Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

"Tanz der Amphisbaena"

von Die Linda
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Anthony J. Crowley Erziraphael
10.08.2020
30.05.2023
18
68.673
7
Alle Kapitel
33 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
01.11.2020 3.646
 
Hallöchen! <3

Ich wollte euch nur daran erinnern, dass vor diesem Jahr die Ereignisse:
1849 -Kopenhagen und
1862 -ihr Treffen im St. James Park
waren. Und ihr wisst ja was dort geschehen ist. ;)

Viel gute Unterhaltung und bis zum nächsten Mal,

eure Linda ^-^

**************************************************************************************************

Kein Fleck war zu sehen. Kein fettiger Abdruck blieb zurück. Die gesamte Oberfläche glänzte und strahlte wie ein zugefrorener See. Auch wenn schwarz und grau nicht wirklich die assoziativen Farben für Frohsinn und Leichtigkeit bildeten, war es doch eben genau diese Kombination von Düsterheit, welche besondere Gefühle in dem Dämon heraufbeschwörten. Säuselnd putzte Crowley mit einem roten Lappen über das Flying B seines Neuwagens und war kurz davor diesen undurchstößlichen (wie er glaubt) Lack zu küssen. Oh, dieser Geruch. Welch ein ergötzlicher Zusammenfluss von Metall, Benzin, Leder und toter Geschwindigkeit, der dort durch seine Sinne strömte. Die vorbeilaufenden Sterblichen äugten ihn nur kopfschüttelnd an, manche neigten dazu ihm innerlich einen Vogel zu zeigen und vielerlei Männer wiederum beneideten ihn einfach nur, ehe sie von ihren Ehefrauen weggezerrt wurden. Crowley hob sich aus der gebeugten Form wieder raus und grinste über das wunderschöne Dach seines Bentleys hinweg. Jeder Stadtvogel wurde sofort in den Orbit geschossen oder ging in Flammen auf, wenn einer davon es wagen sollte seinen Dreck über den geliebten Bentley abwerfen zu müssen. Ja, so geht Liebe. Apropos. Der Rothaarige ließ den Putzlappen verschwinden und wandte den Kopf nach hinten. Während auf dem Bürgersteig unzählige lackierte Absätze schlackerten und die Strohhüte der Männer sich nach jenen verdrehten, brummten hier und da einige Motoren an dem Dämonen vorbei. Bunte Plakate priesen bunte Produkte und Hersteller an, die einem nur das Beste versprachen. Hohe Geschäfte und Pubs, aus denen bereits an diesem frühen Abend tanzbare Jazzmusik dröhnte. Der Bentley stand auf der Greekstreet und die gelben Augen blickten recht keck zum Buchladen vor. Crowley schnalzte mit der Zunge und wandte sich wieder seinem Wagen zu. Bei seinem letzten Treffen mit Erziraphael ging einiges schief und das wollte er wieder wett machen. Ein herrliches Essen und ein gemütlicher Besuch im Lichtspielhaus sollten den Engel wieder gnädiger stimmen. Den Hals hin und vor reckend, blickte er überprüfend in die spiegelnde Scheibe hinein und zupfte die blutrote Krawatte zurecht. Prüfte die Einstecknelke in seinem Knopfloch, schob sich den Hut schief über die platt gestriegelte Frisur und polierte sich das teure schwarze Leder seiner Gamaschen an den eigenen Hosenstoff. Nachdem er sich üppig einredete, wie sehr er doch Erziraphael mit diesem grandiosen Automobil beeindrucken würde, holte er einen üppigen Rosenstrauß aus dem Wagen hervor und zwinkerte sich siegessicher zu. Nur um dann zum Laden hinüber zu stolzieren. Wie ein Casanova auf der Pirsch.
