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Der begehrteste Junggeselle

von Pixelpark
Kurzbeschreibung
GeschichteFantasy, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
07.06.2020
27.11.2021
58
206.258
44
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07.06.2020 2.881
 
Am nächsten Morgen quälte Kaèl sich schwerfällig aus den Kissen. Er wäre gern liegen geblieben, dies ließ aber sein straffer Lernplan nicht zu. Die Vorbereitung für seine Prüfung zum Erzmagi war eine mehrjährige Vollzeitaufgabe, kein Freizeitvergnügen.
Nach dem Bad fühlte er sich besser. Im Morgenmantel rief er seinen Kammerdiener, Mister Taryòn, herbei, und ließ sich von ihm das Haar kämmen und mit Glanzzaubern belegen. Währenddessen blätterte er durch sein Buch.
Was würde ich mit Rubìnias Zauber Zeit einsparen, dachte er. Ich werde ihn finden.
Als Mister Taryòn endlich fertig war, knurrte sein Magen, aber es blieb kaum Zeit für ein Frühstück. Er hastete die Treppen herunter, hielt dann aber inne, als ihm aus dem Speisesaal laute Stimmen entgegenschlugen.
Seine Eltern. Stritten. Mal wieder.
»Das lass mir meine Sorge sein, Elìrios!«, rief seine Mutter.
»Seit ich dich geheiratet habe, ist es auch meine.«
Sie lachte hell. »Als hättest du dadurch etwas zu melden.«
Es gab eine kurze Pause. Kaèl konnte sich vorstellen, wie sein Vater dastand, mit hängenden Schultern, den Blick starr auf die Füße gerichtet.
»Wenn ihr nichts damit zu tun habt«, sagte Elìrios, »wieso habe ich heute in der Zeitung gelesen–«
»Elìrios«, erwiderte sie scharf und er verstummte.
So war sein Vater. Immer knickte er ein. Seine Mutter war aus einem anderen Holz geschnitzt. Ebenso wie Kaèl, sonst hätte er es nicht geschafft, im zarten Alter von einunddreißig Jahren bereits sechs Bücher zu schreiben, abgesehen davon, dass er bald der jüngste Erzmagi des Landes werden würde. Überdies der erste männliche Erzmagi, was etwas heißen sollte. Magie galt immer noch als Frauendomäne. Aber Kaèl würde ihnen allen die Vorurteile austreiben.
Er wollte gerade die Klinke herunterdrücken, da brandeten die Stimmen wieder auf. Das war außergewöhnlich, normalerweise gab sich sein Vater schon nach der ersten Beleidigung geschlagen. Es musste ihm wirklich wichtig sein.
Kaèl setzte sich auf die marmorne Treppe und wartete. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es besser war, nicht in so eine Auseinandersetzung zu platzen. Zum Glück hatte er sein Buch dabei. Er zog es aus seiner Tasche, entschrumpfte es und suchte nach der richtigen Passage.
Schritte näherten sich und er schaute auf. Myriam Treverer lächelte zu ihm herab. »Guten Morgen, Kaèl.«
Er verzog das Gesicht. »Ich möchte gern wissen, was an diesem Morgen gut sein soll.«
»Streiten sie wieder?«, fragte sie, mit einem Kopfnicken Richtung Tür.
Er seufzte. »Haben sie je etwas anderes getan?«
»Dann warten wir gemeinsam.« Sie nahm dicht neben ihm Platz und linste in sein Buch. »Was liest du?«
Sie war die einzige Person, der er so viel Nähe zugestand. Er kannte sie, seit er denken konnte – als Anführerin der ›Grauen‹, sprich der Geheimgarde der Hotàrus, war sie die dienstälteste Angestellte und engste Vertraute seiner Mutter. Außerdem – und das war das ausschlaggebende Kriterium – hatte sie einen exquisiten Geschmack, was Literatur anging.
