Wie Eis
von KirjaKei
Kurzbeschreibung
Bryce ist sicherlich nicht das, was man einen Durchschnittsstudenten nennen kann; geboren als Erbe eines riesigen Wirtschaftsunternehmens ist er sich seiner Qualitäten mehr als bewusst, hat sich nie wirklich Sorgen um etwas machen müssen und nutzt diese auch ohne groß zu zögern aus, zumindest so lange bis Danny in sein Leben stellt und Stück für Stück dafür sorgt, dass die kalte Fassade von Bryce zu schmelzen beginnt… [Paralleltext zu ‚Wie Feuer‘: MxM, Lemon, kann Spuren von BDSM enthalten]
GeschichteHumor, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
03.06.2020
30.03.2022
114
562.601
97
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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03.06.2020
5.010
Hei,
ich bin eigentlich nicht so der Freund von Vorworten, aber da das Kapitel eh schon sehr lang wird und ich doch ein paar Sachen erklären möchte, ist das wohl notwendig.
Ich habe lange mit mir gehadert, ob und wie ich das hier mache und habe mich jetzt schließlich für diese Methode entschieden und hoffe, dass sie vielleicht auch Anklang findet und unterhalten kann.
Wie in der Kurzbeschreibung erwähnt handelt es sich um einen Paralleltext zu meiner Geschichte „Wie Feuer“, in diesem Sinne wird hier in jedem Kapitel die gleiche Handlung aus der Perspektive des zweiten Hauptcharakters beschrieben. Das heißt, dass sich hier neue Szenen finden werden – die beiden sind ja nicht die gesamte Zeit am gleichen Ort – aber auch die anderen Szenen mit zusätzlicher Beschreibung und Einblick in die Gedanken des zweiten Protagonisten. Da mir das aber auch irgendwie zu wenig war, habe ich mir vorgenommen, jedes Kapitel noch mit einem Flashbackkapitel zu verbinden, die zu dem ursprünglichen Kapitel passen, in den ersten drei Kapiteln wird es am gleichen Ort spielen, beim vierten Kapitel einen wichtigen Gegenstand aus dem Hauptkapitel beinhalten und „erklären“ und so weiter… Diese Kapitel sind nicht chronologisch, ich werde mir aber Mühe geben, dass man sie gut einordnen kann. Vielleicht nutze ich diese Geschichte in Zukunft auch einmal an passender Stelle dafür, ein Flashback zu Danny zu schreiben, da bin ich mir noch nicht sicher, symbolisch gefällt es mir einfach besser, beide Perspektiven klar voneinander zu trennen.
Dem sei aber noch einmal gesagt, dass die Geschichte aber auch alleinstehend gelesen werden kann, sie stopft nicht nur Lücken, sondern die Perspektive von Bryce soll selbstverständlich auch eine eigenständig lesbare Story sein. Sollte man an beiden Perspektiven interessiert sein, würde ich allerdings die andere Reihenfolge empfehlen, erst Feuer, dann Eis, ginge sicherlich auch anders oder einzeln, sowie auch eventuell nur für die Flashkapitel.
So oder so, ich hoffe sehr, dass auch diese Geschichte unterhält, ich hatte beim Schrieben und beim Ausprobieren des Perspektivwechsels großes Vergnügen, auch wenn Bryce‘ Perspektive vielleicht etwas spezieller ist.
LG Kei
Kapitel 1: Neuschnee
Es war ein normaler Dienstagmorgen, der kürzeste Tag meiner Uniwoche. Früh am Morgen ein Seminar, danach eine Vorlesung und schon konnte ich auch wieder nach Hause gehen, an meinen Schreibtisch, oder an welcher absurden Veranstaltung, die meine beste Freund geplant hatte, teilnehmen. Aus irgendeinem Grund schienen sich auch dafür Dienstage anzubieten, aber ich hatte mich daran gewöhnt. Ordnung und Kontrolle waren in meinem Leben wichtig, das waren Grundsätze, auf denen man aufbauen konnte. Und wenn die Planung noch so merkwürdig klingen wollte, wenigstens war der Tag durchgeplant. Ich war nicht nur durch meine Erziehung ein ordentlicher Mensch, es war mir ein eignes Bedürfnis. Genau deshalb war ich an diesem Morgen auch pünktlich an dem Ort, an dem Rachel sich mit mir vor dem Seminar treffen wollte. Und meine beste Freundin war selbstverständlich zu spät.
Das passierte ihr auch öfter. Entweder kam sie unerwartet oder sie kam zu spät. Inzwischen jedoch war ich das Warten gewohnt. Ich hatte mich darauf eingestellt. Gleichzeitig hatte ich mich ja inzwischen auch darin geübt nach außen hin die Ruhe selbst zu sein. Ich zeigte ungern Emotion, das war für mich noch immer ein Ausdruck von Kontrollverlust gewesen und ich hatte mich immer unter Kontrolle. Genau das brauchte es auch, wenn man erfolgreich sein wollte. Das wusste ich schon sehr lange.
Und genau deshalb gab ich mich auch so ruhig, vielleicht etwas kalt, aber das war alles zweitanging, immerhin ging es mir nicht darum, dass die Leute mich mochten. Sie mussten mich nicht mögen, aber auf Grund meines Erfolges, mussten sie mit mir zu tun haben, sie mussten also lernen mit mir umzugehen. Und wenn man mir vorwarf, mich nicht einschätzen zu können, weil ich so wenige Emotionen zeigte, dann war das für die Wirtschaft, das Hauptfach, das ich studierte, ganz besonders von Vorteil. Also übte ich mich schon jetzt darin, in jeder Situation die Kontrolle zu bewahren.
Angesichts dessen, was als nächstes während meines Wartens passierte, war das allerdings nicht mehr ganz so leicht. Ohne die geringste Vorwarung und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit bog jemand um die Ecke, hinter der ich stand und lief direkt in mich hinein. Mitsamt des Kaffees, den er transportierte und der durch den Zusammenstoß auf meinem Hemd landete. Die weiteren Utensilien, die er getragen hatte, landeten zwischen uns auf dem Boden: seine Bücher und die Plastikbecher, in denen sich eben noch Kaffee befunden hatte. Wahrscheinlich konnte ich von Glück sprechen, dass in beiden Heißgetränken viel Milch gewesen war, doch auch damit war die heiße Flüssigkeit in meinem Brustbereich mehr als unangenehm. Und ebenso unangenehm war die Tatsache, dass sie mein Hemd vollständig ruinierte…
Der junge Mann, der in mich gelaufen war, sah mich vollkommen schockiert an. „Es tut mir so leid, ich bin spät dran, es ist alles meine Schuld“, begann er zu stottert und schien nicht wirklich zu wissen, wohin er sehen sollte. Zumindest war es ihm auch unangenehm. Ich spürte dennoch, wie leichte Wut in mir aufkam. Ich hatte keine Zeit mehr, das Hemd zu wechseln und der doch etwas breitere, hellbraune Fleck, der nun meine Brust zierte, sprach mich ästhetisch keinesfalls an.
„Selbstverständlich ist sie das“, gab ich kühl zurück und blickte in sein nun sehr erstauntes Gesicht.
Er zuckte leicht zusammen und während er in seinem Kopf wohl die Möglichkeiten durchging, was er nun sagen sollte oder konnte, hatte ich einen Moment Zeit, ihn doch noch einmal zu mustern. Er war ein Stück kleiner und schlanker als ich, wahrscheinlich auch etwas jünger, aber nicht viel. Ich schätzte ihn auf Anfang 20. Sein braunes Haar war etwas länger, zählte wohl aber noch immer als Kurzhaarschnitt, auch wenn man das auf Grund der wenigen Ordnung, die in seiner Frisur vorhanden war, wohl nicht so einfach sagen konnte. Er trug eine einfache Jeans und ein recht farbenfrohes, einfaches T-Shirt. Seine Haltung hatte nun eindeutig der Situation geschuldet abgebaut, er machte sich kleiner als er war. Das Ganze war sehr verständlich, immerhin hatte ich eine strenge Miene aufgesetzt und blickte ihn genau damit gerade an. Unsere Blicke trafen sich und ich konnte direkt in seine Augen sehen, hellbraun, warm mit einem sanften Ausdruck…
„Es… es tut mir total leid, wirklich. Ich bringe das wieder in Ordnung, versprochen!“, erklärte er dann auch schon schnell, aber noch immer stotternd.
Ich musterte ihn und schnaubte nur leicht. Von seiner Entschuldigung hatte ich leider nicht sonderlich viel, zudem konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich überhaupt bewusst war, was er da angestellt hatte. Der Stoff an meiner Brust begann unangenehm zu kleben und das lag sicherlich nicht nur an der Flüssigkeit, sondern auch an dem massigen Zucker, der sich darin befunden hatte. Ein widerliches Gefühl war das und ich musste es ja immerhin auch noch die nächsten Stunden ertragen.
