen dürren Fingern ein eingewickeltes Bündel hoch. Auch wenn sein Blick Verwirrung aufwies und dieser ständig zwischen den beiden Figuren hin und her wanderte, zögerte seine Stimme nicht mit einer nötigen Stärke.
„Es wurde gesagt, man träfe hier nur einen Manne an. Wegen einer durchaus wichtigen Ware.“
Nun war es an Erziraphael sich zu räuspern und sich ganz dem Geschäftssinn hinzugeben.
„Ähm, nun denn, guter Mann. Ich wäre wohl dann derjenige. Sie haben den wertvollen Schatz bei sich, wie ich sehe. Dann lasset mich, mit Eurer Erlaubnis, diese alten Schriftstücke begutachten.“
Erziraphael streckte die Hand aus, doch der hagere Mann tat nichts dergleichen, sondern schaute nur grimmig zu Crowley hin.
„Dieser Kerl wirkt nicht geheuer. Läuft auf Eurer Seite ein krummes Geschäft oder warum tätet Ihr gut mit einem Leibwächter?“
„Oh, nein, nein. Er ist nicht mein...“
„Selbst wenn so wäre, Knochengestell. Was geht es dich an? Gib ihm einfach das dämliche Buch.“, mischte sich Crowley ein, während die Wellen beinahe seine Worte verschluckt hätten. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen wuchs in dem Menschen der Argwohn zu einer Gewalt heran. Er zog das Bündel zurück und versetzte die Mundwinkel tief nach Unten.
„Nichts da. Erst die Münzen. 50 Gulden. Aber goldene.“
Eigentlich wollte sich Erziraphael echauffieren, aber der Wind hätte ihm beinahe den Hut vom Kopf geweht, weswegen er beide Hände dazu brauchte um ihn festzuhalten.
„50? 20 waren vereinbart. Und dennoch bestehe ich darauf es vorerst zu sehen. Ich möchte mich vergewissern, dass es auch ein echtes ist.“
„Nee, Ihr kommt mir zwielichtig vor. Wer weiß was mit mir geschehen wird, wenn ich es euch gebe.“
„Ich kann dir vorhersagen was mit deinem Kopf geschieht, wenn du es nicht tust.“, zischelte Crowley heraus, während er wohl niemals wieder die Hände aus seinen Taschen zog. Immer noch seinen Hut festhaltend schenkte er dem Dämon einen raschen Seitenblick, der vielsagend war und tat einen halben Schritt auf den Mann zu.
„Ich bitte Euch, natürlich erhaltet Ihr die Gulden. Auch wenn es eine viel zu hohe Summe ist. Aber immerhin ist es eine Schriftsammlung von Sappho, also werde ich es tun. Aber bitte, ich möchte nur einen Blick darauf werfen.“
Mit einer unablässigen Miene des Mürrischen streckte der Mann nur die Hand aus, um erst nach den Goldgulden zu verlangen. Neben dem Engel ertönte ein langgezogener ungeduldiger Laut. Und als Erziraphael neben sich schielte, sah er nur noch wie Crowley den Oberkörper weit nach hinten streckte und seine schneeweißen Zähne bleckte.
„Och, komm schon. Lass mich das machen.“
Nun drückte er sich wieder vor und rückte das Gesicht neben Erziraphaels Blick.
„Wenn du mir freie Hand gibst, dann hast du deinen Buchstabensalat und kannst sogar die Gulden behalten. Davon könnten wir beide dann schön essen gehen.“
Endlich konnte der Engel seine Kopfbedeckung wieder loslassen und wandte sich mit dem Oberkörper gleich zu seinem Gefährten um.
„Nein, denn wenn du es übernimmst, dann würdest du ihm wahrscheinlich nur die Nase abschnippeln oder irgend so eine fürchterliche Sache.“
Hier vollführte Crowley mit dem Mund eine amüsierte Geste.
„Oh ja, im Nasenabschnippeln bin ich Meister. Ein regelrechter Nasenabschnippler höchster Güte.“
„Das könnte ich nicht zulassen, was soll der arme Mann denn ohne Nase machen?“
Doch der Dämon winkte bloß in des Menschen Richtung ab, nachdem er endlich einmal eine seiner Hände aus den Taschen befreit hatte.
„Ach was, Nase. Der hat doch noch seine Zunge.“
„Was nützt ihm denn seine Zunge, wenn ihm die Nase fehlt?“
Fragte Erziraphael aufrichtig in dessen Gesicht, woraufhin Crowley kurz mit dem Kopf zur Seite zuckte, ohne den Engel aus den Augen zu verlieren.
„Naja, also ich kann eindeutig mehr mit meiner Zunge anstellen, als mit meiner Nase. Sehr außergewöhnliche und fantastische Dinge sogar. Soll ich es dir zeigen?“
Durch diese herausfordernde Präsenz des Dämons wurde Erziraphael für einen schwachen Moment unsicher und blickte irritiert auf die schmalen frech grinsenden Lippen.