»Das sind Koryx‘ Memoiren, also hauptsächlich …«
»…Eismagie«, komplettierte sie. »Diese Koryx war eine wahrhaftige Künstlerin.«
Er hob den Kopf. »Interessant, mir war nicht bewusst, dass Koryx‘ Schriften auch von Zerstörungsmagi gelesen werden.«
Sie lächelte. »Das war mein Privatinteresse. Ich war auch einmal jung und an den eleganteren Formen der Magie interessiert. Leider waren meine Eltern nicht so tolerant wie deine und ich musste das studieren, was gesellschaftlich als ›nützlich‹ gilt.«
»Was bitte soll an plumper Gewalt nützlich sein?«
Sie schwiegen eine Weile und lauschten den gedämpften Stimmen, die durch die Tür drangen. Seine ›toleranten‹ Eltern schienen sich noch nicht beruhigt zu haben.
»Ich glaube, diesmal streiten sie wegen der Operation von gestern Nacht«, sagte Myriam. »Dein Vater ist immer so skeptisch, wenn wir hart durchgreifen. Aber gestern haben wir ein Problem gelöst, das deiner Mutter schon seit Jahren unter den Nägeln brennt.«
›Operation von gestern Nacht‹?
Er wollte zu einer Nachfrage ansetzen, da schwang die Tür auf und sein Vater stürmte mit säuerlichem Gesichtsausdruck hinaus, dicht gefolgt von Kaèls Mutter. Er warf Kaèl und Myriam einen irritierten Blick zu, dann wandte er sich an Akàri: »Schau an, wer hier ist«, mit einem Kopfnicken wies er auf Myriam, »da könnt ihr gleich weitermachen mit euren Geißeljagden.«
Sie wischte die Bemerkung mit einer ungeduldigen Handbewegung fort. »Genug, Elìrios. Nicht vor dem Jungen!«
Elìrios starrte sie an, den Mund leicht geöffnet. Dann gab er sich einen Ruck und setzte seine Maske auf. Er wandte sich Kaèl zu. »Guten Morgen, Kaèl’thas.« Myriam ignorierte er, wie so oft, und sie ließ es, ohne jegliche Regung über sich ergehen.
Seine Mutter lächelte zuckersüß. »Ah, Kaèl’thas, Madame Treverer.«
Kael’thas. Wie er seinen Geburtsnamen hasste. Warum nannten sie ihn nicht einfach ›Kaèl‹? Das war kurz und bündig. Er stand auf und neigte den Kopf »Guten Morgen, Mutter.«
Akàri tauschte einen Blick mit Madame Treverer. »Leider müssen wir los, heute scheint das Chaos ausgebrochen zu sein. Ich wünsche dir einen zauberhaften Tag, mein Goldstück.« Mit den Worten rauschte sie hinaus, gefolgt von Myriam, und sie ließen Kaèl mit Elìrios allein.

Kaèl betrat den Speisesaal, setzte sich an die üppig gedeckte Tafel und wollte sich ein Glas Orangensaft eingießen, als sich eine Hand schwer auf seine Schulter legte. Er ließ die Karaffe wieder auf den Tisch schweben und wandte den Kopf.
»Stört es, wenn ich mich dazusetze?«, fragte sein Vater. Er sah von der Auseinandersetzung immer noch angeschlagen aus.
Ja, dachte Kaèl und schaute sehnsüchtig auf sein Buch.
»Nein, natürlich nicht«, sagte er stattdessen und nahm Haltung an.
Elìrios nahm ihm gegenüber Platz und ließ sich von einem Diener Tee einschenken. Gedankenverloren nippte er daran, und eine Weile schwiegen sie. Als Kaèl wieder sein Buch an sich ziehen wollte, lehnte sein Vater sich vor. »Speist du heute nicht mit Rubìnia?«
»Ach.« Kaèl machte eine wegwischende Handbewegung. »Rubìnia ist gegangen.«
»Gegangen?«
Kaèl nahm einen großen Schluck Orangensaft. »Sie hat mich verlassen.«
Sein Vater seufzte gequält. »Sie hat dich verlassen?«
Ergeben stellte Kaèl sein Glas wieder ab. Das hier würde ein unangenehmes Gespräch werden, sein Vater war immer so sentimental, was vorteilhafte Bindungen anging. Als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. »Vater«, sagte er beschwörend. »Ich bitte dich. Es ist keine große Sache. In vier Monaten ist meine Prüfung, ich kann mich danach –«
Eine Dienerin schneite in den Saal, und er verstummte, heilfroh über die Ablenkung.
