Wie Eis
von KirjaKei
Kurzbeschreibung
Bryce ist sicherlich nicht das, was man einen Durchschnittsstudenten nennen kann; geboren als Erbe eines riesigen Wirtschaftsunternehmens ist er sich seiner Qualitäten mehr als bewusst, hat sich nie wirklich Sorgen um etwas machen müssen und nutzt diese auch ohne groß zu zögern aus, zumindest so lange bis Danny in sein Leben stellt und Stück für Stück dafür sorgt, dass die kalte Fassade von Bryce zu schmelzen beginnt… [Paralleltext zu ‚Wie Feuer‘: MxM, Lemon, kann Spuren von BDSM enthalten]
GeschichteHumor, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
03.06.2020
30.03.2022
114
562.601
97
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Dieses Kapitel
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09.03.2022
3.800
Kapitel 111x: Im Hagelsturm
Ich wusste nicht genau, was wir hier wollten. Dafür wusste ich um so genauer, dass ich nicht hier sein wollte. Ich wollte einfach nicht hier sein. Es war ein Gefühl und nie hatte ich etwas deutlicher gespürt. Natürlich wollte ich nicht hier sein. Ich wollte nicht wissen, dass es diesen Ort gab, ich wollte nicht darüber nachdenken, ich wollte es nicht wissen, ich wollte nicht, dass es diesen Ort gab, also wollte ich nicht hier sein!
Das war mit Sicherheit keine normale Reaktion… aber in diesem Fall war es mir egal.
Es war mir alles egal.
Was das hier anging, war es mir einfach egal. Ich wollte in dieser Hinsicht nicht vernünftig sein ich wollte mich nicht benehmen, ich wollte damit nicht umgehen, ich wollte das nicht akzeptieren, ich konnte einfach nicht. Ganz gleich, was die anderen Leute zu mir sagten. Eigentlich dann auch noch sehr viel weniger. Ich wollte und konnte das einfach so nicht gut sein lassen. Ich wollte nicht, dass es diesen Ort gab! Und wenn ich hier war… dann musste ich akzeptieren, dass er echt war!
Natürlich wusste ich, dass es echt war… Ich wusste, dass sie nicht zurückkommen würde. Ich wusste, dass es albern war, das zu unterdrücken. Man konnte die Augen nicht vor der Realität verschließen. Es war wie es war. Und es war eben so und nicht anders. Das war klar, das war offensichtlich. Ob ich es wollte oder nicht. Ich konnte nicht mein Leben lang so tun, als würde sie einfach nur… unterwegs sein und in ein paar Tagen wieder durch unsere Haustür kommen…
Ich war zu alt dafür, so etwas Albernes zu denken und damit umzugehen. Aber ich war mit fünfzehn auch zu jung dafür, darüber nachzudenken, dass meine Mutter tot war…
Mein Vater blieb kurz stehen und sah mich an. „Bryce, ich bin mir sicher, dass sie sich freuen würde, wenn du mitkommst.“
Wie sollte sie sich freuen? Sie war nicht mehr da. Es brannte in meinen Augen. Stechender Schmerz. Sie konnte sich nicht mehr freuen und es war doch eh alles egal…
Ich hatte mich immer gewehrt mitzukommen. Ich verstand es einfach nicht. Es tat gleich noch mehr weh daran zu denken… Ich war bisher nur das eine Mal hier gewesen, als man sie bestattet hatte…
Ich hatte den Anblick noch gut im Gedächtnis, ich musste das nicht noch mal sehen! Ich brauchte keine Erinnerung daran, dass sie weg war! Ich merkte das doch jeden Tag und ich versuchte jeden Tag das alles von mir wegzuschieben, um irgendwie darüber hinwegzukommen, dass ein Teil meines Lebens fehlte…
Aber ich nickte nur…
Ich hatte mir vorgenommen, dass ich es mir anschauen wollte. Ich hatte mir vorgenommen, dass ich mitkommen wollte…
Mein Vater ging immerhin jedes Jahr nach ihrem Todestag… Ich war mir nicht sicher. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Ich fühlte nur, dass ich nicht hierhin wollte… aber ich wollte auch nicht… fortbleiben…
Es war albern. Sie war nicht hier. Das war nur ein Stein… Ein Stein, der mich an alles erinnerte, was schief gegangen war. Ich wollte mir nicht anschauen, dass er hier war, ich wollte leugnen, dass es diesen Stein gab… aber machte es das jetzt… schlimm?