„Ihr beide seid nicht ganz bei Sinnen.“, kam es von dem Menschen, der sich bereits seitlich abgewandt hatte und gebar sich voller Bedenken. Doch Erziraphael gab sich sofort wieder entgegenkommend. Die ersten Tropfen fielen und sie erzeugten auf dessen Pelz einen sehr dumpfen Ton.
„Bitte, bleibt doch. Euch wird nichts geschehen. Ich möchte nur einmal in das Buch sehen.“
„Nein, das Geschäft ist verloren. Hier verbrenne ich mir noch die Finger. Lasst ab von mir und vergesst diesen Moment.“
Erziraphael spürte, dass nun nicht mehr der Wind herrschte, sondern ein hervorhebender Sturm. Die Wellen preschten zu hohen Türmen auf und der Hafensteg konnte sich der Gewalt der Natur kaum noch widersetzen. Doch ein kleiner Engel durfte doch einen ebenso imposanten Schatz nicht verlieren.
„Ich bitte Euch, nennt mir einen Preis der angemessen wäre damit Ihr Euch besinnt.“
Als der Mann eine viel zu schnelle Antwort von „200 Goldgulden“ ausgesprochen hatte, hielt es Crowley nicht mehr aus und schmeckte dicke Regentropfen auf dem Lippen.
„Komm schon, Engel, der Kerl ist ein Betrüger. Der hat kein Buch, zumindest kein wertvolles. Der ist nur ein verdammter Gauner, mehr nicht.“
„Aber...Aber der Briefwechsel klang so aufrichtig.“
Beinahe hätte es der Dämon für hinreißend empfunden, wie der Engel seiner eigenen Blauäugigkeit unterlag, wenn der Mann nicht merklich zusammen gezuckt wäre und sich rasch verabschiedet hätte. Noch ehe Erziraphael etwas aufgeregt erwiderte, machte Crowley einen langen Satz zu dem Kerl und hielt ihm am hinteren Mantelkragen fest.
„Schön hiergeblieben, Freundchen. Zeig ihm das Buch oder ich trockne mit dir den Steg.“
Unter blanker Panik heraus - was dieser rothaarige Fremde wohl mit ihm anstellen würde, wenn herauskommt, dass er wirklich nur betrügen wollte - umgriff der Mensch das Bündel eigenartig und schwenkte den Arm weit nach hinten aus. Keinen Augenblick später verschluckten die tosenden Wellen das eingepackte Druckwerk. Unter einem Aufschrei verfolgte der Engel diese Tat und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf das aufbrausende Meeresleben. Als wäre das die größte List des Königreichs gewesen, fing der dürre Mann triumphal zu kichern an. Und eigentlich wollte er noch etwas unehrenhaftes sagen, wenn Crowley ihm nicht einen gewaltigen Kinnhaken verpasst hätte.
„Arschloch.“
Rücklings ging der Mensch zu Boden und rührte sich für den Rest der Nacht nicht wieder. Schon wieder von den Menschen zu tiefst genervt, sah er automatisch zu dem Engel hin. Erziraphael setzte plötzlich an, direkt auf den Steg zu. Beinahe schon ängstlich eilte der Dämon hinterher und packte dessen Handgelenk. Zog ihn ruckartig zu sich heran und verlor dabei seinen roten dünnhäutigen Hut.
„Hier geblieben!“
„Aber das Buch! Es war zu wertvoll, als das ich es untergehen lassen kann. Ich muss es versuchen!“
Vor Crowley tauchten zwei blaue, verzweifelte Augen auf. Dessen mollige Handschuhe probierten sich daran sich aus dem harten Griff zu befreien. Erziraphael schaute ihn eindringlich an und sein Blick spiegelte so viel wieder. Er wäre so traurig. Schoss es Crowley durch den Kopf und er stöhnte lauthals auf.
„Ach, verdammt!“ Dann riss er sich die Brille vom Gesicht und drückte sie dem Engel in beide Hände.
„Halt mal kurz.“
„Was?“
Kaum, dass Erziraphael die Brille reflexartig umfasste, sah er nur noch wie ein roter Schweif an ihm vorbei hetzte. Und dieses Rot entsorgte sich noch rasch seines Mantels und sprang mit einem weiten Satz ins übellaunige wild tosende Meer hinein.
„Crowley!“
Ein neuer Schock durchflutete des Engels Körper und er rannte los. Durch all den Regen und den schmierig gewordenen Dreck im Hafen, rutschte der Engel auf dem glitschigen Boden aus und fiel auf die Seite. Schmerzvoll schaute er rasch nach ob die Brille nicht kaputt gegangen war und wollte sich bereits wieder hochrappeln, als ein Körperbezogenes Platschen zu hören war. Trotz des lauten Wellenschlags, des Regens und des Donnergebrülls.
