Shakespeare-University
von Vivien Lacroix
Kurzbeschreibung
Eine Universität, auf die diverse Figuren aus Shakespeares Dramen als Studenten oder Professoren gehen. Hauptsächlich wird es um Rosenkranz und Güldenstern aus "Hamlet" bzw. "Rosencrantz and Guildenstern are dead" gehen.
GeschichteFreundschaft / P16 / Mix
13.05.2020
10.04.2023
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26.06.2020
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Hamlet
Rosenkranz stand mit seinem Mittagessen am Ende der Kasse. Er präsentierte der Frau, die dort saß und kontrollierte, seine Monatskarte, die er bezahlt hatte, um einen Monat jeden Tag hier essen zu können. Die Dame nickte alles ab und so nahm er sein Tablett in beide Hände und ging, um sich einen Platz suchen zu können. Ganz automatisch steuerte er gleich auf ein paar Tische weiter hinten in der Mensa zu, weil er und Güldenstern es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, ihr Mittagessen dort einzunehmen. Außerdem würde Güldenstern ihn auch recht schnell finden, wenn er sich dort hinsetzte und auf ihn wartete.
Als er fast an einem der Tische angelangt war, fiel ihm ein junger Mann auf. Er saß nicht weit von ihrem Stammtisch entfernt und er saß ganz alleine da. Rosenkranz blieb fasziniert stehen und starrte ihn an. Die Schönheit des Mannes war es, die ihn festhielt. Vielleicht lag es an seiner hellen Haut und den dunklen Haaren oder dem zarten Gesicht – Rosenkranz konnte es nicht sagen. Er konnte es nicht sagen, weil der eigentliche Grund für seine Schönheit viel eher in dem lag, was man nicht sehen konnte. In seiner Ausstrahlung. In der Art und Weise, wie seine Augen in die Welt blickten und was sie ihm zeigten. In seiner Gesamtheit lag etwas fast unerklärlich Schönes.
Rosenkranz spürte, wie Trauer in ihm aufstieg, während er den jungen Mann anblickte, doch es war eine schöne Trauer. Wie eine Trauer, die man empfindet, wenn man ein Gemälde mit tiefen Blau- und schweren Grüntönen betrachtet. Das Bild an sich muss nichts Trauriges darstellen – es kann auch einfach nur ein Landschaftsgemälde sein –, aber die Komposition und die Farbwahl und überhaupt alles andere lassen den Betrachter dennoch eine tiefe Trauer empfinden, auch wenn es keinen ersichtlichen Grund dafür gibt. Eine Trauer, die nicht schlecht ist, nicht schmutzig; sie kriecht nur tief ins Herz, doch ist mit einer gewissen Anmut verbunden.
Natürlich dachte Rosenkranz nichts davon, als er den schwarzhaarigen Jungen dort sitzen sah, er empfand nur die Anmut und die Trauer und rechnete sie der Schönheit dieser Person zu und bevor er sich versah, stand er schon neben ihr am Tisch.
„Entschuldigung, darf ich mich setzen?“, fragte er und lächelte. Der junge Mann schien ziemlich überrascht davon, angesprochen worden zu sein. Er blickte unschlüssig zu Rosenkranz auf und nickte schließlich.
Rosenkranz stellte sein Tablett auf den Tisch und ließ sich gegenüber von dem Fremden auf einen Stuhl sinken. Interessiert und hemmungslos blickte er seinem Gegenüber in die Augen.
„Ich bin Rosenkranz“, stellte er sich dann vor und reichte seine Hand über den Tisch. Der andere ergriff sie und erwiderte: „Hamlet.“ Sie schüttelten sich die Hände.
„Hamlet“, wiederholte Rosenkranz nachdenklich, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. „Klingt ... irgendwie bekannt. Woher kommst du?“ Hamlet wandte seinen Blick ab. Er wusste, dass sein Name für die anderen nur vertraut klang, weil er ein Prinz war und nicht grade wenig über ihn spekuliert wurde. Ein Prinz ohne große Macht zwar, aber den Titel trug er dennoch. Und er wollte eigentlich nicht, dass seine Kommilitonen sich nur deshalb für ihn interessierten.