»Mylord«, sie verneigte sich vor Elìrios, »Ein Brief für Sie ist eingetroffen. Von Ihrer werten Frau Mutter.«
»Geben Sie her.« Sein Vater hielt die Hand auf. »Was kann sie nur wollen?«, murmelte er und beäugte das Kuvert misstrauisch.
Kaèl schnappte sich ein Stück Gänseleberpastete. Er beschloss, Elìrios‘ kurze Ablenkung zu nutzen, um den Rückzug anzutreten und so weiteren inquisitorischen Fragen seines Vaters zu entgehen. »Ich wollte sowieso gerade los, Vater. Die Wissenschaft wartet nicht.« Mit den Worten biss er in seine Pastete und eilte aus dem Saal.


oOOo


Kaèl stieg aus der Kutsche und blinzelte ins gleißende Sonnenlicht. Mister Taryòn reichte ihm sein Schirmchen, und er spannte es auf. Hoch über seinem Kopf flogen Schwärme von Möwen und die würzige Seeluft kitzelte seine Nase. Fukuòkas Hauptstadt Nishaì lag direkt am Meer. Sie war die zweitgrößte Stadt Finistères, und beherbergte den größten Hafen des Landes – einer der Hauptgründe für Fukuòkas Reichtum. Von hier wurden magische Waren, wie Tränke, Bücher, Amulette, verzauberte Waffen und Ähnliches in die Menschenländer Mandalia und Lindenreich verschifft und gegen Schokolade, Kaffee, Gewürze und Silber eingetauscht. Am Hafen herrschte wildes Treiben, Kommandos wurden hin- und hergebrüllt und überall wuselten Leute herum, die die Schiffe be- und entluden. Meist karrten sie die Waren erst in die auf wuchtigen Holzpfähle erbauten Speicherhäuser, von wo sie dann ins gesamte Land transportiert wurden.
Kaèl war das Ganze zu hektisch, und die vielen Geräusche taten seinen Elbenohren weh. Dennoch liebte er die quirlige Stadt -- das Beste an Nishaì war die berühmte Ultimyr-Akademie mit ihren zwei exquisiten Bibliotheken, in denen Kaèl seine arbeitsamen Tage verbrachte.
Als er federnd durch die palmengesäumte Prachtgasse schritt, kam ihm sein ehemaliger Kommilitone Nortrom entgegen.
Wie unangenehm!
Aber jetzt war es zu spät, beiseite zusehen, Nortrom winkte ihm bereits.
Muriel, was hatte er keine Lust auf einen Plausch. Sie hatten gemeinsam Transformationsmagie studiert und in diesen sechs Jahren mehr als einmal das Bett geteilt, Letzteres aber eher aus Langeweile oder Prokrastinationsgründen und weniger aus Zuneigung. Es war Kaèl nicht geheuer, Verflossene zu treffen, meist waren sie wegen irgendeiner unbedeutenden Kleinigkeit nachtragend und die Stimmung angespannt.
»Kaèl, muss das sein?«, fragte Nortrom und starrte auf Kaèls crèmefarbenes Sonnenschirmchen. »Damit siehst du so hochnäsig aus, wie du dich verhältst.«
»Ich weiß nicht, was du hast«, erwiderte Kaèl. »Sonnenlicht lässt die Haut altern.« Er musterte Nortrom von der Seite. »Du solltest dir auch einen Schirm zulegen.«
»Was willst du damit sagen?«, fauchte Nortrom.
»Nichts«, sagte er unschuldig und stolzierte von dannen.  Gefahr gebannt, dachte er zufrieden.
