"Tanz der Amphisbaena"
von Die Linda
Kurzbeschreibung
Dies hier ist eine Chronik. Angefangen in Babylon bis hin zum Zeitalter meiner anderen Geschichte "Apfel im Kelch" und darüber hinaus. Zusammengestellt aus OneShots und Zweit/Dreiteilern. Erziraphael und Crowley wirken so unterschiedlich, bis jeder von ihnen auf seine Art spürt, dass sie doch nur das Gleiche, sogar das Selbe wollen. Den Schutz, die Freude, das Glück des anderen. Und dessen Liebe...
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Anthony J. Crowley
Erziraphael
10.08.2020
15.05.2023
17
67.542
7
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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03.02.2021
5.238
Hallöchen und einen tollen Mittag wünsche ich euch ^.^
Hier ist nun also das letzte Kapitel vor der Kuz-FF "1988", die dementsprechend in wenigen Tagen erscheinen wird. Nachdem jene FF (sie hat wirklich nicht so viele Kapitel) abgeschlossen ist, geht es hier weiter. :)
Ich setze "1988" als etwas besonders hin, weil sie viele wichtige Details und Ereignisse enthält, welche für den zweiten (und eventuell auch den dritten) Teil von "Apfel im Kelch" äußerst entscheidend sind.
Zu diesem Kapi hier ist nur dies zu sagen: Ach ja. ~o~
Viel Spaß, bleibt gesund und bis bald. <3
Eure Linda ^-^
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Das Kuppeldach des British Museum´ glitzerte heiter über den Köpfen ihrer Besucher hinweg. Reges Geplauder und alltägliches Staunen folgten munterem Gekicher und benutztem Geschirr. Das kleine Restaurant, wo all die totgelaufenen Sterblichen ihre Knochen lüfteten und einen schmackhaften Happen genießen konnten, wirkte wie eine gestrandete Oase auf Erziraphael. Es kam ihm so vor, als würde das moderne Café sich nicht ganz in diesen klassizistischen Tempel aus Artefakten, Büchern und Kunstsammlungen fügen wollen. Der blonde Engel wartete bereits seit 15 Minuten auf die Verabredung mit Crowley, doch was wusste er schon was jener wieder trieb. Und da es bereits kurz nach fünf Uhr war, ließ sich der gemütliche Buchladenbesitzer den Nachmittagstee servieren und goss sich seelenruhig das heiße Getränk in die Porzellantasse hinein. Natürlich nicht ohne an ein zweites Gedeck für den Rothaarigen zu denken. Auch in den 70ziger Jahren hatte es der Engel vermieden eine Krawatte zutragen oder sonst einen Binder, sogar ein Hemd ließ er aus. In jenen Jahrzehnt besaß er ein gepflegtes Aussehen mit hellen Rollkragenpullovern und karierten Jacketts. Die viktorianische Jacke hob er sich selbstverständlich auf, sie war immerhin sein Lieblingsstück. Da diese neue Modekombination von ihm nichts an Freizügigkeit zuließ, hatte auch der Dämon nichts dagegen. Auch wenn er die Erlaubnis dazu keinesfalls offen aussprach. Erziraphael legte sich mit einem leichten Lächeln ein dünnes Stückchen Zitronen-Sahne-Torte auf den Speiseteller und roch erst einmal mit geschlossenen Augen an dieser herb-süßen Gewürzmischung seines Tees. Eigentlich war er nicht sonderlich gern im British Museum, da er die meisten Persönlichkeiten, von denen dort drinnen berichtet wurde, kennen lernen durfte. Eine angehauchte Wehmut legte sich ihm dann immer wieder auf die Brust. Die begrenzte Sterblichkeit dieser Menschen war viel zu kurz für seinen Geschmack. Was waren denn schon 80 Jahre (im Durchschnitt gesehen) wert? Allerdings besuchte er so gern diesen ausgeprägten und alten Lesesaal. Schon allein dieser Duft wirkte so beruhigend auf seine Seele. Diese idyllische Ruhe von Wissensdrang, wie wunderbar. Bevor er sich in das schmale Court Restaurant zurückzog, durchwanderte er gemütlichen Schrittes die Abteilung der Münzen und er besichtigte den Stein von Rosette. Da kamen ihm wieder Erinnerungen aus dem alten Ägypten hoch und er seufzte. Dann doch lieber Tee. Crowley und er hatten sich zum ersten Mal hier verabredet. Fortwährend suchten sie neue geheime Plätzchen für ihre geheimen Treffen. Sie probierten so viele Orte unter Diskretion aus. Und ein bisschen gefiel dem Engel diese Heimlichtuerei. Oh, dieser leckere Duft von Gebäck und Sandwichs. Erziraphael könnte doch schon mal ein kleines Häppchen probieren. Seine innere manierliche Stimme mahnte ihn aber, darauf zu warten bis der Dämon kommen würde. Doch dieser Zitronenduft stieg ihm noch neckischer in die Nase. Na schön, noch ein paar Minütchen, aber dann ist Schluss mit guter Sitte. Um sich die Zeit tot zu schlagen (oder einfach nur vom Kuchen und den anderen Leckereien abzulenken) schaute er ein wenig den Menschen zu. Wie sie halbleere Teller stehen ließen; Erregt miteinander plauderten; Ihre Kinder erduldeten oder einfach nur wieder gingen ohne sich jemals gesetzt zu haben. Nachdem Erziraphael den Kopf genügsam durch den Saal gleiten ließ, fiel ihm ein elegantes Pärchen auf. Modisch gekleidet und auch sonst schienen sie nicht besonders zu sein. Aber dennoch mussten seine Augen an ihnen kleben bleiben. Sie wirkten so ehrlich miteinander und so verliebt. Der männliche Mensch strahlte über das ganze vollbärtige Gesicht und die Frau schlug sogar schüchtern die Wimpern nieder. Er zog eine Nelke hervor und das Engelsgehör vernahm schmeichelnde Worte. Sie hielten neben dem Teegeschirr einander die Hand und die junge Dame nahm die Blume ebenso lächelnd entgegen. Sie flirteten ganz ungeniert und voller Verzückung, so angetan von der bloßen Existenz des anderen. Kichernd und Händchenhaltend beugten sich ihre Oberkörper über die Tischplatte, nur um noch näher zu sein. Ihre Aura blühte unter Sicherheit und Wärme auf. Plötzlich hörte Erziraphael wie der junge Mann ein Sonett rezitierte. Es hörte sich wie von Francesco Petrarca an. Mit einem verliebten Ausdruck im Gesicht küsste sie ihm auf die Wange und sprach von unauslöschlicher Liebe. Erziraphael seufzte und stützte das Kinn aus die Handinnenfläche ab. Ohne über sein unmanierliche Verhalten nachzudenken, begann er zu schwärmen und zu träumen. Er stellte sich plötzlich vor, wenn Crowley den ritterlichen Kavalier geben würde.
>Gestriegelt und heraus geputzt würde er dann hier stehen, sich vor ihm niederknien und sagen:
„Hast du je einen Stern gesehen, dem wohl in deiner Wonne noch einmal schmäht?
Wie kann er glühen, in deiner Liebe, so rah und unvermählt.
Soll mich treffen toter Zorn, wenn ich deiner nicht wert´.
Doch wagt ein Geist dir drohn´, so sieht er meiner Scheide Schwert.“ Crowley würde sich erheben und vor ihm einen Kratzfuß machen. Voller Edelmut und so nonchalant bravourös. Seine wunderschönen goldfarbenen Augen würden dabei tief in die seine blicken.
„Stets wenn ich dich beschaue, möchte ich mit dir tanzen und dich nie mehr missen.“
Dann würde er seine Hand nach ihm ausstrecken.
„Gestattest du mir, dich durch den Blumenreichen Park zuführen? Lass uns flanieren bis das Käuzchen schreit. Oh, mein Engel.“
Verschüchtert, aber äußerst zugetan würde Erziraphael diese anstandslos erwählen und sich erheben. Mit eleganten Schritten und ineinander geharkt drückte sich der Engel liebessüchtig an seinen Dämon heran, während sich ihre Augen nicht voneinander trennen konnten.<
Immer wieder und wieder seufzte Erziraphael sehnsüchtig aus. Warum konnte Crowley nicht solche Dinge tun? Nun gut, der Dämon schien ihn nicht so sehr zu lieben, wie er ihn, aber dennoch. Der Körper wurde ihm weich und er begann diese Vorstellung zu vergöttern. Und mitten in einem weit gedehnten Schmachten hinein, krachte ein unmanierliches: „Geschafft!“ laut neben ihm her. Sichtbar zusammenzuckend gebar der Engel einen Schrecklaut und blinzelte erschrocken auf den Platz gegenüber. Crowley war endlich gekommen und hatte sich wie ein Bergarbeiter in den Stuhl plumpsen lassen. Mit weit gespreizten Beinen, wo die schlaffen Hände über den Oberschenkeln baumelten und die Schultern gekippt wirkten. Sein beinahe schulterlanges Haar schüttelte er kurzfristig auf, aber nicht damit er gut aussah, sondern weil sie ihn momentan störten. Er schnaufte theatralisch aus und änderte nichts an der schiefen Position seiner kantigen Sonnenbrille. Winzige Härchen des roten Schnauzers bliesen sich auf, als Crowley abgehetzt äußerte:
„So, ich bin da, Engel.“
Räuspernd zupfte sich Erziraphael das breite Revers manierlich, obwohl es die ganze Zeit bereits ordentlich war und drückte sich den Rücken wieder durch. Während er das selbe bei seiner Teetasse tat, murmelte er bloß: „Hallöchen Realität.“
Crowley verzog fragend das Gesicht, doch Erziraphael war schneller.
„Seit wann kommst du denn zu spät?“
Auspustend rückte sich der Dämon dann doch die Brille gerade und schaute sich wie nebenbei unter dem Kuppeldach um.
