Ein langer Abschied
von Bibi77
Kurzbeschreibung
Hat Mosers alter Schulfreund tatsächlich einen schweren Unfall verursacht und nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Moser will es herausfinden und riskiert einiges. Bald braucht er mehr denn je die Unterstützung von Rex, Tierärztin Sonja und seinen zweibeinigen Kollegen-Freunden, denn seine Suche nach der Wahrheit endet für ihn bewusstlos auf dem Teppich eines nicht ganz Unbekannten, mit dem noch eine Rechnung zu begleichen ist.
GeschichteKrimi, Freundschaft / P12 / Het
Dr. Leo Graf
Ernst "Stocki" Stockinger
Peter Höllerer
Rex
Richard "Richie" Moser
28.03.2020
10.08.2020
26
55.890
7
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28.03.2020
1.160
Das letzte abendliche Dämmerlicht schwand und ging schnell in Dunkelheit über. Längst waren in einer gepflegten Wohngegend am Wiener Stadtrand die Lichter angegangen. Das letzte verwelkte Herbstlaub wehte von den Bäumen im nahegelegenen Park und wurde von einem schneidend-kalten Wind in die Vorgärten der Villen getrieben, die in weitem Respektabstand zueinander die Straße säumten. Im Licht der Laternen glänzte das Pflaster nass vom Nieselregen.
Es war 18.00 Uhr vorbei, als sich die Scheinwerfer eines Fahrzeugs näherten. Der weiße Lieferwagen rauschte zügig heran und hielt vor der Einfahrt des letzten Hauses in der Straße. Auf dem kastenförmigen Aufbau prangte die Werbung eines Pizza-Lieferdienstes mit vielen Vokalen im Namen, die ihm einen italienischen Klang verleihen sollten.
Der Fahrer stieg aus, wickelte mit flinken Fingern ein Bonbon aus und steckte es sich in den Mund. Das Papier landete in einer Ligusterhecke. Dann holte er einen Pizzakarton aus dem Wagen und lief zur Eingangstür, wo ihn der Empfänger der „echt italienischen Spezialität“, wie die Werbung verhieß, bereits im Lichtkegel der Flurbeleuchtung erwartete. Pizza und Bargeld wechselten den Besitzer, ein paar Worte wurden gewechselt. Schon saß der Fahrer wieder im Wagen, zündete sich eine Zigarette an und fuhr weiter.
Laub wirbelte auf, als der Lieferwagen kurz darauf die umwaldete Strecke in Richtung Stadt entlangröhrte. Immer wieder geriet er auf der nassen Straße ins Schlingern. Viel zu schnell raste das Fahrzeug in eine Linkskurve. Die Bremslichter leuchteten auf, Reifen quietschten, doch es war zu spät. Der Wagen kippte zur Seite und stürzte in den Graben, überschlug sich und blieb schließlich auf dem Dach an einem Baum liegen.
Kurz darauf passierte ein dunkler BMW in derselben Fahrtrichtung die Unfallstelle, stoppte und setzte einige Meter zurück. Der Fahrer stieg aus und sah den Abhang hinunter. Die Glut einer Zigarette leuchtete in der Dunkelheit auf. Eine weiße Qualmwolke stieg auf und wurde gleich wieder vom Wind zerfetzt. Schnell wandte sich der Fahrer wieder ab und kehrte ins Auto zurück. Der BMW raste davon.
Dann dauerte es eine Weile, bis in der Ferne erneut die Scheinwerfer eines Fahrzeuges auftauchten. Wie zwei Fühler tastete sich das Licht durch die Stämme der Bäume, streifte schließlich auch den Unfallwagen …
***
„Hier passt doch was nicht?“
Ratlos sah Moser zwischen der schiefen Tür des neuen Kleiderschrankes und der Bauanleitung hin und her und kämmte sich mit den Fingern die dunklen Haare aus der Stirn.
„Rex, gib mir mal den Schraubendreher her!“, befahl er.
Anstatt das Werkzeug zu holen, rollte sein Schäferhund ihm jedoch nur einen bunten Gummiball vor die Füße und kläffte ihn auffordernd an.
Moser seufzte.
„Ja, ich weiß, dass du jetz lieber mit deinem neuen Ball spielen willst, Rex, aber heut kriegst du mich nicht rum! Erst müss' mer diese verflixten Möbel fertig haben, sonst komm'mer hier überhaupt nicht mehr vorwärts! Und außerdem: Hast du dir mal das Wetter da draußen ang'schaut?“ Er zeigte energisch auf das trübe Grau vor dem Fenster. „Es is saukalt! Also, jetz geh bitte und reich mir den Schraubendreher herauf, okay?“
Ungeduldig wartend sah sich Moser im Chaos seines neuen Zuhauses um. Bereits im Sommer waren er und Rex in das kleine Häuschen am Wiener Stadtrand gezogen, doch von einem fertigen Heim konnte noch immer nicht die Rede sein.
