Ein Schimmer am Horizont
von finethings-
Kurzbeschreibung
Eine Katastrophe und einige Vermisste. Düstere Aussichten und die schlimmsten Umstände. Aber wie immer gibt es einen Schimmer Hoffnung am Horizont.
KurzgeschichteAngst, Freundschaft / P12 / Gen
Charles Tucker III
Hoshi Sato
Jonathan Archer
Malcolm Reed
T'Pol
07.04.2020
07.04.2020
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2.238
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Disclaimer: Star Trek gehört nicht mir, sondern Paramount. Die Storyline gehört mir.
„Logbuch des Captains. Sternzeit 2155,33. Wir sind auf dem Weg ins nächste Sternensystem, welches jedoch noch einige Lichtjahre entfernt ist. Durch den letzten Angriff der fremden Spezies wurde unser Raumschiff schwer beschädigt und der primäre Antrieb ist ausgefallen, deshalb werden wir noch einige Tage bis zur gebrauchten Hilfe benötigen. Chefingenieur Commander Tucker hält das Schiff zusammen, doch die Kommunikation und alle Waffen sind ausgefallen. Wir bemühen uns um schnelle Reparaturen, doch viele Mitglieder der Crew sind verletzt und ein Teil des Schiffes ist komplett eingestürzt. Dort gibt es noch zwölf Vermisste, unter ihnen auch meinen Waffenoffizier Malcolm Reed. Wir bemühen uns, sie zu retten, aber …“
Aber. Dieses Wort hallte laut in Jonathans Kopf wieder, denn es spiegelte exakt die Gedanken seiner gesamten Crew wider und diese Tatsache war dem Captain wohl bewusst. Nicht nur er zweifelte, seine gesamte Mannschaft hatte bereits begonnen, Fragen zu stellen. Nicht nur ihm, sondern auch sich selbst. Seit drei Tagen versuchten sie bereits, zu den vermisstem Offizieren durchzudringen, doch aufgrund der massiven Schäden an der Außenhülle gelang es ihnen nur äußerst langsam. Inzwischen war die Chance gering, dass die Vermissten so lange überlebt hatten, doch der Captain wollte nicht aufgeben. Jonathan wollte nicht glauben, dass es zu spät sein sollte.
Rasch beendete der Mann seinen Bericht und verließ sein Quartier. Als er einen Schritt nach draußen getan hatte, übermahnte ihn bereits wieder die schmerzhafte Sorge um die verletzten Offiziere, um die vermissten Personen und um seine gesamte Crew. Selten war die Lage so ernst gewesen, sie alle befanden sich in höchster Gefahr und doch konnte Jonathan nichts tun, um die Situation zu bessern.
Der Captain durchquerte die langen Gänge des beschädigten Raumschiffes. Kaputte Leitungen, zerstörte Wände, Blut an den Böden und Schutt zeichneten das neue Bild der einst glorreichen Enterprise NX-01. Einst war es das stärkste, schnellste und schlicht beste Raumschiff der Flotte gewesen, ein Flaggschiff höchster Güte. Nun war der alte Glanz vergangen, die Realität hatte sich ihren Platz erkämpft und ein Anflug von Altersschwäche durchzog das ächzende Schiff.
„Captain! Captain, warten Sie kurz!“
Langsam drehte Jonathan sich um und ein leichtes Lächeln trat auf sein müdes Gesicht, als er Chefingenieur Tucker erblickte, seinen alten Freund und treuen Kollegen. Still blieb er auf dem Gang stehen und wartete, bis der Mann ihn eingeholt hatte.
Charles Tucker der Dritte, von seinen Freunden nur Trip genannt, keuchte schwer, als er seinen Vorgesetzten eingeholt hatte. Der Mann war sichtlich erschöpft, bestimmt hatte er wieder unzählige Überstunden eingelegt, um ihre Situation zu bessern. Auf seinem Gesicht zeigten sich Spuren von Öl und Dreck, was er als Ingenieur wohl bereitwillig trug. Aber hinter dieser äußerlichen Erscheinung, in den trüben Augen des Mannes, offenbarte sich Jonathan das gesamte Ausmaß der Müdigkeit und Erschöpfung, welches Trip ergriffen hatte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Chefingenieur die Grenze seiner mentalen und physischen Belastbarkeit erreicht hatte.