„Ja, es ging nicht schneller. Ich wurde auf der M25 aufgehalten.“
Durch ein kleines Wunder dampfte der Sud der Gewürzmischung in der feinen Porzellantasse wieder auf und der Engel setzte sie an die geschmeidige Unterlippe.
„Was soll das sein?“
„Eine Autobahn, direkt um London und Umgebung.“
Der erste Schluck war so deliziös und er liebte es, wenn diese angenehme Wärme sich gemächlich im Körper ausbreitete. Zwar wurde die Stirn etwas Kraus geschoben, doch Erziraphael behielt die Tasse vor dem Mund.
„Solch ein Verkehrsweg ist mir unbekannt. Nun gut, ich fahre auch nicht, das ist wirklich dein Metier. Aber dennoch müsste ich doch einmal in den öffentlichen Pressen davon gelesen haben.“
Mit einem triumphalen Gesicht verschränkte Crowley die Arme vor die Brust und stützte sie so auf die Tischplatte ab. Das freche Grinsen umzäumte das ganze höllische Gesicht und irgendwie kletterten unheilbringende Dinge daraus hervor. Besonders als sich der Dämon noch ein Stückchen weiter vorbeugte und über seinen Oberlippenbart strich.
„Es wird ja auch erst eines meiner neusten Meisterstücke. Morgen Abend haben wir die routinemäßige Besprechung und dann halte ich vor Lord Beelzebub eine kleine Präsentation darüber ab. Ha! Das wird eine Wucht. Ich bin ein recht ausgebuffter Hund, das muss ich schon sagen.“
Während Crowley so süffisant sprach, griff er sich quer über die Brust und massierte sich etwas den Nacken und die Schulter. Erziraphael folgte dieser Handlung und nahm noch einen weiteren Schluck. Ach, du meine Güte, das Tortenstück, wie konnte er das nur vergessen?
„Und warum sollte deine Seite von einer Straße beeindruckt sein?“
„Es werden tobende Menschen entstehen, die später den Bau dieses 188 Kilometer langen Magengeschwürs verfluchen werden. An jeden neuen Tag werden wieder andere Sterbliche böse und cholerisch werden. Und dadurch werden sie durch und durch gnadenlos gegen ihre Mitmenschen vorgehen. Die eine oder andere Seele wird dadurch schon für uns rausspringen. Oh, ich liebe Kettenreaktionen.“
Erziraphael hörte sich solche euphorischen bösen Schwärmereien nicht gerne an, aber diese waren nun einmal Crowleys Leidenschaft, also sagte er nichts dazu. Außerdem war es eben mal dessen Arbeit. Nun wechselte der Dämon die Hand und knetete sich die andere Schulter. Dennoch schaffte es sein Gesicht die gewohnte Gelassenheit an den Tag zu legen, zumindest glaubte er das. Der Engel erkannte förmlich wie sich die gelben Augen fahl betrachten ließen, doch er selbst führte lieber die Kuchengabel in den Mund. Crowley erhob selbstüberschätzend einen Zeigefinger.
„Außerdem: Odegra, Engel. Die Fahrbahn symbolisiert Odegra.“
Etwas pikiert schluckte der Blonde hinunter und die Manier verschwand aus der Haltung.
„Du schenkst dem Schwarzen Priestertum ein Tribut?“
Für einen winzigen Moment verspannte sich Crowleys Gesicht, als er vermutlich einen gewissen Nerv im Nacken getroffen hatte.
„Wieso nicht? Schließlich haben wir alle was davon. Naja ihr weniger. Aber wenigstens werden die mich dort unten richtig lieben und dann habe ich wieder mal eine ganze Weile meine Ruhe.“
Ja, denn dann könnten wir wieder mehr Zeit zusammen verbringen, ohne gestört zu werden. Ergänzte Erziraphael in Gedanken und nahm noch ein schmackhaftes Stückchen dieser Zitronentorte. Und ein Erdbeer-Scones legte er sich ebenfalls dazu.
„Außerdem könnte das die Stimmung etwas aufhellen, sobald wir wieder mal über Asasel getagt haben. Hauptsächlich laufen unten einige Pläne wegen dieser Trantüte quer. Dieser Wüstenhans will den Aufstand proben und das schmeckt der Elite natürlich ganz und gar nicht. Lord Beelzebub ist deswegen schon seit Jahrhunderten genervt und dreimal kannst du raten, wer darin baden darf?“
„Sag mal, stimmt irgendetwas nicht?“
Crowley hielt inne und blickte den Engel unwissend an.
„Weshalb?“
„Du bearbeitest dich schon die ganze Zeit. Hast du ein Leiden?“
Ruckartig nahm der Dämon die Hand von seinem Nacken und zuckte sogleich damit.
„Ich habe immerhin in den frühen Morgenstunden sämtliche Eckpunkte der M25 versetzt. Und wie bereits erwähnt, das waren 188 Kilometer, die ich dort zurücklassen musste. 188 Kilometer! Was glaubst du denn, wie das anstrengt, zu Fuß. Und dann hat es auch noch ein bisschen dabei genieselt. Das war mordsmäßige Knochenarbeit, Engel.“
Ohne es willkürlich steuern zu können, nahm der Rothaarige den Kampf wieder auf und massierte sich die Oberarme.
„Bring deinen Körper doch dazu.“
Nach einem leisen Stöhnen ließ Crowley dann doch wieder ab und schob endlich diese unnötige Teetasse vor sich beiseite.
„Hier geht es nicht ums Nüchtern-machen, sondern um eine Art Heilung und so was läuft bei uns ein bisschen anders: Nämlich gar nicht. Wir haben nicht so eine Luxusausstattung wie ihr. Du kannst vielleicht anstellen was du willst, aber ich nicht. Wenn du mir also helfen willst, dann red gefälligst nicht mehr drüber und lass mich damit in Ruhe. Das geht von allein wieder weg. Jetzt lass dass bleiben und hör auf zu nerven.“
Na schön, gab Erziraphael etwas trotzig von sich und erhob sich. Legte die Serviette vom Schoß auf den Tisch, nachdem er sich natürlich die Mundwinkel abgetupft hatte. Perplex starrte Crowley ihn an, doch rührte er sich nicht vom Fleck. Sein Freund indes deutete eine Geste zum Aufstehen.
„Würdest du mich dann bitte nach Hause fahren?“
Dieser Ton klang so steif und ein kleines bisschen zu harsch vom Engel, dass sich der Dämon sofort fügte und den schwarzen Hintern vom Stuhl wegdrückte. Sein Blick blieb irritiert.
„Natürlich, wenn du willst.“
Hatte er gerade etwas falsches gesagt?
Als er vor dem antiken Buchladen abbremste, war ihm schon recht mulmig zumute. Fieberhaft hatte sich Crowley das Gehirn verknotet und wollte während der ganz Fahrt darauf kommen, ob er vielleicht irgendetwas verwerfliches geäußert hatte was die Harmonie des Engels angegriffen hätte. Der Bentley fuhr sogar unter der Risikogrenze, nur damit sein Herr Zeit hatte um auf die Lösung zukommen, aber es war ein Schwarzes Loch. Oh Junge, da wurden die Nackenschmerzen gleich noch deutlicher.
„Begleite mich hinein.“
Der rote Schnurrbart zuckte vor, auch weil er abrupt das Rattern seiner Hirnwindungen einstellen musste.
„Was ist?“
Ohne auf die eigenen Handgriffe zu achten, öffnete Erziraphael ganz geschmeidig die Beifahrertür und blickte Crowley ungewohnt emotionslos an.
„Du sollst mich hinein begleiten, habe ich gesagt.“
„Natürlich.“
Der eine hievte sich etwas kompliziert aus dem Gefährt heraus und der andere faltete sein weinrotes Seidenhemd in der Umgebung wie die Flügel eines Schmetterlings aus. Sie liefen neben einander her und Crowley betrachtete argwöhnisch das Halbprofil des Engels. Jener holte den altmodischen Schlüssel aus dem Jackett und begann am Schloss zu drehen.
„Stimmt irgendetwas nicht? Du bist plötzlich so komisch still.“
Keines Blickes würdig öffnete der Engel die Tür.
„Du hast mir doch erklärt, dass ich dich nicht mit Äußerungen nerven soll.“
Einige Passanten mit Afrolocken und in Folklorekleidung liefen an ihnen übertrieben lässig vorbei und sangen irgendetwas von Krishna. Crowley stopfte sich beide Hände in die modischen schwarzen Hosentaschen und legte den Kopf zähneknirschend in den Nacken. Sein Rücken bäumte sich etwas nach hinten weg und er zischte aus.
„Mensch, Engel. Wegen diesem dämlichen Satz gibst du mir jetzt die beleidigte Leberwurst? Du weißt doch ganz genau, wie ich es gemeint habe.“
Die blauen Augen kümmerte sich nicht um dessen Erläuterungen, auch wenn sie sich ihm nun zuwandten und in das innere des Buchgeschäfts nickten.
„Rein mit dir, aber hurtig.“
„Jawohl.“
Etwas kribbelig schlängelte sich der Dämon durch den Eingangsbereich und blieb vor dem kleinen Lichthof stehen. Im selben Moment als er sich nach dem Freund umdrehte, stolzierte dieser an ihm vorbei und wechselte von Jackett ins Hausmäntelchen. Weder sah er, noch sprach er Crowley an. Und genau das machte den Rothaarigen kratzig. Er stiefelte ihm durch den kompletten Laden hinterher, ohne zu bemerken was der Engel nebenbei tat.
„Komm schon, du kannst das doch nicht ernst genommen haben. Du kennst mich seit zig Jahrtausenden und daran hängst du dich auf? Potzblitz, Erzi! Ich bin gestresst, zwar freudig gestresst, aber gestresst. Und da sag ich nun mal solche Sachen. Das ist doch noch lange kein Grund so ein Waschfrauen-Getue an den Tag zu legen.“
Mittlerweile war der blonde Inhaber am Ledersofa angelangt und war sofort dabei die karierte Decke auseinander zu falten. Glättete sie über die Sitzfläche und strich diese auch über die Rückenlehne hinweg. Indes sich der Dämon in eine unverkennbare Rage geredet hatte.