Beinahe pfeifend und sich seiner Sache so überaus sicher, hüpfte er auf den Gehsteig, sorgte dafür das etliche Passanten ihm ausweichen mussten und  war nur noch wenige gutgelaunte Meter von der Ecke des Eingangs entfernt. Kaum, dass er dem Portal näher kam, öffnete sich auch prompt jenes und ein quasselnder Mensch trat heraus. Zusammen mit Erziraphael. Crowley bremste abrupt ab. Das was ihn inne halten ließ war nicht der Mann neben seinem Engel, sondern dessen Lachen. Sie lachten beide. Irgendetwas störte den Dämon daran, immens sogar. Erziraphael hielt einen dieser modernen Strohhüte zwischen den Fingern, wie sie von allen Männern jener Zeit bevorzugt wurden und schob ihn sich strahlend über den blonden Kopf. Der Mensch neben ihm hatte seine Größe, war ausgenommen stattlich, erfrischend gekleidet und besaß ein offenes, freundliches Gesicht, dessen Augen eine tiefe Klugheit vermuten ließen. Dieser Mann stützte sich nonchalant auf einen silberbeschlagenen Stock und verstaute die andere Hand ebenso lässig in der beigen Hosentasche. Plötzlich bildeten sich misstrauische Falten auf Crowleys Stirn, weil ihm auffiel wie dieser Mensch Erziraphael ansah. Der Engel selbst war soeben dabei seinen Laden abzuschließen. Unbewusst schaute der Blonde  genau in die andere Richtung der Straße, wo sich der dicke Rosenstrauß befand. Als hätte ihn jemand plötzlich mit Weihwasser beworfen, hüpfte Crowley rasch zur Seite und versteckte sich im Schatten der Hauswand.
„Hast du etwas, Raphael? Du schaust so konzentriert.“, hörte er den Sterblichen fragen.
„Oh, nein, nein. Ich dachte nur ich hätte etwas...wahrgenommen. Aber vermutlich liegt es nur an dieser sommerlichen Brise.“
Vorsichtig lugte Crowley wieder hervor und erstarrte. Erziraphaels Blick. Er sah so glücklich aus und seine Hand lag auf dem Unterarm dieses Menschen. Und eben jener lächelte ihn auch noch so abartig liebevoll zurück. Wieso nannte dieser Kerl ihn Raphael?
„Darf ich dich heute ins Ritz entführen, bevor wir ins Theater gehen?“
Der Brünette lachte leise und legte nun auch seine Hand auf die des Engels.
„Sehe ich darin etwa die Retourkutsche für den Ring?“
Erziraphael kicherte triumphal und vergrub den Schlüssel in seiner Jacketttasche.
„Schon möglich, immerhin war es auch ein überaus umwerfender Ring.“
Mit einer angedeuteten Verbeugung lüftete der Mann sogar noch seinen Hut.
„Für dich ist mir nichts zu teuer, außerdem...“
Hier trat er dicht an Erziraphael heran, aber Crowley verstand auch so jedes kleine gehauchte Wort. Schon diese Intimität ließ ihn sämtliche dämonische Härchen aufrichten.
„..ist es für mich schon das wunderbarste Dankeschön, wenn du mich heute Abend ins Hotel begleitest.“
Ein ausgeglichenes Lächeln und rötliche Wangen erschienen in dem engelhaften Gesicht. Der Dämon hielt den Atem an.
„Oh, Edward. Ich kann gar nicht genug erwähnen, wie unsagbar glücklich ich bin, jemanden wie dich endlich kennengelernt zu haben. Ich liebe unsere gemeinsame Zeit. Es wird so fantastisch, das kann ich jetzt schon spüren. Erst das Ritz, dann Hamlet und danach eine endlose Nacht im Savoy.“
Erneut tat dieser Mann eine Verbeugung.
„Es ist mir eine Ehre, wenn du glücklich bist, das ist schließlich mein höchstes Gut. Und wenn wir hier nicht unter Menschen wären, dann würde ich dich jetzt küssen.“
Gespielt übertrieben, etwas verschüchtert, aber ohne Empörung gab Erziraphael ihm einen federleichten Klaps auf den Oberarm und kicherte.
