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"Tanz der Amphisbaena"

von Die Linda
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Anthony J. Crowley Erziraphael
10.08.2020
15.05.2023
17
67.542
7
Alle Kapitel
31 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
10.01.2021 4.626
 
Guten Abend meine Lieben! ^-^

So, jetzt geht der Spaß erst so richtig los. XD
Lasst euch von dem Ende nicht täuschen, denn ihr wisst ja, wie es mit den beiden in der Zukunft steht. Ich sag nur eins: Wahoo! :D

Meine liebe Kitty, ab heute hast du freie Bahn was deine Vermutungen betrifft. Wenn du mit dem Kapi fertig bist, weißt du was ich meine. XD  

Dieses Datum ist DER entscheidene Moment. Besonders für unseren süßen Erzi. <3

Nun viel Spaß und bis bald,

eure Linda ^-^

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Die letzten Steinreste bröckelten irgendwo hinter ihm zusammen. Vereinzelte Flammenzungen suchten sich ihre unterlegenen Opfer und beschienen doch gleichzeitig Erziraphaels beige Jackett. Überall um ihn herum knisterte es wie vor einem Kamin und Dreck spielte auf jedem Fleckchen.  Wenn das Feuer nicht wäre, dann würden sie nun im Dunkeln stehen und nichts wäre eine Aufmerksamkeit wert. Verkohlte, stinkige Luft schäumte immer noch hoch, obwohl sie sich seit etlichen Minuten unterhielten. Normalerweise müsste für Erziraphael nun der Moment kommen, wo er alles für eine lange Zeit hinter sich lassen würde. Obgleich er sich in den letzten Jahren erholt hatte, fühlte er erneut alles in sich zusammenfallen. Erst diese Schmach, von diesen doppelzüngigen Nazi-Menschen betrogen worden zu sein, nur um dann den tragischen Verlust seiner wertvollen Kostbarkeiten mitzuerleben. Auch wenn Crowley ihm heldenhaft zu Hilfe geeilt war, würde doch nichts in der Welt dieses fürchterliche Gefühl aufheben können. Alles war einfach nur noch schrecklich. Besonders die erdrückende Erkenntnis, dass seine Bücher ebenso der Explosion zum Opfer gefallen sind. Soeben als Erziraphael es entmutigt, aber dafür laut aussprach, bemerkte er wie sich der Dämon in Bewegung setzte und sich nach etwas zu bücken schien. Da plötzlich riss er eine altmodische Tasche aus den menschlichen Fingern und drückte sie dem verblüfftem Engel an die Brust.
„Ein dämonisches Wunder meinerseits.“, sagte er einfach so, als wäre es nichts besonderes. Und Erziraphael wusste ganz genau dass es nur seine geliebten Bücher sein konnten. Crowley hatte sie behütet, für ihn. Ihre Finger berührten sich zwar nicht lang, aber dafür zart. Aber dies reichte aus, damit der Engel etwas empfangen konnte. Er spürte eine winzige Welle von der dämonischen Haut ausgehen, eine Welle der tiefen Zufriedenheit und Genugtuung. Etwa, weil er Erziraphael helfen konnte? Das machte den Dämon....glücklich?
„Nach Hause?“, fragte Crowley, als er auch schon an ihn vorbei durch die Kirchentrümmer stiefelte. Der Blonde blickte ihm hinterher, sein Herzschlag erhöhte sich und ein angehauchtes Lächeln entfachte sich in seinem Gesicht.
>Er hat die Bücher gerettet, weil er weiß wie teuer sie mir sind? Das bedeutet, er weiß was mich glücklich und unglücklich machen würde. Ich und mein Frieden sind ihm nicht egal. Er ist nur meinetwegen gekommen? Er hat gegen seine dämonische Natur agiert, nur um mich zu retten?<
Die Luft veränderte sich mit einem Mal. Nunmehr roch sie nach frischen Wildblumen. Obwohl es Nacht und Krieg war, fühlte er wie sich seine Haut wie unter einer mächtigen, friedlichen Augustsonne aufheizte. Eine unbeschwerte Heiterkeit beflügelte plötzlich seinen Atem, womit auch eine wunderschöne Aufregung sein Herz heimsuchte. Es pochte so unbeherrscht und breit strahlend, wie die Ouvertüre von Mozart´s Zauberflöte. Überall um ihn herum ertönten jäh helle Violinenklänge und fröhliches Vogelgezwitscher. Sie sangen nur für ihn und erlaubten ihn zu fliegen. Höher und immer Höher. Mit einem Mal griff sich Erziraphael mit einer Hand an das glühende Gesicht und blinzelte perplex vor sich her.