„Was jetzt? Hast du mich etwa nur rein gebeten damit du mich anschweigen kannst? Oh, das ist hart. Und auch ziemlich sadistisch von dir. Wegen eines Satzes?! Warum hast du mich nicht gleich vor 20 Jahren so bestraft, dann hätte ich mich eher entschuldigt. Aber nein, nur ein dummes Wort von mir und du schweigst mich an.“
Vollkommen ungerührt schüttelte Erziraphael das einzige Sofakissen aus und brachte es in eine einladende Position. Ließ mit einem kreisenden Fuß nur die nahestehenden Kerzen entzünden und erhöhte ein wenig die Raumtemperatur. Crowley breitete die Arme aus und beugte sich ihm seitlich entgegen. Die roten Haarspitzen kitzelten ihn bereits im Nacken, welcher immer mehr die Schmerzen erhöhte.
„Rede mit mir, zum Teufel! Ich kann mich doch nicht in meiner Art ändern. So ist das bei mir nun mal und ich dachte du hättest dich vollkommen daran gewöhnt. Fühlst du dich besser, wenn wir eine Beziehungstherapie machen oder was willst du?“
Mit zusammengezogenen Augenbrauen richtete sich der Engel auf.
„Hör auf solch einen Humbug zu reden und zieh dich aus.“
Abrupt stoppte Crowley in seinen Gebaren und stand still. Hatte er sich gerade verhört?
„Entschuldige bitte, ich soll was?“
Erziraphael überprüfte mit Genugtuung die Richtigkeit des Sofas und nickte vor sich her, dann gelangte er mit wenigen Schritten in die kleine Küche.
„Du sollst dich ausziehen und auf die Couch legen.“
Sofort sorgte ein wilder Strudel hinter der roten Stirn für ein ekstatisches Abenteuer mit dem Engel.
>Nein, Moment! Ich habe mich schon sooft davon in die Irre leiten lassen. Diese Worte hat Erzi gerade gesagt, also haben sie eine vollkommen andere Bedeutung. Es ist völlig harmlos. Harmlos, also denk nicht um die Ecke. Deswegen: Nein, er wird jetzt nicht gleich nackig zurückkommen und mit mir ein paar Stunden voller Sünde erfahren wollen. Halt deine Klappe, Gehirn! Er ist so unschuldig, dass er noch nicht einmal gemerkt haben mag, das er gerade etwas zweideutiges gesagt hat.<
Ohne sich überhaupt bewegt zu haben, neigte Crowley den Kopf ein Stückchen nach vorn, als wartete er auf weitere Anweisungen. Im selben Moment kam Erziraphael wieder zurück und zielte auf ein kleines Beistelltischchen zu. Er schien mit irgendetwas herum zu hantieren. Die schwarzen dicksohligen erhöhten Absätze wagten dann doch einen Schritt in dessen Richtung.
„Ich soll jetzt was genau machen?“
„Du sollst dein Hemd ausziehen.“
„Wozu?“
Nun mit einem optimistischen Lächeln bewaffnet und mit einer schimmernden Schüssel in den Händen drehte sich der Engel wieder zu ihm herum.
„Weil ich dir eine Ayurvedische Massage verpassen werde.“
Vor Überraschung nahm sich Crowley die Brille ab.
„Du willst was machen?“
Erziraphael zuckte nur die Schultern und schwenkte das Schälchen sachte hin und her. Irgendeine dickflüssige Soße schien sich darin treiben zu lassen.
„Wenn du so unter den Verspannungen leidest, könnte ich dem doch Abhilfe schaffen. Du wolltest ja nicht das ich darüber spreche, also lasse ich eben Taten folgen. Du kannst ganz beruhigt sein, ich habe eine gute Fingerfertigkeit. Ich gehe regelmäßig zu einem thailändischen Masseur und merke mir alle geschickten Griffe. Ich weiß also ganz genau wo es sich besonders gut anfühlt.“
Hier leistete der Blonde eine einladende Geste zur vorbereiteten Couch und erhob eine hoheitsvolle Stimme.
„Also lasse dich auf den Wellen der Tiefenentspannung treiben, verjage den närrischen Geist deiner Ruhelosigkeit und genieße meine wärmen Hände an dir.“
Waren diese Zweideutigkeiten eigentlich Absicht?, fragte sich der Dämon und seufzte grüblerisch. Mhm, eine Massage? Das klingelte gar nicht mal so schlecht in seinen Ohren. Das hatte er das letzte mal vor 1000 Jahren in der Türkei, das waren echte Profis. Erzi musste sich schon gewaltig anstrengen, um die selbe Wirkung zu erzielen. Crowley warf die Brille auf den Schreibtisch und trat an den Engel heran. Dabei begann er sich die roten Knöpfe zu öffnen und verführerisch in das Gesicht des Freundes zu blicken.
„Weißt du, wenn jetzt jemand durch´s Fenster spähen würde, könnte er unrühmliche Dinge von uns denken.“
Erziraphael erhob eine Braue und schaute wirklich wie die Unschuld eines Lammes.
„Und was könnte man schon dabei denken? Das ich dich eben massiere, was sonst.“
Nein, der war wirklich nicht zu solchen Dingen fähig. Der Dämon machte nur ein Natürlich-hast-du-Recht- Gesicht und wandte sich wieder dem Polster zu. Dort knöpfte er sich das Hemd endgültig auf und zog es sich wie gewöhnlich radikal herunter. Ein Wunder, dass der Stoff diesen Strapazen standhielt. Als Erziraphael plötzlich diese helle nackte Haut erblickte und die behaarte Brust, wurde ihm blitzartig heiß im himmlischen Körper. Mit einem Mal kam ihn Crowley noch viel männlicher vor als eh schon. Diese breiten Schultern mit den leicht muskulösen Erhebungen wirkten sehr erbittend. Eigentlich dachte er, dass ihm dieser Anblick nicht stören würde, denn schließlich war er ja ein Engel. Und außerdem hatte er den Dämon des öfteren halbnackt gesehen. Aber wahrscheinlich änderte die Liebe auch die komplette Wahrnehmung. Erziraphael krampfte alles zusammen und wirbelte zur Seite weg, während er an die Decke schaute.
„Oh, Allmächtiger, das habe ich ja vollkommen unterschätzt.“
Crowley, der sich soeben halbnackt auf die ausgebreitete Merino-Decke plumpsen ließ, blickte ihn bloß neugierig an.
„Was denn?“
„Das...Das..Öl, es ist mir nur etwas zu heiß geworden.“
„Heißes Öl? Willst du mich braten oder was?“
Erziraphael musste sich zusammennehmen und räusperte sich. Er schaffte es immerhin sich wieder zu ihm herumzudrehen und auf ihn zu zuschreiten.
„Nicht doch, das ist ein Abhyanga. Dieses Öl wird dir zu einer inneren Zufriedenheit und Beruhigung verhelfen. Deine Verspannungen werden dadurch brillant gelöst und hinterher weißt du gar nicht mehr was Schmerzen sind. Es ist ein Sesam- und Kokosölgemisch. Es duftet wunderbar.“
Schneller als erwartet hatte sich der Engel nun an diesen nackten Oberkörper gewöhnt und hielt seinem Freund das warme Schüsselchen vor die Nase. Crowley roch tatsächlich daran und schnalzte mit der Zunge.
„Na dann, schmier mich ein, Engel.“
Mit flinken Bewegungen tummelte sich der Dämon auf den Bauch und streckte den langen Körper so sehr aus, dass die Unterbeine über der Seitenlehne überstanden. Erziraphael atmete noch einmal durch und zwirbelte mit dem kleinen Finger das Grammophon an. Es ertönten Klangschalen und angenehme orientalische Instrumente. Crowley legte den Kopf zur Seite.
„Was soll dieses Gedudel?“
Augenrollend krempelte sich der Blonde die Ärmel hoch.
„Das ist wohltuende südostasiatische Meditationsmusik. Die Schallplatte war ein Geschenk meines Masseurs. Seine Familie stammt aus Bangkok. Und nun sei friedlich und lass dich einfach darauf ein.“
Und tatsächlich schlossen sich die gelben Augen unter einer enormen Sicherheit und er atmete leise, aber intensiv ein. Leicht erstaunt darüber beugte sich Erziraphael leicht drüber und musste sich ein lieb gemeintes Kichern verkneifen. Es war äußerst selten, dass sich Crowley so von ihm führen ließ. Es bewies dem Engel, dass er ihm wirklich sehr zugetan war und das schmeichelte ihm bis tief in das Herz hinein. Während sich Erziraphael die Hände warm rieb, nahm er sich vor ganz besonders liebevoll zu sein. Er würde diese Verspannungen schon in die Flucht schlagen. Bevor er jedoch die Finger an den Rücken seines Gefährten legte, zog er sich noch den goldenen Ring vom kleinen Finger und legte ihn bedachtsam auf den Schreibtisch. Dicht an die Sonnenbrille. Da Crowleys Körper recht schmal war, fand Erziraphael sogar Platz um sich halbwegs neben dessen Hüfte zu setzen. Er griff nach dem Schälchen und träufelte dünne träge Schlieren auf die dämonische Haut. In jenen Augenblick schmückte kein tadelnder Gedanke Erziraphaels Kopf, denn er wollte einfach seinem Dämon etwas Gutes tun. Nicht weniger, aber noch viel mehr. Ohne es selbst zu bemerken lächelte der Engel vor sich her, während er sanft die Hände auf ihm bewegte. Gegen seiner Erwartung fühlte sich dessen Haut sehr weich und gleichzeitig rustikal an. Nun wusste der Engel, dass in seiner Liebe auch dieser dämonische Körper gemeint war.
