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Der Indianer Adahy

von Zamiabu
Kurzbeschreibung
GeschichteFantasy, Freundschaft / P6 / Gen
24.07.2020
24.07.2020
4
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24.07.2020 1.013
 
Stattdessen stehen sie nun mitten in einem Wald. Um sie herum sind hohe Bäume, dazwischen dichte Büsche. Manche Bäume haben so dicke Stämme, dass ein Mensch gar nicht um sie herum greifen kann. Andere wiederum sind schmal, dafür aber endlos gewachsen. Selbst wenn man den Kopf ganz weit zurück in den Nacken legt, lässt sich die Baumkrone kaum erahnen. Überall wachsen Gräser und Farne, manche höher als Willi groß ist. Dazwischen sprießen stellenweise herrlich bunte Blumen, Blüten und Knospen. Sie bilden winzige, aber kräftige Farbtupfer im Kontrast zu dem Alles überwältigenden Grün und Braun. Einige Pflanzen tragen kleine Früchte. Erst als er all diese prächtigen Farben und Formen in sich aufgenommen hat, bemerkt Willi, dass das keineswegs Alles ist, was es zu entdecken gibt. Still lauscht er. Aus allen Richtungen kommt melodisches Vogelgezwitscher, Blätter rascheln leise im Wind, Holz knarzt wie in einem alten Haus. Und es duftet. Und wie es duftet! Nach Regen und nach Erde. Willi kennt diesen Geruch. Im Frühling musste er Mama im Garten helfen. Als sie die Säcke mit Pflanzenerde und Rindenmulch öffnete und auf dem Beet verteilte, roch es genauso. Und trotzdem kann man es nicht vergleichen. Hier riecht es noch sehr viel intensiver, viel stärker und gleichzeitig frischer, irgendwie… echter. Alles ist so, wie Willi es in Erzählungen gehört, in Büchern davon gelesen und in Filmen gesehen hat. Gleichzeitig ist es aber auch vollkommen anders. Eben viel echter. So hat er die Natur noch nie erlebt.
Eine ganze Weile stehen die Beiden einfach nur da. Sie schauen, sie schnuppern, sie lauschen. Tief beeindruckt bestaunen sie ihre Umwelt.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit wendet Adahy sich Willi zu. „Hier lebten früher meine Vorfahren. Dieser Wald gehörte einst zu ihrem Gebiet. Sie haben hier gejagt, gesungen, getanzt. So hast du die Natur sicher noch nie gesehen."
Das hatte Willi tatsächlich noch nicht. Klar, an manchen Sonntagen haben seine Eltern ihn zu einem Spaziergang gezwungen. Und dann gibt es ja noch den jährlichen Wandertag in der Schule. Letztes Jahr waren sie mit einem Führer im heimischen Wald, der ihnen gezeigt hat, welche Beeren sie essen dürfen und wie sie sich aus Zweigen und Blättern ein notdürftiges Zelt bauen. Aber Willi war mehr damit beschäftigt mit seinen Freunden herumzualbern und die Mädchen aus der Klasse mit Käfern zu erschrecken. Dem langweiligen Vortrag hat er kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Aber das hier ist etwas anderes. Er hatte ja keine Ahnung, wie laut und lebendig ein Wald sein kann! Vögel sausen durch die Lüfte, Insekten summen und brummen von einer Blüte zur nächsten. Unter dem gefallenen Laub raschelt es. Ist da etwa gerade ein Mäuschen vorbei gehuscht? Irgendwo da drüben, in weiterer Ferne, quakt laut ein Frosch.
So sehr Willi auch überwältigt ist von den vielen neuen, unglaublichen Eindrücken, eine Frage stellt er sich aber doch.
„Warum zeigst du mir das Adahy? Was tun wir hier?"
„Das alles hier, meine Heimat, unsere Heimat, ist bedroht. Sie fällen die Bäume, brennen den Wald nieder und töten die Tiere.", wütend stapft Adahy mit dem Fuß auf.
„Wer sind sie?", fragt Willi verwirrt. „Und warum tun sie sowas? Es ist doch so cool hier! Am Liebsten würde ich mir in dem Baum da mit Tim und Max ein Baumhaus bauen. Die Stelle ist perfekt dafür!", begeistert zeigt der Junge auf einen kräftigen Baum mit dicken, flach gewachsenen Ästen. „Es ist nicht zu hoch. Und trotzdem würden die Mädchen nicht reinkommen, weil die doch nicht gut klettern können. Und selbst wenn, die dürften gar nicht rein!". In seiner Vorstellung sieht Willi das Baumhaus schon fertig vor sich. Er und seine besten Freunde Tim und Max sitzen schon darin, essen Brötchen von Mama und Süßigkeiten. Sie könnten Streiche aushecken und niemand würde ihnen dort auf die Schliche kommen. Vielleicht würde irgendjemand ihnen sogar einen Eimer Farbe geben. Dann könnten sie das Baumhaus anstreichen. Am Besten in Rot, Willis Lieblingsfarbe.
Adahy lächelt nur traurig. Sein Blick richtet sich weit in die Ferne. „Ja, der Baum wäre wohl tatsächlich perfekt für dein Versteck. Aber morgen wird der Baum hier schon nicht mehr stehen. Ebenso wenig wie all die anderen Bäume und Pflanzen. Und die Tiere werden verjagt sein und müssen vielleicht anderswo verhungern. Ihnen fehlt ihr Lebensraum, sie finden nichts mehr zu fressen. Sie sterben durch die Abgase, die aus dem Schornstein in die Luft geschleudert werden. Sie trinken das Wasser aus den Bächen, doch das Wasser ist mit dem Abwasser der Fabrik verschmutzt und giftig. Worüber die Verursacher dessen leider nicht nachdenken ist, dass wenn die Tiere und die Pflanzen zugrunde gehen, auch die Menschen sterben werden. Wir sind von unserer Umwelt abhängig, egal ob wir wollen oder nicht. Du hast gefragt wer sie sind, die das hier tun. Es sind Menschen, wie du und ich. Hier soll eine Fabrik gebaut werden. Der Wald ist im Weg. Die Fabrik braucht mehr Platz. Also muss hier Platz freigemacht werden."
Dafür hat Willi kein Verständnis. „Immer die blöden Erwachsenen mit ihrer blöden Arbeit und ihren blöden Fabriken. Die braucht doch eh keiner! Sollen sie es einfach sein lassen!"
„Und wenn ich dir sage, dass in der Fabrik Spielzeug hergestellt wird? Actionfiguren, Bausteine, Plüschtiere, Rennautos, … alles was du dir nur wünschen kannst. All das, was du auf deinen Wunschzettel für deinen Geburtstag nächste Woche aufgeschrieben hast." Adahy blickt ihm jetzt direkt in die Augen. Er sieht ernst aus, und traurig. Willi weiß nicht, was er sagen soll. Keine Ahnung woher Adahy das weiß, aber es stimmt. Auf seinem Wunschzettel stehen tatsächlich Bausteine und ein riesiges Set mit Autos und Rennbahn. Das hat er gesehen als er mit seinen Eltern im Kaufhaus war und wollte es natürlich unbedingt haben! Eigentlich will er es auch immer noch. Aber sein Freund der Indianer sieht so traurig aus. Er will ihm helfen. Und er will nicht, dass nur für seine Autos die Heimat des Indianers und seiner Familie zerstört wird. Das wäre unfair und gemein von ihm. Also fasst Willi einen tapferen Entschluss.
„Ich helfe dir Adahy! Gemeinsam werden wir den Bau der Fabrik verhindern!"
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