>Wieso, beim Allmächtigen, höre ich Geigen? Werde ich verrückt? Mein Herz scheint zu explodieren und dann dieser mächtige Drang aus vollen Hals jubeln zu wollen. Was ist denn nur los mit mir? Ich habe mich doch soeben vollkommen niedergeschlagen gefühlt, wieso...wieso ist nun alles verpufft? Alles ist auf einmal so umwerfend und gut. Nein, sogar noch besser! Was ist denn nur geschehen? Da keimt eine solch tiefe Empfindung in mir hervor, welche mich wohlig umhüllt und es fühlt sich an wie...wie....<
„Engel?“
Unter einem heftigen Zucken schreckte Erziraphael hoch und erblickte plötzlich wieder Crowley vor sich, über eines seiner Brillengläser sich auch noch eine Augenbraue erhob.
„Was ist denn los? Ich warte auf dich.“
Erziraphael erstarrte augenblicklich und konnte den Mund nicht mehr schließen. Sein Herz raste noch mehr als zuvor. Warum?
„Ich...Ich..ähm, also...ich...“
Allmählich kam es den Dämon richtig seltsam vor und er stupste mit dem Ziegenfinger ganz sanft in des Engels weiche Wange.
„Du hast ja ein völlig rotes Gesicht. Das ist bestimmt die Hitze vom Feuer hier. Darum wollte ich ja auch schon längst verschwunden sein. Also los, Hopp!“
Damit wandte er sich wieder um und trat ein weiteres mal den Pfad durch den qualmenden Schutt an. Erziraphael betastete sich die Stelle im Gesicht, in die der Dämon unerwartet vorsichtig gepickt hatte und spürte immer noch wie sich sein Herz wild im Kreis drehte.
„Ja, das sind garantiert die Flammen. Was für böse, ungehobelte Flammen.“, murmelte der Blonde vor sich her, während er endlich begann ihm zu folgen. Während er hinter dem Dämon lief, umfasste er nun mit beiden Hände die wertvolle Tasche und starrte gebannt auf den schwarzen Rücken vor sich. Musterte die rhythmischen Schultern, das Formgeschneiderte Sakko und diesen geschmeidigen Gang. Es fühlte sich immer noch alles so aufgeheizt in ihm an, bestimmt lag es an Crowleys strahlender Aura. Und wie aus dem Nichts seufzte Erziraphael bei diesen Anblick vor sich genüsslich aus.
>Wie wunderschön. So geeignet zum anlehnen.< Erschrocken über sich selbst, riss er die Augen sofort von diesem Geschöpf fort und richtete sie lieber zu Erden. Sein Gesicht wurde immer glühender und er schluckte schwer.
>Was ist bloß in mich gefahren? Seit wann will ich denn jemanden so zu nahe kommen? Ich bin doch ein Engel, ich lebe durch mich allein und nicht weil ich Sehnsüchte in mir trage. Nein, nein, wir Engel haben keine....<
Seine Nase kollidierte blitzartig mit etwas hartem zusammen und er unterdrückte einen Schrecklaut. Er taumelte nur minimal zurück und wurde doch sogleich von kräftigen Fingern an beiden Oberarmen gepackt.
Erziraphael hatte auf nichts mehr vor sich geachtet und lief in gleichbleibender Geschwindigkeit akkurat in Crowley hinein. Welcher sich sofort umdrehte und nach ihm griff.
„Was hast du denn heute nur, zum Kuckuck?“
Statt zu antworten starrte der blonde Engel sein höllisches Gegenüber nur wie paralysiert an. Der Rothaarige blickte ihm ebenfalls ins Gesicht und wartete auf irgendeine Reaktion. Doch Erziraphael sah in ihm nur noch eine reine schöne Vollkommenheit, dessen er bloß mit Verblüffung quittieren  konnte. Die Geigen tauchten wieder auf, als er glaubte die goldenen Augen hinter den dunklen Gläsern erkennen zu können. Sein Herz wog so angenehm schwer. Und bei diesen Händen fühlte er sich sicher und geborgen. Wie seltsam, aber doch so unwiderstehlich. Wie angenehm dieses Gefühl in ihm pochte. Es war also wirklich Crowley, der diesen Zustand in ihm hervor rief?! Erziraphael schluckte noch einmal schwer bei dieser Erkenntnis und zuckte nur halbherzig mit den Schultern.