Crowley spürte das warme Öl, diese kräftigen Finger dazwischen und diese einlullende Friedfertigkeit. Entspannung. Wann hatte er jemals solch eine willkommene Ruhe erfahren? Wie rote Klingeldrähte fielen ihm die Haarsträhnen ins Gesicht, doch spürte er nichts von ihren rüden Kitzelversuchen. Ihm wurde plötzlich alles egal. Seine Sinne befanden sich nur noch auf dieser Stelle, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Sondern einfach nur hier. Zu Anfangs unterdrückte er jegliches Aufkeimen von genussvollem Stöhnen, aber nach geraumer Zeit war ihm auch diese Maske völlig gleich. Crowley wusste auch schon gar nicht mehr wo die Türkei überhaupt lag. Wie fantastisch Erziraphael doch war. Er gebrauchte eine gezielte Kraft, schob die Verspannungen fort und hinterließ nur noch eine warme Freude. Liebevoll und zeitgleich so stark. Sein Engel. Diese orientalischen Klänge drangen immer tiefer in ihm vor, bis in sein stures Bewusstsein. Doch dieses schien auch von diesen himmlischen Händen betäubt worden zu sein, denn die Musik fand einen Weg ihn in den Schlaf zu wiegen.
Irgendetwas ließ Crowley innerlich zusammenfahren. Doch öffnete er nicht die Augen, sondern zuckte nur mit dem Kopf etwas mehr nach oben. Wie durch einen appetitlichen Wattenebel hörte er die flüsternde Stimme Erziraphaels, aber der Engel sprach nicht zu ihm. Für ihn benutzte er immer einen anderen Ton, viel niedlicher und persönlicher. Das süße Glöckchen des Ladens erklang, mittendrin erstarb es. Und leise Sohlengeräusche streiften an ihm vorbei. Selbst ein unterdrücktes Seufzen konnte das klägliche Knarzen des Schreibtischstuhls verleugnen und Crowley kannte jedes einzelne Geräusch aus diesem Geschäft, vom Fallen der Staubkörner bis hin zum eintauchen des Kiels in die Tinte. Und er genoss diesen Duft. So charakterlich, wohlig und alteingesessen. Da hörte das feine dämonische Gehör wie eine Seite umgeblättert wurde. Wie unter Trance öffnete er die schweren Lider kaum. Und nur leicht verschwommen erkannte sein Geist wie Erziraphael am Schreibtisch saß. Über ein Buch gebeugt und mit der kleinen ovalen Brille auf der knubbeligen Nase. Warmes Licht leuchtete auf die Seiten und sein Hausjäckchen wirkte gemütlich und heimelig an ihm. Crowley konnte nicht sagen, ob es jemals einen Augenblick für ihn gegeben hatte in dem er sich so sicher und zufrieden gefühlt hatte. Ein dicker Stoff überzog seinen Körper und ließ ihn dauerhaft in diesem schlummernden Zustand, ohne ihn entlassen zu wollen. Die gelben Augen betrachteten weiterhin die tief versunkene Gestalt des Engels. Wie er dort las, träumte und ihn bewachte. Lächelnd schloss Crowley erneut die Augen. Er drehte sich genüsslich mit dem Gesicht zur Rückenlehne und seufzte heimlich aus. In ihm rannte eine Erinnerung aus dem 14. Jahrhundert vorbei. In dieser stand Erziraphael in schwarzer Mönchskleidung vor ihm und strahlte heraus:
„Ich glaube, dass ist es was die Menschen wohl Liebe nennen.“
Erziraphael richtete den Rollkragen vor dem goldenen Spiegel und drehte den Kopf hin und her, damit er auch sein Haar auf Korrektheit kontrollieren konnte. Er lächelte zufrieden und öffnete mit einem neckischen >Klick< seine Taschenuhr. Huch, schon so spät. Auf rücksichtsvollen Sohlen schlich sich der Engel an das Sofa heran, wo ein äußerst zufriedener Dämon immer noch schlummerte. Eingekuschelt in eine Tartan-Decke und mit roten Schlafbäckchen. Aufrichtig gerührt von diesem Anblick hätte ihn der Blonde am liebsten noch viel länger dort schlafen lassen. Aber leider leider riefen die (meist nervigen) Pflichten. Aber wie sollte er ihn wecken? Einfach den Namen aussprechen; die Decke zurückschlagen; Kaffeekochen und die Tasse unter die spitze Nase halten; Zufällig das Grammophon lauter stellen? Beinahe schon überladen von solcherlei Ideen, betrachtete der Engel seinen ruhenden Freund und machte ein nachdenkliches Geräusch. Als ihm im Handumdrehen auffiel, dass es ja das erste mal war, das Crowley bei ihm genächtigt hatte. Was sagte dies wohl über den Wert ihres Beziehungsstatus´ aus? Ein wenig rot wurde Erziraphael schon, aber wohl mehr vor Vergnügen. Er beugte sich etwas vor und zwitscherte Crowleys Namen wie ein junges Vögelchen. Doch der Dämon grunzte nur aus und murmelte irgendein unfähiges Zeugs. Erziraphaels Stimme wurde zwar energischer, aber dämonisches Kauderwelsch blieb immer noch dämonisches Kauderwelsch. Deswegen kniete sich Erziraphael vor ihm nieder und streichelte ihm das fallende Haar hinters Ohr. Während er in dieses liebevoll flüsterte.
„Du musst aufstehen, Crowley. Es ist Zeit.“
Der Kaminfeurige Schnurrbart rückte nach oben auf und er brummelte erneut, nur konnte man es nun besser verstehen. Die Lider blieben geschlossen und die Lippen bewegten sich wie in einem Rausch.
„Nein, nein, noch ein paar Minuten. Lass uns beide noch etwas kuscheln. Bleib in meinen Armen liegen. Gib...Gib uns noch sechs Minuten.“
Irritiert davon reckte Erziraphael den Kopf aufrecht.
„Wie bitte? Crowley! Wach auf, große Güte!“
Erschrocken entfachte der laute Weckruf einen emsigen Wirbelsturm von roten Haaren. Schlaftrunkene Augen blinzelte betäubt durch die Gegend.
„Wie? Was? Wer? Warum?“
Erleichtert seufzte der Engel aus und erhob sich wieder.
„Du musst leider gehen. Dein Termin in der Hölle ist bald.“
Schwerfällig, als hätte ihn jemand mit Blei überzogen, stützte sich der Dämon auf die Arme und blickte sich demotiviert um. Er zuckte zusammen. Im Buchladen?! Ach ja richtig, Erzi hatte ihn ja massiert. Und er ist dabei eingeschlafen? Das war ihm auch noch nie passiert. Eine seiner langen bleichen Hände fuhr durch das strubbelige Haar und er gähnte. Ließ alles wieder sinken und beschaute ganz träge ein fragendes Gesicht über sich.
„Du sprachst gerade davon, noch etwas zu kuscheln. Wen meinst du denn damit?“
Nun war er aber wach. Crowley versuchte so zu tun als ob er sich strecken würde.
„Keine Ahnung wovon du redest, Engel. Wo sind meine Hosen?“
„Die hast du natürlich an. Was denkst du denn von mir?“
Der Dämon schielte in gerötete Wangen hinein und grinste schief. Da bemerkte er, dass er sein Hemd ja auch wieder anhatte, ob das wohl Erzi war? Mhh, das lassen wir mal unbeantwortet im Reich der Vorstellungen.
Er streifte sich zigmal durch das aufgewühlte Haar und schob sich so die Müdigkeit aus den Knochen. Mit einem letzten Strecken sprang er auf und tastete die Hose nach seiner Brille ab, als diese ihm auch schon auf einer Handfläche präsentiert wurde. Crowley entnahm sie stillschweigend und setzte sie sich lax auf die Nase. Teufel noch eins, fühlte er sich prächtig. So gelöst und entspannt.
„Es freut mich wirklich außerordentlich, dass es dir wieder besser geht.“
Mit erhobener Augenbraue blickte er den lächelnden Engel an.
„Ich habe doch gar nichts gesagt.“
„Brauchst du auch nicht, ich sehe es an deiner Körperhaltung und in deinem Gesicht, mein Lieber.“
Im gleichen Moment wusste Crowley, dass der Engel kein Dankeschön von ihm hören wollte, sondern viel lieber etwas anderes. Der Dämon schnalzte mit der Zunge und zauberte sich die leichten Plateauschuhe wieder an, welche Erziraphael als völlig überflüssig betitelte. Schließlich war er schon eine hochgewachsene Stelze, wieso dann noch hohe Absätze? Tja, Crowley und die Mode eben.
„Also dann, Engel, ich bin dann weg. Bleib schön brav und drück mir die Flügelchen, zwecks der Präsentation.“
Nein, das wollte Erziraphael eigentlich nicht hören. Aber gut, immerhin war er außergewöhnlich gut gelaunt und dies war auch ein guter Lohn. Die Massage schien ein beeindruckender Erfolg gewesen zu sein. Zufrieden mit sich und der Welt lächelte der Blonde Buchliebhaber und wippte auf den Sohlen vor und zurück. Die Hände hinter den Rücken verschränkt und den Blick an Crowley geheftet, der ihm eine Abschiedsgeste schickte. Erziraphael winkte ihm hinterher.
„Bis die Tage und viel Glück.“
Als die Ladentür geschlossen wurde, stand Erziraphael wieder ruhig da und seufzte. Crowley musste so in seiner Laune gefangen gewesen sein, dass er noch nicht einmal bemerkt hatte, dass es bereits ein neuer Tag war. Er hatte auch nicht danach gefragt, ob Erziraphael den Laden so lange geschlossen hielt oder das er Kunden abwimmelte, nur für ihn. Das er sämtliche Anfragen abwürgte und das Telefon stumm gewundert hatte, nur damit Crowley in ruhe schlafen konnte. Und dennoch, fühlte sich der Engel glücklich. Denn er hatte ein neues Urteil über ihre Beziehung gefällt. Sie befand sich in einem vertrauenswürdigen, sicheren, warmen Gewässer. Er wusste das viele Tage kommen werden an denen es stürmen und Gewittern würde, aber sie hatten einen Hafen. Sie selbst waren dieser Hafen und darin fanden sie einander und hielten sich fest, bis der Orkan sich gelegt haben mag. In Erziraphael breitete sich ein süßes fröhliches Gefühl aus, was ihn dazu brachte, dem Grammophon eine amüsierte Platte spielen zu lassen. Ja, so schnell würden sie schon nicht kentern.
