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Kraftvoll

von Elinoria
Kurzbeschreibung
GeschichteFantasy / P12 / Gen
10.05.2020
10.05.2020
3
5.055
1
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10.05.2020 901
 
Kapitel III

Die Nacht verbrachte ich in dem alten Baumhaus, wo mich niemand finden würde. Endlich konnte ich alleine sein. Pausenlos fühlte ich die Kräfte vorbeifahrender Autos, Handys und immer stärker auch die Muskeln anderer Personen. Es machte mich fast wahnsinnig. Auch jetzt spürte ich einen schwachen Zug, der nach meiner Beeinflussung rief, wahrscheinlich der Fernseher. Meine Eltern dachten, ich wäre bei einem Freund. Obwohl sie eigentlich wissen sollten, dass ich ohne Elisa nicht viele Freunde habe. Noch während ich in meine Gedanken verstrickt war, spürte ich eine Veränderung. Die Welt war nun lebendiger. Überall um mich herum fühlte ich Bewegung. Meine Augen weiteten sich und vorsichtig guckte ich aus dem Fenster. Ich sah Tiere, die sich bewegten. Viele Insekten und ein paar Vögel. Meine Sinne schärften sich und auf einmal nehme ich jedes winzig kleine Lebewesen wahr, das auf der Erde herumkrabbelte. Auch die Autos auf der Straße nahm ich klar wahr. Eine Ameise näherte sich mir auf dem Boden. Sie war nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt, als sie anfing, zu zucken. Ich fühle ihre Bewegungen überdeutlich, bis es plötzlich aufhört. Sie ist tot, ich weiß es. Wahrscheinlich war ich es, die sie getötet hat. Oh Gott, was habe ich nur getan? Natürlich, es war nur eine Ameise, aber ich habe ein Lebewesen getötet. Den Todeskampf hatte ich bemerkt, aber nichts dagegen getan. Ich empfand Abscheu und Ekel vor mir selbst. Genauso wäre es jedem Menschen ergangen, der mir zu nahekommt. Ich muss hier weg. Die tote Ameise warf ich auf einem Blatt nach unten, danach kletterte ich selbst aus dem Baumhaus. Meine Eltern sahen mich zum Glück nicht. Aber dann dachte ich an den Autounfall. Ich habe Menschenleben gerettet, daran sollte ich mich erinnern. Mir wurde leichter ums Herz.

Mein zielloser Weg durch die Stadt strengte mich sehr an. Von überall zogen Kräfte nach mir und ich musste meine größte Konzentration aufbieten, damit ich nichts beeinflusste. Deshalb wanderte ich nach und nach in ruhigere Gebiete der Stadt. Ich war ungefähr zehn Minuten gelaufen, als mir ein Auto auffiel. Der Fahrer schien betrunken zu sein, denn er fuhr Schlangenlinien. Die Musik hörte ich bereits aus der Ferne. Als das Auto näherkam, versuchte ich Zeichen zu geben, damit der Fahrer anhält. Er sah mich und winkte mit beiden Händen wie wild. Dafür ließ er das Lenkrad los und das Auto machte eine scharfe Kurve nach links. Ich sah den Fahrer rufen, aber mehr aus Spaß, als aus Furcht. Fahrig fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Als das Auto nur noch zehn Meter von mir entfernt war, versuchte ich mithilfe des Kribbelns, das Auto anzuhalten. Die Reifen quietschen auf dem Asphalt und der Betrunkene riss am Lenkrad. Das Auto war noch nicht wesentlich langsamer, als ich einen Baum auf das Auto zukommen sah. Obwohl die Energie aus meinem Körper herausfloss wie ein wilder Gebirgsbach, konnte ich das Auto nicht stoppen. Es prallte gegen den Baum und Funken sprühten. Das Radio knisterte noch ein paar Mal, dann verstummte es. Ich spürte eine menschliche Kraft, die langsam erlosch. Dann rannte ich zum qualmenden Wrack und versuchte die Fahrertür aufzuziehen. Vergeblich. Vom Fahrer war nicht mehr viel Menschliches zu erkennen. Der Baum hatte den Motor gegen die Sitze geschoben und der Airbag ragte zur Rückbank. Geschockt wand ich mich ab und schlürfte davon. Ich habe den Tod herbeigeführt, ohne mich wäre der Mann nicht gestorben. Ich – ich bin ein Mörder. Hektisch atmend entfernte ich mich immer weiter. Wieder achtete ich nicht darauf, wo ich mich befand oder wohin mich meine Füße trugen. Mein Unterbewusstsein realisierte flackernde Lampen auf dem Fensterbrett, wenn ich vorbeiging. Mehrere Handys schmorten durch und Menschen konnten nicht aufstehen. Ich selbst bekam davon nichts mit.

Tausend Sterne glänzten am Himmel, doch sie konnte ich nicht zum Flackern bringen. Rasch lief ich durch die einsamen Straßen. Auf einmal kam ich zu einer Brücke, welche über den Fluss der Stadt führte. Niemand saß dort und genoss die wenigen Sonnenstrahlen. Campingsachen lagen in der Böschung und erinnerten an frühere Zeiten. Elisa war gerne am Fluss gewesen.

Der Fluss war nicht sehr groß, aber er schoss wild unter der Brücke durch. In dem Flussbett liegen spitze Steine und unsere Eltern hatten immer Angst, wenn wir dort den Abend verbringen wollten. Elisa hat am Steinstrand ihr erstes Bier getrunken und häufig mit Freunden gegrillt. Ich wand mich zu ihr, wollte ihr von meinen Erlebnissen erzählen. Sie war nicht da. Wieder und wieder denke ich diesen Gedanken. Elisa ist fort und ich bin allein. Zitternd lehnte ich mich an das Brückengeländer. Geht es anderen Menschen auch so? Fühlen sie sich auch allein ohne einen Zwilling? Man sagt, jeder Mensch hat einen Seelenverwandten auf der Welt. Zwei, die sich ähneln und identisch sind. Wie soll ich ohne Elisa weiterleben? Und in einem Anflug von Heldenmut stürzte ich mich über das Geländer. Ich fühle, wie mein Körper versuchte, meinen Fall zu stoppen. Meine Kräfte reichten nicht aus. Der Sturz erscheint mir minutenlang. Als meine Füße auf dem Wasser aufschlugen, sah ich Elisas Gesicht vor mir.


Fragment 3

Die Leitung knisterte und rauschte, dann sagte jemand: „Der Zugriff ist gelungen. Die Salire hat es geschafft.“ Hier war ein raues Lachen zu hören. „Er befindet sich im Koma. Bitte um weitere Anweisungen.“ Die beiden Männer auf der Couch haben aufmerksam zugehört. „Sehr gut. Kehren Sie zurück und bringen sie ihn zum Check. Wir kommen sofort.“
 
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