„Ga..Gar nichts ist mit mir. Ich....Mir geht es fein, fein.“
Crowley musste es so hinnehmen und schnalzte mit den Zunge.
„Wenn du meinst. Steig ein.“
Während sich der schwarze Anzug um die Karosserie schwang, verharrte der Engel für einen Moment und deutete auf den grauen Lack.
„Du besitzt eines dieser Automobile?“
Wie vom Donner gerührt erstarrte Crowley in der Bewegung, als er gerade einsteigen wollte und schielte vorwurfsvoll über das Blechdach.  
„Ja, zum Teufel, seit 15 Jahren schon. Du hast mich doch schon damit gesehen, Herrje!“
Aufrichtig irritiert wollte Erziraphael es erst verneinen. Jedoch als er nur noch die Anweisung hörte, endlich einzusteigen, dachte er nicht weiter darüber nach, schließlich schwirrten ihm größere Dinge durch den Kopf. Geigen, Vögel, Regenbögen, ein Feuerwerk und zig Sonnenstrahlen düsten auf ihn ein. Wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, dann hätte ihn höchstwahrscheinlich Crowleys Fahrstil etwas anderes spüren lassen. Zwar hielt er sich eisern an der Beifahrertür fest, doch konnte er all die verheißungsvollen Funken und aufbrausenden Gefühle nicht ignorieren. Sie eroberten ihn und ließen seinen Kopf schwerelos werden. Und sein Herz kurbelte alles rigoros an.

Sie sprachen kein Wort miteinander. Die ganze Fahrt lang hielt sich ein jeder mit überfüllten Gedanken munter. Erziraphael drückte sich immerfort die Tasche an den Leib, während seine Augen immer wieder, aber unabsichtlich zu Crowleys Hände wanderten.
>Als er mich festhielt, da fühlte ich nichts weiter als diese äußerst männliche Kraft und Energie. Noch nie habe ich so etwas empfunden, geschweige denn gewollt, dass sie mich noch länger festhalten würden. Oh, Herr im Himmel ich werde langsam bigott. Aber hübsch sehen sie schon aus. Seine Finger sind so grazil und doch befindet sich so eine große Stärke in ihnen. Wie geschickt er damit dieses Automobil steuert, seine Griffe sind so elegant. Ich habe ihn noch nie über die Hände gestrichen. Und wenn doch, dann habe ich es wieder vergessen. Wieso ist es plötzlich so anders? Ach große Güte, Erziraphael, reiß dich zusammen. Wie geschmeidig sie aussehen. Ob er sie mit einer besonderen Creme pflegt? Mhm, bestimmt nicht. Immerhin ist er doch ein Dämon. Falls er jedoch nur nicht will, dann könnte ich sie ihm auch liebevoll einsalben.......WAS DENK ICH DENN DA? Bin ich noch zu retten? Sobald ich zu Hause bin, muss ich mich ablenken! Viel ablenken! Groß ablenken! Ich sollte das Geschäft wieder mal umräumen, vielleicht komme ich dann auf bessere Gedanken, dies würde immerhin etliche Stunden in Anspruch nehmen. Oder sollte ich ihn doch auf eine Tasse Tee hineinbitten? Wir könnten zusammen vor den Kamin sitzen und dann....<
„Nächster Halt: Buchladen zur Linken.“
„Wie?“
Verblüfft und gleichzeitig froh endlich aus diesen irrsinnigen Gedankenkarussell herausgerissen worden zu sein, gaffte Erziraphael ungläubig durch die Scheibe und entdeckte seine Oase. Gott sei Dank, denn er musste seinen Geist schleunigst wieder unter Kontrolle bringen.
Crowley indes beließ eine Hand über dem Lenkrad und kratzte sich mit der anderen unter dem Kinn. Der Körper drehte sich halbwegs zum Engel herum und sein Gesicht sah aus, als würde er noch etwas sagen wollen. Doch er klappte den Mund nur wieder zu und räusperte sich.