„Captain, kommen Sie mit. Wir sind kurz davor, die Vermissten retten zu können.“
Sofort eilte Jonathan dem Mann hinterher. Seit Tagen arbeiteten sie an dieser Stelle, suchten nach den Vermissten und konnten durch die Schicht aus Schutt und Trümmern doch nicht durchdringen. Doch sie arbeiteten weiter, alle gemeinsam, denn es ging um ihre Kollegen und treuen Kameraden, die ihnen immer tapfer zur Seite gestanden hatten. Nun durften Jonathan und der Rest der Crew sie nicht im Stich lassen.
Atemlos kamen die beiden Männer an der genannten Stelle an. Fassungslos beobachtete Jonathan das Chaos, welches sich nicht mehr bändigen ließ und doch arbeiteten inmitten des Staubs, des Dreck und der Erschöpfung einige Offiziere weiter an einer Möglichkeit, das Unmögliche zu vollbringen.
Da stand Hoshi. Die zierliche Frau, welche ihr Leben an Universitäten verbracht hatte und niemals hatte körperlich schwer arbeiten müssen. Nun stand sie inmitten der Trümmer und arbeitete daran, den Durchgang vom Schutt zu befreien. Schwach lächelte Hoshi ihren Captain an, als sie seine Anwesenheit bemerkte.
Auf der anderen Seite zerrten Travis und Phlox gemeinsam an einem großen Trümmerteil, um es aus dem Weg zu räumen. Phlox, der Außenseiter von einem anderen Planeten, hatte zuvor nur als Arzt gearbeitet. Mehr als lange Operationen hatte der Mann niemals durchstehen müssen und oft hatte er bereits gezeigt, dass körperliche Anstrengung nicht seine liebste Beschäftigung war. Jetzt tat auch er sein Bestes, um die vermissten Kollegen zu finden.
T'Pol, ihre Kollegin vom Planeten Vulkan, trat aus dem Staub hervor. Ihre Uniform war an der Schulter zerrissen und an ihrer Stirn klebte Blut, doch die Frau eilte trotz aller Schwierigkeiten schnell auf ihren Captain zu.
„Captain, es sind noch ungefähr zwei Meter, dann sollten wir durchdringen. Wir können allerdings immer noch keine Lebenszeichen erfassen.“
Dies war ein schlechtes Zeichen, denn ihre Tricorder arbeiteten korrekt und sollten jegliche Lebensformen nun anzeigen. Jonathan wollte jedoch weiter daran glauben, dass die zwölf Männer und Frauen dieses Unglück unbeschadet überstanden hatten. Sie mussten weitersuchen und alles tun, um die Vermissten zu finden. Zumindest das war die Crew des Schiffes ihren Kameraden schuldig.
„Lasst uns weitersuchen.“ Jonathan sah Trip und T'Pol bestimmt an. „Wir dürfen jetzt nichts aufgeben.“
Nun half der Captain seinen Kollegen, die über die lange Zeit ihrer Missionen im Weltraum erst seine Freunde geworden waren und sich anschließend zu einer Familie entwickelt hatten. Der stets optimistische Trip, T'Pol mit ihrer ungebändigten Klugheit, der hilfsbereite Phlox, Hoshi mit ihrer Neugier und der überaus loyale Travis waren zu seiner neuen Familie geworden, die man in der Weite des Universums bitter nötig hatte. Sie alle waren nun auf der verzweifelten Suche nach der Person, welche ihre Gemeinschaft erst komplett werden ließ und das auf seine eigene, seltsame Weise: Malcolm Reed. Der Mann hatte sich erst zögernd, dann leise fordernd in ihre Gruppe geschlichen und trotz anfänglicher Schwierigkeiten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Für die anderen Menschen an Bord des Schiffes mochte er ein ängstlicher Pessimist mit Zwangsstörungen sein, doch für Jonathan und die Führungscrew war er ein überaus treuer und authentischer Freund geworden, den sie nicht verlieren wollten.
„Captain, wir haben es!“
Trip und Hoshi hatten es gemeinsam unter größter Anstrengung geschafft, den Weg freizulegen. Erleichtert seufzte Jonathan, denn dies bedeutete, dass sie noch eine Chance hatten, Leben zu retten. „Lasst uns gehen. Hoshi, T'Pol und Travis, Sie bleiben hier draußen und beobachteten die Stabilität dieses Sektors. Sollte es zu gefährlich werden, holen Sie uns sofort raus. Verstanden?“
„Aye, Captain“, ertönte es folgsam von Travis und auch die beiden Frauen nickten, während sie sich in die beste Position begaben, um den Kontakt per Kommunikator halten zu können.