Kaèl trug, seit er denken konnte, Sonnenschirme mit sich herum. Er hatte Er hatte fast pigmentlose, durchscheinende Haut, die bei der geringsten Sonneneinstrahlung verbrannte. Die hatte er von seiner Mutter geerbt, genau wie die silbrig-grauen, fast weißglühenden Augen. Ja, Kaèl und seine Mutter stachen heraus, in jeglicher Hinsicht.
Am Anfang seiner Studien an der Ultimyr-Akademie hatte er testweise einen Sonnenschutzzauber entwickelt, aber er hatte sein erfolgreiches Projekt nie publik gemacht. So ein Sonnenschirmchen betonte seinen Typ nur vorteilhaft und er wollte diesen modischen Effekt nicht ad absurdum führen, nur weil es nun einen Zauber gab, den jede wirken konnte.

Als Erstes lief Kaèl zur Druckerei, die seine Bücher veröffentlichte. Eine Routine, die er sich angewöhnt hatte, seit er sein erstes Buch geschrieben hatte. Acht Jahre war das her.
Er konnte es kaum erwarten, sein neustes Manuskript über Meta-Magie gedruckt in den Regalen zu sehen. »Das Hexenwerk als Wille und Vorstellung«, hatte er es genannt.
Ein toller Titel, dachte er. Da habe ich mich wieder einmal selbst übertroffen.
Der nervige Verkäufer mit den dunklen Locken wuselte ihm bereits an der Tür entgegen. Er verneigte sich. »Ah, Lord Hotàru. Womit kann ich Ihnen heute dienen?«
Kaèl reagierte nicht auf ihn. Er steuerte auf das Regal mit den ausgestellten Werken zu, überflog die Bücher, und  wurde bei jedem Titel, der nicht seiner war, wütender.
»Mein neues Buch, wo ist es?«
Der Verkäufer zwirbelte an seiner geölten Stirnlocke. »Ah, das. Hmmm. Ihre letzten Bücher wurden nicht so stark nachgefragt und deshalb haben wir …«
Kaèl hatte genug gehört. Die Welt ist einfach nicht weit genug für meine umstürzenden Studien!, dachte er frustriert. Er brachte den Verkäufer mit einer unmissverständlichen Geste zum Schweigen. »Holen Sie Ihre Vorgesetzte!«
Der Junge verschwand hinter der Theke, nur um wenig später mit Kaèls Verlegerin zurückzukehren. Sie verneigte sich vor ihm. »Lord Hotàru, was für eine Freude!«
»Ich wünschte, ich könnte das Kompliment erwidern«, raunzte er. »Wann drucken Sie mein neustes Manuskript?«
Sie spielte an der Schleife an der Taille  ihres Kleides. »Mylord, momentan sieht es leider schlecht aus. Ihre Bücher werden kaum gelesen, die Leute suchen eher nach Unterhaltungsliteratur oder den neusten Ratschlägen für zerstörungsmagische Attack–«
Er schnaubte. »Unterhaltungsliteratur ist etwas für Schmachtlappen!«
»Wieso schreiben Sie nicht einen Leitfaden der Zerstörungsmagie?«, mischte sich der Verkäufer mit der Schmalzlocke ein. »Gerade in Zeiten wie diesen brauchen die Leute etwas zur Selbstverteidigung.«
»Nach Ihrer Meinung habe ich nicht gefragt«, blaffte Kaèl.
»Natürlich, Mylord, natürlich.« Schmalzlocke verbeugte sich und zog sich hinter die Ladenzeile zurück.
