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Herz und Seele Frankreichs

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Schmerz/Trost / P16 / Gen
Aramis Athos D'Artagnan Porthos Tréville
31.03.2020
01.06.2020
24
69.713
3
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17.04.2020 1.725
 
Thernes wartete ab, bis die Wachen Aramis vom Stuhl gezogen und unsanft über die 3 kleinen Stufen hinauf aus dem Verhörraum geführt hatten. Er beobachtete aufmerksam, wie der Gefangene trotz offensichtlicher Erschöpfung versuchte, mit dem Tempo der Sturmmänner mitzuhalten und selber zu gehen.
Der Kommissar schüttelte amüsiert den Kopf, während er ebenfalls aus der ehemaligen Kapelle in den Kreuzgang trat und Aramis weiter nachsah. Es war jedes Mal wieder ein Vergnügen herauszufinden, wo die Grenzen der menschlichen Widerstandsfähigkeit abgesteckt und wie lange es dauerte, bis diese durchbrochen waren. Im Grunde verachtete er dieses Ungeziefer, mit dem er sich, seit er das Kommando im Pariser Hauptquartier übernommen hatte, tagtäglich auseinander setzen musste. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass der menschliche Körper schwach und nur allzu  zerbrechlich war und es nur wenig brauchte, um Macht über den noch schwächeren Geist zu erlangen, der diesen Körpern inne wohnte. Insofern war die letzte Stunde mit dem Scharfschützen durchaus interessant gewesen, wenngleich seine ausgeklügelte Form der Verhörführung noch keine Ergebnisse gebracht hatte. Er kam  nicht umhin, dem starken Willen, den Aramis bis jetzt an den Tag gelegt hatte, so etwas wie Achtung zu zollen. Nur wenige hatten es bisher geschafft, mit seinem Spiel mit zu halten und der Scharfschütze war tatsächlich die Herausforderung, die er sich erhofft hatte!
Als Aramis um die die Ecke verschwunden war, schaute Thernes auf die Uhr.
Viertel Neun, mein Gast wird dann wohl schon da sein, dachte Thernes und ging schnellen Schrittes den Kreuzgang zurück in die Aula. Die Sonne war längst untergegangen, schwache, gelbscheinende Lampen erleuchteten den Weg  und hätte er einen Sinn für Romantik gehabt, so hätte ihm die Stimmung, die das alte Kloster verbreitete, vermutlich gefallen. Aber Thernes interessierte sich nicht für diese Überflüssigkeiten, er setzte jegliche Form von Charme oder Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen ausschließlich dazu ein, um sie zu manipulieren. Menschen, die sich manipulieren ließen, konnte er sich zu Nutzen machen und alles, was seinen Zwecken diente, diente seinen Zielen. Thernes war stolz darauf, seine Verachtung und Langeweile, die er im Grunde immer empfand, wenn er mir jemanden umgehen musste, so zu verbergen, dass niemand merkte, dass er die Menschen um sich herum nur dazu benutzte, um sich abzulenken oder Befriedigung seiner Rastlosigkeit zu erlangen. Das Gefühl der Genugtuung, das sich in ihm ausbreitete, wenn er Manipulieren, Betrügen oder Kontrollieren konnte, war jedes Mal wieder aufs Neue erstrebenswert!
Beschwingt stieg er die steinerne Haupttreppe, die von der Aula in den ersten Stock führte, hinauf und schwenkte, oben angekommen, nach rechts in den alten Verwaltungstrakt. Er hatte sich im hinteren, größeren Zimmer, das früher der private Raum der Prioren gewesen war, sein Büro eingerichtet. Er schätze die zweiseitige Fensterfront, die ihm sowohl den Blick auf die alte Gasse, die Richtung Zentrum führte, als auch auf den Vorplatz des Klosters frei gab.
Seine Sekretärin war immer noch anwesend, sie war augenblicklich aufgestanden, als Thernes durch die Tür getreten war. Dem Kommissar gefiel es, dass die junge Frau überaus beflissen war.
„Ah! Liebes Fräulein!“, grüßte Thernes sie liebenswürdig. „Sie sind noch nicht nach Hause gegangen?“
„Nein, ich habe noch die Akten über den neuen Gefangenen ein geschlichtet und Ihr Hemd für morgen vorbereitet. Es hängt bereits in Ihrem Büro.“
„Danke sehr!“ Thernes verbeugte sich galant mit einem kleinen Lächeln.

„Haben Sie bereits Fortschritte mit dem Scharfschützen gemacht?“, erkundigte sich seine Schreibkraft.