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Jetzt wisst ihr auch, warum Crowley vor dem Polylux so entspannt und gut gelaunt war. XD
Hier ist nun also das letzte Kapitel vor der Kuz-FF "1988", die dementsprechend in wenigen Tagen erscheinen wird. Nachdem jene FF (sie hat wirklich nicht so viele Kapitel) abgeschlossen ist, geht es hier weiter. :)
Ich setze "1988" als etwas besonders hin, weil sie viele wichtige Details und Ereignisse enthält, welche für den zweiten (und eventuell auch den dritten) Teil von "Apfel im Kelch" äußerst entscheidend sind.
Zu diesem Kapi hier ist nur dies zu sagen: Ach ja. ~o~
Viel Spaß, bleibt gesund und bis bald. <3
Eure Linda ^-^
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Das Kuppeldach des British Museum´ glitzerte heiter über den Köpfen ihrer Besucher hinweg. Reges Geplauder und alltägliches Staunen folgten munterem Gekicher und benutztem Geschirr. Das kleine Restaurant, wo all die totgelaufenen Sterblichen ihre Knochen lüfteten und einen schmackhaften Happen genießen konnten, wirkte wie eine gestrandete Oase auf Erziraphael. Es kam ihm so vor, als würde das moderne Café sich nicht ganz in diesen klassizistischen Tempel aus Artefakten, Büchern und Kunstsammlungen fügen wollen. Der blonde Engel wartete bereits seit 15 Minuten auf die Verabredung mit Crowley, doch was wusste er schon was jener wieder trieb. Und da es bereits kurz nach fünf Uhr war, ließ sich der gemütliche Buchladenbesitzer den Nachmittagstee servieren und goss sich seelenruhig das heiße Getränk in die Porzellantasse hinein. Natürlich nicht ohne an ein zweites Gedeck für den Rothaarigen zu denken. Auch in den 70ziger Jahren hatte es der Engel vermieden eine Krawatte zutragen oder sonst einen Binder, sogar ein Hemd ließ er aus. In jenen Jahrzehnt besaß er ein gepflegtes Aussehen mit hellen Rollkragenpullovern und karierten Jacketts. Die viktorianische Jacke hob er sich selbstverständlich auf, sie war immerhin sein Lieblingsstück. Da diese neue Modekombination von ihm nichts an Freizügigkeit zuließ, hatte auch der Dämon nichts dagegen. Auch wenn er die Erlaubnis dazu keinesfalls offen aussprach. Erziraphael legte sich mit einem leichten Lächeln ein dünnes Stückchen Zitronen-Sahne-Torte auf den Speiseteller und roch erst einmal mit geschlossenen Augen an dieser herb-süßen Gewürzmischung seines Tees. Eigentlich war er nicht sonderlich gern im British Museum, da er die meisten Persönlichkeiten, von denen dort drinnen berichtet wurde, kennen lernen durfte. Eine angehauchte Wehmut legte sich ihm dann immer wieder auf die Brust. Die begrenzte Sterblichkeit dieser Menschen war viel zu kurz für seinen Geschmack. Was waren denn schon 80 Jahre (im Durchschnitt gesehen) wert? Allerdings besuchte er so gern diesen ausgeprägten und alten Lesesaal. Schon allein dieser Duft wirkte so beruhigend auf seine Seele. Diese idyllische Ruhe von Wissensdrang, wie wunderbar. Bevor er sich in das schmale Court Restaurant zurückzog, durchwanderte er gemütlichen Schrittes die Abteilung der Münzen und er besichtigte den Stein von Rosette. Da kamen ihm wieder Erinnerungen aus dem alten Ägypten hoch und er seufzte. Dann doch lieber Tee. Crowley und er hatten sich zum ersten Mal hier verabredet. Fortwährend suchten sie neue geheime Plätzchen für ihre geheimen Treffen. Sie probierten so viele Orte unter Diskretion aus. Und ein bisschen gefiel dem Engel diese Heimlichtuerei. Oh, dieser leckere Duft von Gebäck und Sandwichs. Erziraphael könnte doch schon mal ein kleines Häppchen probieren. Seine innere manierliche Stimme mahnte ihn aber, darauf zu warten bis der Dämon kommen würde. Doch dieser Zitronenduft stieg ihm noch neckischer in die Nase. Na schön, noch ein paar Minütchen, aber dann ist Schluss mit guter Sitte. Um sich die Zeit tot zu schlagen (oder einfach nur vom Kuchen und den anderen Leckereien abzulenken) schaute er ein wenig den Menschen zu. Wie sie halbleere Teller stehen ließen; Erregt miteinander plauderten; Ihre Kinder erduldeten oder einfach nur wieder gingen ohne sich jemals gesetzt zu haben. Nachdem Erziraphael den Kopf genügsam durch den Saal gleiten ließ, fiel ihm ein elegantes Pärchen auf. Modisch gekleidet und auch sonst schienen sie nicht besonders zu sein. Aber dennoch mussten seine Augen an ihnen kleben bleiben. Sie wirkten so ehrlich miteinander und so verliebt. Der männliche Mensch strahlte über das ganze vollbärtige Gesicht und die Frau schlug sogar schüchtern die Wimpern nieder. Er zog eine Nelke hervor und das Engelsgehör vernahm schmeichelnde Worte. Sie hielten neben dem Teegeschirr einander die Hand und die junge Dame nahm die Blume ebenso lächelnd entgegen. Sie flirteten ganz ungeniert und voller Verzückung, so angetan von der bloßen Existenz des anderen. Kichernd und Händchenhaltend beugten sich ihre Oberkörper über die Tischplatte, nur um noch näher zu sein. Ihre Aura blühte unter Sicherheit und Wärme auf. Plötzlich hörte Erziraphael wie der junge Mann ein Sonett rezitierte. Es hörte sich wie von Francesco Petrarca an. Mit einem verliebten Ausdruck im Gesicht küsste sie ihm auf die Wange und sprach von unauslöschlicher Liebe. Erziraphael seufzte und stützte das Kinn aus die Handinnenfläche ab. Ohne über sein unmanierliche Verhalten nachzudenken, begann er zu schwärmen und zu träumen. Er stellte sich plötzlich vor, wenn Crowley den ritterlichen Kavalier geben würde.
>Gestriegelt und heraus geputzt würde er dann hier stehen, sich vor ihm niederknien und sagen:
„Hast du je einen Stern gesehen, dem wohl in deiner Wonne noch einmal schmäht?
Wie kann er glühen, in deiner Liebe, so rah und unvermählt.
Soll mich treffen toter Zorn, wenn ich deiner nicht wert´.
Doch wagt ein Geist dir drohn´, so sieht er meiner Scheide Schwert.“ Crowley würde sich erheben und vor ihm einen Kratzfuß machen. Voller Edelmut und so nonchalant bravourös. Seine wunderschönen goldfarbenen Augen würden dabei tief in die seine blicken.
„Stets wenn ich dich beschaue, möchte ich mit dir tanzen und dich nie mehr missen.“
Dann würde er seine Hand nach ihm ausstrecken.
„Gestattest du mir, dich durch den Blumenreichen Park zuführen? Lass uns flanieren bis das Käuzchen schreit. Oh, mein Engel.“
Verschüchtert, aber äußerst zugetan würde Erziraphael diese anstandslos erwählen und sich erheben. Mit eleganten Schritten und ineinander geharkt drückte sich der Engel liebessüchtig an seinen Dämon heran, während sich ihre Augen nicht voneinander trennen konnten.<
Immer wieder und wieder seufzte Erziraphael sehnsüchtig aus. Warum konnte Crowley nicht solche Dinge tun? Nun gut, der Dämon schien ihn nicht so sehr zu lieben, wie er ihn, aber dennoch. Der Körper wurde ihm weich und er begann diese Vorstellung zu vergöttern. Und mitten in einem weit gedehnten Schmachten hinein, krachte ein unmanierliches: „Geschafft!“ laut neben ihm her. Sichtbar zusammenzuckend gebar der Engel einen Schrecklaut und blinzelte erschrocken auf den Platz gegenüber. Crowley war endlich gekommen und hatte sich wie ein Bergarbeiter in den Stuhl plumpsen lassen. Mit weit gespreizten Beinen, wo die schlaffen Hände über den Oberschenkeln baumelten und die Schultern gekippt wirkten. Sein beinahe schulterlanges Haar schüttelte er kurzfristig auf, aber nicht damit er gut aussah, sondern weil sie ihn momentan störten. Er schnaufte theatralisch aus und änderte nichts an der schiefen Position seiner kantigen Sonnenbrille. Winzige Härchen des roten Schnauzers bliesen sich auf, als Crowley abgehetzt äußerte:
„So, ich bin da, Engel.“
Räuspernd zupfte sich Erziraphael das breite Revers manierlich, obwohl es die ganze Zeit bereits ordentlich war und drückte sich den Rücken wieder durch. Während er das selbe bei seiner Teetasse tat, murmelte er bloß: „Hallöchen Realität.“
Crowley verzog fragend das Gesicht, doch Erziraphael war schneller.
„Seit wann kommst du denn zu spät?“
Auspustend rückte sich der Dämon dann doch die Brille gerade und schaute sich wie nebenbei unter dem Kuppeldach um.
„Ja, es ging nicht schneller. Ich wurde auf der M25 aufgehalten.“
Durch ein kleines Wunder dampfte der Sud der Gewürzmischung in der feinen Porzellantasse wieder auf und der Engel setzte sie an die geschmeidige Unterlippe.
„Was soll das sein?“
„Eine Autobahn, direkt um London und Umgebung.“
Der erste Schluck war so deliziös und er liebte es, wenn diese angenehme Wärme sich gemächlich im Körper ausbreitete. Zwar wurde die Stirn etwas Kraus geschoben, doch Erziraphael behielt die Tasse vor dem Mund.
