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Die Sieben Gehörnten - Ein Steampunk Schauermärchen

Kurzbeschreibung
GeschichteMystery, Horror / P12 / Gen
OC (Own Character)
05.08.2020
05.08.2020
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1.872
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05.08.2020 1.872
 
Es war einmal eine schöne Dame mit ihren sieben Kindern. Einem jeden von ihnen wuchsen Ziegenhörner aus dem Kopfe. In ihrem Dorf waren sie die letzten Bewohner, so war es wenig verwunderlich, dass die Vorräte zur Neige gingen und nirgends mehr Nahrung aufzutreiben war. Um neue Speisen zu besorgen begab sich die Dame nach dem nächsten Dorfe. Noch bevor sie das Haus verließ, unterrichtete sie ihre Kinder: „Lasset niemand eintreten in dieses Haus so es nicht ich bin. Vor allem aber hütet euch vor dem bösen Herrn Wolf. Gewährt ihr im Eintritt, so frisst er euch mit Haut und Horn! Und lasset euch nicht verführen von des Monsters Verkleidungskünsten. Seine raue Stimme und seinen stark gebräunten Haut-Ton kann er jedoch nicht verbergen. Seid auf der Hut vor dem bösen Herrn Wolf!“
Eine Stunde zog ins Land und die gehörnten Kinder vertrieben sich die Zeit mit den ulkigsten Spielen und Hänseleien.
Der sichelförmige Mond schien durch die Fenster und tauchte alles außerhalb der goldenen Lichtkegel der Öllampen in ein silbriges Licht. Von fern konnten die Kinder die Nachtigall im Walde singen hören. Doch mit einem Mal verstummte das Lied der Vögel und ein markerschütterndes, übles Wolfsheulen ertönte.
Hätten die Kinder aus dem Fenster gesehen, so hätten sie bemerkt, dass etwas vorsichtig zum Haus huschte.
Ein Klopfen an der Thür ließ die Gehörnten aufschrecken.
„Wer ist da?“, fragte der älteste Sohn.
„Eure werte Frau Mutter steht vor der Thür, euch allen habe ich auch etwas mitgebracht!“
„Mit dieser Stimme kannst du unsre Mutter nicht sein!“ antwortete der Älteste.
„Sie müssen Herr Wolf sein. Ihnen werden wir niemals Einlass gewähren! Unsere werte Frau Mutter hat uns wohlweislich vor Ihnen gewarnt!“ fügte die Mittlere hinzu.
Damit wandten sich die Kinder von der verriegelten Thüre und Herrn Wolf ab.
Herr Wolf aber begab sich zu der Apotheke und holte Calciumsulfat, Magnesiumoxid und Calciumcarbonat. Diese Stoffe vermischte er unter der blauen Flamme des Bunsenbrenners mit weiteren Zutaten und verleibte sich die hernach wider erkaltete Substanz ein.
Erneut klopfte es am Haus der gehörnten Kinder.
„Wer klopft an die Thür?“, schallte es aus dem Hause.
Eine sanfte, weibliche Stimme antwortete: „Ich bin es, eure Mutter, lasset mich ein!“
Gerade als sie die Thüre öffnen wollte, erkannte ein Kind durch den Spion, dass eine braun gebrannte Hand einen Gehstock hielt.
„Gewiss, Sie mögen die Stimme unserer werten Frau Mutter haben, doch verrät Sie die Farbe Ihrer Haut. Unsere Mutter ziert eine elegante Blässe – so lassen wir Sie nimmermehr ein!“
Verärgert stapfte Herr Wolf von dannen.
Eine verlassene Bäckerei und Konditorei erregte sein Aufsehen. Geschickt hob er ein Fenster mit Hilfe eines Schraubenziehers und der Hebelfunktion aus den Angeln. Der Holzofen mit integriertem Dampfkessel, der unter anderem die Knetmaschine betrieb, machte den Eindruck, als ob erst kürzlich das Feuer erloschen sei, alle Werkzeuge, Maschinen und Geräte waren noch vorhanden und deuteten auf einen überstürzten Aufbruch oder eine Gewalttat hin. Verbeulte Kupferkessel und zersplittertes Porzellan verstärkten den Eindruck.
Aus den Augenwinkeln erblickte Herr Wolf eine Bewegung. Mit einer Hand am Colt drehte er sich vorsichtig um, doch sehen konnte er niemanden, lediglich eine kleine Spinne webte an ihrem großen Netz.
In einem Schrank der Backstube fand Herr Wolf, weswegen er in die Bäckerei und Konditorei gestiegen war: Natronlauge. Er goss die Lauge in eine große Schüssel und legte seine Hände in die Flüssigkeit. Unter Schmerzensschreien verätzte seine Haut.
Die Uhr schlug Mitternacht. Die Kinder hofften angsterfüllt auf die baldige Rückkehr ihrer Mutter. Nie hatte sie sie so lange allein gelassen. Und bei dem Gedanken, dass sich auch noch der böse Herr Wolf hier herumtrieb lief ihnen der Schauer über ihre Rücken.