„Leider nicht wirklich!“ Thernes konnte nicht verhindern, dass ein leises Bedauern in seiner Stimme mitschwang. „Ich habe bereits mit dem erweiterten Verhör begonnen, es wird also nicht mehr lange dauern, bis er reden wird!“
Er ärgerte sich immer noch, wenn er an die Unverfrorenheit, die dieser Mann an den Tag gelegt hatte, dachte. Allein, dass er es gewagt hatte, so mit ihm zu sprechen, in dieser Lage, kratzte gewaltig an der Fassade, hinter der er sein inneres Monster in der Regel sicher verwahrte. Als er Aramis die Fotos gezeigt hatte, war er sich sicher gewesen, dass er ihn gehabt hatte. Thernes wusste, dass er einen untrüglichen Instinkt hatte, wenn es darum ging, die Schwäche eines anderen zu entdecken und auszubeuten. Oh ja, er hatte Aramis in die Ecke gedrängt, er hatte es in seinen Augen gesehen! Dennoch hatte sich die kleine Resistance-Ratte ihm entzogen und Thernes konnte sich einfach keinen Reim darauf machen, wie ihm das gelungen war! Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, Aramis zu schlagen, aber die Wut und Enttäuschung darüber, dass ihm sein sicherer Sieg entrissen worden war, hatten sich wie von selbst ihren Weg gebahnt und Thernes war immer noch ein wenig peinlich berührt, dass der Scharfschütze ihn so dermaßen hatte reizen können, dass er die Fassung verloren hatte. Er, und nicht Aramis!
Zumindest hatte das Ausbluten die Frechheit des Gefangenen ein wenig gedämpft, und dass er dem Mann ernsthafte Schmerzen und offensichtliches Leid zugefügt hatte, versetze ihn nun doch in eine kleine Hochstimmung. Er war auf dem richtigen Weg, das konnte er spüren!
„Er ist jetzt im unteren Keller, um sich ein wenig...“, Thernes suchte nach dem richtigen Wort, um seine Sekretärin nicht unnötig zu beunruhigen, „...abzukühlen!“ Es schien ihm jedoch nicht wirklich gelungen zu sein, seine diebische Freude darüber zu verbergen, denn er bemerkte, wie das Fräulein kurz beunruhigt ihre Augenbrauen zusammenzog. Der Moment währte nur kurz, dann lächelte die junge Frau unverbindlich.
„Morgen wird er bereit sein – ganz bestimmt!“, tröstete sie ihn.
„Ja, da haben Sie ganz recht!“, bestätigte Thernes und schaute mit einem Kopfnicken zur verschlossenen Tür.
„Ist er da?“
„Ja, Herr Hauptkommissar! Er ist vor wenigen Minuten gekommen. Ich habe ihn hineingeführt und den Wein geöffnet, damit er atmen kann.“
„Vielen Dank, meine Liebe! Für heute sind wir hier fertig, gehen Sie nach Hause, sie haben es sich verdient!“
„Danke, Herr Hauptkommissar! Ich mache noch Akten fertig und werde den Wachen eine kleine Mahlzeit zukommen lassen. Die Kapelle verdient es auch, dass ich noch ein wenig die Hand anlege, damit für morgen alles bereit ist. Ich komme dann wie gewohnt! Gute Nacht!“, verabschiedete sie sich, aber Thernes hörte nicht mehr wirklich hin, er hatte das Interesse an einer weiteren Konversation verloren.
Er ging einfach weiter und öffnete die Tür in sein Büro. Der Mann, den er erwartet hatte, saß bereits vor seinem Schreibtisch, 2 Weingläser standen vor ihm, die geöffnete Flasche und ein Körbchen mit Weißbrotscheiben. Nun ja, das musste man der Dame lassen, aufmerksam war sie!
„Heil Hitler!“, salutierte Thernes mit übertriebener Lautstärke und  freute sich beinahe kindisch, dass der Mann augenblicklich von seinem Sessel aufsprang, die Haken zusammenschlug und ebenso kräftig mit starrem Arm den deutschen Gruß beantwortete. Ah, es war herrlich zu sehen, wie einfach die Menschen zu manipulieren waren!
„Setzen Sie sich doch, mein Guter!“, beschwichtige Thernes den etwas irritierten Mann und nahm selber hinter seinem Schreibtisch Platz, nicht ohne vorher die beiden Weingläser zu befüllen.
„Danke, Herr Hauptkommissar!“, sagte der Gast, nun wieder deutlich entspannter.
