Die Bergdoktorin
von FelineWaechter
Kurzbeschreibung
(Der Autor hat keine Kurzbeschreibung zu dieser Geschichte verfasst.)
GeschichteFamilie, Liebesgeschichte / P16 / Gen
Dr. Martin Gruber
Elisabeth Gruber
Hans Gruber
Lilli Gruber
OC (Own Character)
Susanne Dreiseitl
05.05.2020
01.05.2023
138
307.025
15
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06.11.2021
2.146
Am Klingelton erkannte ich, dass es nicht meins war und stupste Martin an. "Dein Handy klingelt.", sagte ich, setzte mich auf und schaltete die Nachttischlampe an. Ich nahm das Handy zur Hand und warf einen Blick auf den Display.
"Martin, es ist Lisbeth. Wach auf jetzt!", versuchte ich es etwas energischer und er setzte sich auf. "Wie spät ist es denn?", wollte er wissen und ich reichte ihm sein Telefon. Es musste wohl dringend sein, da Lisbeth nicht locker ließ. "Zu früh!", beschwerte ich mich und ließ mich wieder ins Kissen fallen. Wir hätten erst in einer halben Stunde aufstehen müssen und jetzt erst bemerkte ich, dass ich noch meine Jeans trug und deshalb wohl so unbequem geschlafen hatte.
"Ja, Mama.", nahm Martin noch ganz schlaftrunken ab und ich hörte Lisbeth bis durchs Telefon, verstand aber nicht genau was sie sagte. "Moment.. Mama.. Mama, beruhig dich!" Nun wurde ich hellhörig. "Ganz langsam, was ist mit der Lilli?" Er schwieg und hörte seiner Mutter aufmerksam zu, die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Alles klar, wir kommen sofort zu euch!"
Daraufhin legte er auf und sprang sofort aus dem Bett. "Was ist denn los?", fragte ich alarmiert, während Martin schnell das T-Shirt wechselte. "Die Lilli ist weg!", offenbarte er mir und stürmte aus dem Zimmer, ohne mir weitere Erklärungen zu geben. Also stand auch ich auf und zog mir ebenfalls etwas frisches an, bevor ich ihm hinterher ging. Martin zog sich bereits seine Jacke an und suchte in der Tasche nach seinen Schlüsseln. "Wo hab ich die denn wieder hingelegt?!", fragte er hektisch. "Die müssten noch in der Küche liegen.", half ich ihm auf die Sprünge und sofort sah er dort nach. Tatsächlich fand er sie und eilte gleich wieder zur Wohnungstür. "Was ist denn genau passiert?", verlangte ich zu wissen und lief ihm hinterher. "Ich weiß es selbst nicht genau, aber die Lilli ist weg und Mama dreht halber durch! Ich fahr hin und melde mich, sobald ich mehr weiß.", versprach er mir, aber damit war ich gar nicht einverstanden. "Von wegen, ich komm mit!", stellte ich klar.
In Windeseile machte ich Kira soweit fertig und wir setzten uns ins Auto, Martin fuhr mit Karacho zum Gruberhof. Die Sonne ging langsam hinter den Bergen auf, aber heute hatte ich keine Zeit diesen Anblick zu genießen. Kaum hatte Martin den Wagen zum Stehen gebracht, stiegen wir aus und Lisbeth kam gleich aus der Haustür.
"Gut, dass ihr da seid! Ich wollt die Lilli vorhin wecken und das Bett ist leer gewesen! Im Haus ist sie auch nicht mehr, die muss abgehauen sein!", schilderte Lisbeth uns die beunruhigende Situation. "Ich hab gehofft sie wäre zu euch, aber nachdem du am Telefon so reagiert hast.. Gott, wenn ihr was passiert!", schluchzte Lisbeth und Martin schloss sie sofort in die Arme.
"Was macht's ihr denn hier? Mama, ich hab doch gesagt.." Lisbeth fuhr augenblicklich herum und ging Hans an, der ebenfalls heraus gekommen war. "Du hältst jetzt einfach mal den Mund, Hans!", befahl sie ihm. "Wenn du nicht die letzten Wochen so ein Theater veranstaltet hättest, wäre sie bestimmt nicht abgehauen!"