„Edward! Schäm dich. Aber nun sollten wir uns sputen, ich möchte schließlich das Essen mit dir genießen und nicht unbedingt in Eile verweilen.“
Summend bot der Mann ihm den Arm an, damit der Blonde sich einharken konnte. Doch er wies ihn immerfort lachend ab und die beiden flanierten amüsiert über die Greekstreet.

Crowleys Seele wurde stumpf. Mit sturen Augen starrte er ihnen hinterher und rührte sich keinen Zentimeter weit. Doch, vielleicht bewegte er sich doch ein bisschen. Denn er spürte die Hauswand des Buchladens immer deutlicher im Kreuz, hörte seine Kleidung knirschen und wie der rote Strauß einige Blüten dabei verlor. Sein Herz stand still, obgleich alle Möglichkeiten offen blieben. Schließlich war es doch Erziraphael. Und ihr kleiner Twist, der immer noch vorhanden war. Ein wirklich kleiner Twist um eine unbedeutende Frage konnte ihn doch nicht ersetzen. Oder vielleicht doch? Der Dämon blickte immer noch regungslos über die Straße hinweg und spürte wie widerstandslos verloren er war. Igitt, welch widerliches Gefühl. Denn dieses kannte er nur allzu gut und seit seiner Zeit auf Erden. Außer wenn der Engel erschien. Dann verflog diese auffressende Tristesse. Aber wieso wurde sie gerade schlimmer und schlimmer? Schließlich sah er ihn doch gerade, hörte seine Stimme und sah ihn lächeln. Wieso....Wieso schmerzte ihn plötzlich diese Erscheinung so unerträglich? Das Ziel! Denn dieses Gesicht galt nicht ihm. Zum ersten Mal schenkte er es jemand anderen. Etwas versuchte sich durch Crowleys Brust zu bohren, es engte ihn ein. Bewegt euch, ihr dämlichen Füße, wir haben hier nichts mehr zu verlieren. Ohne nachdenken zu wollen, stieß er sich von der Wand ab, rammte zwei Passanten und warf die Rosen in den nächsten Abfallbehälter.
Die kleine Tür seines Neuwagens wurde zugestoßen und der Motor fluchte wie der Vorsitzende des Finsteren Konzils. Crowley fuhr und fuhr. Quer durch die Metropole, er hasste diese Stadt plötzlich. Alles davon hatte er schon zig mal gesehen, doch er schoss über die Asphalte hinweg, als wartete er nur darauf, dass sie bald ihre Farbe ändern würden. Die Strecken wiederholten sich, die Zeit rann an ihm vorbei. War schneller als er und doch nahm sie nichts von seinen Befürchtungen mit sich. Die Nacht brach über ihn zusammen und der Bentley suchte voller Ziellosigkeit irgendeine Antwort auf das heftige Pochen in Crowleys Brust. Ein runder Mond wies ihm den Weg zur Tower Bridge und offenbarte eine Menschenleere und doch verruchte Straße. Was wohl kaum verwunderlich war, wenn man bedenkt, dass die Fußgängerzone vor 16 Jahren geschlossen wurde. Aber für einen wie ihn waren solche Dinge reine nicht beachtliche Belanglosigkeiten, ebenso wie Beamte. Dampfend kam der Wagen zum stehen und musste immer noch nicht betankt werden, wie durch ein schlechtes Wunder. Crowley zerrte sich aus der Polsterung und lief zwischen den weiten Abstand der neugotischen Türme hindurch, welche ihn mit strengen spitzen Hauben und aufgeblasenen Backsteinen musterten. Seine dürftigen Absätze hielten an und er hörte irgendwo Nachtvögel schimpfen, während die schummrigen Laternen ihr Bestes gaben. Er wandte sich zur Brüstung um und spreizte die Arme aus, um sich abzustützen. Ließ den Kopf hängen und spürte wie sich die dunklen Töne der Themse in sein Gehör drängten.
„Verdammt! Verdammt, verdammt, verdammt und nochmal verdammt!“
Den Hut hatte er im Wagen gelassen und die Krawatte saß locker, unordentlich. Die Knöpfe des Sakkos waren geöffnet und die Schuhe zierten leichte Schmutzflecken. Bei wem sollte er auch jetzt noch Eindruck schinden wollen? Wie sehr hoffte er, dass es nun regnen würde. Irgendwie passend, aber die Nacht war nur kühl und ungemütlich. Crowley folgte den ungleichen Wellen des Flusses.