Auch der zehrende Hunger quälte die Kinder.
Im Kachelofen knisterte beruhigend ein Feuer, ein Feuer, dass es Herrn Wolf unmöglich machte, das Haus durch den Kamin zu betreten.

Ein lautes Knacken ließ die Kinder schreckerfüllt hochfahren. Das Geräusch musste eindeutig aus dem Haus kommen, daran gab es keinen Zweifel! Bewaffnet mit einem Schirm schlich sich der Älteste in Richtung des dunklen Schlafzimmers. Mit jedem Schritt schien sein Herz schneller zu schlagen, bei jedem Tritt fühlte er die Angst größer werden. Jetzt war es um den Jungen schon viel dunkler, doch führte ihn der Gang noch tiefer in die dunkelste Ecke des Hauses. Gleich einem eiskalten Nebel kroch die Unsicherheit mit der Dunkelheit in sein Gebein.
Als er nichts mehr sehen konnte, ertönte nun wieder ein entferntes Wolfsheulen. Panisch rannte der Junge zurück zu seinen Geschwistern.
Minuten vergingen bis ein weiteres, schon näheres Heulen erklang. Schweigen machte sich breit. Nur Sekunden später heulte es wieder, dieses Mal schien das markerschütternde Heulen direkt neben dem Haus zu sein.
Etwas scharrte an dem Haus. Mit angehaltener Luft starrten die gehörnten Kinder auf die Wand am hinteren Ende des Raumes. Ein großer, bestialischer Schatten huschte am Fenster vorbei.
Plötzlich klopfte es erneut.
Mit zitternder Stimme rief die Älteste: „W-wer ist an der Thür?“
„Ich bin es eure Mutter, so lasst mich rein, draußen ist es gar gruselig!“
Wieder war es die klare, sanfte Stimme ihrer Mutter.
„Wenn du wirklich unsere Mutter bist, so zeig uns deine Hände!“ entgegnete die Kleinere.
Wie es ihr aufgetragen wurde, zeigte die Mutter ihre Hände. Wahrhaftig waren sie so weiß wie frisch gefallener Schnee.
„Welch Freude, du bist es wirklich! Tritt ein, werteste Frau Mutter!“. Voller Erleichterung riss ein Junge die Thür auf.
Im fahlen Licht des sichelförmigen Mondes erblickten die gehörnten Kinder jedoch nicht das schöne Gesicht ihrer Mutter. Stattdessen blickten sie in das zerlebte, narbenübersäte Gesicht des grimmigen Herrn Wolf! Große, scharfe Zähne ragten aus seinem Mund, starker Haarwuchs bedeckte seine Arme.
Irre blitzten seine tierischen Augen und er stürzte sich auf den ersten der Sieben.
Wie Spatzen stoben die Kinder in alle Richtungen. Das gesamte Mobiliar wurde sogleich als Versteck genutzt.
Nachdem der Mann dem Jungen die Kehle aufgebissen hatte entdeckte er das älteste der Mädchen, das sich im Eisschrank versteckt hatte. Mit einem Satz stand der Wahnsinnige vor dem Mädchen. Es konnte sich nicht wehren als er es zu Tode biss.
Ein Weiteres entdeckte er unter dem Bett, einen Jungen fand er in einer großen Vase. Jeden einzelnen von ihnen tötete Herr Wolf kaltblütig.
Nur der Jüngste konnte sich in der großen Standuhr unbemerkt verstecken und musste das Knacken der Knochen, dem Spritzen von Blut und das dumpfe Aufschlagen der toten Körper seiner Geschwister mit anhören.
Nachdem er alle gehörnten Kinder, die er finden konnte, niedergestreckt hatte sank Herr Wolf erschöpft am Brunnen vor dem Hause zusammen. Die tierischen Züge schienen wie verflogen zu sein.
Minuten die sich für den Jungen wie Stunden anfühlten vergingen. Endlich kehrte die Mutter heim. Ein Schrei des Entsetzens zerriss die Nacht. Ihre armen Kinder so herzlos zu ermorden!
Weinend stieg der kleinste Junge aus seinem Versteck und fiel seiner Mutter um den Hals.
Das Feuer war bereits erloschen und die Lampen am Boden zerschellt. Verstört sah sich der gehörnte Junge um.
Im Mondlicht glitzerten die Blutlachen unter den leblosen Körpern. Hier und da mischten sich Zahnräder und Teile von Kupferrohren unter das Blut.
Hasserfüllt und mit lodernden Augen stapfte die Mutter auf den schlafenden Herrn Wolf zu.
„Geh und hol eine Schere, Nadel und Faden und unser Silberbesteck mein Sohn. Herr Wolf wird schon sehen was er davon hat sich mit mir, seiner ehemaligen Partnerin, anzulegen!“
Wie ihm geheißen so holte der Junge die Objekte.
Kunstvoll öffnete die Dame den Körper des Mannes. Das Silberbesteck platzierte sie sorgfältig neben den wichtigsten Organen. Geschickt nähte sie den Schnitt wieder, sodass keine Spuren zu sehen waren.