„Crowley!“, kam es abermals von Erziraphael. Kaum, dass der klitschnasse Kopf des Dämonen auftauchte, weil er sich unter enormer Anstrengung wieder auf den Hafenboden raffen wollte. Hastig schritt der Blonde auf ihn zu und umklammerte seine Hand. Zog ihn auf den festen Grund und kniete sich eilig neben ihn. Crowley ließ sich stark hechelnd auf den Hosenboden fallen und warf den Kopf in den Nacken. Fassungslos starrte Erziraphael in dieses stöhnende Gesicht, welches alles andere als erschöpft wirkte. Da wurde ihm auch schon ein triefnasses Bündel vor die Nase gehalten.
„Hier, hab da was gefunden.“
Beinahe bewegungsunfähig nahm Erziraphael das Buch an sich und drückte es gegen seinen Bauch. Während Crowley immerzu röchelte und sich unzählige Regentropfen in den feuerroten offenen Haaren festhielten, betrachtete ihn Erziraphael voller Staunen und Bewunderung. Für diesen einen Augenblick wirkte Crowley so unfassbar schön auf ihn und zum ersten Mal spürte der Engel einen heftigen Drang durch seinen Körper gehen. Er wollte ihn umarmen. Innig und so unendlich lang. Der Bernsteinanhänger, kam es ihm plötzlich in den Sinn. Genau dieses Geschehnis wäre die passende Gelegenheit ihm das Geschenk endlich zu überreichen. Als Dankeschön und als Zeichen ihrer....Mit erwärmten Wangen, setzte Erziraphael an.
„Warum...bist du hinein gesprungen? Das war äußerst gefährlich. Du hättest entkörpert werden können.“
Ohne den Engel anzusehen, wischte sich Crowley die Nässe aus dem Gesicht, auch wenn er wusste, dass das vollkommen sinnlos war.
„Ach was, ein bisschen dämonische Ausstrahlung und die Wellen haben sich zurückgezogen. Nichts wäre passiert, nie. Außerdem, wenn ich das Ding da nicht rausgeholt hätte, dann würdest du mir für immer indirekte Vorwürfe machen. Also musste ich es tun. Ich hatte keine Wahl. Oder glaubst du, ich höre mir die nächsten tausend Jahre dein Gejammer an? Nee, danke, dann ersauf´ ich lieber.“
Blitzartig war die aufkeimende Romantik in Erziraphael erloschen. Die Idee der Geschenkübergabe wurde zum Hirngespinst und die Erwartung, dass er es nur aus Zuneigung heraus getan hätte, verblasste mit jeden neuen Donnergrollen. Dennoch, er hatte es getan. Sanft, aber etwas traurig lächelnd setzte Erziraphael ihm die Brille wieder auf die Nase und drückte sie ordentlich, aber weich heran. Als hätte ihn einer der Blitze getroffen, stierte der Dämon ihn an und irgendwie konnte er sich nicht regen.
„Dankeschön. Egal wie der Beweggrund aussieht. Ich danke dir. Das war wirklich lieb.“
Noch nie hatten sich so viele rote Flecken in Crowleys Gesicht gebildet als in jenen Moment.
„Ich...ähm, ach was...ich, ähm...nenn´ mich bloß nicht so. Ich bin ein Dämon. Merk dir das.“
Liebevoll kichernd nickte der Blonde nur und wunderte einen breiten trockenen Mantel hervor. In rot. Hielt ihn über Crowleys und seinen eigenen Kopf drüber und rückte dadurch natürlich näher heran.
„Erhol´dich ein bisschen und dann werde ich dich trocknen.“
Der Engel war so dicht bei ihm und er roch so gut, selbst jetzt. Unaufhaltsam prasselte der Regen auf sie ein, doch keinen der zwei übernatürlichen Wesen kümmerte es. Und komischerweise schlug es Crowleys Herz einmal aus dem Takt und das war ein wirklich..... schönes Gefühl.
Und rasch geht es weiter. Nicht nur mit den Kapitel, sondern auch mit den Beiden. Es wird mit jeden neuen Jahr besser. Hoffentlich merken die zwei das auch mal. XD
Wahrscheinlich werde ich bald eine neue FF hochladen. Sie ist noch in Arbeit und viel, viel seichter, als mein AiK-Unisversum. Erzi und Crowley werden da etwas "gelassener" mit der Liebe umgehen. Oh großer Gott. XD
Aber hier erst mal etwas kleines aus dem Norden.
Viel Spaß und bis bald,
eure Linda ^-^
************************************************************************************************************
Sein gellendes lauthalses Lachen dröhnte durch jeden Holznagel und durch jede Etage des knorrigen Hauses. Crowley schlug drei mal auf die alte Tischkante und amüsierte sich über seinen Sieg. Gleichwohl er geschummelt hatte, fühlte sich der letzte Eroberungszug wie süßer Honig in Pudding an. Die drei Menschen in seiner Runde wirkten weniger zufrieden und fluchten leise in sich hinein. Der Dämon griff nach seinem Gewinn und grinste hämisch in die verlorenen Gesichter der Männer.