„Solch ein Verkehrsweg ist mir unbekannt. Nun gut, ich fahre auch nicht, das ist wirklich dein Metier. Aber dennoch müsste ich doch einmal in den öffentlichen Pressen davon gelesen haben.“
Mit einem triumphalen Gesicht verschränkte Crowley die Arme vor die Brust und stützte sie so auf die Tischplatte ab. Das freche Grinsen umzäumte das ganze höllische Gesicht und irgendwie kletterten unheilbringende Dinge daraus hervor. Besonders als sich der Dämon noch ein Stückchen weiter vorbeugte und über seinen Oberlippenbart strich.
„Es wird ja auch erst eines meiner neusten Meisterstücke. Morgen Abend haben wir die routinemäßige Besprechung und dann halte ich vor Lord Beelzebub eine kleine Präsentation darüber ab. Ha! Das wird eine Wucht. Ich bin ein recht ausgebuffter Hund, das muss ich schon sagen.“
Während Crowley so süffisant sprach, griff er sich quer über die Brust und massierte sich etwas den Nacken und die Schulter. Erziraphael folgte dieser Handlung und nahm noch einen weiteren Schluck. Ach, du meine Güte, das Tortenstück, wie konnte er das nur vergessen?
„Und warum sollte deine Seite von einer Straße beeindruckt sein?“
„Es werden tobende Menschen entstehen, die später den Bau dieses 188 Kilometer langen Magengeschwürs verfluchen werden. An jeden neuen Tag werden wieder andere Sterbliche böse und cholerisch werden. Und dadurch werden sie durch und durch gnadenlos gegen ihre Mitmenschen vorgehen. Die eine oder andere Seele wird dadurch schon für uns rausspringen. Oh, ich liebe Kettenreaktionen.“
Erziraphael hörte sich solche euphorischen bösen Schwärmereien nicht gerne an, aber diese waren nun einmal Crowleys Leidenschaft, also sagte er nichts dazu. Außerdem war es eben mal dessen Arbeit. Nun wechselte der Dämon die Hand und knetete sich die andere Schulter. Dennoch schaffte es sein Gesicht die gewohnte Gelassenheit an den Tag zu legen, zumindest glaubte er das. Der Engel erkannte förmlich wie sich die gelben Augen fahl betrachten ließen, doch er selbst führte lieber die Kuchengabel in den Mund. Crowley erhob selbstüberschätzend einen Zeigefinger.
„Außerdem: Odegra, Engel. Die Fahrbahn symbolisiert Odegra.“
Etwas pikiert schluckte der Blonde hinunter und die Manier verschwand aus der Haltung.
„Du schenkst dem Schwarzen Priestertum ein Tribut?“
Für einen winzigen Moment verspannte sich Crowleys Gesicht, als er vermutlich einen gewissen Nerv im Nacken getroffen hatte.
„Wieso nicht? Schließlich haben wir alle was davon. Naja ihr weniger. Aber wenigstens werden die mich dort unten richtig lieben und dann habe ich wieder mal eine ganze Weile meine Ruhe.“
Ja, denn dann könnten wir wieder mehr Zeit zusammen verbringen, ohne gestört zu werden. Ergänzte Erziraphael in Gedanken und nahm noch ein schmackhaftes Stückchen dieser Zitronentorte. Und ein Erdbeer-Scones legte er sich ebenfalls dazu.
„Außerdem könnte das die Stimmung etwas aufhellen, sobald wir wieder mal über Asasel getagt haben. Hauptsächlich laufen unten einige Pläne wegen dieser Trantüte quer. Dieser Wüstenhans will den Aufstand proben und das schmeckt der Elite natürlich ganz und gar nicht. Lord Beelzebub ist deswegen schon seit Jahrhunderten genervt und dreimal kannst du raten, wer darin baden darf?“
„Sag mal, stimmt irgendetwas nicht?“
Crowley hielt inne und blickte den Engel unwissend an.
„Weshalb?“
„Du bearbeitest dich schon die ganze Zeit. Hast du ein Leiden?“
Ruckartig nahm der Dämon die Hand von seinem Nacken und zuckte sogleich damit.
„Ich habe immerhin in den frühen Morgenstunden sämtliche Eckpunkte der M25 versetzt. Und wie bereits erwähnt, das waren 188 Kilometer, die ich dort zurücklassen musste. 188 Kilometer! Was glaubst du denn, wie das anstrengt, zu Fuß. Und dann hat es auch noch ein bisschen dabei genieselt. Das war mordsmäßige Knochenarbeit, Engel.“
Ohne es willkürlich steuern zu können, nahm der Rothaarige den Kampf wieder auf und massierte sich die Oberarme.
„Bring deinen Körper doch dazu.“
Nach einem leisen Stöhnen ließ Crowley dann doch wieder ab und schob endlich diese unnötige Teetasse vor sich beiseite.
„Hier geht es nicht ums Nüchtern-machen, sondern um eine Art Heilung und so was läuft bei uns ein bisschen anders: Nämlich gar nicht. Wir haben nicht so eine Luxusausstattung wie ihr. Du kannst vielleicht anstellen was du willst, aber ich nicht. Wenn du mir also helfen willst, dann red gefälligst nicht mehr drüber und lass mich damit in Ruhe. Das geht von allein wieder weg. Jetzt lass dass bleiben und hör auf zu nerven.“
Na schön, gab Erziraphael etwas trotzig von sich und erhob sich. Legte die Serviette vom Schoß auf den Tisch, nachdem er sich natürlich die Mundwinkel abgetupft hatte. Perplex starrte Crowley ihn an, doch rührte er sich nicht vom Fleck. Sein Freund indes deutete eine Geste zum Aufstehen.
„Würdest du mich dann bitte nach Hause fahren?“
Dieser Ton klang so steif und ein kleines bisschen zu harsch vom Engel, dass sich der Dämon sofort fügte und den schwarzen Hintern vom Stuhl wegdrückte. Sein Blick blieb irritiert.
„Natürlich, wenn du willst.“
Hatte er gerade etwas falsches gesagt?
Als er vor dem antiken Buchladen abbremste, war ihm schon recht mulmig zumute. Fieberhaft hatte sich Crowley das Gehirn verknotet und wollte während der ganz Fahrt darauf kommen, ob er vielleicht irgendetwas verwerfliches geäußert hatte was die Harmonie des Engels angegriffen hätte. Der Bentley fuhr sogar unter der Risikogrenze, nur damit sein Herr Zeit hatte um auf die Lösung zukommen, aber es war ein Schwarzes Loch. Oh Junge, da wurden die Nackenschmerzen gleich noch deutlicher.
„Begleite mich hinein.“
Der rote Schnurrbart zuckte vor, auch weil er abrupt das Rattern seiner Hirnwindungen einstellen musste.
„Was ist?“
Ohne auf die eigenen Handgriffe zu achten, öffnete Erziraphael ganz geschmeidig die Beifahrertür und blickte Crowley ungewohnt emotionslos an.
„Du sollst mich hinein begleiten, habe ich gesagt.“
„Natürlich.“
Der eine hievte sich etwas kompliziert aus dem Gefährt heraus und der andere faltete sein weinrotes Seidenhemd in der Umgebung wie die Flügel eines Schmetterlings aus. Sie liefen neben einander her und Crowley betrachtete argwöhnisch das Halbprofil des Engels. Jener holte den altmodischen Schlüssel aus dem Jackett und begann am Schloss zu drehen.
„Stimmt irgendetwas nicht? Du bist plötzlich so komisch still.“
Keines Blickes würdig öffnete der Engel die Tür.
„Du hast mir doch erklärt, dass ich dich nicht mit Äußerungen nerven soll.“
Einige Passanten mit Afrolocken und in Folklorekleidung liefen an ihnen übertrieben lässig vorbei und sangen irgendetwas von Krishna. Crowley stopfte sich beide Hände in die modischen schwarzen Hosentaschen und legte den Kopf zähneknirschend in den Nacken. Sein Rücken bäumte sich etwas nach hinten weg und er zischte aus.
„Mensch, Engel. Wegen diesem dämlichen Satz gibst du mir jetzt die beleidigte Leberwurst? Du weißt doch ganz genau, wie ich es gemeint habe.“
Die blauen Augen kümmerte sich nicht um dessen Erläuterungen, auch wenn sie sich ihm nun zuwandten und in das innere des Buchgeschäfts nickten.
„Rein mit dir, aber hurtig.“
„Jawohl.“
Etwas kribbelig schlängelte sich der Dämon durch den Eingangsbereich und blieb vor dem kleinen Lichthof stehen. Im selben Moment als er sich nach dem Freund umdrehte, stolzierte dieser an ihm vorbei und wechselte von Jackett ins Hausmäntelchen. Weder sah er, noch sprach er Crowley an. Und genau das machte den Rothaarigen kratzig. Er stiefelte ihm durch den kompletten Laden hinterher, ohne zu bemerken was der Engel nebenbei tat.
„Komm schon, du kannst das doch nicht ernst genommen haben. Du kennst mich seit zig Jahrtausenden und daran hängst du dich auf? Potzblitz, Erzi! Ich bin gestresst, zwar freudig gestresst, aber gestresst. Und da sag ich nun mal solche Sachen. Das ist doch noch lange kein Grund so ein Waschfrauen-Getue an den Tag zu legen.“
Mittlerweile war der blonde Inhaber am Ledersofa angelangt und war sofort dabei die karierte Decke auseinander zu falten. Glättete sie über die Sitzfläche und strich diese auch über die Rückenlehne hinweg. Indes sich der Dämon in eine unverkennbare Rage geredet hatte.