Jonathan wandte sich an Trip. „Ich gehe vor. Der Doktor läuft hinter mir, er muss so schnell wie möglich die Verletzten behandeln können. Du gibst uns Rückendeckung und achtest darauf, dass uns nicht doch noch etwas erschlägt.“
„Wir sollten uns beeilen, Captain.“ Trips besorgter Blick hing an dem schmalen, instabilen Eingang inmitten der Trümmer. „Es könnte jeden Moment wieder einstürzen.“
So gingen sie voran. Angespannte Stille lag nun auf der kleinen Gruppe aus Offizieren, welche sich dem Chaos stellte. Keiner wollte einen Einsturz riskieren und jedes kleine Wort war Schall zuviel, der die Trümmer traf und sie aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Gleichzeitig trieb sich jedoch die ungebändigte Sorge in den Köpfen der Männer umher, erstickte jeden positiven Gedanken und hielt ihre ängstliche Seele fest im Griff. Selbst Trip, dem großen Optimisten und größten Streitpartner Malcolms, waren die positiven Gedanken ausgegangen.
Kurz nach dem Eingang waren nur noch vereinzelt Trümmer zu finden und die drei Offiziere konnten wieder aufrecht gehen. Überall waren vereinzelte, zerstörte Bauteile des Schiffes verteilt, das Licht flackerte stark. Jonathan beobachtete die Umgebung genau und suchte mithilfe des Tricorders nach Lebenszeichen, doch es gab keine Anzeichen für Überlebende. Das technische Gerät schlug nicht an und Jonathans Herz begann merklich zu schmerzen, als die beginnende Trauer ihn ergriff, denn bald würde sich die Realität nicht mehr leugnen lassen.
„Sie müssen hier sein.“ Trip hatte sich nun entschlossen, doch einige Worte loszuwerden, wenigstens irgendetwas zu sagen, um die Machtlosigkeit aus seinen Gedanken zu verdrängen. „Sie dürfen nicht alle tot sein.“
Als die Gruppe um die nächste Ecke bog, wurden die Worte des Chefingenieurs mit der Wucht eines psychischen Schlags Lügen gestraft. Jonathan wich automatisch einen Schritt zurück, während Phlox zwecks seines Berufs sofort zur Stelle war, um vielleicht noch Leben retten zu können.
Die Leichen waren beängstigend. Einige von ihnen hatten schwere Verletzungen erlitten, das Blut bedeckte den Boden und brachte den unmissverständlichen Geruch nach Tod mit sich. Andere hatten nur leichte Verletzungen erlitten, doch ohne Versorgung waren auch sie dem Ende ihres Lebens hilflos ausgeliefert gewesen.
„Captain, es sind nur elf Offiziere.“ Phlox erhob sich mit einem tiefen Seufzen, doch in seinen Augen leuchtete noch ein wenig seines altbekannten Optimismus. „Lieutenant Reed ist nicht unter den Toten.“
Malcolm hatte es nicht getroffen! Dies war der einzige Gedanke, der zu Jonathan durchdrang. Ihm war gar nicht mehr bewusst, wie unwahrscheinlich es doch war, dass der Mann als einziger Vermisster diese Katastrophe überlebt hatte. Der Captain riss sich vom Ort des Geschehens los und begann zu rennen. Seine Gedanken waren nun alle beim vermissten Waffenoffizier, der vielleicht noch am Leben war. Hals über Kopf stolperte Jonathan den Gang entlang, achtete auf keine Sicherheitsregeln mehr und spürte, wie gleichzeitig Panik und Freude um die Vorherrschaft in seinem geschundenen Herzen rangen.
„Malcolm! Malcolm, wo bist du? Malcolm …“
Abrupt blieb der Mann stehen. Jonathans Bewegungen stoppten genauso rasch wie die Euphorie in seinen Adern. Bittere Trauer ersetzte nun das positive Gefühl und trieb dem Captain die Tränen in die Augen, denn er stand am Abgrund.
Vor ihm erstreckte sich allein der Weltraum. Noch unentdeckt musste beim Angriff ein Teil der Hülle des Raumschiffs zerstört worden sein. Nur das automatisch aktivierte Kraftfeld hatte verhindert, dass weiterer Schaden entstanden war. Dies bedeutete, dass Malcolm diesen Angriff mit seinem Leben bezahlt hatte.