Langsam richtete er seinen Blick wieder auf sein Gegenüber. Sollte er ihn anlügen?
Normalerweise machte es ihm nicht viel aus, andere Personen anzulügen, es gehörte mehr oder weniger zum Prinz-sein dazu, aber diese Person hier ihm gegenüber schien so lieb und naiv zu sein, als würde eine Lüge ihr gegenüber fast einem Verbrechen gleich kommen.
„Dänemark“, antwortete Hamlet schließlich. Rosenkranz dachte eine Weile nach.
„Hm“, machte er dann. „Da klingelt nichts. Sorry, manchmal hab ich seltsame Einfälle.“ Er lächelte und Hamlet war ehrlich erleichtert, dass er nicht den Schluss gezogen hatte, bei seiner neuen Bekanntschaft müsste es sich um den Prinzen handeln, von dem so viele sprachen.
„Aber was für ein Zufall“, sprach Rosenkranz weiter, „wir kommen aus – Ich meine, ich komme aus Norddeutschland, das liegt ganz in der Nähe von Dänemark.“ Dies zauberte ein Lächeln auf Hamlets Lippen.
„Wie praktisch! Vielleicht –“, er hielt Inne, da er bemerkte, wie überstürzt das geklungen hätte, was er hatte sagen wollen. Fast schämte er sich dafür.
„Vielleicht ...?“, fragte Rosenkranz nach. Hamlet biss sich auf die Unterlippe.
„Ich ... ich dachte, wenn Semesterferien sind, vielleicht können wir uns dann einmal besuchen.“ Es war ein eher kindischer Gedanke – schließlich hatten sie sich noch nicht einmal angefreundet.
„Oh, gerne!“, entgegnete Rosenkranz ehrlich erfreut. Hamlet sah ihn überrascht an. „Das machen wir gerne, aber wir können kein Dänisch.“
„Wir?“, fragte Hamlet und hob eine forschende Augenbraue. Rosenkranz errötete leicht.
„Oh, ähm, ja. Ich bin es noch nicht gewohnt, ohne meine nachdenklichere Hälfte herum zu laufen“, gestand er. „Ich meine, wir kennen uns schon sehr lange und haben immer alles zu zweit gemacht, aber jetzt haben wir natürlich nicht genau die gleichen Seminare.“
„Moment“, sagte Hamlet, „von wem sprichst du?“
Rosenkranz lächelte. „Von einem Freund, ich ... wir – Ja. Von meinem Freund.“ Hastig schob er sich eine mit Erbsen gefüllte Gabel in den Mund.
„Ach so, okay.“ Auch Hamlet füllte seine Gabel und führte sie zum Mund. Dann fiel ihm etwas ein: „Was studiert ihr denn?“
Rosenkranz blickte auf. „Oh“, machte er, „Philosophie hauptsächlich. Ich vor allem angewandte und er mehr von dem Rest. Wir haben aber auch mehrere Proseminare zusammen.“ Während er gesprochen hatte, war ein Leuchten über Hamlets Augen geglitten.
„Ich studiere auch Philosophie! Was für ein glücklicher Zufall.“ Rosenkranz nickte, sofort von seiner Begeisterung angesteckt.
„Wie seltsam aber“, sagte er, „ich habe dich bisher in noch keinem Seminar bemerkt.“
„Ich bin etwas später hier angekommen“, erklärte Hamlet. „Erst vor drei Tagen.“ Das erklärte alles und da ihr Gespräch somit ausgelaufen war, aßen sie weiter.
Nach einer Weile hielt Rosenkranz Inne. Er sah an Hamlet vorbei und hob eine Hand. Dann winkte er. Und dann rief er: „Güldenstern!“
Wenig später kam eine Person an ihrem Tisch an, die hinter Rosenkranz vorbei ging, um sich neben ihn zu setzen, und dabei leicht mit ihrem Tablett gegen seinen Kopf stieß. Absichtlich.
„Au!“, beschwerte sich dieser, aber Hamlet sah, dass er keine wirklichen Schmerzen gespürt hatte.