„Was jetzt? Hast du mich etwa nur rein gebeten damit du mich anschweigen kannst? Oh, das ist hart. Und auch ziemlich sadistisch von dir. Wegen eines Satzes?! Warum hast du mich nicht gleich vor 20 Jahren so bestraft, dann hätte ich mich eher entschuldigt. Aber nein, nur ein dummes Wort von mir und du schweigst mich an.“
Vollkommen ungerührt schüttelte Erziraphael das einzige Sofakissen aus und brachte es in eine einladende Position. Ließ mit einem kreisenden Fuß nur die nahestehenden Kerzen entzünden und erhöhte ein wenig die Raumtemperatur. Crowley breitete die Arme aus und beugte sich ihm seitlich entgegen. Die roten Haarspitzen kitzelten ihn bereits im Nacken, welcher immer mehr die Schmerzen erhöhte.
„Rede mit mir, zum Teufel! Ich kann mich doch nicht in meiner Art ändern. So ist das bei mir nun mal und ich dachte du hättest dich vollkommen daran gewöhnt. Fühlst du dich besser, wenn wir eine Beziehungstherapie machen oder was willst du?“
Mit zusammengezogenen Augenbrauen richtete sich der Engel auf.
„Hör auf solch einen Humbug zu reden und zieh dich aus.“
Abrupt stoppte Crowley in seinen Gebaren und stand still. Hatte er sich gerade verhört?
„Entschuldige bitte, ich soll was?“
Erziraphael überprüfte mit Genugtuung die Richtigkeit des Sofas und nickte vor sich her, dann gelangte er mit wenigen Schritten in die kleine Küche.
„Du sollst dich ausziehen und auf die Couch legen.“
Sofort sorgte ein wilder Strudel hinter der roten Stirn für ein ekstatisches Abenteuer mit dem Engel.
>Nein, Moment! Ich habe mich schon sooft davon in die Irre leiten lassen. Diese Worte hat Erzi gerade gesagt, also haben sie eine vollkommen andere Bedeutung. Es ist völlig harmlos. Harmlos, also denk nicht um die Ecke. Deswegen: Nein, er wird jetzt nicht gleich nackig zurückkommen und mit mir ein paar Stunden voller Sünde erfahren wollen. Halt deine Klappe, Gehirn! Er ist so unschuldig, dass er noch nicht einmal gemerkt haben mag, das er gerade etwas zweideutiges gesagt hat.<
Ohne sich überhaupt bewegt zu haben, neigte Crowley den Kopf ein Stückchen nach vorn, als wartete er auf weitere Anweisungen. Im selben Moment kam Erziraphael wieder zurück und zielte auf ein kleines Beistelltischchen zu. Er schien mit irgendetwas herum zu hantieren. Die schwarzen dicksohligen erhöhten Absätze wagten dann doch einen Schritt in dessen Richtung.
„Ich soll jetzt was genau machen?“
„Du sollst dein Hemd ausziehen.“
„Wozu?“
Nun mit einem optimistischen Lächeln bewaffnet und mit einer schimmernden Schüssel in den Händen drehte sich der Engel wieder zu ihm herum.
„Weil ich dir eine Ayurvedische Massage verpassen werde.“
Vor Überraschung nahm sich Crowley die Brille ab.
„Du willst was machen?“
Erziraphael zuckte nur die Schultern und schwenkte das Schälchen sachte hin und her. Irgendeine dickflüssige Soße schien sich darin treiben zu lassen.
„Wenn du so unter den Verspannungen leidest, könnte ich dem doch Abhilfe schaffen. Du wolltest ja nicht das ich darüber spreche, also lasse ich eben Taten folgen. Du kannst ganz beruhigt sein, ich habe eine gute Fingerfertigkeit. Ich gehe regelmäßig zu einem thailändischen Masseur und merke mir alle geschickten Griffe. Ich weiß also ganz genau wo es sich besonders gut anfühlt.“
Hier leistete der Blonde eine einladende Geste zur vorbereiteten Couch und erhob eine hoheitsvolle Stimme.
„Also lasse dich auf den Wellen der Tiefenentspannung treiben, verjage den närrischen Geist deiner Ruhelosigkeit und genieße meine wärmen Hände an dir.“
Waren diese Zweideutigkeiten eigentlich Absicht?, fragte sich der Dämon und seufzte grüblerisch. Mhm, eine Massage? Das klingelte gar nicht mal so schlecht in seinen Ohren. Das hatte er das letzte mal vor 1000 Jahren in der Türkei, das waren echte Profis. Erzi musste sich schon gewaltig anstrengen, um die selbe Wirkung zu erzielen. Crowley warf die Brille auf den Schreibtisch und trat an den Engel heran. Dabei begann er sich die roten Knöpfe zu öffnen und verführerisch in das Gesicht des Freundes zu blicken.
„Weißt du, wenn jetzt jemand durch´s Fenster spähen würde, könnte er unrühmliche Dinge von uns denken.“
Erziraphael erhob eine Braue und schaute wirklich wie die Unschuld eines Lammes.
„Und was könnte man schon dabei denken? Das ich dich eben massiere, was sonst.“
Nein, der war wirklich nicht zu solchen Dingen fähig. Der Dämon machte nur ein Natürlich-hast-du-Recht- Gesicht und wandte sich wieder dem Polster zu. Dort knöpfte er sich das Hemd endgültig auf und zog es sich wie gewöhnlich radikal herunter. Ein Wunder, dass der Stoff diesen Strapazen standhielt. Als Erziraphael plötzlich diese helle nackte Haut erblickte und die behaarte Brust, wurde ihm blitzartig heiß im himmlischen Körper. Mit einem Mal kam ihn Crowley noch viel männlicher vor als eh schon. Diese breiten Schultern mit den leicht muskulösen Erhebungen wirkten sehr erbittend. Eigentlich dachte er, dass ihm dieser Anblick nicht stören würde, denn schließlich war er ja ein Engel. Und außerdem hatte er den Dämon des öfteren halbnackt gesehen. Aber wahrscheinlich änderte die Liebe auch die komplette Wahrnehmung. Erziraphael krampfte alles zusammen und wirbelte zur Seite weg, während er an die Decke schaute.
„Oh, Allmächtiger, das habe ich ja vollkommen unterschätzt.“
Crowley, der sich soeben halbnackt auf die ausgebreitete Merino-Decke plumpsen ließ, blickte ihn bloß neugierig an.
„Was denn?“
„Das...Das..Öl, es ist mir nur etwas zu heiß geworden.“
„Heißes Öl? Willst du mich braten oder was?“
Erziraphael musste sich zusammennehmen und räusperte sich. Er schaffte es immerhin sich wieder zu ihm herumzudrehen und auf ihn zu zuschreiten.
„Nicht doch, das ist ein Abhyanga. Dieses Öl wird dir zu einer inneren Zufriedenheit und Beruhigung verhelfen. Deine Verspannungen werden dadurch brillant gelöst und hinterher weißt du gar nicht mehr was Schmerzen sind. Es ist ein Sesam- und Kokosölgemisch. Es duftet wunderbar.“
Schneller als erwartet hatte sich der Engel nun an diesen nackten Oberkörper gewöhnt und hielt seinem Freund das warme Schüsselchen vor die Nase. Crowley roch tatsächlich daran und schnalzte mit der Zunge.
„Na dann, schmier mich ein, Engel.“
Mit flinken Bewegungen tummelte sich der Dämon auf den Bauch und streckte den langen Körper so sehr aus, dass die Unterbeine über der Seitenlehne überstanden. Erziraphael atmete noch einmal durch und zwirbelte mit dem kleinen Finger das Grammophon an. Es ertönten Klangschalen und angenehme orientalische Instrumente. Crowley legte den Kopf zur Seite.
„Was soll dieses Gedudel?“
Augenrollend krempelte sich der Blonde die Ärmel hoch.
„Das ist wohltuende südostasiatische Meditationsmusik. Die Schallplatte war ein Geschenk meines Masseurs. Seine Familie stammt aus Bangkok. Und nun sei friedlich und lass dich einfach darauf ein.“
Und tatsächlich schlossen sich die gelben Augen unter einer enormen Sicherheit und er atmete leise, aber intensiv ein. Leicht erstaunt darüber beugte sich Erziraphael leicht drüber und musste sich ein lieb gemeintes Kichern verkneifen. Es war äußerst selten, dass sich Crowley so von ihm führen ließ. Es bewies dem Engel, dass er ihm wirklich sehr zugetan war und das schmeichelte ihm bis tief in das Herz hinein. Während sich Erziraphael die Hände warm rieb, nahm er sich vor ganz besonders liebevoll zu sein. Er würde diese Verspannungen schon in die Flucht schlagen. Bevor er jedoch die Finger an den Rücken seines Gefährten legte, zog er sich noch den goldenen Ring vom kleinen Finger und legte ihn bedachtsam auf den Schreibtisch. Dicht an die Sonnenbrille. Da Crowleys Körper recht schmal war, fand Erziraphael sogar Platz um sich halbwegs neben dessen Hüfte zu setzen. Er griff nach dem Schälchen und träufelte dünne träge Schlieren auf die dämonische Haut. In jenen Augenblick schmückte kein tadelnder Gedanke Erziraphaels Kopf, denn er wollte einfach seinem Dämon etwas Gutes tun. Nicht weniger, aber noch viel mehr. Ohne es selbst zu bemerken lächelte der Engel vor sich her, während er sanft die Hände auf ihm bewegte. Gegen seiner Erwartung fühlte sich dessen Haut sehr weich und gleichzeitig rustikal an. Nun wusste der Engel, dass in seiner Liebe auch dieser dämonische Körper gemeint war.
Crowley spürte das warme Öl, diese kräftigen Finger dazwischen und diese einlullende Friedfertigkeit. Entspannung. Wann hatte er jemals solch eine willkommene Ruhe erfahren? Wie rote Klingeldrähte fielen ihm die Haarsträhnen ins Gesicht, doch spürte er nichts von ihren rüden Kitzelversuchen. Ihm wurde plötzlich alles egal. Seine Sinne befanden sich nur noch auf dieser Stelle, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Sondern einfach nur hier. Zu Anfangs unterdrückte er jegliches Aufkeimen von genussvollem Stöhnen, aber nach geraumer Zeit war ihm auch diese Maske völlig gleich. Crowley wusste auch schon gar nicht mehr wo die Türkei überhaupt lag. Wie fantastisch Erziraphael doch war. Er gebrauchte eine gezielte Kraft, schob die Verspannungen fort und hinterließ nur noch eine warme Freude. Liebevoll und zeitgleich so stark. Sein Engel. Diese orientalischen Klänge drangen immer tiefer in ihm vor, bis in sein stures Bewusstsein. Doch dieses schien auch von diesen himmlischen Händen betäubt worden zu sein, denn die Musik fand einen Weg ihn in den Schlaf zu wiegen.