„Ich meine das ernst!“, sagte er noch einmal. „Ich tue alles, was nötig ist, ich bezahle die Reinigung!“
Da schlich sich auf meine Lippen ein leichtes Grinsen. „Aha“, sagte ich mit einem Seufzen. Wenn er das wollte, auch wenn er offensichtlich nicht wusste, worauf er sich einließ, dann gut. Hinter ihm in einiger Entfernung sah ich gerade, wie Rachel auf den Flur bog. Bevor sie sich auch noch in die Situation einmischen würde, war mir bewusst, dass ich das Gespräch beenden sollte, also setzte ich den einzigen vernünftigen Vorschlag für diese Situation fest. „Gut, dann morgen früh, gleiche Zeit hier. Ich habe keine Lust deinetwegen auch noch zu meinem Seminar zu spät zu kommen. Ich bringe die Rechnung dann morgen mit.“
Ich wartete nicht darauf, was er wohl sagen würde und wandte mich einfach zum Gehen. Meiner Freundin entgegen, immerhin waren wir inzwischen spät dran und ich musste mich auch noch halbwegs um diesen Schandfleck aus verschiedensten Substanzen kümmern!
Rachel begrüßte mich mit Verwunderung, während wir uns auf den Weg zum Seminarraum machten. Und natürlich auch mit Belustigung angesichts meines ruinierten Hemdes. Auch wenn sie genau wusste, dass sie vorsichtig sein musste, aber gleichzeitig war uns auch beiden bewusst, dass sie der einzige Mensch war, dem ich so etwas durchgehen lassen würde.
„Ist der süße Typ dafür verantwortlich, dass dein Hemd so aussieht?“, fragte sie mit einem leichten Kichern und reichte mir zumindest ein Taschentuch, aber viel half das bei dem Fleck ganz eindeutig nicht mehr.
„Wenigsten vermutest du nicht, dass ich selbst schuld an diesem Fauxpas bin“, gab ich doch noch weiter bemüht ruhig und kühl zurück.
Da musste Rachel noch etwas breiter grinsen. „Da ist eindeutig Milch in diesem Kaffee gewesen und du riechst nach Vanille… Also kann das auf gar keinen Fall dein Kaffee gewesen sein. Also?“
Ich räusperte mich und sah sie ernst an. „Ist es nicht erschreckend offensichtlich, was hier passiert ist.“
Ein wenig enttäuscht sah sie mich schon an.
Also seufzte ich noch einmal und schüttelte im Gehen nur leicht den Kopf. „Ich treffe mich morgen mit ihm, er will mir die Rechnung bezahlen“, erklärte ich ihr ruhig und da hatten wir auch schon den Raum erreicht.
Meine beste Freundin war noch immer amüsiert. „Oh der Arme, sei nicht zu böse zu ihm“, elegant ließ sie sich auf ihren Platz gleiten und blickte mich an.
„Nicht zu böse?“, fragte ich nach und nahm ebenfalls Platz. „Schau mich mal an, ich muss jetzt die nächsten Stunden so rumlaufen!“ Ein wenig angesäuert war ich schon noch, und damit hatte der Tag gerade erst angefangen.
„Du könntest auch das Hemd einfach ausziehen. So viele Leute sollten sich nicht beschweren, wenn du obenrum frei rumläufst.“ Auf meinen ernsten Blick hin unterdrückte sie ihr Kichern und schüttelte nur ruhig den Kopf. „Aber im Ernst… Nicht dass du den armen Jungen in den Bankrott treibst, denk mal drüber nach.“
Damit hatte sie schon eher Recht. Mein Hemd wie meine restliche Kleidung war ziemlich viel wert und die Reinigung würde recht viel kosten, mehr als der übliche Student einfach mal so ausgeben könnte. Und gleichzeitig wäre es für mich aufgrund meines familiären Hintergrundes nur Kleingeld. Genau deshalb wäre es eigentlich auch absurd, den anderen zahlen zu lassen. Mir war das bewusst, aber er hatte das immerhin angebracht. Und in dem Moment hatte ich nicht viel dagegen sagen können. Dennoch hatte ich kein sonderlich großes Interesse diesen Fremden in Schwierigkeiten zu bringen, ich kannte ihn ja nicht einmal. Und auch wenn mir ein unangenehmer Tag bevorstand, rechtfertigte das nicht zu übertreiben. Dennoch ganz damit davonkommen lassen wollte ich diesen ungeschickten Chaoten dann ja doch nicht. Ich sollte mir in der Tat also etwas überlegen. Bis zum nächsten Morgen hatte ich dafür ja noch Zeit.
Der Rest des Tages verlief ruhig, wirklich trauen, blöde Sprüche über mein Hemd zu reißen, tat sich niemand, auch wenn man ihre verwirrten Blicke eindeutig sehen konnte. Aber zumindest hatte ich mir genug Respekt und Ansehen erarbeitet, dass mich in meinen Kursen niemand von selbst darauf ansprechen wollte. Und ich teilte ihnen nichts mit. Das ging ja nun auch niemanden etwas an. Wirklich unangenehm waren mir die Blicke der anderen nicht, es hatte mich noch nie wirklich interessiert, was irgendjemand von mir gedacht hatte. Und aufgrund eines solchen dummen Kaffeefleckes würde ich sicherlich nicht damit anfangen, mein Selbstvertrauen zu hinterfragen. Dennoch war der Tag durch all diese Blicke anstrengender und das verstärke meinen Wunsch, den anderen am nächsten Tag vielleicht doch etwas für das, was er zu verantworten hatte, leiden zu lassen.
Ich war mehr als rechtzeitig an dem vereinbarten Treffpunkt. Die Zeit überbrückte ich, in dem ich auf meinem Handy Nachrichten las, bis ich die Schritte hörte. Zum Glück ruhiger, auch wenn ich mehr Abstand zu der Ecke genommen hatte. Ich blickte auf und musste leicht grinsen. „Du bist tatsächlich gekommen“, begrüßte ich ihn gleich, wenn auch etwas kälter. Ich hätte mir sogar vorstellen können, dass er fernblieb, wäre vielleicht auch besser für ihn gewesen, aber auf der anderen Seite hatte sein Gestammel schon sehr ehrlich geklungen, er wirkte nicht wie jemand, der so etwas versprechen und dann nicht zu seinem Wort stehen würde.
Ein wenig hatte ich überlegt, wen ich da eigentlich vor mir haben könnte. Er wusste eindeutig nicht, wer ich war, das bedeutete, dass er nicht so wie ich Wirtschaft studieren konnte, wir hatten keine Kurse zusammen. Die farbenfrohe Kleidung und die zerrissene Jeans ließen dahingegen eher auf einen eher freies Hauptfach schließen, vielleicht etwas Kreatives. Kunstvorlesungen gab es immerhin auch auf diesem Gang, damit wäre auch geklärt, wohin er gestern des Weges war, aber diese Vermutungen behielt ich erst einmal noch für mich.
Auf meine Aussage hin, war er offensichtlich beleidigt: „Natürlich, ich habe doch gesagt, dass ich dir die Reinigung bezahle. Also ich bin übrigens Daniel, aber meine Freunde nennen mich Danny. Und du?“
Seine Empörung belustigte mich. Er war leicht anzustacheln und ich musste schon zugeben, dass mir das gefiel. Die wenigsten Leute machten ihre Empörung mir gegenüber deutlich und ich wollte wissen, wie weit das wohl noch gehen könnte. „Bryce“, stellte ich mich dann auch kurz vor. „Ich dachte, du habest das aus Höflichkeit gesagt und würdest dich heute eher darum drücken, zu zahlen. Ehrlich gesagt hätte ich das auch verstanden.“
„Was soll das denn heißen?“, irgendwie fand ich es wirklich süß, wie gekränkt und empört er über meine Aussagen war.
„Nun, wenn man dich anschaut. Allein die zerrissene Hose, ich gehe nicht davon aus, dass du es dir leisten kannst, die Rechnung zu zahlen“, gab ich noch immer ruhig zurück und dabei fielen mir die Worte von Rachel wieder ein. Selbst aus der Entfernung hatte sie die Lage wohl doch ziemlich gut eingeschätzt.
„Entschuldige bitte, aber die Hose ist so gekauft, das gehört so! Das nennt sich Style!“ Im ersten Moment war ich von dieser Aussage wirklich überrascht und hatte doch etwas Mühe, mich weiter ruhig zu verhalten. Seine Empörung war wirklich faszinierend, die Tatsache, dass er Widerworte an mich richtete und sich das wirklich nicht so gefallen ließ, obwohl er durch seine vorherige Handlung ja im Unrecht war, imponierte mir zusätzlich. Er ließ sich nicht von mir einschüchtern, nicht so wie die anderen Leute, die ich kannte. Und genau das gefiel mir.
Und doch würde ich ihn ganz sicher nicht so einfach davonkommen lassen. „Aha. Und dein Style… was hat er gekostet? 25 Dollar oder 30?“, fragte ich spöttisch nach und verzog das Gesicht. Er schien explosiv wie Dynamit und ich wollte ihn entzünden, genau dafür war mein Ehrgeiz gerade geweckt worden. Ich wollte ihn provozieren, es bereitete mir Vergnügen.
Für einen Moment schien ihn das mundtot zu machen, aber es bewegte ihn sicherlich noch nicht zum Rückzug. „Hast du jetzt die Rechnung, oder was?“, fragte er noch einmal nach.