Und das war vermutlich der einzige plausible Grund für ihr Verschwinden. "Die Beiden sind hier nicht diejenigen, die Mist gebaut haben und deshalb kommen sie jetzt mit in mein Haus!" Das 'mein' betonte sie dabei extra und ging an ihrem Sohn vorbei, Martin und ich folgten hinterher.
Wir setzten uns erstmal an den Küchentisch und besprachen alle Optionen, wo Lilli sich aufhalten könnte. Da es noch früh war würde sie wohl kaum bei einer ihrer Freundinnen sein, aber man konnte nie wissen. Also hängten wir uns alle an die Telefone und riefen nacheinander die Personen an, bei denen sie untergekommen sein könnte. Auch die Schule ließen wir nicht aus, aber Lilli war dort noch nicht gesehen worden.
"Dann wird sie wahrscheinlich in die Berge rauf sein.", zog Martin nun die letzte Möglichkeit in Betracht. "Da ist sie damals nach Sonjas Tod auch hin.", fiel Hans ein und klang ebenfalls total besorgt. Ich erinnerte mich, dass Martin mir davon erzählt hatte.
"Dann lass uns mal die Kollegen von der Bergrettung anrufen und sofort mit der Suche anfangen. Es soll heute den ganzen Tag über Gewitter geben, das wird für sie allein zu gefährlich!", meinte Martin und Hans stimmte trotz aller Streitigkeiten der letzten Wochen zu. Wenn Lilli etwas passierte würden wir alle uns das nicht verzeihen.
Umgehend wurde der Plan in die Tat umgesetzt und die Kollegen der Bergrettung wurden alarmiert. Hans und Martin legten stellten ihren Streit vorerst hinten an, das war auch gut so. Ich würde bei hier bleiben, da Kira noch nichts zu trinken bekommen hatte und Lisbeth jetzt auch nicht allein sein sollte. "Die Kollegen sind da.", meinte Hans, der gerade von draußen herein kam. "Ich komme.", antwortete Martin und stand auf. "Wir melden uns, falls wir mehr wissen. Ihr bleibt hier und sagt uns Bescheid, falls sie wieder auftaucht." Ich nickte. "Pass auf dich auf.", bat ich ihn und die Bilder von unserem letzten gemeinsamen Einsatz kamen mir wieder ins Gedächtnis. "Versprochen." Martin beugte sich zu mir hinunter und gab mir einen langen Kuss. "Ich liebe dich!", flüsterte er kaum hörbar, da wir beobachtet wurden. Als Antwort küsste ich ihn nochmal und bevor er ging, gab er Kira ebenfalls einen Küss auf die Stirn.
"Komm jetzt!", giftete Hans ihn ungeduldig an und eilte nach draußen, Martin folgte hinterher. "Sie müssen sie einfach finden!", murmelte ich und wäre am liebsten selbst an der Suche beteiligt gewesen. Aber vorerst konnte ich hier nicht weg und Kira stellte klar, dass sie beinahe am verhungern war. "Ich gehe mit ihr rüber in die Stube, wenn es in Ordnung ist. Sie hat durch die Hektik heute Morgen noch nichts zu trinken bekommen, ich fühle mich wie eine Rabenmutter.", gestand ich Lisbeth, die versuchte sich mit Hausarbeit abzulenken. "Die du aber nicht bist. Geh nur, ich mache uns in der Zwischenzeit einen Tee.", schlug sie vor und das war eine gute Idee.
Ich verzog mich mit meiner Tochter ins Wohnzimmer und stillte sie dort, sofort war sie wieder zufrieden. Als ich mich so im Raum um blickte, entdeckte ich ein Bild und die Kulissen kam mir sehr bekannt vor. Darauf zu sehen waren Sonja, Lilli und Hans vor einer Hütte. Es war genau die leer stehende Hütte in den Bergen, wo wir an diesem Wochenende hin gewandert waren. Dies war ein spontaner Einfall gewesen und da das Wetter mitgespielt hat, sind wir dorthin gelaufen und haben den gesamten Samstag dort verbracht.