Irgendetwas ließ Crowley innerlich zusammenfahren. Doch öffnete er nicht die Augen, sondern zuckte nur mit dem Kopf etwas mehr nach oben. Wie durch einen appetitlichen Wattenebel hörte er die flüsternde Stimme Erziraphaels, aber der Engel sprach nicht zu ihm. Für ihn benutzte er immer einen anderen Ton, viel niedlicher und persönlicher. Das süße Glöckchen des Ladens erklang, mittendrin erstarb es. Und leise Sohlengeräusche streiften an ihm vorbei. Selbst ein unterdrücktes Seufzen konnte das klägliche Knarzen des Schreibtischstuhls verleugnen und Crowley kannte jedes einzelne Geräusch aus diesem Geschäft, vom Fallen der Staubkörner bis hin zum eintauchen des Kiels in die Tinte. Und er genoss diesen Duft. So charakterlich, wohlig und alteingesessen. Da hörte das feine dämonische Gehör wie eine Seite umgeblättert wurde. Wie unter Trance öffnete er die schweren Lider kaum. Und nur leicht verschwommen erkannte sein Geist wie Erziraphael am Schreibtisch saß. Über ein Buch gebeugt und mit der kleinen ovalen Brille auf der knubbeligen Nase. Warmes Licht leuchtete auf die Seiten und sein Hausjäckchen wirkte gemütlich und heimelig an ihm. Crowley konnte nicht sagen, ob es jemals einen Augenblick für ihn gegeben hatte in dem er sich so sicher und zufrieden gefühlt hatte. Ein dicker Stoff überzog seinen Körper und ließ ihn dauerhaft in diesem schlummernden Zustand, ohne ihn entlassen zu wollen. Die gelben Augen betrachteten weiterhin die tief versunkene Gestalt des Engels. Wie er dort las, träumte und ihn bewachte. Lächelnd schloss Crowley erneut die Augen. Er drehte sich genüsslich mit dem Gesicht zur Rückenlehne und seufzte heimlich aus. In ihm rannte eine Erinnerung aus dem 14. Jahrhundert vorbei. In dieser stand Erziraphael in schwarzer Mönchskleidung vor ihm und strahlte heraus:
„Ich glaube, dass ist es was die Menschen wohl Liebe nennen.“
Erziraphael richtete den Rollkragen vor dem goldenen Spiegel und drehte den Kopf hin und her, damit er auch sein Haar auf Korrektheit kontrollieren konnte. Er lächelte zufrieden und öffnete mit einem neckischen >Klick< seine Taschenuhr. Huch, schon so spät. Auf rücksichtsvollen Sohlen schlich sich der Engel an das Sofa heran, wo ein äußerst zufriedener Dämon immer noch schlummerte. Eingekuschelt in eine Tartan-Decke und mit roten Schlafbäckchen. Aufrichtig gerührt von diesem Anblick hätte ihn der Blonde am liebsten noch viel länger dort schlafen lassen. Aber leider leider riefen die (meist nervigen) Pflichten. Aber wie sollte er ihn wecken? Einfach den Namen aussprechen; die Decke zurückschlagen; Kaffeekochen und die Tasse unter die spitze Nase halten; Zufällig das Grammophon lauter stellen? Beinahe schon überladen von solcherlei Ideen, betrachtete der Engel seinen ruhenden Freund und machte ein nachdenkliches Geräusch. Als ihm im Handumdrehen auffiel, dass es ja das erste mal war, das Crowley bei ihm genächtigt hatte. Was sagte dies wohl über den Wert ihres Beziehungsstatus´ aus? Ein wenig rot wurde Erziraphael schon, aber wohl mehr vor Vergnügen. Er beugte sich etwas vor und zwitscherte Crowleys Namen wie ein junges Vögelchen. Doch der Dämon grunzte nur aus und murmelte irgendein unfähiges Zeugs. Erziraphaels Stimme wurde zwar energischer, aber dämonisches Kauderwelsch blieb immer noch dämonisches Kauderwelsch. Deswegen kniete sich Erziraphael vor ihm nieder und streichelte ihm das fallende Haar hinters Ohr. Während er in dieses liebevoll flüsterte.
„Du musst aufstehen, Crowley. Es ist Zeit.“
Der Kaminfeurige Schnurrbart rückte nach oben auf und er brummelte erneut, nur konnte man es nun besser verstehen. Die Lider blieben geschlossen und die Lippen bewegten sich wie in einem Rausch.
„Nein, nein, noch ein paar Minuten. Lass uns beide noch etwas kuscheln. Bleib in meinen Armen liegen. Gib...Gib uns noch sechs Minuten.“
Irritiert davon reckte Erziraphael den Kopf aufrecht.
„Wie bitte? Crowley! Wach auf, große Güte!“
Erschrocken entfachte der laute Weckruf einen emsigen Wirbelsturm von roten Haaren. Schlaftrunkene Augen blinzelte betäubt durch die Gegend.
„Wie? Was? Wer? Warum?“
Erleichtert seufzte der Engel aus und erhob sich wieder.
„Du musst leider gehen. Dein Termin in der Hölle ist bald.“
Schwerfällig, als hätte ihn jemand mit Blei überzogen, stützte sich der Dämon auf die Arme und blickte sich demotiviert um. Er zuckte zusammen. Im Buchladen?! Ach ja richtig, Erzi hatte ihn ja massiert. Und er ist dabei eingeschlafen? Das war ihm auch noch nie passiert. Eine seiner langen bleichen Hände fuhr durch das strubbelige Haar und er gähnte. Ließ alles wieder sinken und beschaute ganz träge ein fragendes Gesicht über sich.
„Du sprachst gerade davon, noch etwas zu kuscheln. Wen meinst du denn damit?“
Nun war er aber wach. Crowley versuchte so zu tun als ob er sich strecken würde.
„Keine Ahnung wovon du redest, Engel. Wo sind meine Hosen?“
„Die hast du natürlich an. Was denkst du denn von mir?“
Der Dämon schielte in gerötete Wangen hinein und grinste schief. Da bemerkte er, dass er sein Hemd ja auch wieder anhatte, ob das wohl Erzi war? Mhh, das lassen wir mal unbeantwortet im Reich der Vorstellungen.
Er streifte sich zigmal durch das aufgewühlte Haar und schob sich so die Müdigkeit aus den Knochen. Mit einem letzten Strecken sprang er auf und tastete die Hose nach seiner Brille ab, als diese ihm auch schon auf einer Handfläche präsentiert wurde. Crowley entnahm sie stillschweigend und setzte sie sich lax auf die Nase. Teufel noch eins, fühlte er sich prächtig. So gelöst und entspannt.
„Es freut mich wirklich außerordentlich, dass es dir wieder besser geht.“
Mit erhobener Augenbraue blickte er den lächelnden Engel an.
„Ich habe doch gar nichts gesagt.“
„Brauchst du auch nicht, ich sehe es an deiner Körperhaltung und in deinem Gesicht, mein Lieber.“
Im gleichen Moment wusste Crowley, dass der Engel kein Dankeschön von ihm hören wollte, sondern viel lieber etwas anderes. Der Dämon schnalzte mit der Zunge und zauberte sich die leichten Plateauschuhe wieder an, welche Erziraphael als völlig überflüssig betitelte. Schließlich war er schon eine hochgewachsene Stelze, wieso dann noch hohe Absätze? Tja, Crowley und die Mode eben.
„Also dann, Engel, ich bin dann weg. Bleib schön brav und drück mir die Flügelchen, zwecks der Präsentation.“
Nein, das wollte Erziraphael eigentlich nicht hören. Aber gut, immerhin war er außergewöhnlich gut gelaunt und dies war auch ein guter Lohn. Die Massage schien ein beeindruckender Erfolg gewesen zu sein. Zufrieden mit sich und der Welt lächelte der Blonde Buchliebhaber und wippte auf den Sohlen vor und zurück. Die Hände hinter den Rücken verschränkt und den Blick an Crowley geheftet, der ihm eine Abschiedsgeste schickte. Erziraphael winkte ihm hinterher.
„Bis die Tage und viel Glück.“
Als die Ladentür geschlossen wurde, stand Erziraphael wieder ruhig da und seufzte. Crowley musste so in seiner Laune gefangen gewesen sein, dass er noch nicht einmal bemerkt hatte, dass es bereits ein neuer Tag war. Er hatte auch nicht danach gefragt, ob Erziraphael den Laden so lange geschlossen hielt oder das er Kunden abwimmelte, nur für ihn. Das er sämtliche Anfragen abwürgte und das Telefon stumm gewundert hatte, nur damit Crowley in ruhe schlafen konnte. Und dennoch, fühlte sich der Engel glücklich. Denn er hatte ein neues Urteil über ihre Beziehung gefällt. Sie befand sich in einem vertrauenswürdigen, sicheren, warmen Gewässer. Er wusste das viele Tage kommen werden an denen es stürmen und Gewittern würde, aber sie hatten einen Hafen. Sie selbst waren dieser Hafen und darin fanden sie einander und hielten sich fest, bis der Orkan sich gelegt haben mag. In Erziraphael breitete sich ein süßes fröhliches Gefühl aus, was ihn dazu brachte, dem Grammophon eine amüsierte Platte spielen zu lassen. Ja, so schnell würden sie schon nicht kentern.
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Jetzt wisst ihr auch, warum Crowley vor dem Polylux so entspannt und gut gelaunt war. XD