„Du hättest nicht rufen müssen“, sagte der Dazugekommene streng. „Ich hatte dich doch schon gesehen.“ Er hatte goldenes Haar und scharfe Augen, die sich nun auf Hamlet richteten.
„Güldenstern“, stellte er sich vor und reichte ihm seine Hand über den Tisch. Hamlet ergriff sie und nannte auch seinen Namen. Als Reaktion darauf, blickte Güldenstern ihn forschend an, dann blickte er zu Rosenkranz. Dieser lächelte fröhlich und Güldenstern entschied sich dazu, nicht laut kund zu tun, was ihm soeben aufgefallen war.
„Er saß hier ganz alleine“, erklärte Rosenkranz, der Güldensterns fragenden Blick falsch deutete.
„Oh, äh, es macht mir nichts aus, alleine zu sein“, sagte Hamlet schnell. Rosenkranz’ blaue Augen richteten sich auf ihn. „Das mag ja sein“, sagte er, „aber ich wollte dich gerne kennenlernen.“ Das machte Hamlet ein wenig nervös.
„Was?“, fragte er. „Wieso das denn?“ Rosenkranz sah ihn an, als liege die Antwort auf der Hand. Was sie nicht tat.
Rosenkranz hatte ein spezielles Verständnis für die Dinge um ihn herum. Es fiel ihm leicht, Dinge genauso zu beschreiben, wie er sie fühlte. Doch seine Ehrlichkeit war etwas, das nicht immer unbedingt gut bei anderen Leuten ankam. Mit anderen Worten: seine Realität unterschied sich sehr von der Realität der meisten anderen Personen und somit kam es häufig zu Missverständnissen.
„Weil du schön bist“, antwortete Rosenkranz. Hamlet sah ihn geschockt an und überlegte, ob er einfach aufstehen und gehen sollte. Natürlich verstand er Rosenkranz’ Aussage nicht so, wie dieser sie gemeint hatte. Und für solche Missverständnisse war Güldenstern da.
„Er meinst“, sagte er und seufzte. Unter dem Tisch schloss er Rosenkranz’ Hand in seine. „Er meint von deiner Art“, versuchte er, zu erklären. „Von deiner Ausstrahlung“, fügte er hinzu, als er Hamlets irritierten Blick bemerkte. „Wie ... wie zum Beispiel die Stimmung eines Gemäldes schön ist.“ Hamlet entspannte sich ein wenig und realisierte, dass er grade wohl ein ziemlich einzigartiges Kompliment bekommen hatte, anstatt, wie er vorher angenommen hatte, einen eher gruseligen Flirtversuch. Und er war sehr erleichtert darüber, dass Güldenstern da war.
Rosenkranz hatte einen langen Blick mit Güldenstern ausgetauscht und wandte sich nun wieder Hamlet zu. „Ja“, sagte er. „Sorry, falls es sich irgendwie anders angehört hat.“
„Nein, ich –“, entgegnete Hamlet, „alles gut. Ich bin nur nicht an diese Art von ... von Offenheit gewohnt.“ Bei ihm zuhause wurde alles, was man sagen wollte, zuerst in komplizierter Gestik und Mimik verschlüsselt. So war das am Hofe.
Es wurde ein nettes, kleines Mittagessen und am Ende tauschten sie ihre Handynummern aus, sodass Hamlet glaubte, nun tatsächlich Freunde gefunden zu haben.
Schließlich verabschiedeten sie sich voneinander und gingen ihrer Wege.
„Du hättest mich wirklich nicht rufen müssen“, sagte Güldenstern, als sie auf dem Weg zu ihrem Studienzimmer waren, um sich auf ihr Abendseminar vorzubereiten.
„War es dir peinlich?“, fragte Rosenkranz. Güldenstern schob seine Hände noch etwas tiefer in seine Hosentaschen. Er wollte Rosenkranz nicht zustimmen.
„Du weißt aber schon, dass das grade der Prinz war, von dem so viel gesprochen wird“, sagte er deshalb. Rosenkranz sah ihn überrascht an. „Wirklich?“ Güldenstern nickte.