„Jetzt müsste er im Hotel sein, schlürfen beide wahrscheinlich sprudelnden Champagner, lachen über irgendwelche überklügen Witze die nur die zwei verstehen und...und...danach würden sie....Nein, verflucht! Hör auf damit, so ist er nicht! Wieso auch? Er ist ein Engel! Er mag dich schließlich.“
Er fuhr sich energisch durch die roten kurzen Haare und schnaufte durch. Kopfschüttelnd verbot er sich daran zu denken, dass der Engel ihn nur wegen einer dämlichen Frage für Weihwasser fallen lassen würde. Niemals, nein. Dafür kannten sie sich schon viel zu lange, ihre...Beziehung(?) war doch eigentlich viel zu gefestigt, als das er einen popeligen Menschen seinen Platz überließe. Oder etwa nicht? Crowley erinnerte sich an mancherlei Wortfetzen, die er Erziraphael an den Kopf geworfen hatte, zwecks ihrer Bindung. Besonders damals in Babylon. Erneut verneinte der Dämon diese Einstellung.
„Nein, nein, nein, er hat mir damals nicht geglaubt und er tut es auch heute nicht, sonst wäre er schon längst weg. Allerdings....vielleicht war es ja auch zu unverfroren von mir ihn darum zu bitten? Ja, genau, was wäre, wenn es das blöde Fass zum überlaufen gebracht hat? Schließlich ist er mit seinem niedlichen Engelszorn auf und davon gestürmt. Das tat er sonst nie. Und seitdem haben wir uns auch nicht wiedergesehen. Was ist, wenn er auf mich gewartet hat und ich bin einfach nicht aufgekreuzt? Ach, verdammt, Crowley, du Dummbatz, warum bist du auch nicht schon viel eher zurückgekommen? Ngk....und außerdem.....“
Nun griff er in seine Hosentasche und holte ein säuberlich gefaltetes Tüchlein heraus. In einer Ecke war eine putzige Taube eingestickt.
„Ich muss dir noch etwas wiedergeben.“*
Plötzlich zuckten Crowleys Sinne leicht zusammen, sein Kopf schwang sich zum Durchgangsbogen des Nordturms hinüber. Auf unerklärliche Weise wälzten sich wie aus dem Nichts Nebelschwaden über den Erdboden, schleichend und gleichzeitig gierig. Die Laternen verloren ihr Licht, alles wurde in Dunkelheit getaucht und die gelben Augen verengten sich.
„Was´n jetzt?“
Natürlich bekam er keine Antwort, sondern nur eine kleine Gestalt. Crowley tat einen halben Schritt in diese Richtung und behielt die Schwärze unter dem Rundbogen argwöhnisch im Blick. Auf einmal tapste ein Tier hervor. Nur ein halber Meter groß, mit spitzen Ohren und einen buschigen Schwanz. Es setzte sich mitten in den Nebel hinein und starrte mit reflektierenden Augen genau in Crowleys Gesicht. Und das obwohl es kein Licht zum reflektieren gab. In dem Moment aber, als der Rothaarige begriff was hier vor sich ging und er seufzte, setzte sich das schlanke Wesen wieder in Bewegung. Schnurstracks versteckte Crowley Erziraphaels Taschentuch wieder in der Hosentasche, ohne das Wesen aus den Augen zu verlieren. Es kam auf den Dämon zu und entblößte dabei vier violette Pfoten. Das glänzende Fell war schwarz mit einem braunen Schweif darin, der sich über den ganzen geschmeidigen Körper bog. Auf dem platten Kopf musterte ein Pferdefußmal.
„Fehlt nur noch die dramatische Orgelmusik im Hintergund.“ sagte Crowley auf den zukommenden Fuchs und entspannte sich wieder. Das Tier grinste und hockte sich vor ihm hin.