Seine Verlegerin – er sollte sich endlich ihren Namen merken – nickte. »Thyrael hat natürlich ein überstürztes Beispiel gebracht. Allerdings hat er in einem Punkt recht, ein …«
Kaèl platzte der Kragen. »Genug!«, rief er. »Ich schreibe nicht für Geld. Ich schreibe, um ein lange durchdachtes und mühsam ausgearbeitetes Werk, die Frucht vieler Jahre, durch den Druck zur Aufbewahrung und Mitteilung zu bringen.« Er wanderte in der Druckstube umher, heftig gestikulierend. »Ich bin keiner ihrer schlechten Skribler, die ein sogenanntes ›Sachbuch‹ nach dem anderen in den Sand setzen. Das Einzige was ich mit denen gemein habe, ist der zufällige Gebrauch von Tinte und Fed–«Sein Blick blieb an einem übergroßen Plakat hängen. Es zeigte einen dunkelbraunen Kerl mit stattlichen Oberarmen, der grimmig aus dem Bild starrte. Diese Grimmigkeit wurde von den violetten Tätowierungen in seinem Gesicht untermalt. Sein Kopf war an den Seiten ausrasiert, nur oben hatte er ein braunrotes Haarbüschel stehen lassen und die tief ausgeschnittene Tunika ließ kaum Raum für Fantasie, so eng spannte sie über den üppigen Brustmuskeln.
Die Wut stieg in ihm hoch. Das ist ja unerhört! Meine Bücher werden verschmäht und so etwas kommt in die ersten Regale!
Er riss das Bild von der Wand und hielt es der verdutzten Verlegerin unter die Nase. »Hat er das aufgehängt, ihr Thryri – Thyrael?!«
Er warf dem Verkäufer einen derart giftigen Blick zu, dass Schmalzlocke zwei Schritte zurückwich. »Was soll das sein? Mutiert dieser Verlag hier zu einer Groschenroman-Presse? Romanzen mit dem ›muskulösen, waghalsigen Fremden‹? Das ist unter meinem Niveau!«
Beschwichtigend hob seine Verlegerin die Hände. »Mylord. Das ist nicht Teil unseres Programms. Das ist das Phantombild des Hexenjägers.«
›Hexenjäger‹? So ein alberner Name! Aber der Kerl auf dem Bild sah auch nicht so aus, als habe er sonderlich viel Selbstreflexion oder Witz.
»Wer soll das sein, dieser Hexenjäger?«, knurrte er.
»Sie kennen ihn nicht? Er ist der gefährlichste Mörder Finistères. Die Zeitungen sind voll von seinen Gräueltaten, seit Jahren schon.«
»Ich habe etwas Besseres zu tun, als diese Käseblätter zu lesen!«
Wieder verneigte sich die Verlegerin. »Natürlich, Mylord. Ich dachte nur … da Sie als gefeierter Magi sicherlich auch von ihm bedroht sind …«
»Bedroht?«
»Er hasst Magie, deshalb sucht er sich die mächtigsten Magi heraus, fordert sie zum Duell heraus und tötet sie. Niemand hat bislang überlebt.«
Dann hätte er mich herausfordern sollen und nicht diese albernen Stümper, dachte Kaèl.
»Er hasst Magie? Was für ein Unfug«, sagte er.
Schmalzlocke war jetzt ganz Ohr. Er lehnte sich über den Tresen. »Ja, das ist völliger Unfug. Er muss verrückt sein, wer legt sich freiwillig mit einer Magi wie Madame Throsho oder Sàksa an?«
»Anscheinend konnte er seine Kräfte recht gut einschätzen«, warf seine Verlegerin ein, »sonst würden die beiden noch leben.«
Das war in der Tat erstaunlich. Throsho und Sàksa hatten sich als Duelliererinnen in ganz Finistère einen Namen gemacht. »Wie hat er sie besiegen können?«, überlegte er laut.
Wieder war es Schmalzlocke, der antwortete. »Er beherrscht alle möglichen Waffen, aber er könnte eine Magi auch mit bloßen Händen umbringen, seine Nahkampfkünste sind legendär. Vor Kurzem hat er allein mit einem einzigen Fußtritt den Schädel einer Magi gespalten.«
Die Vorstellung ließ Kaèl erschaudern. Schmalzlockes Gesicht hingegen glühte vor Eifer.
Wie begeistert er ist, dachte Kaèl. Wahrscheinlich haben muskulöse Kerle es ihm angetan. Ein genügsamer Geschmack, passend zur Trivialliteratur im Regal hier.