Vor Jonathans innerem Auge zogen die Tage seines Lebens auf der Enterprise vorbei und die unzähligen Erinnerungen, die er und Malcolm geteilt hatten. Malcolms Unfähigkeit, ihn als Freund und nicht nur als Vorgesetzten zu sehen, hatte den Mann in den Wahnsinn getrieben. Ebenso war Malcolms ständiger Zwang zum Perfektionismus eine Last gewesen, die nicht nur ihm geschadet hatte, sondern auch der Crew Geduld gekostet hatte. Und doch war der Waffenoffizier am Ende ihr aller Freund gewesen. Niemals hätte Malcolm sie so früh verlassen dürfen.
„Das hatte er nicht verdient.“ Trip stand neben Jonathan, den Blick hielt er auf die weit entfernten Sterne gesenkt. Den Chefingenieur und Malcolm hatte ein tiefer Konkurrenzkampf, aber auch eine vertraute Freundschaft verbunden, da sie sich jeden Tag bei der Arbeit unterstützt und auch geärgert hatten. Für den Mann musste es besonders schmerzhaft sein, das vertraute Gesicht nicht mehr erblicken zu können, wenn er den Maschinenraum betrat.
„Lasst uns zurückgehen.“ Jonathan sprach damit auch Phlox an, der sich stumm zu ihnen gesellt hatte. „Es gibt andere Leute, die unsere Hilfe brauchen.“
Kaum hatten die drei Offiziere sich von der Unendlichkeit des Weltalls abgewandt, ertönte der Kommunikator des Captains. Es dauerte einige Sekunden, bis der Mann sich der Realität des Augenblicks bewusst war und auf den Kontaktversuch antwortete.
"Captain Archer hier. Wir haben elf Leichen gefunden und einen Hüllenbruch. Es ist ein Wunder, dass sie nicht nach draußen gesogen wurden. Aber Malcolm … Malcolm hat es nicht geschafft.“
Die Verbindung musste durch die Massen an Trümmern gestört werden, welche den Eingang verdeckten, denn anfangs erreichte Jonathan nur ein Rauschen. Verärgert wartete der Mann auf Meldung, doch auch nach einigen Sekunden des Wartens erreichten ihn nur einige Wortfetzen.
„… verstehen … hier … verletzt … er … hier …“
Erst wollte der Captain es nicht glauben, doch dann verstand er, was am anderen Ende der Leitung behauptet wurde. Sofort sprintete Jonathan los, ließ seine beiden Kollegen im Unklaren über seine Gedankengänge und beeilte sich, den Ort des Grauens schnellstmöglich zu verlassen, denn es schien noch einen letzten Schimmer am Horizont zu geben, der Hoffnung verhieß. Hoffnung für sie alle.
Ungeachtet der Gefahr rannte der Captain durch den schmalen Eingang und ignorierte die Schürfwunden, die er sich bei diesem Vorgehen zuzog. In seinem Kopf hatte die Hoffnung die alleinige Führung übernommen und sie war stärker als der Schmerz und die Trauer, denn sie ließ ihn weiterleben, wenn alles vorbei schien. Jetzt ließ die Hoffnung den Captain rennen, als hinge sein Leben davon ab.
Jonathan betrat wieder bekanntes Terrain und erblickte zuerst die zurückgebliebenen Offiziere, doch die drei Menschen hatten sich um eine vierte, verletzte Person gesammelt. Erst, als dieser Mann sich umdrehte, konnte der Captain wirklich glauben, was er nur gehört und nicht für möglich gehalten hatte.
Malcolm lächelte leicht, denn trotz seiner Verletzungen stand der Mann pflichtbewusst wie immer aufrecht und schien froh, wieder Tageslicht erreicht zu haben. Der Suchtrupp musste ihn wohl aus leichter Bewusstlosigkeit aufgeschreckt und aus einer Ecke gelockt haben, die sie übersehen hatten. Nun sah Malcolm seinen Vorgesetzten und Freund an, während sich die Freude in seinem Gesicht langsam zu zeigen begann.
„Hallo, Captain. Wie geht es dem Schiff?“
Jonathan lächelte schwach und nickte. „Dem Schiff geht es gut, Malcolm. Und uns jetzt auch.“
Der Waffenoffizier grinste schwach, denn mehr Worten bedurfte es nicht, um ihn zu verstehen.