„Wie erfreulich, dass du mich sogleich wieder erkannt hast, Crawley. Da du mich doch so unwirsch in Kopenhagen zurück gelassen hast.“
„Ich habe dich nicht vergessen, nur hatte ich was besseres vor. Du kommst auch ohne mich klar.“
Der lange, flauschige Schwanz wippte vielsagend auf und nieder, während die Ohren aufrecht blieben.
„Danke für die Blumen, dass macht es auch nicht besser. Aber wenn du mir hilfst den hiesigen König zu stürzen, dann könnte ich dir vergeben. Oder lade mich doch auf eine Matinee ein, es gibt eine anspruchsvolle im British Museum über die taiwanesische Kultur.“
Crowley hatte eindeutig keine Lust auf dieses Geplänkel und gab einen Stoßseufzer.
„Was willst du, Behemoth?!“
„Herrje, was sind wir heute wieder mürrisch. Obwohl ich doch derjenige sein müsste, der sich vernachlässigt fühlen sollte.“ Als der Fuchs dies mit einem tiefen Schnurren sagte, umkreiste er die schwarzen Beine und tätschelte mit dem weichen Schwanz dessen Waden.
„Komm schon, sei lieb zu mir.“
Jedoch trieb der Rothaarige ihn mit dem Fuß von sich fort. Aus unerfindlichen Gründen mochte er es seit geraumer Zeit keineswegs, wenn ihn jemand anfasste. Vielleicht mit Ausnahme von Erziraphael, er durfte das. Aber er tat es ja nicht. Missmutig scheuchte Crowley den anschmiegenden Fuchs von sich.
„Ich hab keine Zeit für solche Dinge, ich bin anderweitig beschäftigt. Geh doch runter und lass dich dort mal wieder blicken. Lord Beelzebub wirft dir bestimmt etliche Aufträge entgegen.“
Der schwarze Wildhund keckerte vor sich hin, ehe er sich plötzlich auf die Hinterpfoten stellte und begann sich zurück zu verwandeln.
„Oh und wie ich das sehe, deine großartige Beschäftigung. Stehst meckernd auf einer Zugbrücke und verhältst dich wie ein betrunkenes Menschlein.“
„Ich hab doch gar nicht getrunken. Na ja, noch nicht. Passiert dann aber noch.“
Nun war er wieder vollkommen. Behemoth. Das schwarze Fell wurde zu einem seidenglatten Taillegetreuen Zweireiher, dessen goldene Knöpfe immer ein anderes Tier darstellten. Sein Haar präsentierte einen modernen Seitenscheitel, während die breite Krawatte mit unmerklichen kleinen Hufabdrücken prahlte. Der dunkelhaarige Dämon ließ das Genick knacken und strich sich irgendwelchen Staub von den Ärmeln.
„Du glaubst ja gar nicht was in den Gassen und Winkeln dieser Stadt so alles herum keucht und fleucht. Aber wahrscheinlich hast du solche Kleinigkeiten ja schon längst vergessen, wo du doch in den letzten Jahrhunderten so mit deiner Schickeria befangen bist und dich gar nicht mehr wie ein waschechter Dämon verhältst. Kein Wunder das aus dir noch kein Fürst geworden ist.“
Crowley hob übertrieben die Mimik an und stopfte sich die Hände in die Hosentaschen. Wie an einem Rettungsanker umfasster er Erziraphaels Stofftuch.  
„Ich hab nichts mit irgendwelchen Schickimickis am Hut.“
Süffisant beugte sich Behemoth dicht an ihn heran und zog die Nase hörbar ein, während er die rabenartigen Augen rasant über dessen Körper gleiten ließ.
„Ach nein? Dafür rieche ich aber jede Menge Seife und Haarwichse an dir. Früher hast du dich jedenfalls niemals mit solchen Kram beschäftigt. Von dieser rosafarbenen Nelke in deiner Knopfleiste will ich erst gar nicht anfangen.“
Das war ja auch nur für Erzi, dachte sich Crowley still und brachte ihm stattdessen aber ein Schulterzucken entgegen.