Das wurde ihm alles zu bunt. »Mit ihrer eifrigen Fantasie sollten Sie vielleicht Romane schreiben. Unterhaltungsliteratur scheint ja Ihr Metier zu sein«, sagte er.
Schmalzlocke lächelte erfreut, anscheinend hatte er noch nie etwas von Ironie gehört. Kaèl sollte es recht sein. Er nickte den beiden zum Abschied zu und verließ die Stube.
Die ›Fakten‹ die Schmalzlocke da präsentiert hatte, konnten nicht stimmen. Kein normaler Mensch konnte sich gegen ausgebildete Magi behaupten. Außerdem würde ein Mensch nicht mit Nahkampfwaffen und Fußtritten kämpfen, sondern die Muskete zücken. Es passte alles nicht zusammen.
»Haben Sie etwas von einem Hexenjäger gehört?«, fragte er Mister Taryòn, der vor der Tür gewartet hatte.
»Mit Verlaub, natürlich, Mylord.«
»Hmm«, sagte Kaèl. Ob er bislang etwas Gewichtiges übersehen hatte?
Egal, Er hatte genug Zeit verschwendet! Seine Prüfung!

Sie eilten zur Ultimyr-Akademie. Hier verschanzte er sich, wie so oft in der Bibliothek und suchte eine Liste aus Büchern zusammen, die er für die nächste Woche als Lerngrundlage ausgewählt hatte. Es war mühselig, immer und immer wieder musste er Mister Taryòn, losschicken, um weitere Buchstapel herzubringen, die Kaèl dann nach einigem Blättern doch nicht zusagten.
Heute war er unkonzentriert. Mehr als einmal übermannte ihn der Zorn über die einfältige Druckerei mit ihren Romanzen, und er musste seine Liste beiseitelegen und endlose Kreise laufen, um sich abzureagieren. So kam er nicht voran. Konzentration, Kaèl!

Nachmittags waren seine Augen erschöpft und die Liste endlich abgearbeitet. Als letzte Handlung stahl er sich in die ›Alltagsmagie‹-Abteilung. Diese war besser besucht, als sein Transformationsmagie-Sanktuarium, eine Horde junger Herren drückte sich kichernd um einen Stapel von bunten Zeitschriften mit Titeln wie: »Magie und Liebe – verzaubere SIE mit Amuletten«  oder »Der neue Mann – weil DU es dir wert bist«. Als sie ihn erblickten, traten sie ehrfurchtsvoll zur Seite und begannen, leise zu tuscheln.
Augenverdrehend kämpfte er sich durch den ganzen Tand, bis hin zu dem gesuchten Regal und durchforstete die Magazine mit den Haarzaubern. Das meiste kannte er schon, Kaèl war auch mal jung gewesen und hatte ähnliche Heftchen unter seinem Bett gehortet. Erstaunlich, wie wenig sich in den letzten Jahren geändert hatte! Als er fast aufgeben wollte, fand er ihn.
Rubìnias Zauber!
Der Fhaarbulöszauber – eine kleine Geste und die Frisur sitzt.
Zufrieden lächelnd stopfte er sich die Zeitschrift unter den Arm und stapfte zur Kutsche. Sein Diener war dort bereits damit beschäftigt, den meterhohen Bücherstapel in den Kofferraum zu verladen. Er öffnete Kaèl mit einer eleganten Verbeugung die Tür und die silbernen Knöpfe seiner hellgrünen Livree funkelten dabei in der Nachmittagssonne.
Sie setzten sich in Bewegung, aber es fiel Kaèl schwer, wie sonst üblich in seine Gedanken zu fallen. Die Vorstellung, dass ein Mörder herumlief, der die besten aller Mager*innen herausforderte und Kaèl doch übersah, störte, wie ein Splitter im Finger. Niemand durfte Kaèl ignorieren!

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Vielen Dank, Ina, für die Korrekturen und Anregungen!
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