Sie wirkten mürrisch, wahrscheinlich weil sie in jenen Moment bereits die notwendigen Verteidigungen gegen ihre Frauen zusammenkratzten. Das spärlich mit Kerzen behangene Zimmer, in denen verschiedene ruchlose Spiele vonstatten gingen, befand sich im hinteren Bereich einer Fjordschänke, auf der Zunge des Hafens von Oslo. Mitternacht klopfte an die Uhr und der Himmel quoll vor düsteren Wolken über, die bereits einen fürchterlichen Wind vorausschickten. Der Geschmack von bösartigem Unwetter lag in der Luft. Die Männer baten Crowley um ein Rückspiel, doch der Rothaarige brachte nur die goldenen dicken Knöpfe seines Wams zum blitzen, während er schamlos kicherte und die Abrechnungsgulden in seiner Tasche verstaute. Aus der Wirtsstube drangen Gesang und Befehle nach Bier zu ihnen hinter, während Crowley über ein Geschäft mit deren Seelen nachdachte. Die dunkle Brille funkelte hinterlistig auf, als er sich neben dem schwankenden Kerzenschein über die Tischplatte beugte und die Stimme dämpfte.
„Wollt ihr alles riskieren? Ich habe da ein recht befangenes Angebot für jeden einzelnen von euch.“
Irgendwie wurde er Raum eisiger und die Stühle begannen unheimlich zu knarzen, während man das gedämpfte Lied des pfeifenden Windes vor den Fenstern hörte. Als das kantige Gesicht des Rothaarigen eine Aura des Verderbens in die Luft freisetzte, wurde es den Männern unheimlich und jedes einzelne Haar an ihren Körpern stellte sich auf. So schleichend wie eine Schlange, überkam sie eine flüsternde Macht, die ihre Gliedmaßen unbeweglich werden ließen. Sie blickten ihn nur aufgerissen entgegen und schienen wehrlos. Gerade als sich der Dämon innerlich die Hände rieb, weil er sich auf die darauffolgenden Lobpreisungen von unten freute, wandte er die Augen kurzzeitig ab. Die länglichen Pupillen erkannten es, etwas helles und erfrischendes. Eine Gestalt, die über den verwaisten Hafen schlich. Das Fensterkreuz konnte nichts verhindern. Ebenso wenig das grausige Wetter. Crowley grinste schief.
„Na, da ist er ja.“
Er griff mit flinken Fingern nach seinem Hut an der Stuhllehne und sprang auf. Noch ehe die Menschen ihrer Verwirrung Worte verleihen konnten, schnippte Crowley gleichgültig mit den Fingern. Plötzlich warf einer der breiten Männer einen Stuhl um und ging auf einen der anderen los.
„Kjell, du elender Schuft, betrügen wolltest du mich?!“
Als der Dämon die nach Rauchstinkende Schankstube verließ eroberte Prügelgeplärre und das aufqietschende Geschrei verschiedener Menschen die Atmosphäre. Auch als er die schwere Eichentür schloss, hörte er etliche dumpfe Schläge durchdringen. Sofort griff kalter Wind ihn angriffslustig ins Gesicht, doch blieb er selbst höchst zufrieden und gleichzeitig so anteillos. Crowley stülpte sich den kurzkrempigen Hut schräg über die wedelnden Schulterlangen Haare und trat auf den Grund seines Aufenthalts zu. Quer über den düsteren Hafen.
Es war die Herbstzeit bald vorbei, doch brauchte er weder Mantel noch Pelz um sich irgendetwas fernzuhalten. Der Vorteil eines Dämonen, sie konnten faktisch von Innen heraus glühen. Im Gegensatz zu gewissen Himmelswesen, dachte Crowley schelmisch bei sich, während er eine mollig verpackte Gestalt anvisierte. Das Wetter ließ nicht nach und der Wind toste unablässig um die Ohren. Wie ein riesiges Maul eines Unterweltviehs, sperrte der Hafen die gefahrvollen Breiten auf. Feuchte kühle Luft ummantelte seine Nase, während er dafür sorgte, dass seine Absätze keinen Laut von sich gaben.
Erziraphael blickte auf die launigen Wellen im Hafenbecken hinaus, während er seinen Pelzbesetzten Schulterkragen enger zusammenzog. Irgendwoher thronte der Donner auf und der Engel blickte über seinen mittelhohen Hut hinweg. Das aufkeimende Unwetter klang wie ein Instrumentenepos aus eines dieser neumodischen Stücke, wie er fand und seufzte.
„Ein Englein steht im Hafen, ganz still und stumm
Es hat vor lauter Kälte ein Mäntlein um.
Sag wer mag das Englein sein,
Das da steht so ganz allein?“
Erschrocken, aber dennoch nach Contenance suchend, versuchte Erziraphael nicht allzu sehr zu wirbeln. Sein Knielanger Mantel schwenkte elegant herum und sein rundes Gesicht hellte sich ehrlich auf.