Jonathan seufzte tief und spürte, wie endlich alle Last von ihm abfiel. Nun gab es wieder Hoffnung, Hoffnung für sie alle und für die unbekannte Zukunft. Die Hoffnung strahlte als helles Licht und verhieß neue Möglichkeiten nach schweren Zeiten. Es schien, als hätte ausgerechnet Malcolm ihnen dieses Licht zurückgebracht.
„Logbuch des Captains. Sternzeit 2155,33. Wir sind auf dem Weg ins nächste Sternensystem, welches jedoch noch einige Lichtjahre entfernt ist. Durch den letzten Angriff der fremden Spezies wurde unser Raumschiff schwer beschädigt und der primäre Antrieb ist ausgefallen, deshalb werden wir noch einige Tage bis zur gebrauchten Hilfe benötigen. Chefingenieur Commander Tucker hält das Schiff zusammen, doch die Kommunikation und alle Waffen sind ausgefallen. Wir bemühen uns um schnelle Reparaturen, doch viele Mitglieder der Crew sind verletzt und ein Teil des Schiffes ist komplett eingestürzt. Dort gibt es noch zwölf Vermisste, unter ihnen auch meinen Waffenoffizier Malcolm Reed. Wir bemühen uns, sie zu retten, aber …“
Aber. Dieses Wort hallte laut in Jonathans Kopf wieder, denn es spiegelte exakt die Gedanken seiner gesamten Crew wider und diese Tatsache war dem Captain wohl bewusst. Nicht nur er zweifelte, seine gesamte Mannschaft hatte bereits begonnen, Fragen zu stellen. Nicht nur ihm, sondern auch sich selbst. Seit drei Tagen versuchten sie bereits, zu den vermisstem Offizieren durchzudringen, doch aufgrund der massiven Schäden an der Außenhülle gelang es ihnen nur äußerst langsam. Inzwischen war die Chance gering, dass die Vermissten so lange überlebt hatten, doch der Captain wollte nicht aufgeben. Jonathan wollte nicht glauben, dass es zu spät sein sollte.
Rasch beendete der Mann seinen Bericht und verließ sein Quartier. Als er einen Schritt nach draußen getan hatte, übermahnte ihn bereits wieder die schmerzhafte Sorge um die verletzten Offiziere, um die vermissten Personen und um seine gesamte Crew. Selten war die Lage so ernst gewesen, sie alle befanden sich in höchster Gefahr und doch konnte Jonathan nichts tun, um die Situation zu bessern.
Der Captain durchquerte die langen Gänge des beschädigten Raumschiffes. Kaputte Leitungen, zerstörte Wände, Blut an den Böden und Schutt zeichneten das neue Bild der einst glorreichen Enterprise NX-01. Einst war es das stärkste, schnellste und schlicht beste Raumschiff der Flotte gewesen, ein Flaggschiff höchster Güte. Nun war der alte Glanz vergangen, die Realität hatte sich ihren Platz erkämpft und ein Anflug von Altersschwäche durchzog das ächzende Schiff.
„Captain! Captain, warten Sie kurz!“
Langsam drehte Jonathan sich um und ein leichtes Lächeln trat auf sein müdes Gesicht, als er Chefingenieur Tucker erblickte, seinen alten Freund und treuen Kollegen. Still blieb er auf dem Gang stehen und wartete, bis der Mann ihn eingeholt hatte.
Charles Tucker der Dritte, von seinen Freunden nur Trip genannt, keuchte schwer, als er seinen Vorgesetzten eingeholt hatte. Der Mann war sichtlich erschöpft, bestimmt hatte er wieder unzählige Überstunden eingelegt, um ihre Situation zu bessern. Auf seinem Gesicht zeigten sich Spuren von Öl und Dreck, was er als Ingenieur wohl bereitwillig trug. Aber hinter dieser äußerlichen Erscheinung, in den trüben Augen des Mannes, offenbarte sich Jonathan das gesamte Ausmaß der Müdigkeit und Erschöpfung, welches Trip ergriffen hatte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Chefingenieur die Grenze seiner mentalen und physischen Belastbarkeit erreicht hatte.
„Captain, kommen Sie mit. Wir sind kurz davor, die Vermissten retten zu können.“
Sofort eilte Jonathan dem Mann hinterher. Seit Tagen arbeiteten sie an dieser Stelle, suchten nach den Vermissten und konnten durch die Schicht aus Schutt und Trümmern doch nicht durchdringen. Doch sie arbeiteten weiter, alle gemeinsam, denn es ging um ihre Kollegen und treuen Kameraden, die ihnen immer tapfer zur Seite gestanden hatten. Nun durften Jonathan und der Rest der Crew sie nicht im Stich lassen.