Ich war fürchterlich verwirrt… Mein Herz pochte schmerzhaft in meiner Brust, aber ich folgte meinem Vater. Ich wollte nicht zurückbleiben, ich wollte mit… Ich wollte das, obwohl ich das nicht wollte… ging das?
Mein Vater hatte einen Strauß Blumen auf dem Arm…
Ich verstand das nicht. Aber ich folgte ihm einfach… so als ob es irgendwas bringen würde…
Kapitel 111: Im Hagelsturm
Das Vorhaben war gefällt worden, allein schon deshalb würde ich nicht davon zurückschrecken. Aber auch sonst hätte ich das nicht vorgehabt. Ich hatte mich dazu entschieden und das aus gutem Grund. Ich wollte Danny bei so einem Gang zum Grab meiner Mutter dabeihaben.
Es war sicherlich kein angenehmer Gang. So musste man das sagen. Die gesamte Situation war nicht sonderlich angenehm. Es war auch albern, so etwas zu erwarten, natürlich war es schlimm, natürlich war es belastend. Was konnte man auch sonst davon erwarten?
Ich konnte in normalen Momenten darüber reden, dass meine Mutter tot war. Ich konnte es so sagen, aber ich hatte mich auch bei solchen Sätzen nie damit wirklich beschäftigt. Ich hatte es einfach so gesagt, und eigentlich hatte man damit auch ziemlich viele Konversationen beenden können. Denn dann wollte ja niemand mehr darüber reden. So simpel war das. Und das war ja auch mehr oder weniger etwas Gutes in vielen Fällen. Mit Danny hatte ich inzwischen natürlich schon hin und wieder ein bisschen über das alles geredet, über meine Probleme damit. Das war Teil der Therapie, aber ein richtig ausgiebiges Gespräch, das hatte ich selbst mit meinem Freund mehr oder weniger vor mir hergeschoben oder abgelehnt und abgelegt. Auch das bediente schließlich das hauptsätzliche Problem: Ich wollte nicht daran denken, dass sie wirklich tot war.
Dabei musste ich es. Das war einfach ein Fakt. Und Fakten konnte man nicht leugnen. Zumindest konnten vernünftige Menschen keine Fakten leugnen.
Also musste ich mich mit genau diesem Fakt weiter und mehr auseinandersetzen und lernen, damit umzugehen.
Meine Mutter war tot.
Ich durfte traurig darüber sein, es durfte mich mitnehmen, das war alles in Ordnung. Ich musste das nicht verdrängen, aber ich musste das auch vollkommen akzeptieren, nur dann würde ich nicht daran kaputt gehen. Es gehörte dazu. Es gehörte zu dem Prozess. Es würde mich immer mitnehmen, aber ich würde nur dann nicht daran kaputt gehen, wenn ich dabei aufhörte, es in meinem Kopf zu leugnen zu verdrängen.
Ich machte die Schritte dazu. Es ging voran, aber wir waren nicht am Ende, das wusste ich. Ich musste mich nicht schämen, so etwas brauchte seine Zeit und es würde nicht schneller gehen, wenn ich mich deshalb verrückt machte oder etwas. Es war einfach so, wie es eben war.
Dass ich Danny bei diesem Weg an meiner Seite hatte, das war das Beste, was mir hatte passieren können. Natürlich war ich so oder so nicht allein damit, aber genau das war eine Hilfe für mich und deshalb wusste ich auch, dass ich genau diesen Schritt mit ihm teilen musste. Das Gespräch darüber war natürlich schwierig gewesen, aber Danny konnte mich verstehen und er würde für mich da sein. Ich glaubte fest daran, dass ich es dann auch schaffen würde. Genau darauf konnte ich mich verlassen und genau das fühlte sich richtig an.
Und so gesehen waren wir uns genau durch dieses Vorhaben noch einmal nähergekommen. Denn Danny wusste, dass ich ihn brauchte, und ich hatte mich ihm anvertraut. Wir zwei gemeinsam würden das schaffen, wir brauchten uns und wir waren für uns da, genauso funktionierte es. Genauso fühlte es sich richtig an und ich konnte sehen, wie stolz und glücklich Danny war, dass ich das mit ihm teilen wollte, auch wenn es nicht angenehm werden sollte, aber das gehörte genauso dazu. Wie alles.
Wir würden das schaffen und wir waren nicht allein. Ich fühlte mich so schon sehr viel sicherer mit dem Vorhaben. So war es. Meinem Freund ging es irgendwo wohl ähnlich. Wir wussten, dass wir zusammengehörten, und jeder Moment, der uns das bestätigen konnte, fühlte sich am Ende gut an, ganz gleich, was für eine Situation es auch sein mochte.