„Crowley?! Was tust du denn hier?“
Mit beiden Händen in den Taschen schlenderte der Dämon in der üblichen Schlangenbewegung zu ihm hinüber und zuckte stetig mit den Schultern.
„Ach weißt du, all die Gelehrten, Weisen, Experten und die anderen hochqualifizierten Menschen nennen dieses Etwas einfach: Zufall.“
Nicht gänzlich davon überzeugt, verengte Erziraphael kurz die Brauen, beließ es aber dabei und machte nur eine verständliche Miene dazu. Doch kaum begann der Dämon hin halbwegs zu umkreisen, wurde der Engel leicht nervös und knebelte mit seinen Fingern herum. Selbstredend war dies hier nicht der Fall. Nach ihrem letzten unschönen Treffen in Prag hatte Crowley sich noch einmal geschworen etwas besser auf den Engel aufzupassen. Sein Innerstes wollte diesen scheußlichen Fehltritt seinerseits wieder gut machen, deswegen nutzte er jede Gelegenheit um Erziraphael im Auge zu behalten. Er hatte erfahren, dass der Engel sich mit einem Händler treffen wollte, weil es um ein kostbares Buch ging. Oder um irgend so ein anderen wertlosen Firlefanz. Es schmeckte einfach nach Gefahr und wie konnte sich Crowley da heraushalten?
„Und was tust du hier in dieser finsteren Nacht an einem finsteren Fjord?“, fragte der Dämon entschieden und gespielt zwang- und ahnungslos.
„Oh, es geht um ein Treffen mit einem sogenannten Zwischenhändler. Es hieße, sein Herr hätte eines der neun Bücher der Sappho in seinem Besitz und wolle es unter dem Mantel der Verschwiegenheit los werden.“
Theatralisch drehte sich der Dämon nach allen Seiten um und verzog die Mundwinkel zu einer gekonnten Fragwürdigkeit.
„Hier? An so einem Ort? Ein wenig unglaubwürdig, meinst du nicht?“
Der Engel drehte sich ganz zu ihm herum und lotste seine flauschigen Hände unter dem hellbunten Mantel raus.
„Aber so muss es doch sein. Schließlich kann man doch nicht an einem Menschenvollen, heiteren Ort verschollen geglaubte Bücher übergeben. Ich meine, immerhin handelt es sich hier um eine der Schriften von Sappho.“
Auch Crowley hatte sich parallel zu ihm gedreht, ohne jäh die Hände aus den tiefen Taschen zu zeigen, und beugte sich nur unerfahren vor. Dessen Gesicht sagte dem Engel alles und er konnte diese Unwissenheit einfach nicht begreifen. Woraufhin seine pelzigen Handschuhe noch mehr herumgefuchtelt wurden.
„Sappho war die Lyrikerin in der Antike und hatte eine kanonische Bedeutung. Du musst doch damals von ihr gehört haben.“
Immer noch mit den Schultern zuckend blickte der Dämon aber nur auf die wackelnden Hände des Engels hinunter und deutete in völliger Neugierde auf diese.
„Wir haben noch nicht mal Winter und du trägst schon Handschuhe?“
„Nun ja, es ist ja auch ziemlich kalt. Wir sind hier immerhin im hohen Norden.“
„Du kannst doch deine Körpertemperatur regulieren.“
„Ja, aber doch nicht so sehr, dass ich nicht frieren muss. Im Himmel brauchen wir solche Dinge schließlich nicht. Niemand hatte mir damals gesagt, dass es auf der Erde Gebiete gibt, wo es...“
Abrupt stockte Erziraphael der Atem. Denn während des letzten Satzes umfasste Crowley plötzlich dessen Hände mit den Fingern und hielt sie fest umklammert. Durch die Selbstverständlichkeit dieser Geste, trat der Rothaarige näher heran und Erziraphael wurde sprachlos durch diese Intimität. Und dann spürte er, wie durch das Leder eine Wärme seine Haut eroberte, ganz vorsichtig und irgendwie mit solch ungewohntem Gefühl. Es schien, als würden kleine liebenswürdige Sonnenstrahlen in seine Zellen dringen. Sanft strömend durch den ganzen Körper. Zum ersten Mal befand sich dieses dämonische Gesicht so dicht an ihm dran, dass er die goldfarbenen Augen durch die dunkle Brille durchschimmern sehen konnte.
„Ist es so besser?“
Ohne von seiner Schüchternheit beeinflusst zu werden, nickte der Engel leicht und blickte ihn nur weiter an.
„Ja, sehr sogar.“, hauchte er ihm entgegen und Crowley lächelte.