>Diese schmalen Lippen, wie hübsch sie geformt sind. Hatte er nicht einmal erwähnt, er könnte spektakuläre Dinge mit seiner Zunge anstellen?<
Es war höchste Eisenbahn zu verschwinden, dachte sich Eriraphael aufgewühlt und mit hochroten Kopf, während er rasch nach dem Türgriff fingerte. Er hetzte nur ganz unschlüssig der Kopf zum Dämon hinüber, als er auch schon mit einem Fuß auf dem Asphalt stand.  
„Also dann, ähm.....ich danke dir für die Unterstützung in Windeseile und natürlich für die Rettung meiner Bücher. Hab noch einen heiteren Abend und lass dich nicht von einer Bombe treffen. Mach´s gut.“
Ebenso hastig wie der Verursacher wurde auch die Beifahrertür zugeworfen. Erziraphael trippelte schnellen Fußes zum Eingang hinüber, schloss auf -ohne sich noch einmal umzudrehen- und verschwand mit einem fernen bimmelnden Glöckchen im Bauch seines Geschäfts.


„Ja, mach du´s auch gut.“ sprach Crowley ruhig und rührte sich vorerst keinen Millimeter weit. Dann rutschte er doch in den Sitz hinein und starrte weiter zum Laden hinüber. Mit den Fingerknöcheln das Kinn abstützend, sah er zu wie sich ein warmes Licht in Erziraphaels Welt ausbreitete, er schien beschäftigt zu sein. Stimmt, diese Engel nahmen sich nie Zeit für ein Nickerchen. Aber nach solch einem Vorfall, hätte er es sich schon Verdient, dachte der Rothaarige und nahm nicht nur die Brille, sondern auch den Hut ab. Zauberte sich amerikanische Jazzmusik ins Radio und lehnte den Kopf zurück. Immer den Laden im Blick behaltend, wippte er unachtsam mit dem Fuß zum Takt und fragte sich warum er eigentlich nicht hinüberginge?
„Weil du ihm wahrscheinlich wie ein Idiot vorkommen wirst. Schließlich habt ihr euch gerade gesehen. Also welchen Grund hättest du, jetzt dort hinüber zu gehen und an diese Tür zu klopfen?“ Crowley blieb ehrlich zu sich selbst.
„Weil es mich beunruhigt, dass er nur >Mach´s gut< und nicht >Bis zum nächsten Mal< oder >Auf wiedersehen< sagte. Aber was soll´s, er war heute sowieso etwas durcheinander. Liegt bestimmt nicht an mir. Allerdings kann ich mich sowieso nicht konzentrieren, wenn ich nicht weiß, das es ihm gut geht. Besonders nicht im Krieg.“
Crowley stöhnte aus und drehte das Radio lauter. Der Bentley ruhte weiterhin ganz brav am Bürgersteig der Greek Street und wartete nur auf seinen Einsatz. Aber dieser kam nicht. Lange Zeit nicht. Der Dämon saß und saß und saß. Unzähliges Stöhnen und etliche Lieder später klatschte er sich selbst ins Gesicht.
„Was ist, wenn er wegen damals noch sauer ist? Oder vielleicht hat er ja auch durch meine Aktion heute geschnallt, dass ich ihn seit dem letzten Treffen im Auge behalte und ist deswegen so angenervt von mir? Ach, Fuck! Ich dachte mein Auftritt hätte ihn imponiert, irgendwie beeindruckt. Aber das ist nun auch wieder in die Hose gegangen. Ngk! Das gibt’s doch nicht, nicht mal das habe ich geschafft!“
Arrhythmisch schlug er auf den Lenker und fluchte ein wenig vor sich hin, ehe er außer Atem wieder im Ledersitz verschwand und frustriert zum Laden blickte. Dann schüttelte er den Kopf.
„Nein, ich darf nicht zulassen, dass wir uns kaum noch sehen.“
Damit schwang er sich aus dem Bentley und erreichte nach wenigen, aber großen Schritten die Eingangstür. Blieb davor stehen und atmete ein paar mal tief durch. Hätte jemand neben ihm gestanden, dann hätte er ein leises Zischeln hören können, als sich ein opulenter und prachtvoller hellroter Rosenstrauß in der höllischen Hand bildete. Das Papier glitzerte golden und die Bänder drumherum waren Himmelblau. Wie Erziraphaels Augen, dachte Crowley nebenbei. Dann richtete er sich noch flott den Kragen, fuhr sich durch den modernen Haarschnitt, sorgte mit einem Gedanken für guten Mundgeruch und räusperte sich verlegen. Erhob die Faust zum Klopfen und verharrte.