„Wenn das so weitergeht, leben wir Weihnachten immer noch zwischen Kartons und Baumaterial!“, murmelte Moser düster, dann wandte er sich wieder der kryptischen Bauanleitung zu, bis Rex ihm einen länglichen Gegenstand in die Hand drückte. Dass es sich dabei um einen quietschenden Gummiknochen und nicht um einen Schraubenzieher handelte, bemerkte Moser erst, als er damit am Scharnier zu einer Drehbewegung ansetzte.
„Sehr witzig, Rex!“, sagte er finster. „Ich hab gesagt, du sollst mir –“ Plötzlich schrillte das Mobiltelefon durchs Haus. Moser warf resigniert die Arme in die Luft und ergänzte: „ – bitte das Telefon her bringen!“
Noch bevor Moser auf den Knopf mit dem grünen Hörer gedrückt oder auf das Display geschaut hatte, glaubte er zu wissen, wer anrief. Es konnte nur einer sein, der es fertigbrachte, ihm das freie Wochenende zu ruinieren.
„Bitte sag mir, dass du vorbeikommen und uns helfen willst, Stocki!“, flehte Moser, doch es war gar nicht sein Kollege am anderen der Leitung, sondern eine leise, zaghafte, fast schon zitternde Frauenstimme.
„Hallo? Si-sind Sie der Herr Moser? Richard Moser?“
Moser stutzte.
„Jaaa“, sagte er gedehnt. „Und Sie?“
Einen Moment herrschte Stille am Telefon, als würde die Dame am anderen Ende entweder aufatmen oder überlegen, ob sie nicht besser wieder auflegen sollte.
„Mein Name is Marina Kowalski. I bin die Frau vom Johann Kowalski. I hab‘ Ihre Nummer in saanem Adressbuch g’funden. Sie sind doch amal befreundet g’wesen mit dem Joe, richtig? Sie erinnern sich doch hoffentlich an ihn?“, brachte sie schnell hervor, als hätte sie Angst, Moser könne das Gespräch jeden Augenblick wieder beenden.
„Jaaa“, sagte Moser wieder. „Wir ham uns zufällig getroffen, is noch gar nicht so lang her...“
Er wusste noch sehr genau, wie sein ehemaliger Schulfreund eines Abends völlig überraschend vor seiner Tür gestanden und ihm eine bestellte Pizza geliefert hatte. Kurz nach seinem Umzug war das gewesen. Obwohl Joe sich äußerlich kaum verändert hatte – er war immer noch dieser große, schlaksige Blonde von einst gewesen, nur von den langen Haaren hatte er sich verabschiedet – hatte Moser ihn kaum wiedererkannt. Als er Joe zuletzt gesehen hatte, war er ein arbeitsloser Herumtreiber gewesen, auf dem besten Weg, in die Drogensucht abzurutschen und gerade dabei, mit den anderen Typen aus ihrem Viertel ein richtig krummes Ding zu drehen. Nun, 16 Jahre danach, hatte er einen Job und Fotos von einer Frau, einem Stiefsohn und seinen eigenen kleinen Zwillings-Mädchen im Portmonee gehabt. Und vor allem war er weg von den Drogen gewesen – nur ein wenig unter Zeitdruck an jenem Tag, weshalb es bei einem kurzen Smalltalk an der Haustür und dem Versprechen geblieben war, sich später mal in Ruhe auf einen Kaffee zu verabreden.
Natürlich war daraus nie was geworden, aber wann immer Moser an dieses unerwartete Wiedersehen zurückgedacht hatte, so hatte er das mit einem guten Gefühl getan was Joe betraf... Dieses Gefühl begann jedoch langsam zu schwinden, als er schließlich in die eingetretene Pause hinein fragte: „Is was mit’m Joe? Hat er wieder was ausgefressen?“
Immer noch Stille. Dann war ein leises Schluchzen zu vernehmen. Das gefiel Moser nicht. Er wusste nicht wieso, aber sein Herz klopfte plötzlich ganz aufgeregt. Auch wenn er mit seinem einstigen Schulfreund schon jahrelang nichts mehr zu tun gehabt und auch ihre kurze Begegnung im Sommer fast wieder vergessen hatte – dass Joe’s Frau, die er überhaupt nicht kannte, plötzlich ausgerechnet bei ihm anrief und am Telefon weinte, gefiel ihm ganz und gar nicht.