Ihm entwendete sie seinen Colt, eine verspielte Phiole mit einer silberbläulichen Flüssigkeit, ein Buch mit Aufzeichnungen und sein Werkzeug.
„Mein Sohn, deine Geschwister sind gerettet! Hiermit kann ich sie reparieren. Nimm die Phiole und leere den Inhalt in den Brunn-...“, weiter kam die Mutter nicht, schon würgten sie die Hände Herrn Wolfs.
Der Mann schrie: „Habe ich dich endlich, Celia, du verdammtes Miststück! Deine Brut ist ausgerottet!“
Elegant wand sich die Dame aus dem Griff des Angreifers.
„Wenn du sie nicht wolltest, warum hast du sie dann erschaffen, Canis Wolf?!“
„Damals wusste ich nicht, dass sie nur mit menschlichem Blut leben können, diese Gehörnten Kinder sind wahrhaftig Dämonen! Waren sie es auch, die das Dorf ausgerottet haben?“
„Was ändert das? Es sind meine geliebten Kinder! Außerdem waren es nur ein paar Menschen, unsere Kreaturen sind denen schon lange überlegen!“
„Das also ist aus dir geworden. Ein garstiges Hexenweib ohne jegliche Skrupel und Moral! Als du dich mit den Prototypen des mechanischen Menschen davonstahlst hätte ich merken müssen, welch üblen Machenschaften du nachgegangen bist.
Doch erst Jahre später sollte ich erfahren wie düster und abstoßend diese Missgeburten wirklich sind.“
„Warst nicht du es, der jeden Preis für die Erschaffung künstlichen Lebens zu zahlen bereit war?“ verspottete Celia ihren ehemaligen Partner. „Wolltest du nicht der Welt beweisen, dass du selbst Mary Shelley's kühnste Vorstellungen übertreffen kannst?“
„Anfangs war ich noch euphorisch und überzeugt, einen fühlenden und denkenden Menschen aus Zahnrädern, Federn und Dampf zu erschaffen, das stimmt, und mit deiner Hilfe schien es mir zu gelingen. Gewiss, die Kommilitonen an der wissenschaftlichen Fakultät verspotteten uns, sie denunzierten unser Vorhaben und doch standen wir kurz vor dem Durchbruch.
Dann jedoch fehlte mir eine Möglichkeit den mechanischen Kindern Leben einzuhauchen, mit Dampfkraft ließen sich zwar die Gelenke bewegen, aber es waren doch nur komplexe Roboter. Monate verbrachte ich mit Grübeln, doch fand sich keine Substanz, die dieses Wunder vollbringen konnte.
Nach deinem Verschwinden vernachlässigte ich dieses Projekt. In dieser Zeit verschlimmerte sich meine Lykanthropie. Die nachfolgenden Jahre widmete ich voll und ganz diesem Phänomen, der Beherrschung meiner Selbst im Wolfszustand und der partiellen Transformation meines Körpers.
Erst als ich in einer Zeitung einen Artikel über die mysteriösen Morde in diesem Ort las, erkannte ich auf einem Phantombild die Gestalt einer meiner Kreaturen. Von einer bösen Vorahnung getrieben, durchforschte ich alle alchemistischen Aufzeichnungen die ich über die Jahre gesammelt hatte, und musste mit Entsetzen feststellen, dass nur Blut die Kreaturen am Leben halten kann.
Und nun stehe ich vor dir um diesem Spuk ein für alle Mal ein Ende zu bereiten!“
Mit den letzten Worten machte Canis einen Satz nach vorn und griff Celia an. Geschickt wich die schöne Frau aus, sodass nur ihre rechte Wange von den Klauen zerkratzt wurde.
„Das sehe ich anders, werter Herr Canis Wolf.“
Doch bevor die Mutter zum Gegenschlag ausholen konnte schlug Herr Wolf sie nieder.
Nach den vielen Worten ergriff der Durst Besitz von dem Wissenschaftler. Aus dem Brunnen schöpfte er ein wenig Wasser und trank es.
Wieder veränderte sich der Körper. Unter Schmerzensschreien und wildem Zucken verwandelte sich Canis Wolf in einen Werwolf.
Blut quoll aus seinem Mund. Stechende Schmerzen brannten im Inneren des Herrn, begleitet von einem abstoßenden Zischen.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf Celia, die manisch lachend die leere Phiole aus ihrem Korsett zog. Das hochkonzentrierte Mondlichtserum befand sich im Wasser des Brunnens.
Der Werwolf wand sich unter höllischen Qualen auf dem Boden. Langsam fraß sich das Silber durch den Körper des Untieres. Erst nachdem das Fleisch von den Knochen gebrannt war blieb der tote Körper liegen.
Erhaben trat Celia neben die Leiche ihres Kollegen. „Hiermit endet unsere Zusammenarbeit, Professor Canis Wolf!“

Und wenn die Teufelsbrut nicht gestorben ist, so mordet sie noch heute.
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