Und in mir kam die Hoffnung auf, dass Lilli sich jetzt vielleicht dort versteckt hielt. Ich stand auf, nahm das Bild aus dem Regal und ging damit zurück in die Küche. "Ich weiß vielleicht wo Lilli steckt!", teilte ich Lisbeth gleich mit, die erschrocken auf blickte. "Wie.. Wo denn?", wollte sie umgehend wissen und ich setzte mich mit Kira auf den Stuhl. "Hier." Ich legte ihr das Bild hin und zeigte auf die Hütte. "Da waren wir am Samstag. Wir wollten was unternehmen und da war die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass Hans oder sonst jemand uns sieht. Es war ihre Idee, sie meinte sie wäre dort mit Hans und Sonja früher immer gewesen und war lange nicht mehr da." Lisbeth nickte. "Es stimmt, sie sind viel gewandert und eben auch zu dieser Hütte. Bis heute wissen wir nicht wem sie gehört, aber anscheinend kümmert sich keiner mehr darum und es ist wirklich schön da oben. Man hat wenigstens seine Ruhe, aber man läuft schon eine Weile hin."
Und das stimmte, wir hatten drei Stunden gebraucht um dorthin zu kommen. Aber da waren die Pausen mit ein gerechnet, die wir wegen Kira und auch wegen mir hatten machen müssen. Ich war das Wandern nicht mehr gewöhnt und dementsprechend schnell außer Puste gewesen, aber für die Aussicht hatte sich die Anstrengung gelohnt gehabt.
"Ich ruf den Martin an, die sollen da gleich nachschauen.", meinte ich und übergab Kira an Lisbeth, um die Hände frei zum Telefonieren zu haben. Jedoch nahm Martin nicht ab und ich probierte es bei Hans, jedoch mit dem gleichen Resultat. "Die werden im Gelände sein und die Handys nicht hören oder keinen Empfang haben.", schlussfolgerte ich, nur durften wir keine Zeit mehr verlieren. Wenn Lilli auf den Weg dorthin war und ein Gewitter sie überraschte, konnte sie sich nirgends wirklich in Sicherheit bringen. Der Aufstieg war nicht gerade ohne und allein eher etwas für erfahrene Wanderer, nichts für junge Mädchen. "Und jetzt?", fragte Lisbeth sorgenvoll. "Jetzt werde ich selbst da rauf fahren und nachsehen.", meinte ich entschlossen. "Der Martin hat gesagt wir sollen hier bleiben.", erinnerte Lisbeth mich. "Er hat auch gesagt, dass wir uns melden sollen. Nur will ich auf keinen Fall länger warten. Lilli ist ganz allein unterwegs und da zählt jede Sekunde.", machte ich ihr begreiflich.
"Aber du bist auch allein, weil ich kann ja nicht mit wenn jemand auf Kira schauen muss.", gab Lisbeth mir zu bedenken. "Ich würde es auch so nicht zulassen, dass du mitkommst. Und es ist ein Unterschied ob ich allein da oben unterwegs bin mit meinen fast 30 Jahren oder ob Lilli dort herum irrt. Ich arbeite nicht umsonst bei der Bergrettung, Lisbeth. Früher bin ich viel allein gewandert und mir ist nie etwas passiert, ich weiß was ich tue.", beruhigte ich sie und schnappte mir die Autoschlüssel, die auf dem Küchentisch lagen. Dann nahm ich meine Jacke von der Stuhllehne und war froh mich vorhin für die von der Bergwacht entschieden zu haben, da es vermutlich ziemlich frisch werden konnte, sollte tatsächlich ein Gewitter aufkommen.
"Und was soll ich dem Martin sagen, falls er sich meldet?", fragte Lisbeth. "Dass ich auf dem Weg zu dieser Hütte bin und falls sie Lilli nicht gefunden haben nach kommen sollen. Er sollte zwar wissen das man da oben keinen Empfang hat, aber erinnere ihn bitte trotzdem dran. Ihr werdet mich nicht erreichen können und ich euch ebenso wenig, bis ich wieder im Tal bin." Lisbeth nickte und schluckte hart. "Ich halte das für keine gute Idee, Gemma.", sagte sie ehrlich. "Es ist das einzige was wir tun können und Lilli ist auch wegen mir verschwunden. Ich kann nicht stundenlang hier herum sitzen und warten, vor allem nicht da ich wirklich glaube sie dort zu finden."
Lisbeth überlegte einige Augenblicke lang, in dieser Zeit rührte ich mich nicht vom Fleck. "Ich kann dich nicht aufhalten?", fragte sie. "Nein.", antwortete ich unmissverständlich. "Du bist stur, das hat der Martin mir damals schon erzählt als er dich kennengelernt hat und es stimmt. Ich bin dir aber unendlich dankbar, dass du so ein Risiko für meine Enkelin auf dich nehmen willst. Pass da oben bitte auf dich auf und geh nicht zu weit, sollte es wirklich gefährlich werden."
Das musste ich ihr hoch und heilig versprechen, erst dann lies Lisbeth mich gehen. Ich setzte mich ins Auto, wenigstens waren wir mit meinem gefahren und so musste ich mich nicht auch noch mit einem anderen Wagen auseinandersetzen. Die grauen Wolken zogen sich verdächtig zusammen, bald würde es zu regnen beginnen.
Nur ausgerechnet jetzt zickte mein Auto wieder herum, es wollte einfach nicht anspringen. "Nicht jetzt!", murmelte ich genervt und drehte erneut den Zündschlüssel um. Der Motor brummte abermals, startete aber auch diesmal nicht. "Scheiße!", fluchte ich und schlug aufs Lenkrad. "Jetzt pass mal auf du Mistkarre!"
Etwas absurd war es schon, dass ich jetzt anfing mit meinem Auto zu schimpfen. Nur konnte ich meine Wut gerade an niemand anderen raus lassen und es bekam ja keiner mit. "Ich hab's ausnahmsweise mal richtig eilig und wenn du jetzt meinst die Diva raus lassen zu müssen, landest du umgehend auf dem Schrottplatz! Hai capito?" Ich fragte tatsächlich meinen Wagen ob er mich verstanden hatte, jedoch schien die Drohung mit dem Schrottplatz wirklich funktioniert zu haben. Denn als ich nun den Schlüssel drehte, sprang der Motor umgehend an und ich konnte aufatmen.
"Dann wohl doch nicht auf den Schrottplatz.", meinte ich etwas ruhiger und fuhr ein Stück rückwärts, damit ich drehen konnte. War das geschafft, legte ich blitzschnell einen anderen Gang ein, drückte ich aufs Gaspedal und ließ den Gruberhof schnell hinter mir.
"Martin, es ist Lisbeth. Wach auf jetzt!", versuchte ich es etwas energischer und er setzte sich auf. "Wie spät ist es denn?", wollte er wissen und ich reichte ihm sein Telefon. Es musste wohl dringend sein, da Lisbeth nicht locker ließ. "Zu früh!", beschwerte ich mich und ließ mich wieder ins Kissen fallen. Wir hätten erst in einer halben Stunde aufstehen müssen und jetzt erst bemerkte ich, dass ich noch meine Jeans trug und deshalb wohl so unbequem geschlafen hatte.
"Ja, Mama.", nahm Martin noch ganz schlaftrunken ab und ich hörte Lisbeth bis durchs Telefon, verstand aber nicht genau was sie sagte. "Moment.. Mama.. Mama, beruhig dich!" Nun wurde ich hellhörig. "Ganz langsam, was ist mit der Lilli?" Er schwieg und hörte seiner Mutter aufmerksam zu, die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Alles klar, wir kommen sofort zu euch!"
Daraufhin legte er auf und sprang sofort aus dem Bett. "Was ist denn los?", fragte ich alarmiert, während Martin schnell das T-Shirt wechselte. "Die Lilli ist weg!", offenbarte er mir und stürmte aus dem Zimmer, ohne mir weitere Erklärungen zu geben. Also stand auch ich auf und zog mir ebenfalls etwas frisches an, bevor ich ihm hinterher ging. Martin zog sich bereits seine Jacke an und suchte in der Tasche nach seinen Schlüsseln. "Wo hab ich die denn wieder hingelegt?!", fragte er hektisch. "Die müssten noch in der Küche liegen.", half ich ihm auf die Sprünge und sofort sah er dort nach. Tatsächlich fand er sie und eilte gleich wieder zur Wohnungstür. "Was ist denn genau passiert?", verlangte ich zu wissen und lief ihm hinterher. "Ich weiß es selbst nicht genau, aber die Lilli ist weg und Mama dreht halber durch! Ich fahr hin und melde mich, sobald ich mehr weiß.", versprach er mir, aber damit war ich gar nicht einverstanden. "Von wegen, ich komm mit!", stellte ich klar.
In Windeseile machte ich Kira soweit fertig und wir setzten uns ins Auto, Martin fuhr mit Karacho zum Gruberhof. Die Sonne ging langsam hinter den Bergen auf, aber heute hatte ich keine Zeit diesen Anblick zu genießen. Kaum hatte Martin den Wagen zum Stehen gebracht, stiegen wir aus und Lisbeth kam gleich aus der Haustür.
"Gut, dass ihr da seid! Ich wollt die Lilli vorhin wecken und das Bett ist leer gewesen! Im Haus ist sie auch nicht mehr, die muss abgehauen sein!", schilderte Lisbeth uns die beunruhigende Situation. "Ich hab gehofft sie wäre zu euch, aber nachdem du am Telefon so reagiert hast.. Gott, wenn ihr was passiert!", schluchzte Lisbeth und Martin schloss sie sofort in die Arme.
"Was macht's ihr denn hier? Mama, ich hab doch gesagt.." Lisbeth fuhr augenblicklich herum und ging Hans an, der ebenfalls heraus gekommen war. "Du hältst jetzt einfach mal den Mund, Hans!", befahl sie ihm. "Wenn du nicht die letzten Wochen so ein Theater veranstaltet hättest, wäre sie bestimmt nicht abgehauen!"
Und das war vermutlich der einzige plausible Grund für ihr Verschwinden. "Die Beiden sind hier nicht diejenigen, die Mist gebaut haben und deshalb kommen sie jetzt mit in mein Haus!" Das 'mein' betonte sie dabei extra und ging an ihrem Sohn vorbei, Martin und ich folgten hinterher.
Wir setzten uns erstmal an den Küchentisch und besprachen alle Optionen, wo Lilli sich aufhalten könnte. Da es noch früh war würde sie wohl kaum bei einer ihrer Freundinnen sein, aber man konnte nie wissen. Also hängten wir uns alle an die Telefone und riefen nacheinander die Personen an, bei denen sie untergekommen sein könnte. Auch die Schule ließen wir nicht aus, aber Lilli war dort noch nicht gesehen worden.
"Dann wird sie wahrscheinlich in die Berge rauf sein.", zog Martin nun die letzte Möglichkeit in Betracht. "Da ist sie damals nach Sonjas Tod auch hin.", fiel Hans ein und klang ebenfalls total besorgt. Ich erinnerte mich, dass Martin mir davon erzählt hatte.
"Dann lass uns mal die Kollegen von der Bergrettung anrufen und sofort mit der Suche anfangen. Es soll heute den ganzen Tag über Gewitter geben, das wird für sie allein zu gefährlich!", meinte Martin und Hans stimmte trotz aller Streitigkeiten der letzten Wochen zu. Wenn Lilli etwas passierte würden wir alle uns das nicht verzeihen.
Umgehend wurde der Plan in die Tat umgesetzt und die Kollegen der Bergrettung wurden alarmiert. Hans und Martin legten stellten ihren Streit vorerst hinten an, das war auch gut so. Ich würde bei hier bleiben, da Kira noch nichts zu trinken bekommen hatte und Lisbeth jetzt auch nicht allein sein sollte. "Die Kollegen sind da.", meinte Hans, der gerade von draußen herein kam. "Ich komme.", antwortete Martin und stand auf. "Wir melden uns, falls wir mehr wissen. Ihr bleibt hier und sagt uns Bescheid, falls sie wieder auftaucht." Ich nickte. "Pass auf dich auf.", bat ich ihn und die Bilder von unserem letzten gemeinsamen Einsatz kamen mir wieder ins Gedächtnis. "Versprochen." Martin beugte sich zu mir hinunter und gab mir einen langen Kuss. "Ich liebe dich!", flüsterte er kaum hörbar, da wir beobachtet wurden. Als Antwort küsste ich ihn nochmal und bevor er ging, gab er Kira ebenfalls einen Küss auf die Stirn.
"Komm jetzt!", giftete Hans ihn ungeduldig an und eilte nach draußen, Martin folgte hinterher. "Sie müssen sie einfach finden!", murmelte ich und wäre am liebsten selbst an der Suche beteiligt gewesen. Aber vorerst konnte ich hier nicht weg und Kira stellte klar, dass sie beinahe am verhungern war. "Ich gehe mit ihr rüber in die Stube, wenn es in Ordnung ist. Sie hat durch die Hektik heute Morgen noch nichts zu trinken bekommen, ich fühle mich wie eine Rabenmutter.", gestand ich Lisbeth, die versuchte sich mit Hausarbeit abzulenken. "Die du aber nicht bist. Geh nur, ich mache uns in der Zwischenzeit einen Tee.", schlug sie vor und das war eine gute Idee.
Ich verzog mich mit meiner Tochter ins Wohnzimmer und stillte sie dort, sofort war sie wieder zufrieden. Als ich mich so im Raum um blickte, entdeckte ich ein Bild und die Kulissen kam mir sehr bekannt vor. Darauf zu sehen waren Sonja, Lilli und Hans vor einer Hütte. Es war genau die leer stehende Hütte in den Bergen, wo wir an diesem Wochenende hin gewandert waren. Dies war ein spontaner Einfall gewesen und da das Wetter mitgespielt hat, sind wir dorthin gelaufen und haben den gesamten Samstag dort verbracht.
Und in mir kam die Hoffnung auf, dass Lilli sich jetzt vielleicht dort versteckt hielt. Ich stand auf, nahm das Bild aus dem Regal und ging damit zurück in die Küche. "Ich weiß vielleicht wo Lilli steckt!", teilte ich Lisbeth gleich mit, die erschrocken auf blickte. "Wie.. Wo denn?", wollte sie umgehend wissen und ich setzte mich mit Kira auf den Stuhl. "Hier." Ich legte ihr das Bild hin und zeigte auf die Hütte. "Da waren wir am Samstag. Wir wollten was unternehmen und da war die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass Hans oder sonst jemand uns sieht. Es war ihre Idee, sie meinte sie wäre dort mit Hans und Sonja früher immer gewesen und war lange nicht mehr da." Lisbeth nickte. "Es stimmt, sie sind viel gewandert und eben auch zu dieser Hütte. Bis heute wissen wir nicht wem sie gehört, aber anscheinend kümmert sich keiner mehr darum und es ist wirklich schön da oben. Man hat wenigstens seine Ruhe, aber man läuft schon eine Weile hin."
Und das stimmte, wir hatten drei Stunden gebraucht um dorthin zu kommen. Aber da waren die Pausen mit ein gerechnet, die wir wegen Kira und auch wegen mir hatten machen müssen. Ich war das Wandern nicht mehr gewöhnt und dementsprechend schnell außer Puste gewesen, aber für die Aussicht hatte sich die Anstrengung gelohnt gehabt.
"Ich ruf den Martin an, die sollen da gleich nachschauen.", meinte ich und übergab Kira an Lisbeth, um die Hände frei zum Telefonieren zu haben. Jedoch nahm Martin nicht ab und ich probierte es bei Hans, jedoch mit dem gleichen Resultat. "Die werden im Gelände sein und die Handys nicht hören oder keinen Empfang haben.", schlussfolgerte ich, nur durften wir keine Zeit mehr verlieren. Wenn Lilli auf den Weg dorthin war und ein Gewitter sie überraschte, konnte sie sich nirgends wirklich in Sicherheit bringen. Der Aufstieg war nicht gerade ohne und allein eher etwas für erfahrene Wanderer, nichts für junge Mädchen. "Und jetzt?", fragte Lisbeth sorgenvoll. "Jetzt werde ich selbst da rauf fahren und nachsehen.", meinte ich entschlossen. "Der Martin hat gesagt wir sollen hier bleiben.", erinnerte Lisbeth mich. "Er hat auch gesagt, dass wir uns melden sollen. Nur will ich auf keinen Fall länger warten. Lilli ist ganz allein unterwegs und da zählt jede Sekunde.", machte ich ihr begreiflich.