„Und was soll ich ihm eigentlich sagen? Ähm > Ja, Hey, Erzi, ich bin´s nochmal. Nimm die Rosen hier und fang endlich an, dass Leben zu genießen, aber vergiss mich nicht dabei, alles klar?<“
Schon ließ Crowley die Schultern und die Hand wieder sinken.
„Das ist doch voll dämlich. So ein Spruch kann ich doch nicht bringen. Der knallt mir doch die Tür wieder vor der Nase zu. Aber wie verhält man sich denn sonst als Gentleman? Ich habe doch keine Ahnung wie...“
Plötzlich kam ihm das Bild von diesen Edward in den Sinn. Wie schick und liebevoll er mit Erziraphael umgegangen ist. Entmutigt beschaute sich der Dämon seiner Blumen. Der Engel hatte einen Verlust zu beklagen, wahrscheinlich befand er sich immer noch in Trauer darüber und Crowley ging es nur um sich selbst. Angeekelt davon, wirbelte er wieder herum und warf den Strauß weit von sich fort.
Gerade als er hoffnungslos auf seinen Wagen zulaufen wollte, vernahm er aus dem Geschäft ein Ohrenbetäubendes Krachen und einen schmerzenden Laut von Erziraphael.
Wie ein zügelloser Titan stürmte Crowley mit einem aufgescheuchten Gesicht zurück und riss die Tür auf. Rannte in den Laden und entdeckte den zusammengekauerten Inhaber auf dem Boden. Umgeben von dutzenden von Büchern, vor ihm eine Leiter und daneben ein heller umgestoßener Karton. Erziraphael rieb sich gerade das untere Kreuz als der Dämon auf ihn zuraste.
„Sag mal, was treibst du denn da? Mir wäre fast das Herz stehen geblieben, verdammt!“
Überrascht starrte der blonde Engel nach oben und hielt inne.
„Crowley? Warst du etwa die ganzen vier Stunden da draußen?“
Um die Peinlichkeit zu übertünchen gab der Verdächtige sich völlig gleichgültig und fuchtelte herum, als würde er Mücken verscheuchen wollen.
„Ach Käse, wie käme ich denn dazu vor deinem Geschäft im Auto zuwarten und dabei laute Musik zu hören. Pff, das wäre doch völlig absurd und eigentlich auch schnurzpiepegal. Was ist denn passiert?“
Während er einige schmerzende Körperteile besänftigen wollte, fühlte der Engel wie ihm das Herz langsam wieder höher schlug.
„Ich...habe nur ein wenig aufgeräumt.“
„Du meinst wohl eher umgeräumt. Das Buch von Benjamin Franklin stand letztens noch dort vorne. Und Nostradamus neben dem Eingang.“
>Aww, ihm liegt ja wirklich etwas an mir. Wenn er sich so gut auskennt, als wenn er Zuhause zu wäre, dann könnte er doch für immer hierbleiben.<
Innerlich rüttelte sich Erziraphael wieder zur Klarheit und zuckte nur mit den Schultern, während er nach wie vor auf dem Teppich saß.
„Nun ja, eine kleine Veränderung ist selbst für mich hin und wieder mal nicht schlecht.“
„Und warum, zum Henker, hast du die Kartons auf den Regalen?“
„Ich wollte nicht das sie im Wege herumstehen und ich dann drüber stolpere.“
Was für eine Logik, lieber bricht er sich das Genick als den Fuß. Kopfschüttelnd beließ es Crowley dabei und seufzte aus. Dem Engel ist manchmal wirklich nicht mehr zu helfen. Er und seine Eigenart. Dieser Gedanke jedoch brachte den Dämon dazu innerlich tief zu lächeln, wie mochte er ihn doch. Erziraphael indes wollte endlich aufstehen, doch meldete sich sein geschundener Körper zu Wort.
„Ah.“
Sofort ging Crowley in die Hocke und streckte sich ihm entgegen.
„Hast du dir doch was getan?“
Nun pochte das Engels-Herz wieder bis zum Anschlag, als der Dämon so dicht und auf Augenhöhe nah dran war. Selbst hier erschienen diese herzzerreißenden Geigen und das pompöse Feuerwerk. Erziraphael spürte wie purpurrot er wurde und griff nach dem erstbesten Buch.