„Gut, dann werde ich noch ein bisschen so bleiben.“
Seit wann konnte er denn so fein lächeln, fragte sich Erziraphael und beschaute sich die winzigen Nuancen in dem dämonischen Gesicht. Noch nicht einmal der scharfe Wind durchschnitt diese eigentümlich erschaffene Welt der beiden. Die Wellen preschten an den schmalen Stegen des Hafens und die Kälte der Nacht nahm unaufhörlich zu. Doch Erziraphael spürte seltsamerweise keinen Schauer mehr über seinen Körper huschen, plötzlich fühlte sich alles so angenehm und ertragbar an. Wenn nur das lautstarke Räuspern nicht wäre.
Schnurstracks entriss sich der Blonde aus den Händen und warf sich in die andere Richtung herum. Seine Wangen waren licht gerötet und seine Kehle vertrocknet. Crowley indes blickte nur seufzend und genervt zu der auftauchenden fremden Gestalt hinüber und stopfte sich die Hände wieder zurück in die Seitentaschen.
„Und was willst du jetzt?“
Vor ihnen stand nun ein schmalschultriger Mann, mit tiefer Hutkrempe und einem braunen Mantel, von dem die Säume durch den starken Wind wie wild auf- und abflatterten. Sein spitzes Gesicht zeugte von schlechter Lebenserfahrung und Trinkerei. Er hielt in seinen dürren Fingern ein eingewickeltes Bündel hoch. Auch wenn sein Blick Verwirrung aufwies und dieser ständig zwischen den beiden Figuren hin und her wanderte, zögerte seine Stimme nicht mit einer nötigen Stärke.
„Es wurde gesagt, man träfe hier nur einen Manne an. Wegen einer durchaus wichtigen Ware.“
Nun war es an Erziraphael sich zu räuspern und sich ganz dem Geschäftssinn hinzugeben.
„Ähm, nun denn, guter Mann. Ich wäre wohl dann derjenige. Sie haben den wertvollen Schatz bei sich, wie ich sehe. Dann lasset mich, mit Eurer Erlaubnis, diese alten Schriftstücke begutachten.“
Erziraphael streckte die Hand aus, doch der hagere Mann tat nichts dergleichen, sondern schaute nur grimmig zu Crowley hin.
„Dieser Kerl wirkt nicht geheuer. Läuft auf Eurer Seite ein krummes Geschäft oder warum tätet Ihr gut mit einem Leibwächter?“
„Oh, nein, nein. Er ist nicht mein...“
„Selbst wenn so wäre, Knochengestell. Was geht es dich an? Gib ihm einfach das dämliche Buch.“, mischte sich Crowley ein, während die Wellen beinahe seine Worte verschluckt hätten. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen wuchs in dem Menschen der Argwohn zu einer Gewalt heran. Er zog das Bündel zurück und versetzte die Mundwinkel tief nach Unten.
„Nichts da. Erst die Münzen. 50 Gulden. Aber goldene.“
Eigentlich wollte sich Erziraphael echauffieren, aber der Wind hätte ihm beinahe den Hut vom Kopf geweht, weswegen er beide Hände dazu brauchte um ihn festzuhalten.
„50? 20 waren vereinbart. Und dennoch bestehe ich darauf es vorerst zu sehen. Ich möchte mich vergewissern, dass es auch ein echtes ist.“
„Nee, Ihr kommt mir zwielichtig vor. Wer weiß was mit mir geschehen wird, wenn ich es euch gebe.“
„Ich kann dir vorhersagen was mit deinem Kopf geschieht, wenn du es nicht tust.“, zischelte Crowley heraus, während er wohl niemals wieder die Hände aus seinen Taschen zog. Immer noch seinen Hut festhaltend schenkte er dem Dämon einen raschen Seitenblick, der vielsagend war und tat einen halben Schritt auf den Mann zu.
„Ich bitte Euch, natürlich erhaltet Ihr die Gulden. Auch wenn es eine viel zu hohe Summe ist. Aber immerhin ist es eine Schriftsammlung von Sappho, also werde ich es tun. Aber bitte, ich möchte nur einen Blick darauf werfen.“
Mit einer unablässigen Miene des Mürrischen streckte der Mann nur die Hand aus, um erst nach den Goldgulden zu verlangen. Neben dem Engel ertönte ein langgezogener ungeduldiger Laut. Und als Erziraphael neben sich schielte, sah er nur noch wie Crowley den Oberkörper weit nach hinten streckte und seine schneeweißen Zähne bleckte.
„Och, komm schon. Lass mich das machen.“
Nun drückte er sich wieder vor und rückte das Gesicht neben Erziraphaels Blick.
„Wenn du mir freie Hand gibst, dann hast du deinen Buchstabensalat und kannst sogar die Gulden behalten. Davon könnten wir beide dann schön essen gehen.“
Endlich konnte der Engel seine Kopfbedeckung wieder loslassen und wandte sich mit dem Oberkörper gleich zu seinem Gefährten um.
„Nein, denn wenn du es übernimmst, dann würdest du ihm wahrscheinlich nur die Nase abschnippeln oder irgend so eine fürchterliche Sache.“
Hier vollführte Crowley mit dem Mund eine amüsierte Geste.