Es dauerte natürlich noch etwas. Wir hatten auch noch andere Dinge im Blick und mein erster wichtiger Schritt war es immerhin gewesen, genau diesen Entschluss zu fassen, dass ich es tun wollte und dass ich Danny dabei haben wollte. Das war schon wichtig, etwas, über das ich zuvor schon nachgedacht hatte, das jetzt aber Realität werden würde.
Gleich am Neujahr war es natürlich noch nicht geplant gewesen. Da hatten wir genug damit zu tun, auszuschlafen, uns zu sammeln und wieder nach Hause zu fahren. Außerdem wollte uns dann auch schnell der Alltag wieder haben.
Die Universität hatte keine langen Ferien über den Jahreswechsel, wir hatten wieder Arbeit zu tun – mein Freund vielleicht ein wenig mehr als ich, immerhin war ich nun auch inoffiziell fertig. Wir warteten auf die Auswertung unserer Arbeiten und darauf, dass wir offiziell den Abschluss machen würden. Es ging von da eigentlich auch schnell.
Dannys und mein Zusammenleben war schließlich auch vollkommen eingespielt. Wir wussten, was wir zu tun hatten und wie wir miteinander gut umgehen konnten. Damit schafften wir auch alles und dann rückte mein Abschluss auch ganz offiziell näher.
Danach würde sich noch einmal einiges verändern, das wusste ich. Das Ziel, auf das ich hingearbeitet hatte, und dass ich zuvor eigentlich schon erreicht hatte, schließlich hatte ich bereits zuvor in der Familienfirma gearbeitet. Aber das war ein anderes Thema.
Inzwischen war es nicht mehr lang hin, bis das alles wieder real war. Das bedeutete schließlich aber auch, dass ich mir noch konkreter vornahm, dass der Besuch am Grab meiner Mutter jetzt umgesetzt werden sollte.
Ich wollte es vor meinem Abschluss machen, bevor ich in der Firma anfing und diesen Schritt ging. Irgendwie fühlte sich dieser Zeitpunkt richtig an, vorher noch einmal bei ihr zu sein… Es war ein großer Schritt, den sie verpasste, dann wollte ich doch bei ihr sein, so gut es irgendwie ging. Das war vielleicht ein guter Anlass, sich damit auseinanderzusetzen.
Also hatte ich es mit Danny abgesprochen und wir hatten uns auf den Weg gemacht.
Es blieb auch mit ihm an meiner Seite schwer und merkwürdig. Ich wusste natürlich, dass sie tot war, ich war nicht bescheuert, ich wusste genau, dass es passiert war, und ich leugnete es nicht wirklich. Da war nichts zu leugnen, aber ich wollte es verdrängen, ich wollte mich damit nicht beschäftigen, dann tat es nicht so weh. Schmerz war Schwäche… aber hin und wieder musste man auch Schwäche zulassen, das gehörte zum Leben dazu.
Das war dieser Moment. Ich musste mich dem stellen. Das gehörte dazu und es fühlte sich richtig an, das jetzt zu tun. Ich würde zu ihr gehen.
Es war ja nicht das erste Mal, dass ich hier war. Mein Vater hatte mich früher schon mitgenommen, aber meine Erinnerungen daran waren merkwürdig und verzerrt. Ich hatte all das nicht wahrhaben wollen. Einem Teil von mir ging es dabei vielleicht jetzt noch ganz ähnlich. Aber ich wusste es besser.
Es war ein schwerer Weg, aber mit Danny an meiner Seite schaffte ich es dann doch. Da hatte ich eine mentale Stütze. Jemand, vor dem ich auch mal schwach sein konnte, jemand, der bei mir war und bei mir bleiben würde. Das Gefühl half mir durch den schweren Moment hinweg.
Unsere Familiengruft war am städtischen Friedhof in einem großen, beinahe hübschen Gebäude. Dort stieg man hinab zu den Särgen und Gedenkstätten. Ich wusste, dass mein Großvater sich beschwert und nicht gewollt hatte, dass sie hier liegen würde. Aber mein Vater hatte sich durchgesetzt. Sie sollte da liegen, wo er auch eines Tages liegen würde. Es war so schwer, an all das alles zu denken…
Es riss mir beinahe die Füße unter dem Boden weg.
Die Stille in dem großen Raum, die Reinheit dieses weißen Marmorsarges und der Gedanke, das sie dahinter verborgen lag. Für immer.