Atemlos kamen die beiden Männer an der genannten Stelle an. Fassungslos beobachtete Jonathan das Chaos, welches sich nicht mehr bändigen ließ und doch arbeiteten inmitten des Staubs, des Dreck und der Erschöpfung einige Offiziere weiter an einer Möglichkeit, das Unmögliche zu vollbringen.
Da stand Hoshi. Die zierliche Frau, welche ihr Leben an Universitäten verbracht hatte und niemals hatte körperlich schwer arbeiten müssen. Nun stand sie inmitten der Trümmer und arbeitete daran, den Durchgang vom Schutt zu befreien. Schwach lächelte Hoshi ihren Captain an, als sie seine Anwesenheit bemerkte.
Auf der anderen Seite zerrten Travis und Phlox gemeinsam an einem großen Trümmerteil, um es aus dem Weg zu räumen. Phlox, der Außenseiter von einem anderen Planeten, hatte zuvor nur als Arzt gearbeitet. Mehr als lange Operationen hatte der Mann niemals durchstehen müssen und oft hatte er bereits gezeigt, dass körperliche Anstrengung nicht seine liebste Beschäftigung war. Jetzt tat auch er sein Bestes, um die vermissten Kollegen zu finden.
T'Pol, ihre Kollegin vom Planeten Vulkan, trat aus dem Staub hervor. Ihre Uniform war an der Schulter zerrissen und an ihrer Stirn klebte Blut, doch die Frau eilte trotz aller Schwierigkeiten schnell auf ihren Captain zu.
„Captain, es sind noch ungefähr zwei Meter, dann sollten wir durchdringen. Wir können allerdings immer noch keine Lebenszeichen erfassen.“
Dies war ein schlechtes Zeichen, denn ihre Tricorder arbeiteten korrekt und sollten jegliche Lebensformen nun anzeigen. Jonathan wollte jedoch weiter daran glauben, dass die zwölf Männer und Frauen dieses Unglück unbeschadet überstanden hatten. Sie mussten weitersuchen und alles tun, um die Vermissten zu finden. Zumindest das war die Crew des Schiffes ihren Kameraden schuldig.
„Lasst uns weitersuchen.“ Jonathan sah Trip und T'Pol bestimmt an. „Wir dürfen jetzt nichts aufgeben.“
Nun half der Captain seinen Kollegen, die über die lange Zeit ihrer Missionen im Weltraum erst seine Freunde geworden waren und sich anschließend zu einer Familie entwickelt hatten. Der stets optimistische Trip, T'Pol mit ihrer ungebändigten Klugheit, der hilfsbereite Phlox, Hoshi mit ihrer Neugier und der überaus loyale Travis waren zu seiner neuen Familie geworden, die man in der Weite des Universums bitter nötig hatte. Sie alle waren nun auf der verzweifelten Suche nach der Person, welche ihre Gemeinschaft erst komplett werden ließ und das auf seine eigene, seltsame Weise: Malcolm Reed. Der Mann hatte sich erst zögernd, dann leise fordernd in ihre Gruppe geschlichen und trotz anfänglicher Schwierigkeiten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Für die anderen Menschen an Bord des Schiffes mochte er ein ängstlicher Pessimist mit Zwangsstörungen sein, doch für Jonathan und die Führungscrew war er ein überaus treuer und authentischer Freund geworden, den sie nicht verlieren wollten.
„Captain, wir haben es!“
Trip und Hoshi hatten es gemeinsam unter größter Anstrengung geschafft, den Weg freizulegen. Erleichtert seufzte Jonathan, denn dies bedeutete, dass sie noch eine Chance hatten, Leben zu retten. „Lasst uns gehen. Hoshi, T'Pol und Travis, Sie bleiben hier draußen und beobachteten die Stabilität dieses Sektors. Sollte es zu gefährlich werden, holen Sie uns sofort raus. Verstanden?“
„Aye, Captain“, ertönte es folgsam von Travis und auch die beiden Frauen nickten, während sie sich in die beste Position begaben, um den Kontakt per Kommunikator halten zu können.