Ich grinste ihn an, ich genoss den Augenblick, während ich die Rechnung hervorholte und sie ihm übergab, um dann zu sehen, wie seine Empörung sich langsam verwandelte in eine Mischung aus Verwunderung und Panik. „180 Dollar… für ein dummes Hemd, was soll das denn für ein kranker Scherz sein?“, fragte er geschockt nach.
„Kein Scherz. Das Hemd hat 450 Dollar gekostet, da muss man es auch vernünftig reinigen lassen. Und mit dieser widerwärtigen Mischung aus verschiedensten Formen von Zucker, die du wahrscheinlich auch noch Kaffee nennen möchtest, hast du es beinahe vollständig ruiniert. Also war diese Art der Reinigung mehr als notwendig.“ Meine Erklärung schien ihm zu reichen und gleichzeitig nahm es ihm jeden Wind aus den Segeln, den ich eigentlich gerade so interessant gefunden hatte, aber das war zu vermuten gewesen bei dieser Realisation.
Er sah schon ziemlich betroffen aus und es fiel ihm offensichtlich schwer das nun zu zugeben, aber langsam kam es ihm über die Lippen: „Das kann ich nicht zahlen…“
„Ja, das habe ich mir auch schon gedacht“, gab ich zurück, während er ein wenig den Kopf hängen ließ. Ja, ich liebte es auch einfach Recht zu haben, das musste ich eben auch noch zugeben. Aber der Fakt an sich störe mich überhaupt nicht, das Geld störte mich überhaupt nicht…
Aber genauso schien es für Danny auch nicht in Frage zu kommen, jetzt schon das alles zu akzeptieren: „Also hör mal, das ist ja wohl irgendwo auch deine Schuld. Wer trägt denn so bescheuert teure Kleidung an einem normalen Unitag? Da muss man doch damit rechnen, dass so was passiert!“
Ich wäre auch beinahe enttäuscht gewesen, wenn ich so einfach gewonnen hätte. So einfach war es immerhin immer und dabei wollte ich gar nicht, dass es einfach war. Ja, ich wollte gewinnen und das war ich immerhin gewohnt, aber ich wollte auch etwas dafür tun und ich genoss den Widerstand des anderen doch sehr. „Du steht also nicht zu deinem Wort, dass du das wieder in Ordnung bringst?“, fragte ich nach, um ihn noch weiter zu sticheln.
Es funktionierte teilweise. „Also… ich hatte mit 30 Dollar gerechnet, eine normale Reinigung halt. Das kann ich dir geben, aber… den Rest, das geht einfach nicht. Ich arbeite neben der Uni, um mir mein Leben zu finanzieren und so viel Geld… bleibt da nie übrig…“ Er wies mich zwar zurecht, aber er schien auch aufzugeben, immerhin hatte er mir ja zugesichert, für den Schaden aufzukommen, da hatte er nur nicht gewusst, was für ein Schaden das eigentlich war.
Als er dann auch noch in einem Rucksack wühlte, musste ich seufzen. Aber damit hatte ich ja schon gerecht, und nach Rachels Einwand hatte ich mir auch meine Gedanken gemacht. „Lass es, ich habe ja schon das Gefühl, ich würde dich ausrauben“, sagte ich, wenn auch nicht ohne Spott. „Ich habe eine andere Idee. Du kannst das Geld bei mir abarbeiten.“
„Bitte was?“, die Aussage schien ihn zu verwundern.
Mich brachte das nur noch weiter zum Grinsen. Das war die Welt, wie sie mir gefiel, ich hatte die Kontrolle in dieser Unterhaltung, eigentlich schon die gesamte Zeit, aber jetzt endgültig. „Komm jetzt nicht auf falsche Gedanken. Du kommst am Wochenende, Samstag oder Sonntag, deine Wahl, in meine Wohnung und putzt. Nur der eine Tag und alles ist vergessen und wieder in Ordnung gebracht. Was sagst du dazu?“, erklärte ich belustigt.
Wirklich überzeugt schien er noch immer nicht, aber er nickte. „Gut, machen wir das so. Am Samstag, die Schicht am Sonntag wird besser bezahlt.“ Eine andere Wahl hatte er ja genaugenommen auch einfach nicht als zuzustimmen…
Also nannte ich ihm meine Adresse und machte mit ihm aus, dass er am Samstag gleich um 11 Uhr kommen sollte. Auch dem stimmte Danny zu und dann trennten sich unsere Wege wieder.
Bis Samstag war noch etwas Zeit und ich wusste, dass es da Dinge gab, über die ich zuvor nachdenken musste. Auf der einen Seite wollte ich es auch nicht nur bei dieser Aktion beruhen, nur zu putzen war mir noch zu einfach. Aber da war noch ein anderer Gedanke, der mir eben kam. Rachel hatte das so dahingesagt, aber sie hatte den Nagel schon auf den Kopf getroffen. Mir gefiel Danny. Ich fand ihn süß, aber um einiges interessanter war noch seine Art als nur sein Aussehen. Sein Auftreten faszinierte mich. Ich war es nicht gewohnt, dass es jemandem so egal war, ob er mir gefiel oder nicht. Ich hatte noch nie wirklich mit jemandem gesprochen, der gerne unbequem war, der sich mit mir wirklich anlegen wollte. Und diese Form von Widerstand gefiel mir. Danny wusste nicht, wer ich war. Deshalb behandelte er mich wie einen normalen Menschen, deshalb wollte er sich auch nicht so einfach von mir behandeln lassen. Und das war ein gutes Gefühl, ein neues.
Kapitel 1x: Neuschnee
Der erste Tag an der Universität hatte mir keine sonderliche Angst gemacht, keine Sorge und auch sonst keine Probleme. Ich war die Ruhe selbst, ich hatte die Situation unter Kontrolle. Ich war mehr als vorbereitet und wenn ich mir die Literaturliste des Einführungskurses so ansah, dann hätte ich diese Veranstaltung wahrscheinlich sogar halten können, aber das war wohl ein anderes Thema. Zumindest einer Person neben mir ging es damit anders: Quentin war nervös, und irgendwie war das auch verständlich. Mit Wirtschaft hatte er nie viel am Hut gehabt, seine Beweggründe das Hauptfach studieren zu wollen waren fragwürdig und so wie ich ihn kannte, war er wie immer schlecht vorberietet. Aber irgendwie würde Charlotte, seine Freundin, das schon wieder ausgleichen. Die beiden waren jetzt schon mehrere Jahre zusammen und auch wenn es von außen nicht immer so aussah, ein eingespieltes Team.
Eigentlich war es ein Glück und ein Segen, dass meine beiden besten Freunde das gleiche Hauptfach wählen wollten wie ich. Auch wenn ich keine Unterstützung brauchte, war es dennoch ein gutes Gefühl, sie an meiner Seite zu haben. Und damit meinte ich nicht Quentin und Charlotte, sondern viel eher Quentin und die Person, die mal wieder wie eigentlich immer zu spät kam. Seit unterer Schulzeit war es immer so gelaufen; Rachel kam unangekündigt oder zu spät.
Und nun standen wir zu dritt vor dem Gebäude, in dem der Einführungskurs stattfinden sollte, und wartete darauf, dass sie endlich auftauchte. Zumindest hatte der Kurs noch nicht angefangen, dafür hatte sie noch Zeit, es standen auch noch genug andere Studenten vor dem Gebäude, um die Zeit zu überbrücken. Und um schließlich Rachels Auftritt mit anzusehen…
Sie fuhr in einem Sportwagen vor, knallrot, sicherlich auf seiner Jungfernfahrt, und sie parkte so schief am Straßenrand, dass es keine Stunde dauern sollte, bis sie dafür ein Ticket bekam. Und natürlich sorgte das dafür, dass die Augen aller auf diesen Wagen gerichtet waren, während meine beste Freundin elegant ausstieg und auf ihren High-Heels auf uns zu stolziert kam, gekleidet in die neuste Designermode, die Lippen in der Farbe passend zu ihrem Wagen geschminkt und die Augen hinter einer Markensonnenbrille versteckt.
Ich war nicht in der Lage, meine Belustigung zu verstecken, während Charlotte die Augen verdrehte. „Warum bin ich bloß noch immer von diesem kindischen Verhalten überrascht?“, meinte sie und stöhnte leicht auf.
Quentin seufzte. „Schatz, du hast gesagt, du wolltest heute besonders nett sein.“
„Ja, da hatte ich noch gehofft, dass sie sich heute auch mal ausnahmsweise Mühe geben würde!“
„Hat sie doch“, gab ich amüsiert zurück, kam Rachel entgegen und umarmte sie kurz. „Hut ab, meine Liebe… Ich glaube die ‚Mein Vater hat mir einen Studienplatz hier gekauft‘ – Performance hast du inzwischen perfektioniert.“
Als sie sich wieder von mir löste, begann sie zu kichern, nahm dann ihre Sonnenbrille ab und winkte in die Runde. „Danke und ich dachte, ich probiere es einfach mal mit absoluter Ehrlichkeit, fühlt sich gut an!“
Erneut war Charlottes Aufstöhnen deutlich zu hören. Und ich sah den Blick, den Rachel ihr zuwarf. Es war sicherlich nicht leicht für jemanden, der in diese vielleicht auch zu vertraute Gruppe hineinzukommen, Quentin, Rachel und ich waren seit unserer Schulzeit unzertrennlich, wir drei gehörten zusammen und seit Quentin mit Charlotte zusammen war, hatte sich nicht viel daran geändert. Es konnte für jemanden wie sie nicht leicht sein, zu uns zu stoßen, allerdings hatte sie sich auch nie stark bemüht, sich anzupassen.