„Auftrag. Geht dich nichts an. So, und jetzt verschwinde, ich habe keine Lust auf dich.“
„Kann ich mir schon denken. Deine Lust sieht bestimmt grazil, brünett und groß aus, habe ich recht?“
Nicht ganz, eher das Gegenteil. Der Rothaarige wusste, dass Behemoth ihn niemals an ihre Vorgesetzten verpetzen würde, aber dessen Geschmack für mollige Blondinen und sein Appetit auf mentalen Schabernack waren Crowley zu riskant für den Engel. Die dunkle Sonnenbrille wurde akkurat auf die Nase gesetzt, ohne auf dessen Bemerkung zu antworten. Und er dachte auch gar nicht daran die Nelke zu entfernen.
„Was tust du hier, Behemoth? Ich meine in London.“
Rhythmisches Klacken ertönte, als Behemoth einen kleinen angehauchten Stepptanz aufführte und angeberisch grinste.
„Einen kleinen Abstecher, wenn´s beliebt. Ich wurde von den Sphärenschneidern angeworben, deswegen bin ich hier. Vielleicht sollten wir noch eine Sache klären, bevor ich verschwinde.“
„Tss, ich mach es dir einfach: Es ist mir vollkommen gleich, was du für ein Problem mit mir hast und jetzt hau ab.“
Behemoth verzog die Oberlippe und schnalzte mit der Zunge, als seine Tätowierung zu zucken begann.
„Traurig daran ist, dass ich mir diese Antwort bereits vorgestellt habe. Was hat diese Erde nur an sich, dass dich so verändert hat? Wie heißt die Zauberformel, die einen reinrassigen Höllenkerl wie dich zu so einem Langweiler umwandelte?“
„Was für eine Formel denn? Seh´ ich etwa wie ein Magier aus? Wir reden hier immerhin von der Erde und von diesen idiotischen Menschen, was sollen die schon zu bieten haben?“
Als hätte ein sanfter Wind  den inneren Schalter umgelegt, sah Crowley plötzlich Erziraphael vor sich, wie er verschüchtert lächelte und wie diese blauen Augen begeistert leuchteten. Doch wahrscheinlich galt in naher Zukunft nichts mehr davon ihm. Dann sah er diesen fremden Kerl vor sich, wie er dazu bereit war den Engel glücklich zu machen. Von einer Nüchternheit und Wut befallen, starrte der Rothaarige auf einmal nur noch ins Leere und murmelte eher zu sich selbst.
„Nichts hier könnte mich ändern. Rein gar nichts. Überhaupt nichts hat mich jemals berührt.“
Unterdrückt gab Behemoth einen abfälligen Laut von sich und winkte ab.
„Oh, bitte. Das sagst du doch nur, weil du dich selbst nicht von außen betrachten kannst. Doch meine Äuglein erkennen Liebeskummer, wenn er vor ihnen als Manifestation erscheint.“
Ruckartig verkrampfte sich Crowley und holte beide Hände zurück an die Luft. Nur um diese an Behemoths Kragen packen zu lassen. Er zerrte den höllischen Kollegen herum und bleckte die spitzen Eckzähne.  
„Was redest du denn für einen Müll? Liebe? So was gibt es nicht für uns! Lieber halte ich ein Nickerchen auf dem Boden einer Kirche als jemanden zu unterliegen, der nicht Satan ist! Es existiert keine Zuneigung! Ich bin ein Dämon und kein verdammter Ehemann!“
Innerlich huschte ein bisschen die Angst in Behemoths Seele. Er hasste es, wenn der Rothaarige wütend wurde, dann war jener immer so unkontrolliert. Und brutal. Deswegen gab Behemoth den Ruhigen, ohne sich zu rühren. Auch wenn sich eine spitze Eifersucht darin bewegte.