Jonathan wandte sich an Trip. „Ich gehe vor. Der Doktor läuft hinter mir, er muss so schnell wie möglich die Verletzten behandeln können. Du gibst uns Rückendeckung und achtest darauf, dass uns nicht doch noch etwas erschlägt.“
„Wir sollten uns beeilen, Captain.“ Trips besorgter Blick hing an dem schmalen, instabilen Eingang inmitten der Trümmer. „Es könnte jeden Moment wieder einstürzen.“
So gingen sie voran. Angespannte Stille lag nun auf der kleinen Gruppe aus Offizieren, welche sich dem Chaos stellte. Keiner wollte einen Einsturz riskieren und jedes kleine Wort war Schall zuviel, der die Trümmer traf und sie aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Gleichzeitig trieb sich jedoch die ungebändigte Sorge in den Köpfen der Männer umher, erstickte jeden positiven Gedanken und hielt ihre ängstliche Seele fest im Griff. Selbst Trip, dem großen Optimisten und größten Streitpartner Malcolms, waren die positiven Gedanken ausgegangen.
Kurz nach dem Eingang waren nur noch vereinzelt Trümmer zu finden und die drei Offiziere konnten wieder aufrecht gehen. Überall waren vereinzelte, zerstörte Bauteile des Schiffes verteilt, das Licht flackerte stark. Jonathan beobachtete die Umgebung genau und suchte mithilfe des Tricorders nach Lebenszeichen, doch es gab keine Anzeichen für Überlebende. Das technische Gerät schlug nicht an und Jonathans Herz begann merklich zu schmerzen, als die beginnende Trauer ihn ergriff, denn bald würde sich die Realität nicht mehr leugnen lassen.
„Sie müssen hier sein.“ Trip hatte sich nun entschlossen, doch einige Worte loszuwerden, wenigstens irgendetwas zu sagen, um die Machtlosigkeit aus seinen Gedanken zu verdrängen. „Sie dürfen nicht alle tot sein.“
Als die Gruppe um die nächste Ecke bog, wurden die Worte des Chefingenieurs mit der Wucht eines psychischen Schlags Lügen gestraft. Jonathan wich automatisch einen Schritt zurück, während Phlox zwecks seines Berufs sofort zur Stelle war, um vielleicht noch Leben retten zu können.
Die Leichen waren beängstigend. Einige von ihnen hatten schwere Verletzungen erlitten, das Blut bedeckte den Boden und brachte den unmissverständlichen Geruch nach Tod mit sich. Andere hatten nur leichte Verletzungen erlitten, doch ohne Versorgung waren auch sie dem Ende ihres Lebens hilflos ausgeliefert gewesen.
„Captain, es sind nur elf Offiziere.“ Phlox erhob sich mit einem tiefen Seufzen, doch in seinen Augen leuchtete noch ein wenig seines altbekannten Optimismus. „Lieutenant Reed ist nicht unter den Toten.“
Malcolm hatte es nicht getroffen! Dies war der einzige Gedanke, der zu Jonathan durchdrang. Ihm war gar nicht mehr bewusst, wie unwahrscheinlich es doch war, dass der Mann als einziger Vermisster diese Katastrophe überlebt hatte. Der Captain riss sich vom Ort des Geschehens los und begann zu rennen. Seine Gedanken waren nun alle beim vermissten Waffenoffizier, der vielleicht noch am Leben war. Hals über Kopf stolperte Jonathan den Gang entlang, achtete auf keine Sicherheitsregeln mehr und spürte, wie gleichzeitig Panik und Freude um die Vorherrschaft in seinem geschundenen Herzen rangen.
„Malcolm! Malcolm, wo bist du? Malcolm …“
Abrupt blieb der Mann stehen. Jonathans Bewegungen stoppten genauso rasch wie die Euphorie in seinen Adern. Bittere Trauer ersetzte nun das positive Gefühl und trieb dem Captain die Tränen in die Augen, denn er stand am Abgrund.
Vor ihm erstreckte sich allein der Weltraum. Noch unentdeckt musste beim Angriff ein Teil der Hülle des Raumschiffs zerstört worden sein. Nur das automatisch aktivierte Kraftfeld hatte verhindert, dass weiterer Schaden entstanden war. Dies bedeutete, dass Malcolm diesen Angriff mit seinem Leben bezahlt hatte.