Ich räusperte mich kurz, legte den Arm um Rachel und zog sie zum Eingang des Gebäudes. „Wir waren uns alle einig, dass wir den Zickenkrieg heute mal auf Eis legen, nicht wahr?“, fragte ich nach und setzte ein übliches leicht kühles Grinsen auf, während wir weitergingen und die anderen beiden uns folgten.
Mit gespieltem Erstaunten sah sie mich an und schlug ein paar Mal die Augen auf. „Also bitte, ich bin immer für einen Waffenstillstand zu haben, dafür musst du nur dafür sorgen, dass sie die Waffe runternimmt. An mir liegt das nicht!“, erklärte sie mir zuckersüß.
Ich seufzte. „So viel zu der Ehrlichkeit dieses Jahr?“
Rachel verdrehte genervt die Augen. „Ja, gut, stimmt ja. Aber…“
Ich räusperte mich, während ich sie weiter zog. „Du trägst übrigens wirklich zu viel teuren Schmuck für eine Univeranstaltung. Meinst du nicht, eine der drei Ketten hätte es auch getan?“
„Die eine ist von meinem Vater, die andere von meiner Mutter und die dritte von ihrem aktuellen Freund“, gab sie nur ruhig zurück und blickte sich erst einmal um, während wir in den Seminarraum traten.
„Ah, und du wolltest natürlich nicht, dass jemand sich ausgeschlossen fühlt, wenn sie schon alle drei um deine Aufmerksamkeit konkurrieren“, schlussfolgerte ich und schüttelte bloß den Kopf, während ich mich nach Plätzen umsah.
„Oh bitte“, ertönte dabei Charlottes Stimme hinter uns. „Könntest du vielleicht versuchen, die verwöhnte und verzogene Göre noch ein wenig mehr raushängen zu lassen? Ich glaube, die Leute in der letzten Reihe haben noch nicht feststellen könne, wie billig du eigentlich bist!“
„Schatz“, warf Quentin ein und auch ich warf ihr nun einen warnenden Blick zu. Zumindest an dem ersten Tag hatten wir doch zumindest geglaubt, dass die beiden ihre ständigen Streitereien unterbrechen könnten.
Aber Rachel musste man in diesem Belangen nicht verteidigen. Das konnte sie auch allein. Sie hatte die Sonnenbrille inzwischen in ihrem Haar stecken und drehte sich nun zu Charlotte an. „Oh, das musst du gerade sagen, lass uns doch mal schauen“, mit diesen Worten griff sie nach Charlottes Handgelenk und zog es zu sich hin. „Die ist neu, oder? Mensch Quentin, wie hast du denn eine Piaget gefunden, die an Charlottes fürchterlich dicken Handgelenken einigermaßen passend aussieht, unglaubliche Eigenleistung, Schwester!“ Sie tippte noch einmal kurz gegen die schimmernde Uhr aus Weißgold an Charlottes Handgelenk und wandte sich dann ab und stolzierte voran durch den Raum.
Ich sah, wie Charlotte nach Luft schnappte und Quentin ihr beruhigend über den Rücken streichelte. Und gerade als seine Freundin Rachel hinterher stürmen wollte, trat ich dazwischen. „Lass es gut sein“, raunte ich ihr zu und sah sie kühl an. „Das ist genug an dieser Stelle, wenn ihr nachher noch Schlammketschen betreiben wollt, könnt ihr das in Quentins Garten machen, aber hier ist jetzt Schluss.“ Sie hielt meinem Blick nur einen kurzen Moment stand, bevor sie nickte und wir Rachel dann auch einfach zu den Plätzen, die sie ausgesucht hatte, folgten.
Meine beste Freundin lächelte und ließ ihren Blick durch die Reihen schweifen, während die anderen beiden ihre Sachen auspackten und ich mich erst einmal zurücklehnte.
Charlotte biss sich auf die Unterlippe, aber dafür beugte sich Quentin vor. „Rachel, hast du nichts zum Schreiben dabei?“, fragte er ruhig.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht zum Lernen hier. Ich bin nur eingeschrieben, um denjenigen zu suchen, der Daddys Firma übernimmt, indem er mir einen viel zu mickrigen Ring an den Finger stecken wird…“
Ein weiteres Mal war deutlich zu hören, wie Charlotte sich zusammenreißen musste, aber sie verkniff sich jeden weiteren Kommentar, während Rachel weiter durch die Reihen schaute.
„Wie wäre es beispielsweise mit dem?“, fragte sie an mich gewandt und deutete auf einen jungen Mann in der vordersten Reihe. Er trug ein einfaches Hemd und hatte kurze schwarze Haare.
Grinsend schüttelte ich den Kopf. „Keine Chance, der spielt in meinem Team.“
„Ernsthaft?“, Rachel blinzelte mich an. „Das erkennst du von hier an einem Blick?“
Ich hörte ein mehr als tiefes Seufzen von Charlotte, was mich nur noch mehr zum Grinsen brachte.
„Nein“, meinte ich ruhig. „Wenn du pünktlich gewesen wärst, hättest du genauso wie wir sehen können, dass er von seinem Freund hierher gefahren worden ist und die beiden sich mit einem Kuss verabschiedet haben.“
Etwas beleidigt sah sie mich an. „Was? Ihr habt ohne mich die ganzen anderen Leute beobachtet?“, fragte sie nach.
„Du warst zu spät“, meinte Charlotte nun bemüht neutral.
„Und ihr hättet nicht warten können?“
„Nein“, wiederholte ich noch immer mit dem amüsierten Grinsen auf den Lippen. „Ohne dich anzufangen, die anderen Studenten zu beobachten und zu bewerten, war die einzig rationale Entscheidung. Du kommst immer zu spät, deshalb macht es auch keinen Sinn, auf dich zu warten. Das ist empirisch bewiesen.“
Quentin seufzte. „Ich möchte anmerken, dass der eigentlich Einwand gegen die Tätigkeit sein sollte, dass wir fremde Leute beobachtet und bewertet haben, und nicht, dass wir dich ausgeschlossen haben, das zu tun. Diese Gruppe braucht einen moralischen Kompass…“
Rachel schnaubte. „Schaut mich nicht an, da habe ich keine Lust drauf. Soll Bryce den moralischen Kompass daten!“
„Ich date nicht“, warf ich kühl ein und zog mein Handy aus meiner Hosentasche.
„Ach, aber ich soll mich dafür opfern?“, mit diesen Worten erhob sich Rachel.
„Wo willst du hin?“, fragte ich ruhig ohne aufzusehen.
„Ich setze mich um“, sagte sie und ich hörte, wie sie sich noch einmal ihre Haare zurechtrückte. „Und ich suche jetzt unseren moralischen Kompass!“ Also stolzierte sie mit diesem Worten ein paar Reihen nach hinten und ließ sich einfach so auf den Platz neben einem jungen Mann mit längeren, brauen Haaren fallen und stellte sich ihm aufreizend vor.
Ich schüttelte den Kopf. „Man muss sie einfach gern haben, oder?“
„Muss man?“, fragte Charlotte augenblicklich.
Ich grinste. „Vielleicht auch nicht.“ Dann stand ich auf.
Quentin legte den Kopf schief. „Und wo willst du hin?“
„Ich setze mich auch um. Erstens will ich will angeben und außerdem… wenn Rachel nicht hier ist, dann bleibe ich sicher nicht allein 90 Minuten lang neben dem Pärchen sitzen!“ Ich grinste und zwinkerte beiden zu, während ich langsam nach vorne in die erste Reihe schritt. Immerhin war ich gut genug vorbereitet, um gleich in der ersten Sitzung zu glänzten und nun hatte ich auch allen Grund dazu.
Mit einem freundlichen Lächeln beugte ich mich zu besagtem schwarzhaarigen Mann vor, der vor sich auf dem Tisch mehrere Notizblöcke und Bücher verteilt hatte. „Ist der Platz neben dir noch frei?“, fragte ich ruhig.
Er sah auf und lächelte etwas verlegen. „Ja, klar… tut mir leid für die Unordnung.“
Ich setzte mich neben ihn und schüttelte den Kopf. „Kein Problem. Du nimmst das ernst, das ist schön zu sehen. Ich bin Bryce.“ Ich hielt ihm die Hand hin.