„Gibt’s ja nicht! Ich hab mit einem Prinzen Mittag gegessen.“
„Und du hast ihn verlegen gemacht“, fügte Güldenstern hinzu.
„Ach komm, du warst doch gar nicht so verlegen.“
„Ich – Was?“
Rosenkranz schmunzelte.
Rosenkranz stand mit seinem Mittagessen am Ende der Kasse. Er präsentierte der Frau, die dort saß und kontrollierte, seine Monatskarte, die er bezahlt hatte, um einen Monat jeden Tag hier essen zu können. Die Dame nickte alles ab und so nahm er sein Tablett in beide Hände und ging, um sich einen Platz suchen zu können. Ganz automatisch steuerte er gleich auf ein paar Tische weiter hinten in der Mensa zu, weil er und Güldenstern es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, ihr Mittagessen dort einzunehmen. Außerdem würde Güldenstern ihn auch recht schnell finden, wenn er sich dort hinsetzte und auf ihn wartete.
Als er fast an einem der Tische angelangt war, fiel ihm ein junger Mann auf. Er saß nicht weit von ihrem Stammtisch entfernt und er saß ganz alleine da. Rosenkranz blieb fasziniert stehen und starrte ihn an. Die Schönheit des Mannes war es, die ihn festhielt. Vielleicht lag es an seiner hellen Haut und den dunklen Haaren oder dem zarten Gesicht – Rosenkranz konnte es nicht sagen. Er konnte es nicht sagen, weil der eigentliche Grund für seine Schönheit viel eher in dem lag, was man nicht sehen konnte. In seiner Ausstrahlung. In der Art und Weise, wie seine Augen in die Welt blickten und was sie ihm zeigten. In seiner Gesamtheit lag etwas fast unerklärlich Schönes.
Rosenkranz spürte, wie Trauer in ihm aufstieg, während er den jungen Mann anblickte, doch es war eine schöne Trauer. Wie eine Trauer, die man empfindet, wenn man ein Gemälde mit tiefen Blau- und schweren Grüntönen betrachtet. Das Bild an sich muss nichts Trauriges darstellen – es kann auch einfach nur ein Landschaftsgemälde sein –, aber die Komposition und die Farbwahl und überhaupt alles andere lassen den Betrachter dennoch eine tiefe Trauer empfinden, auch wenn es keinen ersichtlichen Grund dafür gibt. Eine Trauer, die nicht schlecht ist, nicht schmutzig; sie kriecht nur tief ins Herz, doch ist mit einer gewissen Anmut verbunden.
Natürlich dachte Rosenkranz nichts davon, als er den schwarzhaarigen Jungen dort sitzen sah, er empfand nur die Anmut und die Trauer und rechnete sie der Schönheit dieser Person zu und bevor er sich versah, stand er schon neben ihr am Tisch.
„Entschuldigung, darf ich mich setzen?“, fragte er und lächelte. Der junge Mann schien ziemlich überrascht davon, angesprochen worden zu sein. Er blickte unschlüssig zu Rosenkranz auf und nickte schließlich.
Rosenkranz stellte sein Tablett auf den Tisch und ließ sich gegenüber von dem Fremden auf einen Stuhl sinken. Interessiert und hemmungslos blickte er seinem Gegenüber in die Augen.
„Ich bin Rosenkranz“, stellte er sich dann vor und reichte seine Hand über den Tisch. Der andere ergriff sie und erwiderte: „Hamlet.“ Sie schüttelten sich die Hände.
„Hamlet“, wiederholte Rosenkranz nachdenklich, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. „Klingt ... irgendwie bekannt. Woher kommst du?“ Hamlet wandte seinen Blick ab. Er wusste, dass sein Name für die anderen nur vertraut klang, weil er ein Prinz war und nicht grade wenig über ihn spekuliert wurde. Ein Prinz ohne große Macht zwar, aber den Titel trug er dennoch. Und er wollte eigentlich nicht, dass seine Kommilitonen sich nur deshalb für ihn interessierten.
Langsam richtete er seinen Blick wieder auf sein Gegenüber. Sollte er ihn anlügen?