Mir wurde schwindelig und in diesem Moment kamen mir so viele Gedanken. So vieles, das schwer zu verarbeiten war. Die Schwere der Realität traf mich. Das war ihr Sarg, das war ihre letzte Ruhestätte. Die letzte. So wie man es sagte, so wie man es ausdrückte. Still starrte ich auf den weißen Sarg. Das zu verarbeiten… war nicht leicht, dabei wusste ich es. Aber manchmal waren auch vollkommen klare Dinge schwer zu akzeptieren.
Dennoch war ich jetzt hier. Gemeinsam mit Danny und ich stellte mich der Realität. Ich musste mich damit auseinandersetzen. So nah war ich ihr jetzt und es machte mich traurig, weil ich nicht wollte, dass sie tot war, weil ich sie bei mir haben wollte, weil ich ihr so viel erzählen wollte, aber das ging nicht mehr. Und es war in Ordnung, dass ich deshalb traurig war.
Ich atmete etwas durch und kam zur Ruhe. Allerdings stand ich auch dabei nicht ruhig hier. Es war in gewisser Art und Weise erschütternd. Aber so war es. Ich musste das aushalten, ich würde das aushalten. Mit Danny gemeinsam.
Ich sah, dass er ebenfalls etwas erschlagen von dem Moment dastand. Für ihn konnte das ja auch nicht einfach sein. Wie auch? Ich erkannte, dass er mich beobachtete und wartete, er wusste nicht genau, wie er reagieren sollte, aber er wollte da sein. Dennoch war er irgendwo verwirrt von all dem. Das war zu sehen. Er gab sich Mühe. Das war schon genug. Und er war hier. Das war noch wichtiger. Ich fühlte mich gut. Seinetwegen. Das war mir klar. Ohne ihn hätte ich vielleicht noch länger gearbeitet. Ich war mit ihm hier und er hatte mir die Kraft gegeben, das überhaupt doch noch zu tun, weil ich ihn hatte…
Mit diesem Gedanken fühlte ich mich schon besser. Ich war glücklich. Während ich so traurig war. Und alles davon war in Ordnung.
Ich bemerkte seinen Blick, der zu den roten Rosen wanderte, die auf dem weißen Grab lagen. „Mein Vater… kommt einmal im Monat her und bringt ihr neue Blumen…“, meinte ich nach einem kurzen Moment. „Er… hat mich auch vorher schon mal angesprochen, warum ich quasi nie mitkomme…“ Als ich kleiner war, hatte er mich mitgeschleift, aber später ging das ja nicht mehr so einfach… Und manchmal hatte ich mich dazu bereit erklärt, aber von selbst war ich nie hierhergekommen…
Einen Moment war es still. Das alles konnte man verstehen oder auch nicht. Es war schwierig. Es würde immer irgendwie schwierig bleiben. Aber Danny nickte leicht und griff dann vorsichtig nach meiner Hand. Er war sich auch unsicher, das konnte ich ihm ansehen. Ich kannte ihn inzwischen schon. Ich konnte das sehen. Und ich konnte es ihm nicht verübeln. Was sagte man in so einer Situation? Was sagte man bei so etwas? Ich war mir ja selbst nicht so sicher, was mir helfen würde… Außer natürlich der Tatsache, dass er da war.
Sachte drückte ich seine Hand. Ich wollte ihn bei mir haben. Das half mir schon mit dem klarzukommen, das so riesige Probleme für mich in der Vergangenheit gemacht hatte. Ich seufzte leicht. . „Ich weiß ja auch, dass es absurd ist… dieser Ort… das ändert ja nichts daran. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass sie tot ist und nichts sie je wieder zurückholt. Ob ich nun hier bin oder nicht… dennoch ist es komisch. Ich habe so viele Erinnerungen an sie… und hier zu stehen und zu wissen, dass sie da liegt… es ist… so komisch…“, gestand ich dann auch einfach. So weit ich reden konnte, würde es mir helfen. Und Danny vertraute ich vollständig, das konnte helfen.
„Es ist in Ordnung…“, gab er zurück und lächelte mich verlegen und unsicher an. Wie sollte man in so einer Situation auch wissen, was man sagen sollte? „Es ist komisch… das ist es wahrscheinlich immer…“
Ich nickte. Er hatte absolut damit recht. Genau deshalb musste ich es akzeptieren. Ich zog ihn in meine Arme und hielt ihn dicht bei mir. Genau das war es jetzt, was mir half, diesen Moment auszuhalten. Es war… ja nur ein alberner Ort, aber es sorgte schon dafür, dass mein Körper ganz anders reagierte. Ich hatte weniger Kontrolle… aber das war gerade in Ordnung. Wir würden das gemeinsam schaffen und daran musste ich mich erinnern.