Vor Jonathans innerem Auge zogen die Tage seines Lebens auf der Enterprise vorbei und die unzähligen Erinnerungen, die er und Malcolm geteilt hatten. Malcolms Unfähigkeit, ihn als Freund und nicht nur als Vorgesetzten zu sehen, hatte den Mann in den Wahnsinn getrieben. Ebenso war Malcolms ständiger Zwang zum Perfektionismus eine Last gewesen, die nicht nur ihm geschadet hatte, sondern auch der Crew Geduld gekostet hatte. Und doch war der Waffenoffizier am Ende ihr aller Freund gewesen. Niemals hätte Malcolm sie so früh verlassen dürfen.
„Das hatte er nicht verdient.“ Trip stand neben Jonathan, den Blick hielt er auf die weit entfernten Sterne gesenkt. Den Chefingenieur und Malcolm hatte ein tiefer Konkurrenzkampf, aber auch eine vertraute Freundschaft verbunden, da sie sich jeden Tag bei der Arbeit unterstützt und auch geärgert hatten. Für den Mann musste es besonders schmerzhaft sein, das vertraute Gesicht nicht mehr erblicken zu können, wenn er den Maschinenraum betrat.
„Lasst uns zurückgehen.“ Jonathan sprach damit auch Phlox an, der sich stumm zu ihnen gesellt hatte. „Es gibt andere Leute, die unsere Hilfe brauchen.“
Kaum hatten die drei Offiziere sich von der Unendlichkeit des Weltalls abgewandt, ertönte der Kommunikator des Captains. Es dauerte einige Sekunden, bis der Mann sich der Realität des Augenblicks bewusst war und auf den Kontaktversuch antwortete.
"Captain Archer hier. Wir haben elf Leichen gefunden und einen Hüllenbruch. Es ist ein Wunder, dass sie nicht nach draußen gesogen wurden. Aber Malcolm … Malcolm hat es nicht geschafft.“
Die Verbindung musste durch die Massen an Trümmern gestört werden, welche den Eingang verdeckten, denn anfangs erreichte Jonathan nur ein Rauschen. Verärgert wartete der Mann auf Meldung, doch auch nach einigen Sekunden des Wartens erreichten ihn nur einige Wortfetzen.
„… verstehen … hier … verletzt … er … hier …“
Erst wollte der Captain es nicht glauben, doch dann verstand er, was am anderen Ende der Leitung behauptet wurde. Sofort sprintete Jonathan los, ließ seine beiden Kollegen im Unklaren über seine Gedankengänge und beeilte sich, den Ort des Grauens schnellstmöglich zu verlassen, denn es schien noch einen letzten Schimmer am Horizont zu geben, der Hoffnung verhieß. Hoffnung für sie alle.
Ungeachtet der Gefahr rannte der Captain durch den schmalen Eingang und ignorierte die Schürfwunden, die er sich bei diesem Vorgehen zuzog. In seinem Kopf hatte die Hoffnung die alleinige Führung übernommen und sie war stärker als der Schmerz und die Trauer, denn sie ließ ihn weiterleben, wenn alles vorbei schien. Jetzt ließ die Hoffnung den Captain rennen, als hinge sein Leben davon ab.
Jonathan betrat wieder bekanntes Terrain und erblickte zuerst die zurückgebliebenen Offiziere, doch die drei Menschen hatten sich um eine vierte, verletzte Person gesammelt. Erst, als dieser Mann sich umdrehte, konnte der Captain wirklich glauben, was er nur gehört und nicht für möglich gehalten hatte.
Malcolm lächelte leicht, denn trotz seiner Verletzungen stand der Mann pflichtbewusst wie immer aufrecht und schien froh, wieder Tageslicht erreicht zu haben. Der Suchtrupp musste ihn wohl aus leichter Bewusstlosigkeit aufgeschreckt und aus einer Ecke gelockt haben, die sie übersehen hatten. Nun sah Malcolm seinen Vorgesetzten und Freund an, während sich die Freude in seinem Gesicht langsam zu zeigen begann.
„Hallo, Captain. Wie geht es dem Schiff?“
Jonathan lächelte schwach und nickte. „Dem Schiff geht es gut, Malcolm. Und uns jetzt auch.“
Der Waffenoffizier grinste schwach, denn mehr Worten bedurfte es nicht, um ihn zu verstehen.
Jonathan seufzte tief und spürte, wie endlich alle Last von ihm abfiel. Nun gab es wieder Hoffnung, Hoffnung für sie alle und für die unbekannte Zukunft. Die Hoffnung strahlte als helles Licht und verhieß neue Möglichkeiten nach schweren Zeiten. Es schien, als hätte ausgerechnet Malcolm ihnen dieses Licht zurückgebracht.