Beide nahmen ihre Gläser und tranken schweigend ein paar Schluck des exklusiven Weins. Thernes beobachtete den Mann, er hatte bei ihm immer ein wenig das Gefühl, als wäre er vom selben Schlag. Zweifelsohne musste der Herr ein erhebliches Ausmaß an Skrupellosigkeit besitzen, sonst hätte er die Musketiere nicht so leichtfertig verraten können. Naja, ist auch egal, warum er das getan hat, solange das Ergebnis stimmt, dachte Thernes und nahm einen letzten Schluck Wein, bevor er das Wort an ihn richtete.
„Ich danke Ihnen für Ihre Mithilfe, ihre Angaben waren sehr präzise und es hat keinerlei Zwischenfälle bei der Verhaftung gegeben. Hat es auf Ihrer Seite Schwierigkeiten gegeben?“
„Nein, die Unzertrennlichen haben keinen Verdacht geschöpft, es ist alles wie geplant verlaufen. Ihre Dankbarkeit freut mich, meine Informationen sind immer korrekt, das wissen Sie!“
Thernes hatte beobachten können, wie es sein Gegenüber förmlich geschüttelt hatte, als er das Wort die „Unzertrennlichen“ hatte aussprechen müssen, und diese Reaktion amüsierte ihn insgeheim sehr. „Selbstverständlich! Ich war nur ein wenig enttäuscht, das die Fotos nicht funktioniert haben. Das hat die kleine Missgeburt nicht wirklich beeindruckt!“
„Nein?“, fragte der Mann und Thernes bemerkte, dass er ernsthaft überrascht war. „Hm, das war nicht vorhersehbar, ich war mir sicher, dass es funktionieren würde...Haben sie Alternativen überlegt?“
Thernes grinste boshaft auf. „Natürlich! Wo denken Sie hin? Ich werde mir doch nicht solch einen wertvollen Fang durch die Lappen gehen lassen...Wenn Sie verstehen, was ich meine!“
„Durchaus!“
Thernes dachte für einen kurzen Moment im Gesicht seines Gegenübers die selbe Skrupellosigkeit und Gier nach Blut aufleuchten zu sehen, die er immer empfand, wenn er an die Methoden des erweiterten Verhörs dachte. „Ich hoffe aber für Sie, dass er tatsächlich die Informationen hat, die ich brauche!“, fügte Thernes nach einem kurzen Moment Pause eisig hinzu. Er hasste es, wenn er die Dinge nicht in der Hand hatte und sich auf andere Menschen verlassen musste.
„Ich bin mir absolut sicher! Und machen sie sich keine Gedanken, der Mann ist ein Blender, allzu sehr von sich selbst eingenommen und meint, sein hübsches Gesicht reicht, um andere zu beeindrucken. Er wird mit den richtigen Argumenten ganz sicher klein beigeben, das verspreche ich Ihnen!“
„Ich hoffe es – auch um Ihretwillen!“, und Thernes sah an den kurz zusammengekniffenen Augen, dass sein Gegenüber die Drohung durchaus verstanden hatte. Glaubte der Mann vor ihm tatsächlich, dass er so dumm war, ihm zu vertrauen? Thernes stand abrupt auf und zwang so den Informanten sich ebenfalls zu erheben.
„Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht!“ Für Thernes war das Gespräch beendet, der Mann vor ihm hatte keinen unmittelbaren Nutzen mehr für ihn und eine kurze Handbewegung genügte, ihm den Weg nach draußen zu weisen. Thernes war sich nicht ganz sicher, ob der kleine Verräter ihm tatsächlich alles gesagt hatte, aber auch das war im Grunde egal. Er wartete, bis der Mann sein Büro verlassen hatte und setzte sich wieder hin.
Es waren keine 20 Minuten vergangen, seit er den Verhörraum verlassen hatte, er hatte also noch ein wenig Zeit, bis er sich wieder dem Scharfschützen würde widmen müssen. Und das würde er sicher noch ausgiebig tun, aber bis dahin musste er die Post für Berlin fertig machen und seine Listen abgleichen. Thernes arbeite in Ruhe, zielstrebig und fokussiert, wie es seine Art war und als 3 Stunden später ein Sturmmann an seine Tür klopfte, dass die Behandlung des Scharfschützen vorzeitig beendet werden musste, hatte er das Allermeiste geschafft.
Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen!, dachte er, als er sich voller Vorfreude auf den Weg ins Erdgeschoss machte!
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