„Alles in Ordnung! Ich bin nur unschön auf meinen Hintern gefallen. Aber da er ja so gut gepolstert ist, sind es nur blaue Flecken. Außerdem unternimmt die Selbstheilung gerade ihr bestes.“
>Warum musste ich jetzt von meinem Popo erzählen?<
„Ach ja, richtig, dann ist´s ja gut. Aber sag mal: Was wird´n das? Wieso hältst du dir ein Buch vor die Nase?“
>Weil ich wegen dir glühe , mein Held.<
„Ich, ähm, du weißt das ich eigenartig bin, darum wundere dich nicht.“
Obwohl er nicht wollte, dass der Dämon seinen roten Kopf sehen sollte, glaubte Crowley einen anderen Grund dahinter zu erkennen. Er kratzte sich an der Schlangentätowierung und spürte von der immer noch geöffneten Eingangstür einen derben Windzug im Rücken. Er schnippte sie zu.
„Bist du immer noch wütend auf mich?“
Erziraphael stockte, doch hielt er das Buch weiterhin aufrecht.
„Worauf denn, das du meinen Lieblingen das Leben gerettet hast und mir zur Hilfe gekommen bist?“
„Natürlich wegen ´27 und ´34.“
Nun zog sich die Röte zurück und das Buch sank allmählich nach unten, während der Engel ihn erstaunt anblickte.
>Er kann mich ja gar nicht dabei ansehen! Ist es ihm etwa so ernst und unangenehm? Wie ungewöhnlich. Aber doch so sympathisch.<
Diese unausgesprochene Schmeichelei schluckte Erziraphael hinter und das Druckwerk landete sanft auf seinen Beinen, die immer noch ausgestreckt dalagen. Im Hinterkopf spürte er ein leises summendes Geräusch, welches von einem menschlichen Wort sang: Reue.
„Ja, ich war zornig und verletzt. Aber mehr auf deine Taten, nicht so sehr auf dich selbst. Du magst ein unkontrolliertes Gemüt besitzen, aber du bist nicht schäbig. Nein, ich bin schon lange nicht mehr wütend darauf. Es ist zwar schon irgendwie traurig, aber du bist eben so anders als ich. Darum darf ich doch kein Verständnis einfordern. Und wegen Edward: Ich habe es inzwischen akzeptiert, alles andere wäre töricht. Die Erinnerungen an ihn sind sehr schön und bringen mich stets zum lächeln, aber ich bin nicht mehr traurig deswegen. Außerdem dachte ich erst, du wärst böse auf mich, weil ich dir damals das Weihwasser verweigert habe.“
Hier ließ sich auch Crowley auf den Boden plumpsen, während er ein entgeistertes Gesicht machte. Der Teppich fühlte sich überraschend warm an, als gäbe es hier eine Bodenheizung.
„Soll das ein Witz sein?! Wegen solch einer Banalität bin ich doch nicht verärgert. Da gehört unendlich mehr dazu, um mich von dir fernzuhalten. Ich habe hier den Fehler gemacht und nicht du, Herrje. Außerdem bin ich gern bei dir.“
>Oh, Oh, wie lieb er das doch gesagt hat.<
Mit einem schüchternen Lächeln schaute ihn Erziraphael von unter her an, wobei der Dämon erst jetzt bemerkte, was er damit eigentlich aussagte. Rasch räusperte sich Crowley und winkelte ein Knie an, wobei er schon einen Unterarm darauf ablegte und sich so vollkommen lässig gab. Unwillkürlich sah er plötzlich so aus wie ein Aufreißer.
„Naja ist ja jetzt auch egal. Ist also alles wieder gut zwischen uns beiden?“
„Oh ja, natürlich. Mach dir keine Gedanken darüber, mein Guter.“
Sie waren sich so nah und alles um sie herum lag in einer schlafenden Ruhe. Der Holzboden knarrte gemächlich auf und der Duft der alten Bücher, kreuzte sich mit dem feinen Geruch des Engels. War er tatsächlich schon immer so anziehend, fragte sich der Dämon und sah kurz zu Erziraphaels Uhrkette hinunter und dann über dessen altbackene Weste. Warum er das tat, wusste er nicht, aber irgendwie gab er Crowley nur durch seine Anwesenheit allein, immer diesen inneren Frieden.