„Denkst du… hin und wieder an sie?“, flüsterte Danny dann wie von selbst. Und nachdem ihm das aufgefallen war, setzte er gleich noch etwas nach: „Ich meine… du musst nicht reden, wenn du nicht willst.“
Ich musste kurz überlegen. Ich würde sehen, ob es ging… aber eigentlich wollte ich mit ihm darüber sprechen, also versuchte ich es, meine Gedanken rauszulassen: „Ja, hin und wieder… Man fragt sich ja solche Sachen. Was würde sie dazu sagen, wenn sie mich so sehen könnte? Würde sie mir bei meinen Entscheidungen zustimmen oder hätte sie etwas anderes dazu zu sagen? Solche Sachen gehen einem durch den Kopf… Sie… war mir so wichtig… und ich habe Angst, dass ich das als Kind nicht richtig wertgeschätzt habe.“
„Du warst ein Kind…“, flüsterte Danny mir zu, nachdem er einen Moment über meine Angst nachgedacht hatte. „Niemand kann von dir verlangen, dass du deine Eltern zu dem Zeitpunkt wertschätzt… selbst du hast das Ausmaß nicht als Kind sehen können… und du weißt es jetzt… Ich bin mir sicher, dass deine Mutter das versteht… bei allem, was ich schon von ihr gehört habe, ist sie genau die Art von großartiger Frau, die das verstanden hätte…“
Ich schluckte, aber ich musste etwas lächeln. Es stimmte… eigentlich wusste ich das… oder ich sollte es wissen. Aber es tat einfach gut, das von jemandem zu hören…
„Und deshalb bin ich mir auch sicher… dass sie stolz auf dich ist…“, auch Danny schluckte leicht. Natürlich bedrückte es ihn auch. „Wahrscheinlich wäre sie nicht mit allem einverstanden, aber ich bin mir sicher, dass sie stolz darauf gewesen wäre, dass du all das tust, dass du deinen Weg gehst und aus deinen Fehlern lernst, dass du an dir arbeitest und zu so einem großartigen Menschen geworden bist… Ich… habe nicht viel Ahnung von deiner Mutter, aber nach allem, was du erzählt hast, kann ich mir nichts anderes vorstellen.“
Ich hörte ihm aufmerksam zu. Er drehte sich etwas und sah mich an. Es tat wirklich gut, ihn hier zu haben. Ich atmete tief durch und blickte ihn an. „Da… magst du Recht haben, Sweetheart… gute Einschätzung“, murmelte ich vor mich hin. Das war es wirklich… und es war gut, das zu hören. Ich spürte die Tränen in meinen Augen und lachte kurz auf, um sie etwas zu verdrängen. Der Moment… war noch emotionaler, als ich erwartet hatte… aber das war nichts Schlechtes.
Danny legte den Kopf an meine Brust und drückte sich noch etwas mehr an mich, während ich ihn festhielt. Es war ein gutes Gefühl, ich hatte ihn nah bei mir und ich konnte mich an ihm genauso festhalten. Einige Zeit standen wir nur da. Ich fühlte mich etwas sicherer, je länger ich hier war. Es war noch immer komisch, aber… das war auch nicht das Ziel. Ich musste das nicht alles gut finden, ich musste es nur aushalten. Ich musste es akzeptieren. Und das würde ich.
„Ich bin mir sicher… dass sie das alles weiß…“, flüsterte Danny nach einiger Zeit, während er sich an mir festhielt. Wahrscheinlich wollte er die Stille brechen. „Und dass sie sehr glücklich wäre, wenn sie dich so sehen könnte, wie du das alles machst…“
Erneut musste ich lächeln. „Ihr hättet euch so gut verstanden…“, flüsterte ich ihm wiederum zu. Der Gedanke war so schön wie traurig zugleich. Aber auch daran konnte man nichts mehr ändern. Und es tröstete mich ein bisschen, dass sie glücklich damit gewesen wäre, und da war ich mir sicher. Natürlich wünschte ich sie mir hier, aber… so lange ich das alles nicht verdrängte, konnte ich zumindest an ihrer Erinnerung weiter teilhaben.