„Oh ja, im Nasenabschnippeln bin ich Meister. Ein regelrechter Nasenabschnippler höchster Güte.“
„Das könnte ich nicht zulassen, was soll der arme Mann denn ohne Nase machen?“
Doch der Dämon winkte bloß in des Menschen Richtung ab, nachdem er endlich einmal eine seiner Hände aus den Taschen befreit hatte.
„Ach was, Nase. Der hat doch noch seine Zunge.“
„Was nützt ihm denn seine Zunge, wenn ihm die Nase fehlt?“
Fragte Erziraphael aufrichtig in dessen Gesicht, woraufhin Crowley kurz mit dem Kopf zur Seite zuckte, ohne den Engel aus den Augen zu verlieren.
„Naja, also ich kann eindeutig mehr mit meiner Zunge anstellen, als mit meiner Nase. Sehr außergewöhnliche und fantastische Dinge sogar. Soll ich es dir zeigen?“
Durch diese herausfordernde Präsenz des Dämons wurde Erziraphael für einen schwachen Moment unsicher und blickte irritiert auf die schmalen frech grinsenden Lippen.
„Ihr beide seid nicht ganz bei Sinnen.“, kam es von dem Menschen, der sich bereits seitlich abgewandt hatte und gebar sich voller Bedenken. Doch Erziraphael gab sich sofort wieder entgegenkommend. Die ersten Tropfen fielen und sie erzeugten auf dessen Pelz einen sehr dumpfen Ton.
„Bitte, bleibt doch. Euch wird nichts geschehen. Ich möchte nur einmal in das Buch sehen.“
„Nein, das Geschäft ist verloren. Hier verbrenne ich mir noch die Finger. Lasst ab von mir und vergesst diesen Moment.“
Erziraphael spürte, dass nun nicht mehr der Wind herrschte, sondern ein hervorhebender Sturm. Die Wellen preschten zu hohen Türmen auf und der Hafensteg konnte sich der Gewalt der Natur kaum noch widersetzen. Doch ein kleiner Engel durfte doch einen ebenso imposanten Schatz nicht verlieren.
„Ich bitte Euch, nennt mir einen Preis der angemessen wäre damit Ihr Euch besinnt.“
Als der Mann eine viel zu schnelle Antwort von „200 Goldgulden“ ausgesprochen hatte, hielt es Crowley nicht mehr aus und schmeckte dicke Regentropfen auf dem Lippen.
„Komm schon, Engel, der Kerl ist ein Betrüger. Der hat kein Buch, zumindest kein wertvolles. Der ist nur ein verdammter Gauner, mehr nicht.“
„Aber...Aber der Briefwechsel klang so aufrichtig.“
Beinahe hätte es der Dämon für hinreißend empfunden, wie der Engel seiner eigenen Blauäugigkeit unterlag, wenn der Mann nicht merklich zusammen gezuckt wäre und sich rasch verabschiedet hätte. Noch ehe Erziraphael etwas aufgeregt erwiderte, machte Crowley einen langen Satz zu dem Kerl und hielt ihm am hinteren Mantelkragen fest.
„Schön hiergeblieben, Freundchen. Zeig ihm das Buch oder ich trockne mit dir den Steg.“
Unter blanker Panik heraus - was dieser rothaarige Fremde wohl mit ihm anstellen würde, wenn herauskommt, dass er wirklich nur betrügen wollte - umgriff der Mensch das Bündel eigenartig und schwenkte den Arm weit nach hinten aus. Keinen Augenblick später verschluckten die tosenden Wellen das eingepackte Druckwerk. Unter einem Aufschrei verfolgte der Engel diese Tat und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf das aufbrausende Meeresleben. Als wäre das die größte List des Königreichs gewesen, fing der dürre Mann triumphal zu kichern an. Und eigentlich wollte er noch etwas unehrenhaftes sagen, wenn Crowley ihm nicht einen gewaltigen Kinnhaken verpasst hätte.
„Arschloch.“
Rücklings ging der Mensch zu Boden und rührte sich für den Rest der Nacht nicht wieder. Schon wieder von den Menschen zu tiefst genervt, sah er automatisch zu dem Engel hin. Erziraphael setzte plötzlich an, direkt auf den Steg zu. Beinahe schon ängstlich eilte der Dämon hinterher und packte dessen Handgelenk. Zog ihn ruckartig zu sich heran und verlor dabei seinen roten dünnhäutigen Hut.
„Hier geblieben!“
„Aber das Buch! Es war zu wertvoll, als das ich es untergehen lassen kann. Ich muss es versuchen!“
Vor Crowley tauchten zwei blaue, verzweifelte Augen auf. Dessen mollige Handschuhe probierten sich daran sich aus dem harten Griff zu befreien. Erziraphael schaute ihn eindringlich an und sein Blick spiegelte so viel wieder. Er wäre so traurig. Schoss es Crowley durch den Kopf und er stöhnte lauthals auf.