Er griff schnell danach und lächelte noch immer. „Thomas. Freut mich, dich kennenzulernen. Tut mir leid, ich bin etwas durch den Wind, der erste Tag und so…“
„Freut mich ebenso“, gab ich zurück und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. „Und mach dir keinen Kopf, ich kann das nachvollziehen.“ Obwohl ich es überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Nichts hiervon schüchterte mich ein, aber ich war es in meinem Leben wohl auch einfach gewohnt, der zu sein, der andere Leute einschüchterte. Es machte mich auch nicht nervös, neue Leute kennenzulernen, ich war die Ruhe selbst. Alles, was ich brauchte, war Kontrolle und die Kontrolle würde ich auch nicht während meines Studiums abgeben, ganz sicher nicht.
ich bin eigentlich nicht so der Freund von Vorworten, aber da das Kapitel eh schon sehr lang wird und ich doch ein paar Sachen erklären möchte, ist das wohl notwendig.
Ich habe lange mit mir gehadert, ob und wie ich das hier mache und habe mich jetzt schließlich für diese Methode entschieden und hoffe, dass sie vielleicht auch Anklang findet und unterhalten kann.
Wie in der Kurzbeschreibung erwähnt handelt es sich um einen Paralleltext zu meiner Geschichte „Wie Feuer“, in diesem Sinne wird hier in jedem Kapitel die gleiche Handlung aus der Perspektive des zweiten Hauptcharakters beschrieben. Das heißt, dass sich hier neue Szenen finden werden – die beiden sind ja nicht die gesamte Zeit am gleichen Ort – aber auch die anderen Szenen mit zusätzlicher Beschreibung und Einblick in die Gedanken des zweiten Protagonisten. Da mir das aber auch irgendwie zu wenig war, habe ich mir vorgenommen, jedes Kapitel noch mit einem Flashbackkapitel zu verbinden, die zu dem ursprünglichen Kapitel passen, in den ersten drei Kapiteln wird es am gleichen Ort spielen, beim vierten Kapitel einen wichtigen Gegenstand aus dem Hauptkapitel beinhalten und „erklären“ und so weiter… Diese Kapitel sind nicht chronologisch, ich werde mir aber Mühe geben, dass man sie gut einordnen kann. Vielleicht nutze ich diese Geschichte in Zukunft auch einmal an passender Stelle dafür, ein Flashback zu Danny zu schreiben, da bin ich mir noch nicht sicher, symbolisch gefällt es mir einfach besser, beide Perspektiven klar voneinander zu trennen.
Dem sei aber noch einmal gesagt, dass die Geschichte aber auch alleinstehend gelesen werden kann, sie stopft nicht nur Lücken, sondern die Perspektive von Bryce soll selbstverständlich auch eine eigenständig lesbare Story sein. Sollte man an beiden Perspektiven interessiert sein, würde ich allerdings die andere Reihenfolge empfehlen, erst Feuer, dann Eis, ginge sicherlich auch anders oder einzeln, sowie auch eventuell nur für die Flashkapitel.
So oder so, ich hoffe sehr, dass auch diese Geschichte unterhält, ich hatte beim Schrieben und beim Ausprobieren des Perspektivwechsels großes Vergnügen, auch wenn Bryce‘ Perspektive vielleicht etwas spezieller ist.
LG Kei
Kapitel 1: Neuschnee
Es war ein normaler Dienstagmorgen, der kürzeste Tag meiner Uniwoche. Früh am Morgen ein Seminar, danach eine Vorlesung und schon konnte ich auch wieder nach Hause gehen, an meinen Schreibtisch, oder an welcher absurden Veranstaltung, die meine beste Freund geplant hatte, teilnehmen. Aus irgendeinem Grund schienen sich auch dafür Dienstage anzubieten, aber ich hatte mich daran gewöhnt. Ordnung und Kontrolle waren in meinem Leben wichtig, das waren Grundsätze, auf denen man aufbauen konnte. Und wenn die Planung noch so merkwürdig klingen wollte, wenigstens war der Tag durchgeplant. Ich war nicht nur durch meine Erziehung ein ordentlicher Mensch, es war mir ein eignes Bedürfnis. Genau deshalb war ich an diesem Morgen auch pünktlich an dem Ort, an dem Rachel sich mit mir vor dem Seminar treffen wollte. Und meine beste Freundin war selbstverständlich zu spät.
Das passierte ihr auch öfter. Entweder kam sie unerwartet oder sie kam zu spät. Inzwischen jedoch war ich das Warten gewohnt. Ich hatte mich darauf eingestellt. Gleichzeitig hatte ich mich ja inzwischen auch darin geübt nach außen hin die Ruhe selbst zu sein. Ich zeigte ungern Emotion, das war für mich noch immer ein Ausdruck von Kontrollverlust gewesen und ich hatte mich immer unter Kontrolle. Genau das brauchte es auch, wenn man erfolgreich sein wollte. Das wusste ich schon sehr lange.
Und genau deshalb gab ich mich auch so ruhig, vielleicht etwas kalt, aber das war alles zweitanging, immerhin ging es mir nicht darum, dass die Leute mich mochten. Sie mussten mich nicht mögen, aber auf Grund meines Erfolges, mussten sie mit mir zu tun haben, sie mussten also lernen mit mir umzugehen. Und wenn man mir vorwarf, mich nicht einschätzen zu können, weil ich so wenige Emotionen zeigte, dann war das für die Wirtschaft, das Hauptfach, das ich studierte, ganz besonders von Vorteil. Also übte ich mich schon jetzt darin, in jeder Situation die Kontrolle zu bewahren.
Angesichts dessen, was als nächstes während meines Wartens passierte, war das allerdings nicht mehr ganz so leicht. Ohne die geringste Vorwarung und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit bog jemand um die Ecke, hinter der ich stand und lief direkt in mich hinein. Mitsamt des Kaffees, den er transportierte und der durch den Zusammenstoß auf meinem Hemd landete. Die weiteren Utensilien, die er getragen hatte, landeten zwischen uns auf dem Boden: seine Bücher und die Plastikbecher, in denen sich eben noch Kaffee befunden hatte. Wahrscheinlich konnte ich von Glück sprechen, dass in beiden Heißgetränken viel Milch gewesen war, doch auch damit war die heiße Flüssigkeit in meinem Brustbereich mehr als unangenehm. Und ebenso unangenehm war die Tatsache, dass sie mein Hemd vollständig ruinierte…
Der junge Mann, der in mich gelaufen war, sah mich vollkommen schockiert an. „Es tut mir so leid, ich bin spät dran, es ist alles meine Schuld“, begann er zu stottert und schien nicht wirklich zu wissen, wohin er sehen sollte. Zumindest war es ihm auch unangenehm. Ich spürte dennoch, wie leichte Wut in mir aufkam. Ich hatte keine Zeit mehr, das Hemd zu wechseln und der doch etwas breitere, hellbraune Fleck, der nun meine Brust zierte, sprach mich ästhetisch keinesfalls an.
„Selbstverständlich ist sie das“, gab ich kühl zurück und blickte in sein nun sehr erstauntes Gesicht.
Er zuckte leicht zusammen und während er in seinem Kopf wohl die Möglichkeiten durchging, was er nun sagen sollte oder konnte, hatte ich einen Moment Zeit, ihn doch noch einmal zu mustern. Er war ein Stück kleiner und schlanker als ich, wahrscheinlich auch etwas jünger, aber nicht viel. Ich schätzte ihn auf Anfang 20. Sein braunes Haar war etwas länger, zählte wohl aber noch immer als Kurzhaarschnitt, auch wenn man das auf Grund der wenigen Ordnung, die in seiner Frisur vorhanden war, wohl nicht so einfach sagen konnte. Er trug eine einfache Jeans und ein recht farbenfrohes, einfaches T-Shirt. Seine Haltung hatte nun eindeutig der Situation geschuldet abgebaut, er machte sich kleiner als er war. Das Ganze war sehr verständlich, immerhin hatte ich eine strenge Miene aufgesetzt und blickte ihn genau damit gerade an. Unsere Blicke trafen sich und ich konnte direkt in seine Augen sehen, hellbraun, warm mit einem sanften Ausdruck…
„Es… es tut mir total leid, wirklich. Ich bringe das wieder in Ordnung, versprochen!“, erklärte er dann auch schon schnell, aber noch immer stotternd.
Ich musterte ihn und schnaubte nur leicht. Von seiner Entschuldigung hatte ich leider nicht sonderlich viel, zudem konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich überhaupt bewusst war, was er da angestellt hatte. Der Stoff an meiner Brust begann unangenehm zu kleben und das lag sicherlich nicht nur an der Flüssigkeit, sondern auch an dem massigen Zucker, der sich darin befunden hatte. Ein widerliches Gefühl war das und ich musste es ja immerhin auch noch die nächsten Stunden ertragen.
„Ich meine das ernst!“, sagte er noch einmal. „Ich tue alles, was nötig ist, ich bezahle die Reinigung!“
Da schlich sich auf meine Lippen ein leichtes Grinsen. „Aha“, sagte ich mit einem Seufzen. Wenn er das wollte, auch wenn er offensichtlich nicht wusste, worauf er sich einließ, dann gut. Hinter ihm in einiger Entfernung sah ich gerade, wie Rachel auf den Flur bog. Bevor sie sich auch noch in die Situation einmischen würde, war mir bewusst, dass ich das Gespräch beenden sollte, also setzte ich den einzigen vernünftigen Vorschlag für diese Situation fest. „Gut, dann morgen früh, gleiche Zeit hier. Ich habe keine Lust deinetwegen auch noch zu meinem Seminar zu spät zu kommen. Ich bringe die Rechnung dann morgen mit.“
Ich wartete nicht darauf, was er wohl sagen würde und wandte mich einfach zum Gehen. Meiner Freundin entgegen, immerhin waren wir inzwischen spät dran und ich musste mich auch noch halbwegs um diesen Schandfleck aus verschiedensten Substanzen kümmern!