„Das freut mich“, gestand Danny und ich drückte ihn noch einmal mehr an mich heran.
Ein weiteres Mal war es ruhig. Wir standen da und ich betrachtete den Sarg. Da war so viel, das ich noch verarbeiten musste, das war nicht mit einem Besuch getan, aber ich war froh, dass ich es getan hatte und dass ich die richtigen Schritte machte. Es fühlte sich schon gut an.
Nach einiger Zeit verließen wir wieder Wortlos die Gedenkstätte und ich rief ein Taxi, das uns zurück bringen würde. Da saßen wir nun.
„Danke, Sweetheart“, murmelte ich, einigen weiteren Momenten, in denen ich nur an all das gedacht hatte, was schon vergangen war. Es war richtig, es fühlte sich gut an. Ich war ein wenig klarer. Aber es war noch immer ein langer Weg. „Ich bin wirklich froh, dass ich dich habe.“
„Ich dich auch…“, erwiderte mein Freund. Er lächelte mich an. Und ich fühlte mich gut bei all dem. „Ich meinte das alles, wie ich es gesagt habe…“
„Ich weiß…“, ich legte ihm vorsichtig den Arm um die Schultern und drückte ihn zu mir.
Einen Moment war es noch still, dann sprach Danny aus, was ihm noch so auf dem Herzen lag: „Es ist… unglaublich, dass du in ein paar Tagen durch mit der Uni bist und anfängst zu arbeiten…“
„Ich muss mein Büro noch einrichten…“, warf ich ein und kam dabei tatsächlich noch einmal ganz anders auf andere Gedanken. „Und du wirst dich an weit mehr Luxus gewöhnen müssen, wenn ich mehr Geld verdiene…“ Ich grinste etwas.
Aber auch mein Freund wollte dabei wohl nicht so leicht beigeben. „Aha… mehr… soso…“, scherzte er.
„Pass bloß auf, sonst kaufe ich dir zur Strafe ein paar Hemden und zwinge dich, sie zu tragen“, drohte ich amüsiert.
Doch Danny setzte gleich noch einmal etwas drauf: „Nicht die Strafe, mit der ich gerechnet hatte.“ Dann lächelte er etwas. „Aber keine Sorge… ich kann mich an alles gewöhnen, für die Leute, die ich liebe… Ich habe mich auch daran gewöhnt, dass… Tiff und Eric ein Paar sind.“
Da musste ich lachen. „Da hast du ehrlicherweise aber auch nichts dran auszusetzen, es ist ihr Leben“, warf ich dann ein und sah ihn etwas ernster an. Aber mir war ja bewusst, dass er sich nicht wirklich darüber beschwerte, es war nur gewöhnungsbedürftig für ihn. Das konnte ich sogar irgendwo nachvollziehen.
Aber er spielte sich in solchen Dingen ja gerne auch mal auf: „Ey, fall mir nicht in den Rücken. Tiff ist… so was ähnliches wie meine Schwester, da werde ich es ja wohl eklig finden dürfen, wenn sie was mit meinem ehemaligen Mitbewohner anfängt!“
Es war schon ziemlich süß. Natürlich kümmerte es ihn nicht so sehr, es hatte ihn etwas verstört, aber natürlich auch nicht so sehr mitgenommen. Natürlich nicht. „Du hörst aber schon auch selbst, wie albern du dabei klingst, nicht wahr, Sweetheart?“, scherzte ich.
„Ja, ja“, gab er gespielt beleidigt von sich. „Sie sind ja auch irgendwie… ganz in Ordnung… also schon süß. Komisch ist es trotzdem.“ Das konnte er sich dann auch noch eingestehen. Es war sicherlich klar, dass er ein wenig schwierig damit umging, Tiffany war ihm ja auch sehr wichtig, wie er schon sagte, da war so eine Umstellung schwierig, aber sie gehörte eben dazu.
Danny würde sich daran gewöhnen, da war ich mir sicher, außerdem tat er ja auch alles dafür, was notwendig war. Er traf sich weiter mit ihr, sie redeten, all das war deutlich zu sehen und es war gut. Solche Umstellungen würde es immer geben, aber ich war froh, dass es Danny nicht so sehr mitnahm, wie er im Scherz öfter mal sagte. Da war ich mir ganz sicher.
Das Leben ging schließlich weiter. Und eigentlich mochte er Eric ja sogar. Er würde sich daran gewöhnen und alles weitere müsste ohnehin die Zeit zeigen.
Aber da war ich mir sicher, es würde sich alles schon zum Guten wenden…