„Natürlich nicht, davon war ja auch nie die Rede. Nur bemerken es die Betroffenen immer erst am Ende, wenn es bereits die ganze Welt in den Zeitungen veröffentlicht hat. Tja, schnell kann´s gehen. Aber sag mir doch, oh allzeit-böser Crawley, weiß das auch die Ehefrau? Denn ich glaube, dass es ein fürchterliches Erwachen geben würde, wenn ich sie besuchen sollte und dann müsste sie den Hasen spielen. Wie sagen die Japaner so drollig? Aus zuviel Liebe wird leicht hundertfacher Hass.“
Plötzlich rüttelte ihn Crowley kurzzeitig durch, ehe er ihn gegen die Brüstung stieß.
„Verschwinde aus London und komm ja nie wieder! Raus aus dem Königreich, denn ich werde immer hier sein.“
Das schmerzende Gesäß ignorierend, spürte Behemoth nur noch wie sich die Finger des Kameraden immer mehr um den edlen Kragen verkrampften. Und auf seiner Stirn begannen sich Schweißperlen zu bilden. Volltreffer.
„Keine Lust mehr auf die Welt? Nicht mehr auf Piratenschiffen unterwegs sein, Herrschaften stürzen oder Menschen unerklärliche Kriege an den Hals binden? Oh, Crawley, was ist nur aus dir geworden? Was ist aus uns geworden?“
„Uns? Es gibt kein uns, nur ein du und ich. Meine Existenz sollte dir endgültig egal sein, merk dir das!“
Behemoth griff um dessen Handgelenke und wollte sich gegen ihn stemmen.
„Du bist nur verblendet, weil dich irgendeine Schickse um den Finger gewickelt hat. Aber das geht auch vorüber und dann tut es dir leid. Du wirst aufwachen und merken, dass es nichts weiter war als verfluchter Yakdreck! Deine Verliebtheit wird vergehen, aber ich werde immer an deiner Seite sein, Crawley!“
>Deine Verliebtheit wird vergehen.< Es war wie ein Donnerhall in seinem Kopf. Unter zusammen gepressten Zähnen riss Crowley plötzlich den ehemaligen Freund in die Höhe, bündelte die ganze Kraft in den Armen und warf ihn mit allen Schwung den er besaß über die Brüstung. Hinein in die Themse, Behemoth schrie eintönig auf. Für einen körperlichen Fall nicht besonders tief, wo es auch schon nach kurzer Zeit einen gewaltigen Aufschlag gab.
Hechelnd ließ der Rothaarige die Arme baumeln und es war ihm ganz egal was er soeben getan hatte. Nein, er war nicht verliebt, ganz und gar nicht. Es war keine Liebe. Er war immerhin ein Dämon und so etwas konnte er nicht empfinden. Es war Zuneigung, ja, aber keine Liebe, wie zwischen den Menschen. Er glaubte es selbst und wischte sich mit dem Handrücken über das Kinn, ehe er sich noch einmal über die Balustrade beugte und schrie:
„Mein Name ist Crowley!“
Dann drückte er sich weg, lehnte sich aber noch etwas mit dem Rücken gegen das Gemäuer und schloss für einen winzigen Moment die Augen. Sah Erziraphael und diesen Wichtigtuer. Wie er ihn angelächelt hatte und nun verbringen sie irgendwo ihre Zeit miteinander? Crowley öffnete die Augen. Sagte sich, dass es ihm eigentlich egal sein müsste und das Behemoth keinesfalls Recht hatte. Nein, nein, nein, er hatte keinen Liebeskummer, er war nicht eifersüchtig, Pff, Blödsinn. Und doch sah der Dämon den Engel mit diesem Mann zusammen und fühlte sich einfach nur schlecht dabei.
„Ich muss sofort in dieses Hotel.“


*******************************************************************************************
* Für alle die es vergessen haben sollten. In meiner FF "Apfel im Kelch" hat Crowley erwähnt, dass Erzi sein Taschentuch bei ihrem Treffen von 1862 verloren hat und der Dämon behielt es seitdem für sich. Ach ja und nebenbei, wenn sich jemand wundert, warum es nach all den Jahren so fein und sauber ist: Crowley hat es gut behütet. Außerdem hat er es mit den eigenen Händen gewaschen. :)
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast