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Der Fall Marian

von V-Lancer
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Drama / P18 / Gen
22.04.2020
23.04.2020
3
4.338
1
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22.04.2020 1.126
 
"Eintrag in das digitale Tagebuchverzeichnis von Tobias Howl. Verifizierungscode Echo, Golf, 2-6-3, Momentaufnahme."

Tobias rutschte auf seinem Sitz hin und her um eine etwas bequemere Position zu finden. Sein Trenchcoat machte es ihm nicht gerade einfach. Der abgetragene Mantel war über die Jahre hinweg sehr ausgeblichen. Er wies inzwischen einige Kratzer und Flecken auf. Tobias Kollegen hatten ihn außerdem schon oft darauf angesprochen, dass der Mantel einen unangenehmen Geruch verbreitete. Das eingetrocknete Blut sowie die Überbleibsel von Erbrochenem saßen mittlerweile so tief in den Fasen des Stoffs, dass sie nicht mehr zu entfernen waren. Tobias legte es aber auch darauf an. Der Mantel passte ihm ohnehin kaum noch. Es kam schon öfter vor, dass bei der Verfolgung eines Kriminellen Nähte gerissen waren, Stofffetzen an Dornen, spitzen Zäunen oder Stacheldraht hängen blieben oder schlicht auf ihn geschossen wurde. Letzters war bisher zum Glück eher die Ausnahme, Tobias ließ es meist gar nicht so weit kommen. Der verschlissene Mantel, mit all den provisorischen Nähten machte ein bequemes sitzen nur sehr schwer. Es gelang ihm allerdings eine halbwegs angenehme Position zu finden. Er griff nach seinem Profiler, ein von den Behörden entwickeltes Gerät, ähnlich einem Smartphone, dass es den höheren Ermittlungsbeamten ermöglichte umgehend alle wichtigen Informationen über eine Zielperson zu erhalten. Er nahm das Gerät in seine rechte Hand und rief ein paar alte Datenblätter zu vergangenen Verbrechen von Pearce auf. Dabei diktierte er weiter.

"Wir schreiben den 25. November. Es ist jetzt 20:36 Uhr. Tag 47 der Ermittlungen im Fall Aiden Pearce. Alle derzeitgen Hinweise scheinen meinen Verdacht zu bestätigen, dass die gesuchte Person den hiesigen Vermisstenfällen nachgeht. Genauer geht es dabei um ..." Tobias suchte auf seinem Profiler die entsprechende Zahl in einer Kolumne der lokalen Zeitung. " ... insgesamt acht vermisste Mädchen, alle im Alter zwischen 14 und 16 Jahren." Er scrollte weiter durch die Blätter. "Bisher gibt es laut einer Stellungsnahme der Polizei keine Zeugen, keine Verdächtigen und keinen einzigen Hinweise zum Verbleib der Mädchen" Er seuftze und massierte sich mit seiner Hand die Augen. Dann sagte er mit sehr gedämpfter Stimme, in der Hoffnung die Spracherkennung würde es nicht mit aufnehmen: "Was für Versager!"

Er beugte sich vor und drehte die Heizung in seinem Auto etwas runter. Draußen war es kalt und es regnete aus Strömen. Die dunkle Jahreszeit machte Tobias immer etwas mehr zu schaffen. Er hatte sich selbst etwas weniger unter Kontrolle und es wurde schwieriger die nötige Distanz zu wahren. Allerdings hatten die meisten Menschen in dieser Zeit mehr mit Depressionen und schlechten Gedanken zu kämpfen, weshalb die Anzahl an Straftaten und Suizidversuchen höher war, als im restlichen Jahr. Zumindest laut der offiziellen Statistik des CTOS. Tobias bemerkte einen kaminroter PKW, welcher die Straße entlang fuhr und ein paar Häuser weiter in eine Einfahrt abbog. Durch den Regen konnte er das Kennzeichen nicht erkennen. Für seinen Profiler war es jedoch kein Problem umgehend den Halter des Fahrzeugs zu ermitteln. Durch ein paar Klicks verband sich das Gerät mit der Systemsteuerung des kaminroten PKWs. Auf dem Bildschirm erschienen nun allerlei Daten. Fahrzeugklasse, Fahrgestellnummer, Kilometerstand, TÜV und vieles mehr. Tobias scrollte weiter nach unten. "Bingo" Weiter unten war von einem seiner Kollegen vermerkt worden, dass das Fahrzeug als gestohlen gemeldet ist. Er diktierte weiter.

"Momentanen Standort speichern." Ein heller Ton erklang, der seine Aussage bestätigte. "Soeben ist die Verdachtsperson Willis Stout eingetroffen. Er steht unter Verdacht des Autodiebstahls, wird außerdem wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt gesucht und könnte, so meine persönliche Einschätzung, mit den vermissten Mädchen in Verbindung stehen. Sofern letzteres Zutrifft ist er wohl auch die Person hinter der Pearce zurzeit her ist. Ich werde den Verdächtigen nun zur Rede stellen. Eintrag beenden." Drei weitere Töne klangen auf und bestätigten seinen Sprachbefehl. Tobias zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, setzte sich seinen schwarzen Trilby auf und krempelte den Kragen seines Mantels hoch. Er öffnete die Fahrertür und stieg raus ins Zwielicht der Straßenbeleuchtung und den kalten Regen.

Vor dem Grundstück angekommen, in das der Wagen einbog, beäugte Tobias zunächst das Auto. Da das Grunstück umzäunt war, musste er vom Gehweg aus, auf etwa neun Meter Entfernung, seine Beobachtung durchführen. Es war ein echtes Trauerspiel, ein alter Ford Torino. Tobias schätze ihn auf mindestens 40 oder gar 50 Jahre. Allerdings war von seinem ehemaligen Glanz nichts mehr zu erkennen. Die Scheiben waren verschmiert, die Verkleidung verbeult und Rost fraß sich an fast allen Stellen durch das Blech. Tobias schmuzelte leicht. "Immerhin ist das Auto rot, da fällt immerhin der Rost nicht so ins Auge." Er bemerkte etwas am Verschluss des Kofferraums. Auf die Entfernung konnte er es nicht genau erkennen, der Regen und die eingeschränkten Lichtverhältnisse machten es nur noch schwieriger. Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber es sah aus wie ein Stück Stoff. Er musste näher ran. Sein Blick wanderte zur Seite, entlang der Veranda und an dem Haus empor. Es schien verlassen zu sein. Kein Licht brannte und es waren keine Bewegungen zu erkennen. "Seltsam", Tobias schaute sich kurz um, ob jemand in der Nähe war, der ihn hätte beobachten können, doch er sah niemanden. Mit einem gekonnten Sprung erreichte er mit seinen Händen das obere Ende des zweieinhalb Meter hohen Zauns. Er zog sich nach oben, stützte sein rechtes Bein auf den Zaun und katapultierte sich so auf die andere Seite. Besonders leise war er dabei nicht, aber schnell, unheimlich schnell. Er kam auf der Innenseite des Zauns an, verblieb direkt in gehockter Position und flitze hinter das Auto. Dort angekommen verharrte er einen Moment und beobachtete ob sich am Haus etwas tat. Nichts geschah. Nach etwa einer Minute war er sich sicher, dass niemand von ihm Notiz genommne hatte. Er nahm sich den Fetzen, den er von der Straße aus erkennen konnte. Wie er es vermutet hatte war es ein Stück Stoff. Darauf war ein Muster zu erkennen, etwas, dass wie Blumen oder Bäume aussah und eine Art Elefant, von dem jedoch nur noch der Kopf zusehen war. Aus seinem Mantel holte er eine Plastiktüte hervor in die er den Fetzen legte. Er steckte sich die Tüte wieder in die Manteltasche und schlich nun in Richtung der Haustür.

Dort angekommen fiel ihm direkt das Sicherheitssystem des Gebäudes ins Auge. Ein von CTOS entworfenes System zur Sicherung und Abschreckung gegenüber Einbrechern. Er griff nach seinem Profiler, hielt ihn in die Nähe der Wand, an der er die zentrale Anlage vermutete und startete ein Programm. Fast Zeitgleich bestätigte das Gerät mit einem grünen Haken den erfolgreichen Prozess und die Tür schwang leicht auf. Tobias schaute noch einmal in Richtung der Straße. Immernoch war niemand zu sehen. Er betrat das Haus und schloss vorsichtig die Tür hinter sich.
 
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