„Bist du dir ganz sicher, Engel? Du hast vorhin so aufgeregt gewirkt. Ich dachte schon es läge an mir?“
Mit einem Mal färbten sich Erziraphaels Wangen wieder zart rosa und er lächelte verlegen. Crowleys Stimme klang so weich und einladend. Seine ganze Aura wirkte plötzlich so angenehm und gemütlich. Erziraphael legte das Buch zum restlichen Chaos hinzu und winkelte die Beine seitlich an. Mit zwei kurz gestreckten Armen rutschte er näher an den Dämon heran, woraufhin dessen Knie mit des Engels Unterarm zart kollidierte. Und da wunderte Erziraphael eine schimmernde Rose hervor und überreichte sie Crowley.
„In gewisser Weise stimmt es ja auch. Aber es waren vielmehr....schöne Beweggründe.“
Die Atmosphäre ummantelte sie beide, weil sie es zusammen wollten. Crowley sah in das runde Gesicht neben sich und spürte wie von diesem molligen Körper eine süße Wärme ausging. Er lächelte seicht und lehnte sich auch ein Stückchen vor, während er mit drei Fingern die Rose über Erzis Knie tupfte.  
„Etwas anderes wollte ich auch niemals in dir auslösen, Engel.“
Ihre Körper berührten sich vorsichtig und ihre Köpfe waren so nah. Crowley roch nach Pomade und teuren Seidenstoffen, es gefiel Erziraphael. Warum war ihm das nur nie vorher aufgefallen? Die schüchternen Lippen lächelten ebenfalls ganz.
„Du könntest auch länger hierbleiben, wenn du magst. Ich hätte nichts dagegen.“
„Gern.“, hauchte der Dämon aus und spürte in sich ein seltsames Gefühl von tief Unten aufsteigen. Diese Art der Neigung kannte er gar nicht und das säte plötzlich Zweifel in ihn. Er stutzte auf und betrachtete sich das Engelsgesicht. Aus welchem Grund wollte er Erzi eigentlich küssen? Dieser Grund war eine Wallung. Eine Wallung, die von >Was< gesteuert wurde? Aus Ehrlichkeit oder aus purer Verführung heraus? Nein, es lag hauptsächlich daran, weil er ein Dämon war und somit zu schlecht für ihn. Zu...unwürdig. Ruckartig zog sich Crowley von ihm fort.
„Ich muss los!“
Überrumpelt zuckte auch der Engel zurück und besah sich seiner vorgenommenen Handlung. Was wollte er selbst gerade tun? Er fühlte das irgendetwas auseinanderriss, nur was? Crowley wedelte mit der Rose herum und hievte sich hoch.
„Also dann, danke für die Blume und bis bald.“
Auch Erziraphael stellte sich eilig auf und richtete sich die Weste.
„Warte, bitte! Ich meine es ernst, Crowley! Du kannst jederzeit hierher kommen. Egal wann, wo und wie lange. Ich möchte nicht, das wir uns nicht mehr sehen.“
Der Dämon blieb in seinem Lauf stehen, doch drehte er sich nicht um. Die Rose besaß natürlich keine Stachel und sie duftete himmlisch und stark.
„Sag einfach meinen Namen.“
„Wie bitte?“
„Wenn du in Gefahr bist, dann konzentrier´ dich auf mich und sprich meinen Namen aus. Und ich werde da sein, wo auch immer du sein wirst.“
Erziraphaels Herz brach erneut in einen Trommelzustand aus und er schluckte mit trockener Kehle. Es klang so romantisch wie er es sagte. Doch der blonde Geschäftsinhaber konnte nur scheu nicken und knebelte die Finger. Nun wusste er es ganz genau.
„Das werde ich, ich danke dir. Von Herzen.“
Ganz sacht und angedeutet, drehte der Dämon den Kopf, doch zog er ihn gleich wieder zurück und setzte sich endlich wieder in Bewegung. Er schwang die Rose über den roten Kopf hinweg.
„Bis demnächst, Engel.“
Die Doppeltür flog zurück ins Schloss. Nach wenigen Augenblicken heulte der Motor los und alles wurde wieder gewohnt ruhig. Nach wie vor stand Erziraphael neben dem Bücherchaos und starrte zum Eingang hinüber. Ließ die Hände neben den Hüften sinken und öffnete die Lippen leicht.