Normalerweise machte es ihm nicht viel aus, andere Personen anzulügen, es gehörte mehr oder weniger zum Prinz-sein dazu, aber diese Person hier ihm gegenüber schien so lieb und naiv zu sein, als würde eine Lüge ihr gegenüber fast einem Verbrechen gleich kommen.
„Dänemark“, antwortete Hamlet schließlich. Rosenkranz dachte eine Weile nach.
„Hm“, machte er dann. „Da klingelt nichts. Sorry, manchmal hab ich seltsame Einfälle.“ Er lächelte und Hamlet war ehrlich erleichtert, dass er nicht den Schluss gezogen hatte, bei seiner neuen Bekanntschaft müsste es sich um den Prinzen handeln, von dem so viele sprachen.
„Aber was für ein Zufall“, sprach Rosenkranz weiter, „wir kommen aus – Ich meine, ich komme aus Norddeutschland, das liegt ganz in der Nähe von Dänemark.“ Dies zauberte ein Lächeln auf Hamlets Lippen.
„Wie praktisch! Vielleicht –“, er hielt Inne, da er bemerkte, wie überstürzt das geklungen hätte, was er hatte sagen wollen. Fast schämte er sich dafür.
„Vielleicht ...?“, fragte Rosenkranz nach. Hamlet biss sich auf die Unterlippe.
„Ich ... ich dachte, wenn Semesterferien sind, vielleicht können wir uns dann einmal besuchen.“ Es war ein eher kindischer Gedanke – schließlich hatten sie sich noch nicht einmal angefreundet.
„Oh, gerne!“, entgegnete Rosenkranz ehrlich erfreut. Hamlet sah ihn überrascht an. „Das machen wir gerne, aber wir können kein Dänisch.“
„Wir?“, fragte Hamlet und hob eine forschende Augenbraue. Rosenkranz errötete leicht.
„Oh, ähm, ja. Ich bin es noch nicht gewohnt, ohne meine nachdenklichere Hälfte herum zu laufen“, gestand er. „Ich meine, wir kennen uns schon sehr lange und haben immer alles zu zweit gemacht, aber jetzt haben wir natürlich nicht genau die gleichen Seminare.“
„Moment“, sagte Hamlet, „von wem sprichst du?“
Rosenkranz lächelte. „Von einem Freund, ich ... wir – Ja. Von meinem Freund.“ Hastig schob er sich eine mit Erbsen gefüllte Gabel in den Mund.
„Ach so, okay.“ Auch Hamlet füllte seine Gabel und führte sie zum Mund. Dann fiel ihm etwas ein: „Was studiert ihr denn?“
Rosenkranz blickte auf. „Oh“, machte er, „Philosophie hauptsächlich. Ich vor allem angewandte und er mehr von dem Rest. Wir haben aber auch mehrere Proseminare zusammen.“ Während er gesprochen hatte, war ein Leuchten über Hamlets Augen geglitten.
„Ich studiere auch Philosophie! Was für ein glücklicher Zufall.“ Rosenkranz nickte, sofort von seiner Begeisterung angesteckt.
„Wie seltsam aber“, sagte er, „ich habe dich bisher in noch keinem Seminar bemerkt.“
„Ich bin etwas später hier angekommen“, erklärte Hamlet. „Erst vor drei Tagen.“ Das erklärte alles und da ihr Gespräch somit ausgelaufen war, aßen sie weiter.
Nach einer Weile hielt Rosenkranz Inne. Er sah an Hamlet vorbei und hob eine Hand. Dann winkte er. Und dann rief er: „Güldenstern!“
Wenig später kam eine Person an ihrem Tisch an, die hinter Rosenkranz vorbei ging, um sich neben ihn zu setzen, und dabei leicht mit ihrem Tablett gegen seinen Kopf stieß. Absichtlich.
„Au!“, beschwerte sich dieser, aber Hamlet sah, dass er keine wirklichen Schmerzen gespürt hatte.
„Du hättest nicht rufen müssen“, sagte der Dazugekommene streng. „Ich hatte dich doch schon gesehen.“ Er hatte goldenes Haar und scharfe Augen, die sich nun auf Hamlet richteten.