„Ach, verdammt!“ Dann riss er sich die Brille vom Gesicht und drückte sie dem Engel in beide Hände.
„Halt mal kurz.“
„Was?“
Kaum, dass Erziraphael die Brille reflexartig umfasste, sah er nur noch wie ein roter Schweif an ihm vorbei hetzte. Und dieses Rot entsorgte sich noch rasch seines Mantels und sprang mit einem weiten Satz ins übellaunige wild tosende Meer hinein.
„Crowley!“
Ein neuer Schock durchflutete des Engels Körper und er rannte los. Durch all den Regen und den schmierig gewordenen Dreck im Hafen, rutschte der Engel auf dem glitschigen Boden aus und fiel auf die Seite. Schmerzvoll schaute er rasch nach ob die Brille nicht kaputt gegangen war und wollte sich bereits wieder hochrappeln, als ein Körperbezogenes Platschen zu hören war. Trotz des lauten Wellenschlags, des Regens und des Donnergebrülls.
„Crowley!“, kam es abermals von Erziraphael. Kaum, dass der klitschnasse Kopf des Dämonen auftauchte, weil er sich unter enormer Anstrengung wieder auf den Hafenboden raffen wollte. Hastig schritt der Blonde auf ihn zu und umklammerte seine Hand. Zog ihn auf den festen Grund und kniete sich eilig neben ihn. Crowley ließ sich stark hechelnd auf den Hosenboden fallen und warf den Kopf in den Nacken. Fassungslos starrte Erziraphael in dieses stöhnende Gesicht, welches alles andere als erschöpft wirkte. Da wurde ihm auch schon ein triefnasses Bündel vor die Nase gehalten.
„Hier, hab da was gefunden.“
Beinahe bewegungsunfähig nahm Erziraphael das Buch an sich und drückte es gegen seinen Bauch. Während Crowley immerzu röchelte und sich unzählige Regentropfen in den feuerroten offenen Haaren festhielten, betrachtete ihn Erziraphael voller Staunen und Bewunderung. Für diesen einen Augenblick wirkte Crowley so unfassbar schön auf ihn und zum ersten Mal spürte der Engel einen heftigen Drang durch seinen Körper gehen. Er wollte ihn umarmen. Innig und so unendlich lang. Der Bernsteinanhänger, kam es ihm plötzlich in den Sinn. Genau dieses Geschehnis wäre die passende Gelegenheit ihm das Geschenk endlich zu überreichen. Als Dankeschön und als Zeichen ihrer....Mit erwärmten Wangen, setzte Erziraphael an.
„Warum...bist du hinein gesprungen? Das war äußerst gefährlich. Du hättest entkörpert werden können.“
Ohne den Engel anzusehen, wischte sich Crowley die Nässe aus dem Gesicht, auch wenn er wusste, dass das vollkommen sinnlos war.
„Ach was, ein bisschen dämonische Ausstrahlung und die Wellen haben sich zurückgezogen. Nichts wäre passiert, nie. Außerdem, wenn ich das Ding da nicht rausgeholt hätte, dann würdest du mir für immer indirekte Vorwürfe machen. Also musste ich es tun. Ich hatte keine Wahl. Oder glaubst du, ich höre mir die nächsten tausend Jahre dein Gejammer an? Nee, danke, dann ersauf´ ich lieber.“
Blitzartig war die aufkeimende Romantik in Erziraphael erloschen. Die Idee der Geschenkübergabe wurde zum Hirngespinst und die Erwartung, dass er es nur aus Zuneigung heraus getan hätte, verblasste mit jeden neuen Donnergrollen. Dennoch, er hatte es getan. Sanft, aber etwas traurig lächelnd setzte Erziraphael ihm die Brille wieder auf die Nase und drückte sie ordentlich, aber weich heran. Als hätte ihn einer der Blitze getroffen, stierte der Dämon ihn an und irgendwie konnte er sich nicht regen.
„Dankeschön. Egal wie der Beweggrund aussieht. Ich danke dir. Das war wirklich lieb.“
Noch nie hatten sich so viele rote Flecken in Crowleys Gesicht gebildet als in jenen Moment.
„Ich...ähm, ach was...ich, ähm...nenn´ mich bloß nicht so. Ich bin ein Dämon. Merk dir das.“
Liebevoll kichernd nickte der Blonde nur und wunderte einen breiten trockenen Mantel hervor. In rot. Hielt ihn über Crowleys und seinen eigenen Kopf drüber und rückte dadurch natürlich näher heran.
„Erhol´dich ein bisschen und dann werde ich dich trocknen.“
Der Engel war so dicht bei ihm und er roch so gut, selbst jetzt. Unaufhaltsam prasselte der Regen auf sie ein, doch keinen der zwei übernatürlichen Wesen kümmerte es. Und komischerweise schlug es Crowleys Herz einmal aus dem Takt und das war ein wirklich..... schönes Gefühl.