Rachel begrüßte mich mit Verwunderung, während wir uns auf den Weg zum Seminarraum machten. Und natürlich auch mit Belustigung angesichts meines ruinierten Hemdes. Auch wenn sie genau wusste, dass sie vorsichtig sein musste, aber gleichzeitig war uns auch beiden bewusst, dass sie der einzige Mensch war, dem ich so etwas durchgehen lassen würde.
„Ist der süße Typ dafür verantwortlich, dass dein Hemd so aussieht?“, fragte sie mit einem leichten Kichern und reichte mir zumindest ein Taschentuch, aber viel half das bei dem Fleck ganz eindeutig nicht mehr.
„Wenigsten vermutest du nicht, dass ich selbst schuld an diesem Fauxpas bin“, gab ich doch noch weiter bemüht ruhig und kühl zurück.
Da musste Rachel noch etwas breiter grinsen. „Da ist eindeutig Milch in diesem Kaffee gewesen und du riechst nach Vanille… Also kann das auf gar keinen Fall dein Kaffee gewesen sein. Also?“
Ich räusperte mich und sah sie ernst an. „Ist es nicht erschreckend offensichtlich, was hier passiert ist.“
Ein wenig enttäuscht sah sie mich schon an.
Also seufzte ich noch einmal und schüttelte im Gehen nur leicht den Kopf. „Ich treffe mich morgen mit ihm, er will mir die Rechnung bezahlen“, erklärte ich ihr ruhig und da hatten wir auch schon den Raum erreicht.
Meine beste Freundin war noch immer amüsiert. „Oh der Arme, sei nicht zu böse zu ihm“, elegant ließ sie sich auf ihren Platz gleiten und blickte mich an.
„Nicht zu böse?“, fragte ich nach und nahm ebenfalls Platz. „Schau mich mal an, ich muss jetzt die nächsten Stunden so rumlaufen!“ Ein wenig angesäuert war ich schon noch, und damit hatte der Tag gerade erst angefangen.
„Du könntest auch das Hemd einfach ausziehen. So viele Leute sollten sich nicht beschweren, wenn du obenrum frei rumläufst.“ Auf meinen ernsten Blick hin unterdrückte sie ihr Kichern und schüttelte nur ruhig den Kopf. „Aber im Ernst… Nicht dass du den armen Jungen in den Bankrott treibst, denk mal drüber nach.“
Damit hatte sie schon eher Recht. Mein Hemd wie meine restliche Kleidung war ziemlich viel wert und die Reinigung würde recht viel kosten, mehr als der übliche Student einfach mal so ausgeben könnte. Und gleichzeitig wäre es für mich aufgrund meines familiären Hintergrundes nur Kleingeld. Genau deshalb wäre es eigentlich auch absurd, den anderen zahlen zu lassen. Mir war das bewusst, aber er hatte das immerhin angebracht. Und in dem Moment hatte ich nicht viel dagegen sagen können. Dennoch hatte ich kein sonderlich großes Interesse diesen Fremden in Schwierigkeiten zu bringen, ich kannte ihn ja nicht einmal. Und auch wenn mir ein unangenehmer Tag bevorstand, rechtfertigte das nicht zu übertreiben. Dennoch ganz damit davonkommen lassen wollte ich diesen ungeschickten Chaoten dann ja doch nicht. Ich sollte mir in der Tat also etwas überlegen. Bis zum nächsten Morgen hatte ich dafür ja noch Zeit.
Der Rest des Tages verlief ruhig, wirklich trauen, blöde Sprüche über mein Hemd zu reißen, tat sich niemand, auch wenn man ihre verwirrten Blicke eindeutig sehen konnte. Aber zumindest hatte ich mir genug Respekt und Ansehen erarbeitet, dass mich in meinen Kursen niemand von selbst darauf ansprechen wollte. Und ich teilte ihnen nichts mit. Das ging ja nun auch niemanden etwas an. Wirklich unangenehm waren mir die Blicke der anderen nicht, es hatte mich noch nie wirklich interessiert, was irgendjemand von mir gedacht hatte. Und aufgrund eines solchen dummen Kaffeefleckes würde ich sicherlich nicht damit anfangen, mein Selbstvertrauen zu hinterfragen. Dennoch war der Tag durch all diese Blicke anstrengender und das verstärke meinen Wunsch, den anderen am nächsten Tag vielleicht doch etwas für das, was er zu verantworten hatte, leiden zu lassen.
Ich war mehr als rechtzeitig an dem vereinbarten Treffpunkt. Die Zeit überbrückte ich, in dem ich auf meinem Handy Nachrichten las, bis ich die Schritte hörte. Zum Glück ruhiger, auch wenn ich mehr Abstand zu der Ecke genommen hatte. Ich blickte auf und musste leicht grinsen. „Du bist tatsächlich gekommen“, begrüßte ich ihn gleich, wenn auch etwas kälter. Ich hätte mir sogar vorstellen können, dass er fernblieb, wäre vielleicht auch besser für ihn gewesen, aber auf der anderen Seite hatte sein Gestammel schon sehr ehrlich geklungen, er wirkte nicht wie jemand, der so etwas versprechen und dann nicht zu seinem Wort stehen würde.
Ein wenig hatte ich überlegt, wen ich da eigentlich vor mir haben könnte. Er wusste eindeutig nicht, wer ich war, das bedeutete, dass er nicht so wie ich Wirtschaft studieren konnte, wir hatten keine Kurse zusammen. Die farbenfrohe Kleidung und die zerrissene Jeans ließen dahingegen eher auf einen eher freies Hauptfach schließen, vielleicht etwas Kreatives. Kunstvorlesungen gab es immerhin auch auf diesem Gang, damit wäre auch geklärt, wohin er gestern des Weges war, aber diese Vermutungen behielt ich erst einmal noch für mich.
Auf meine Aussage hin, war er offensichtlich beleidigt: „Natürlich, ich habe doch gesagt, dass ich dir die Reinigung bezahle. Also ich bin übrigens Daniel, aber meine Freunde nennen mich Danny. Und du?“
Seine Empörung belustigte mich. Er war leicht anzustacheln und ich musste schon zugeben, dass mir das gefiel. Die wenigsten Leute machten ihre Empörung mir gegenüber deutlich und ich wollte wissen, wie weit das wohl noch gehen könnte. „Bryce“, stellte ich mich dann auch kurz vor. „Ich dachte, du habest das aus Höflichkeit gesagt und würdest dich heute eher darum drücken, zu zahlen. Ehrlich gesagt hätte ich das auch verstanden.“
„Was soll das denn heißen?“, irgendwie fand ich es wirklich süß, wie gekränkt und empört er über meine Aussagen war.
„Nun, wenn man dich anschaut. Allein die zerrissene Hose, ich gehe nicht davon aus, dass du es dir leisten kannst, die Rechnung zu zahlen“, gab ich noch immer ruhig zurück und dabei fielen mir die Worte von Rachel wieder ein. Selbst aus der Entfernung hatte sie die Lage wohl doch ziemlich gut eingeschätzt.
„Entschuldige bitte, aber die Hose ist so gekauft, das gehört so! Das nennt sich Style!“ Im ersten Moment war ich von dieser Aussage wirklich überrascht und hatte doch etwas Mühe, mich weiter ruhig zu verhalten. Seine Empörung war wirklich faszinierend, die Tatsache, dass er Widerworte an mich richtete und sich das wirklich nicht so gefallen ließ, obwohl er durch seine vorherige Handlung ja im Unrecht war, imponierte mir zusätzlich. Er ließ sich nicht von mir einschüchtern, nicht so wie die anderen Leute, die ich kannte. Und genau das gefiel mir.
Und doch würde ich ihn ganz sicher nicht so einfach davonkommen lassen. „Aha. Und dein Style… was hat er gekostet? 25 Dollar oder 30?“, fragte ich spöttisch nach und verzog das Gesicht. Er schien explosiv wie Dynamit und ich wollte ihn entzünden, genau dafür war mein Ehrgeiz gerade geweckt worden. Ich wollte ihn provozieren, es bereitete mir Vergnügen.
Für einen Moment schien ihn das mundtot zu machen, aber es bewegte ihn sicherlich noch nicht zum Rückzug. „Hast du jetzt die Rechnung, oder was?“, fragte er noch einmal nach.
Ich grinste ihn an, ich genoss den Augenblick, während ich die Rechnung hervorholte und sie ihm übergab, um dann zu sehen, wie seine Empörung sich langsam verwandelte in eine Mischung aus Verwunderung und Panik. „180 Dollar… für ein dummes Hemd, was soll das denn für ein kranker Scherz sein?“, fragte er geschockt nach.