„Ich liebe dich.“
Der Atem ging flach und das Klopfen hatte sich bereits im ganzen Körper vertan. Aufgeregt umschlang der Engel beide Wangenseiten und suchte seinen Hängespiegel im Hinterzimmer auf. Er sah sich an und fand ein aufgescheuchtes kirschrotes Gesicht darin.
„Ich liebe ihn, hast du gesagt. Du liebst Crowley und ob es richtig ist, weißt du nicht. Aber es fühlt sich wunderschön an und so sollte die Liebe doch sein, nicht wahr? Wunderschön. Du hast es doch vorhin bemerkt: Er will diese Art von Vertrautheit nicht. Er mag dich, sehr sogar. Aber niemals darfst du mehr von dem erwarten, was er geben kann. Er ist ein Dämon und mehr kann er nicht sein. Du wirst nichts versuchen, einfordern oder erwarten. Begnüge dich damit und alles ist gut. Du liebst ihn. Aus einer Sympathie wurde Kameradschaft, daraus wurde Freundschaft und nun von deiner Seite her.....wurde daraus Liebe. Du hast dich tatsächlich verliebt?! Wie konnte das nur passieren? Ein Engel, der sich an einen Dämonen klammern will, wie verrückt das doch ist. Aber du hast ihn für dich, auf seine Art und Weise. Du hast ihn mehr als lieb gewonnen, du liebst ihn.“
Erziraphael sah für einen kurzen Atemzug traurig aus, doch dann aufrichtig zufrieden. Und verlegen.
„Ich liebe ihn. Ich liebe ihn. Und es ist wunderbar ihn um mich zu haben.“



Crowley fuhr einmal kreuz und quer durch die teilweise zerstörten Straßen Londons. Kaum das die Schlangenlederschuhe auf den Bürgersteig vor dem Geschäft trafen, hatte er sich etwas vorgenommen. Er spürte gar nicht wie sein Lidrand feucht wurde, aber es konnte weg geblinzelt werden. Traurige, verängstigte Menschen waren ihm egal, er sah nur den Weg vor sich. Hörte die Sirenen nicht mehr und wusste schon längst was seine künftige Aufgabe sein würde. Er stoppte den Wagen, stieg kurzzeitig schniefend aus, ließ das Radio laufen und suchte sich in den Trümmerhaufen der ehemaligen Kirche um. Irgendetwas musste er doch finden! Doch, da, das wäre perfekt. Es passte zu seinem abgedroschenen Charakter, wie er selbst glaubte. Ein dunkler, angesenkter Steinvogel. Seine ausgebreiteten Schwingen waren voller Ruß, aber es war passend. Der Qualm war nun vollkommen verschwunden, das Feuer erloschen und von diesem Ort konnte man nur noch in der Vergangenheitsform erzählen. Aber in den kleinsten Ecken fand er ihn immer noch, den Engelshauch. Crowley atmete tief ein und starrte die Skulptur gefühlsarm an. Dann trat er darauf zu und patschte dem Steinwesen rustikal über den runden Kopf.
„Weißt du, Freund, du wirst mein persönliches Mahnmal. Du wirst die Erinnerung vom diesen denkwürdigen Tag, nein von dieser denkwürdigen Szene sein. Stets wirst du mir mit deiner Anwesenheit sagen können: >Guck, Crowley, an jenen Tag hast du erkannt, dass du ihn wirklich unter allen Umständen beschützen willst. Behüte ihn und beachte nur die Grenzen, wenn er sie zieht. Komme immer zu ihm zurück, egal was auch geschieht. Und verliere ihn niemals aus den Augen. Er ist dein wertvoller, wunderbarer, wunderbarer Freund und darf niemals, unter gar keinen Umständen, in deine Fänge geraten. Und jetzt geh zu ihm und entschuldige dich, egal um was es geht.<“
Von weitem hörte der Dämon wie eine Mutter ihren Kindern ein altes Schlaflied sang und irgendwie schien es Crowley zu mögen. Er schnippte sich den Steinvogel in das Automobil und lauschte der fernen Stimme bis zum Ende. Die gelben Augen wanderten zum Wolken behangenen Himmel hinauf und er bemerkte gar nicht, das er die Brille vergessen hatte.
„Gute Nacht, Engel.“


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Und jetzt müsst ihr (chronologisch betrachtet) die Geschichte "Unter den Schleiern Roms" lesen, es spielt schließlich und hauptsächlich im Jahre 1956. :D

Bis bald <3
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