"Aber du bist auch allein, weil ich kann ja nicht mit wenn jemand auf Kira schauen muss.", gab Lisbeth mir zu bedenken. "Ich würde es auch so nicht zulassen, dass du mitkommst. Und es ist ein Unterschied ob ich allein da oben unterwegs bin mit meinen fast 30 Jahren oder ob Lilli dort herum irrt. Ich arbeite nicht umsonst bei der Bergrettung, Lisbeth. Früher bin ich viel allein gewandert und mir ist nie etwas passiert, ich weiß was ich tue.", beruhigte ich sie und schnappte mir die Autoschlüssel, die auf dem Küchentisch lagen. Dann nahm ich meine Jacke von der Stuhllehne und war froh mich vorhin für die von der Bergwacht entschieden zu haben, da es vermutlich ziemlich frisch werden konnte, sollte tatsächlich ein Gewitter aufkommen.
"Und was soll ich dem Martin sagen, falls er sich meldet?", fragte Lisbeth. "Dass ich auf dem Weg zu dieser Hütte bin und falls sie Lilli nicht gefunden haben nach kommen sollen. Er sollte zwar wissen das man da oben keinen Empfang hat, aber erinnere ihn bitte trotzdem dran. Ihr werdet mich nicht erreichen können und ich euch ebenso wenig, bis ich wieder im Tal bin." Lisbeth nickte und schluckte hart. "Ich halte das für keine gute Idee, Gemma.", sagte sie ehrlich. "Es ist das einzige was wir tun können und Lilli ist auch wegen mir verschwunden. Ich kann nicht stundenlang hier herum sitzen und warten, vor allem nicht da ich wirklich glaube sie dort zu finden."
Lisbeth überlegte einige Augenblicke lang, in dieser Zeit rührte ich mich nicht vom Fleck. "Ich kann dich nicht aufhalten?", fragte sie. "Nein.", antwortete ich unmissverständlich. "Du bist stur, das hat der Martin mir damals schon erzählt als er dich kennengelernt hat und es stimmt. Ich bin dir aber unendlich dankbar, dass du so ein Risiko für meine Enkelin auf dich nehmen willst. Pass da oben bitte auf dich auf und geh nicht zu weit, sollte es wirklich gefährlich werden."
Das musste ich ihr hoch und heilig versprechen, erst dann lies Lisbeth mich gehen. Ich setzte mich ins Auto, wenigstens waren wir mit meinem gefahren und so musste ich mich nicht auch noch mit einem anderen Wagen auseinandersetzen. Die grauen Wolken zogen sich verdächtig zusammen, bald würde es zu regnen beginnen.
Nur ausgerechnet jetzt zickte mein Auto wieder herum, es wollte einfach nicht anspringen. "Nicht jetzt!", murmelte ich genervt und drehte erneut den Zündschlüssel um. Der Motor brummte abermals, startete aber auch diesmal nicht. "Scheiße!", fluchte ich und schlug aufs Lenkrad. "Jetzt pass mal auf du Mistkarre!"
Etwas absurd war es schon, dass ich jetzt anfing mit meinem Auto zu schimpfen. Nur konnte ich meine Wut gerade an niemand anderen raus lassen und es bekam ja keiner mit. "Ich hab's ausnahmsweise mal richtig eilig und wenn du jetzt meinst die Diva raus lassen zu müssen, landest du umgehend auf dem Schrottplatz! Hai capito?" Ich fragte tatsächlich meinen Wagen ob er mich verstanden hatte, jedoch schien die Drohung mit dem Schrottplatz wirklich funktioniert zu haben. Denn als ich nun den Schlüssel drehte, sprang der Motor umgehend an und ich konnte aufatmen.
"Dann wohl doch nicht auf den Schrottplatz.", meinte ich etwas ruhiger und fuhr ein Stück rückwärts, damit ich drehen konnte. War das geschafft, legte ich blitzschnell einen anderen Gang ein, drückte ich aufs Gaspedal und ließ den Gruberhof schnell hinter mir.