„Kein Scherz. Das Hemd hat 450 Dollar gekostet, da muss man es auch vernünftig reinigen lassen. Und mit dieser widerwärtigen Mischung aus verschiedensten Formen von Zucker, die du wahrscheinlich auch noch Kaffee nennen möchtest, hast du es beinahe vollständig ruiniert. Also war diese Art der Reinigung mehr als notwendig.“ Meine Erklärung schien ihm zu reichen und gleichzeitig nahm es ihm jeden Wind aus den Segeln, den ich eigentlich gerade so interessant gefunden hatte, aber das war zu vermuten gewesen bei dieser Realisation.
Er sah schon ziemlich betroffen aus und es fiel ihm offensichtlich schwer das nun zu zugeben, aber langsam kam es ihm über die Lippen: „Das kann ich nicht zahlen…“
„Ja, das habe ich mir auch schon gedacht“, gab ich zurück, während er ein wenig den Kopf hängen ließ. Ja, ich liebte es auch einfach Recht zu haben, das musste ich eben auch noch zugeben. Aber der Fakt an sich störe mich überhaupt nicht, das Geld störte mich überhaupt nicht…
Aber genauso schien es für Danny auch nicht in Frage zu kommen, jetzt schon das alles zu akzeptieren: „Also hör mal, das ist ja wohl irgendwo auch deine Schuld. Wer trägt denn so bescheuert teure Kleidung an einem normalen Unitag? Da muss man doch damit rechnen, dass so was passiert!“
Ich wäre auch beinahe enttäuscht gewesen, wenn ich so einfach gewonnen hätte. So einfach war es immerhin immer und dabei wollte ich gar nicht, dass es einfach war. Ja, ich wollte gewinnen und das war ich immerhin gewohnt, aber ich wollte auch etwas dafür tun und ich genoss den Widerstand des anderen doch sehr. „Du steht also nicht zu deinem Wort, dass du das wieder in Ordnung bringst?“, fragte ich nach, um ihn noch weiter zu sticheln.
Es funktionierte teilweise. „Also… ich hatte mit 30 Dollar gerechnet, eine normale Reinigung halt. Das kann ich dir geben, aber… den Rest, das geht einfach nicht. Ich arbeite neben der Uni, um mir mein Leben zu finanzieren und so viel Geld… bleibt da nie übrig…“ Er wies mich zwar zurecht, aber er schien auch aufzugeben, immerhin hatte er mir ja zugesichert, für den Schaden aufzukommen, da hatte er nur nicht gewusst, was für ein Schaden das eigentlich war.
Als er dann auch noch in einem Rucksack wühlte, musste ich seufzen. Aber damit hatte ich ja schon gerecht, und nach Rachels Einwand hatte ich mir auch meine Gedanken gemacht. „Lass es, ich habe ja schon das Gefühl, ich würde dich ausrauben“, sagte ich, wenn auch nicht ohne Spott. „Ich habe eine andere Idee. Du kannst das Geld bei mir abarbeiten.“
„Bitte was?“, die Aussage schien ihn zu verwundern.
Mich brachte das nur noch weiter zum Grinsen. Das war die Welt, wie sie mir gefiel, ich hatte die Kontrolle in dieser Unterhaltung, eigentlich schon die gesamte Zeit, aber jetzt endgültig. „Komm jetzt nicht auf falsche Gedanken. Du kommst am Wochenende, Samstag oder Sonntag, deine Wahl, in meine Wohnung und putzt. Nur der eine Tag und alles ist vergessen und wieder in Ordnung gebracht. Was sagst du dazu?“, erklärte ich belustigt.
Wirklich überzeugt schien er noch immer nicht, aber er nickte. „Gut, machen wir das so. Am Samstag, die Schicht am Sonntag wird besser bezahlt.“ Eine andere Wahl hatte er ja genaugenommen auch einfach nicht als zuzustimmen…
Also nannte ich ihm meine Adresse und machte mit ihm aus, dass er am Samstag gleich um 11 Uhr kommen sollte. Auch dem stimmte Danny zu und dann trennten sich unsere Wege wieder.
Bis Samstag war noch etwas Zeit und ich wusste, dass es da Dinge gab, über die ich zuvor nachdenken musste. Auf der einen Seite wollte ich es auch nicht nur bei dieser Aktion beruhen, nur zu putzen war mir noch zu einfach. Aber da war noch ein anderer Gedanke, der mir eben kam. Rachel hatte das so dahingesagt, aber sie hatte den Nagel schon auf den Kopf getroffen. Mir gefiel Danny. Ich fand ihn süß, aber um einiges interessanter war noch seine Art als nur sein Aussehen. Sein Auftreten faszinierte mich. Ich war es nicht gewohnt, dass es jemandem so egal war, ob er mir gefiel oder nicht. Ich hatte noch nie wirklich mit jemandem gesprochen, der gerne unbequem war, der sich mit mir wirklich anlegen wollte. Und diese Form von Widerstand gefiel mir. Danny wusste nicht, wer ich war. Deshalb behandelte er mich wie einen normalen Menschen, deshalb wollte er sich auch nicht so einfach von mir behandeln lassen. Und das war ein gutes Gefühl, ein neues.
Kapitel 1x: Neuschnee
Der erste Tag an der Universität hatte mir keine sonderliche Angst gemacht, keine Sorge und auch sonst keine Probleme. Ich war die Ruhe selbst, ich hatte die Situation unter Kontrolle. Ich war mehr als vorbereitet und wenn ich mir die Literaturliste des Einführungskurses so ansah, dann hätte ich diese Veranstaltung wahrscheinlich sogar halten können, aber das war wohl ein anderes Thema. Zumindest einer Person neben mir ging es damit anders: Quentin war nervös, und irgendwie war das auch verständlich. Mit Wirtschaft hatte er nie viel am Hut gehabt, seine Beweggründe das Hauptfach studieren zu wollen waren fragwürdig und so wie ich ihn kannte, war er wie immer schlecht vorberietet. Aber irgendwie würde Charlotte, seine Freundin, das schon wieder ausgleichen. Die beiden waren jetzt schon mehrere Jahre zusammen und auch wenn es von außen nicht immer so aussah, ein eingespieltes Team.
Eigentlich war es ein Glück und ein Segen, dass meine beiden besten Freunde das gleiche Hauptfach wählen wollten wie ich. Auch wenn ich keine Unterstützung brauchte, war es dennoch ein gutes Gefühl, sie an meiner Seite zu haben. Und damit meinte ich nicht Quentin und Charlotte, sondern viel eher Quentin und die Person, die mal wieder wie eigentlich immer zu spät kam. Seit unterer Schulzeit war es immer so gelaufen; Rachel kam unangekündigt oder zu spät.
Und nun standen wir zu dritt vor dem Gebäude, in dem der Einführungskurs stattfinden sollte, und wartete darauf, dass sie endlich auftauchte. Zumindest hatte der Kurs noch nicht angefangen, dafür hatte sie noch Zeit, es standen auch noch genug andere Studenten vor dem Gebäude, um die Zeit zu überbrücken. Und um schließlich Rachels Auftritt mit anzusehen…
Sie fuhr in einem Sportwagen vor, knallrot, sicherlich auf seiner Jungfernfahrt, und sie parkte so schief am Straßenrand, dass es keine Stunde dauern sollte, bis sie dafür ein Ticket bekam. Und natürlich sorgte das dafür, dass die Augen aller auf diesen Wagen gerichtet waren, während meine beste Freundin elegant ausstieg und auf ihren High-Heels auf uns zu stolziert kam, gekleidet in die neuste Designermode, die Lippen in der Farbe passend zu ihrem Wagen geschminkt und die Augen hinter einer Markensonnenbrille versteckt.
Ich war nicht in der Lage, meine Belustigung zu verstecken, während Charlotte die Augen verdrehte. „Warum bin ich bloß noch immer von diesem kindischen Verhalten überrascht?“, meinte sie und stöhnte leicht auf.
Quentin seufzte. „Schatz, du hast gesagt, du wolltest heute besonders nett sein.“
„Ja, da hatte ich noch gehofft, dass sie sich heute auch mal ausnahmsweise Mühe geben würde!“
„Hat sie doch“, gab ich amüsiert zurück, kam Rachel entgegen und umarmte sie kurz. „Hut ab, meine Liebe… Ich glaube die ‚Mein Vater hat mir einen Studienplatz hier gekauft‘ – Performance hast du inzwischen perfektioniert.“
Als sie sich wieder von mir löste, begann sie zu kichern, nahm dann ihre Sonnenbrille ab und winkte in die Runde. „Danke und ich dachte, ich probiere es einfach mal mit absoluter Ehrlichkeit, fühlt sich gut an!“
Erneut war Charlottes Aufstöhnen deutlich zu hören. Und ich sah den Blick, den Rachel ihr zuwarf. Es war sicherlich nicht leicht für jemanden, der in diese vielleicht auch zu vertraute Gruppe hineinzukommen, Quentin, Rachel und ich waren seit unserer Schulzeit unzertrennlich, wir drei gehörten zusammen und seit Quentin mit Charlotte zusammen war, hatte sich nicht viel daran geändert. Es konnte für jemanden wie sie nicht leicht sein, zu uns zu stoßen, allerdings hatte sie sich auch nie stark bemüht, sich anzupassen.