„Güldenstern“, stellte er sich vor und reichte ihm seine Hand über den Tisch. Hamlet ergriff sie und nannte auch seinen Namen. Als Reaktion darauf, blickte Güldenstern ihn forschend an, dann blickte er zu Rosenkranz. Dieser lächelte fröhlich und Güldenstern entschied sich dazu, nicht laut kund zu tun, was ihm soeben aufgefallen war.
„Er saß hier ganz alleine“, erklärte Rosenkranz, der Güldensterns fragenden Blick falsch deutete.
„Oh, äh, es macht mir nichts aus, alleine zu sein“, sagte Hamlet schnell. Rosenkranz’ blaue Augen richteten sich auf ihn. „Das mag ja sein“, sagte er, „aber ich wollte dich gerne kennenlernen.“ Das machte Hamlet ein wenig nervös.
„Was?“, fragte er. „Wieso das denn?“ Rosenkranz sah ihn an, als liege die Antwort auf der Hand. Was sie nicht tat.
Rosenkranz hatte ein spezielles Verständnis für die Dinge um ihn herum. Es fiel ihm leicht, Dinge genauso zu beschreiben, wie er sie fühlte. Doch seine Ehrlichkeit war etwas, das nicht immer unbedingt gut bei anderen Leuten ankam. Mit anderen Worten: seine Realität unterschied sich sehr von der Realität der meisten anderen Personen und somit kam es häufig zu Missverständnissen.
„Weil du schön bist“, antwortete Rosenkranz. Hamlet sah ihn geschockt an und überlegte, ob er einfach aufstehen und gehen sollte. Natürlich verstand er Rosenkranz’ Aussage nicht so, wie dieser sie gemeint hatte. Und für solche Missverständnisse war Güldenstern da.
„Er meinst“, sagte er und seufzte. Unter dem Tisch schloss er Rosenkranz’ Hand in seine. „Er meint von deiner Art“, versuchte er, zu erklären. „Von deiner Ausstrahlung“, fügte er hinzu, als er Hamlets irritierten Blick bemerkte. „Wie ... wie zum Beispiel die Stimmung eines Gemäldes schön ist.“ Hamlet entspannte sich ein wenig und realisierte, dass er grade wohl ein ziemlich einzigartiges Kompliment bekommen hatte, anstatt, wie er vorher angenommen hatte, einen eher gruseligen Flirtversuch. Und er war sehr erleichtert darüber, dass Güldenstern da war.
Rosenkranz hatte einen langen Blick mit Güldenstern ausgetauscht und wandte sich nun wieder Hamlet zu. „Ja“, sagte er. „Sorry, falls es sich irgendwie anders angehört hat.“
„Nein, ich –“, entgegnete Hamlet, „alles gut. Ich bin nur nicht an diese Art von ... von Offenheit gewohnt.“ Bei ihm zuhause wurde alles, was man sagen wollte, zuerst in komplizierter Gestik und Mimik verschlüsselt. So war das am Hofe.
Es wurde ein nettes, kleines Mittagessen und am Ende tauschten sie ihre Handynummern aus, sodass Hamlet glaubte, nun tatsächlich Freunde gefunden zu haben.
Schließlich verabschiedeten sie sich voneinander und gingen ihrer Wege.
„Du hättest mich wirklich nicht rufen müssen“, sagte Güldenstern, als sie auf dem Weg zu ihrem Studienzimmer waren, um sich auf ihr Abendseminar vorzubereiten.
„War es dir peinlich?“, fragte Rosenkranz. Güldenstern schob seine Hände noch etwas tiefer in seine Hosentaschen. Er wollte Rosenkranz nicht zustimmen.
„Du weißt aber schon, dass das grade der Prinz war, von dem so viel gesprochen wird“, sagte er deshalb. Rosenkranz sah ihn überrascht an. „Wirklich?“ Güldenstern nickte.
„Gibt’s ja nicht! Ich hab mit einem Prinzen Mittag gegessen.“
„Und du hast ihn verlegen gemacht“, fügte Güldenstern hinzu.
„Ach komm, du warst doch gar nicht so verlegen.“
„Ich – Was?“
Rosenkranz schmunzelte.