Ich räusperte mich kurz, legte den Arm um Rachel und zog sie zum Eingang des Gebäudes. „Wir waren uns alle einig, dass wir den Zickenkrieg heute mal auf Eis legen, nicht wahr?“, fragte ich nach und setzte ein übliches leicht kühles Grinsen auf, während wir weitergingen und die anderen beiden uns folgten.
Mit gespieltem Erstaunten sah sie mich an und schlug ein paar Mal die Augen auf. „Also bitte, ich bin immer für einen Waffenstillstand zu haben, dafür musst du nur dafür sorgen, dass sie die Waffe runternimmt. An mir liegt das nicht!“, erklärte sie mir zuckersüß.
Ich seufzte. „So viel zu der Ehrlichkeit dieses Jahr?“
Rachel verdrehte genervt die Augen. „Ja, gut, stimmt ja. Aber…“
Ich räusperte mich, während ich sie weiter zog. „Du trägst übrigens wirklich zu viel teuren Schmuck für eine Univeranstaltung. Meinst du nicht, eine der drei Ketten hätte es auch getan?“
„Die eine ist von meinem Vater, die andere von meiner Mutter und die dritte von ihrem aktuellen Freund“, gab sie nur ruhig zurück und blickte sich erst einmal um, während wir in den Seminarraum traten.
„Ah, und du wolltest natürlich nicht, dass jemand sich ausgeschlossen fühlt, wenn sie schon alle drei um deine Aufmerksamkeit konkurrieren“, schlussfolgerte ich und schüttelte bloß den Kopf, während ich mich nach Plätzen umsah.
„Oh bitte“, ertönte dabei Charlottes Stimme hinter uns. „Könntest du vielleicht versuchen, die verwöhnte und verzogene Göre noch ein wenig mehr raushängen zu lassen? Ich glaube, die Leute in der letzten Reihe haben noch nicht feststellen könne, wie billig du eigentlich bist!“
„Schatz“, warf Quentin ein und auch ich warf ihr nun einen warnenden Blick zu. Zumindest an dem ersten Tag hatten wir doch zumindest geglaubt, dass die beiden ihre ständigen Streitereien unterbrechen könnten.
Aber Rachel musste man in diesem Belangen nicht verteidigen. Das konnte sie auch allein. Sie hatte die Sonnenbrille inzwischen in ihrem Haar stecken und drehte sich nun zu Charlotte an. „Oh, das musst du gerade sagen, lass uns doch mal schauen“, mit diesen Worten griff sie nach Charlottes Handgelenk und zog es zu sich hin. „Die ist neu, oder? Mensch Quentin, wie hast du denn eine Piaget gefunden, die an Charlottes fürchterlich dicken Handgelenken einigermaßen passend aussieht, unglaubliche Eigenleistung, Schwester!“ Sie tippte noch einmal kurz gegen die schimmernde Uhr aus Weißgold an Charlottes Handgelenk und wandte sich dann ab und stolzierte voran durch den Raum.
Ich sah, wie Charlotte nach Luft schnappte und Quentin ihr beruhigend über den Rücken streichelte. Und gerade als seine Freundin Rachel hinterher stürmen wollte, trat ich dazwischen. „Lass es gut sein“, raunte ich ihr zu und sah sie kühl an. „Das ist genug an dieser Stelle, wenn ihr nachher noch Schlammketschen betreiben wollt, könnt ihr das in Quentins Garten machen, aber hier ist jetzt Schluss.“ Sie hielt meinem Blick nur einen kurzen Moment stand, bevor sie nickte und wir Rachel dann auch einfach zu den Plätzen, die sie ausgesucht hatte, folgten.
Meine beste Freundin lächelte und ließ ihren Blick durch die Reihen schweifen, während die anderen beiden ihre Sachen auspackten und ich mich erst einmal zurücklehnte.
Charlotte biss sich auf die Unterlippe, aber dafür beugte sich Quentin vor. „Rachel, hast du nichts zum Schreiben dabei?“, fragte er ruhig.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht zum Lernen hier. Ich bin nur eingeschrieben, um denjenigen zu suchen, der Daddys Firma übernimmt, indem er mir einen viel zu mickrigen Ring an den Finger stecken wird…“
Ein weiteres Mal war deutlich zu hören, wie Charlotte sich zusammenreißen musste, aber sie verkniff sich jeden weiteren Kommentar, während Rachel weiter durch die Reihen schaute.
„Wie wäre es beispielsweise mit dem?“, fragte sie an mich gewandt und deutete auf einen jungen Mann in der vordersten Reihe. Er trug ein einfaches Hemd und hatte kurze schwarze Haare.
Grinsend schüttelte ich den Kopf. „Keine Chance, der spielt in meinem Team.“
„Ernsthaft?“, Rachel blinzelte mich an. „Das erkennst du von hier an einem Blick?“
Ich hörte ein mehr als tiefes Seufzen von Charlotte, was mich nur noch mehr zum Grinsen brachte.
„Nein“, meinte ich ruhig. „Wenn du pünktlich gewesen wärst, hättest du genauso wie wir sehen können, dass er von seinem Freund hierher gefahren worden ist und die beiden sich mit einem Kuss verabschiedet haben.“
Etwas beleidigt sah sie mich an. „Was? Ihr habt ohne mich die ganzen anderen Leute beobachtet?“, fragte sie nach.
„Du warst zu spät“, meinte Charlotte nun bemüht neutral.
„Und ihr hättet nicht warten können?“
„Nein“, wiederholte ich noch immer mit dem amüsierten Grinsen auf den Lippen. „Ohne dich anzufangen, die anderen Studenten zu beobachten und zu bewerten, war die einzig rationale Entscheidung. Du kommst immer zu spät, deshalb macht es auch keinen Sinn, auf dich zu warten. Das ist empirisch bewiesen.“
Quentin seufzte. „Ich möchte anmerken, dass der eigentlich Einwand gegen die Tätigkeit sein sollte, dass wir fremde Leute beobachtet und bewertet haben, und nicht, dass wir dich ausgeschlossen haben, das zu tun. Diese Gruppe braucht einen moralischen Kompass…“
Rachel schnaubte. „Schaut mich nicht an, da habe ich keine Lust drauf. Soll Bryce den moralischen Kompass daten!“
„Ich date nicht“, warf ich kühl ein und zog mein Handy aus meiner Hosentasche.
„Ach, aber ich soll mich dafür opfern?“, mit diesen Worten erhob sich Rachel.
„Wo willst du hin?“, fragte ich ruhig ohne aufzusehen.
„Ich setze mich um“, sagte sie und ich hörte, wie sie sich noch einmal ihre Haare zurechtrückte. „Und ich suche jetzt unseren moralischen Kompass!“ Also stolzierte sie mit diesem Worten ein paar Reihen nach hinten und ließ sich einfach so auf den Platz neben einem jungen Mann mit längeren, brauen Haaren fallen und stellte sich ihm aufreizend vor.
Ich schüttelte den Kopf. „Man muss sie einfach gern haben, oder?“
„Muss man?“, fragte Charlotte augenblicklich.
Ich grinste. „Vielleicht auch nicht.“ Dann stand ich auf.
Quentin legte den Kopf schief. „Und wo willst du hin?“
„Ich setze mich auch um. Erstens will ich will angeben und außerdem… wenn Rachel nicht hier ist, dann bleibe ich sicher nicht allein 90 Minuten lang neben dem Pärchen sitzen!“ Ich grinste und zwinkerte beiden zu, während ich langsam nach vorne in die erste Reihe schritt. Immerhin war ich gut genug vorbereitet, um gleich in der ersten Sitzung zu glänzten und nun hatte ich auch allen Grund dazu.
Mit einem freundlichen Lächeln beugte ich mich zu besagtem schwarzhaarigen Mann vor, der vor sich auf dem Tisch mehrere Notizblöcke und Bücher verteilt hatte. „Ist der Platz neben dir noch frei?“, fragte ich ruhig.
Er sah auf und lächelte etwas verlegen. „Ja, klar… tut mir leid für die Unordnung.“
Ich setzte mich neben ihn und schüttelte den Kopf. „Kein Problem. Du nimmst das ernst, das ist schön zu sehen. Ich bin Bryce.“ Ich hielt ihm die Hand hin.
Er griff schnell danach und lächelte noch immer. „Thomas. Freut mich, dich kennenzulernen. Tut mir leid, ich bin etwas durch den Wind, der erste Tag und so…“
„Freut mich ebenso“, gab ich zurück und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. „Und mach dir keinen Kopf, ich kann das nachvollziehen.“ Obwohl ich es überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Nichts hiervon schüchterte mich ein, aber ich war es in meinem Leben wohl auch einfach gewohnt, der zu sein, der andere Leute einschüchterte. Es machte mich auch nicht nervös, neue Leute kennenzulernen, ich war die Ruhe selbst. Alles, was ich brauchte, war Kontrolle und die Kontrolle würde ich auch nicht während meines Studiums abgeben, ganz sicher nicht.