„Der Joe hat aan schlimmen Unfall g’habt“, sagte Marina Kowalski schließlich, „und ich… wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Tut mer leid, dass ich Sie jetz so damit überfalle, aber I waaß net, an wen ich mich sonst noch wenden soll…Könnten wir uns vielleicht amal treffen, Sie und ich? Bitte!“
Es war 18.00 Uhr vorbei, als sich die Scheinwerfer eines Fahrzeugs näherten. Der weiße Lieferwagen rauschte zügig heran und hielt vor der Einfahrt des letzten Hauses in der Straße. Auf dem kastenförmigen Aufbau prangte die Werbung eines Pizza-Lieferdienstes mit vielen Vokalen im Namen, die ihm einen italienischen Klang verleihen sollten.
Der Fahrer stieg aus, wickelte mit flinken Fingern ein Bonbon aus und steckte es sich in den Mund. Das Papier landete in einer Ligusterhecke. Dann holte er einen Pizzakarton aus dem Wagen und lief zur Eingangstür, wo ihn der Empfänger der „echt italienischen Spezialität“, wie die Werbung verhieß, bereits im Lichtkegel der Flurbeleuchtung erwartete. Pizza und Bargeld wechselten den Besitzer, ein paar Worte wurden gewechselt. Schon saß der Fahrer wieder im Wagen, zündete sich eine Zigarette an und fuhr weiter.
Laub wirbelte auf, als der Lieferwagen kurz darauf die umwaldete Strecke in Richtung Stadt entlangröhrte. Immer wieder geriet er auf der nassen Straße ins Schlingern. Viel zu schnell raste das Fahrzeug in eine Linkskurve. Die Bremslichter leuchteten auf, Reifen quietschten, doch es war zu spät. Der Wagen kippte zur Seite und stürzte in den Graben, überschlug sich und blieb schließlich auf dem Dach an einem Baum liegen.
Kurz darauf passierte ein dunkler BMW in derselben Fahrtrichtung die Unfallstelle, stoppte und setzte einige Meter zurück. Der Fahrer stieg aus und sah den Abhang hinunter. Die Glut einer Zigarette leuchtete in der Dunkelheit auf. Eine weiße Qualmwolke stieg auf und wurde gleich wieder vom Wind zerfetzt. Schnell wandte sich der Fahrer wieder ab und kehrte ins Auto zurück. Der BMW raste davon.
Dann dauerte es eine Weile, bis in der Ferne erneut die Scheinwerfer eines Fahrzeuges auftauchten. Wie zwei Fühler tastete sich das Licht durch die Stämme der Bäume, streifte schließlich auch den Unfallwagen …
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„Hier passt doch was nicht?“
Ratlos sah Moser zwischen der schiefen Tür des neuen Kleiderschrankes und der Bauanleitung hin und her und kämmte sich mit den Fingern die dunklen Haare aus der Stirn.
„Rex, gib mir mal den Schraubendreher her!“, befahl er.
Anstatt das Werkzeug zu holen, rollte sein Schäferhund ihm jedoch nur einen bunten Gummiball vor die Füße und kläffte ihn auffordernd an.
Moser seufzte.
„Ja, ich weiß, dass du jetz lieber mit deinem neuen Ball spielen willst, Rex, aber heut kriegst du mich nicht rum! Erst müss' mer diese verflixten Möbel fertig haben, sonst komm'mer hier überhaupt nicht mehr vorwärts! Und außerdem: Hast du dir mal das Wetter da draußen ang'schaut?“ Er zeigte energisch auf das trübe Grau vor dem Fenster. „Es is saukalt! Also, jetz geh bitte und reich mir den Schraubendreher herauf, okay?“
Ungeduldig wartend sah sich Moser im Chaos seines neuen Zuhauses um. Bereits im Sommer waren er und Rex in das kleine Häuschen am Wiener Stadtrand gezogen, doch von einem fertigen Heim konnte noch immer nicht die Rede sein.
„Wenn das so weitergeht, leben wir Weihnachten immer noch zwischen Kartons und Baumaterial!“, murmelte Moser düster, dann wandte er sich wieder der kryptischen Bauanleitung zu, bis Rex ihm einen länglichen Gegenstand in die Hand drückte. Dass es sich dabei um einen quietschenden Gummiknochen und nicht um einen Schraubenzieher handelte, bemerkte Moser erst, als er damit am Scharnier zu einer Drehbewegung ansetzte.
„Sehr witzig, Rex!“, sagte er finster. „Ich hab gesagt, du sollst mir –“ Plötzlich schrillte das Mobiltelefon durchs Haus. Moser warf resigniert die Arme in die Luft und ergänzte: „ – bitte das Telefon her bringen!“
Noch bevor Moser auf den Knopf mit dem grünen Hörer gedrückt oder auf das Display geschaut hatte, glaubte er zu wissen, wer anrief. Es konnte nur einer sein, der es fertigbrachte, ihm das freie Wochenende zu ruinieren.
„Bitte sag mir, dass du vorbeikommen und uns helfen willst, Stocki!“, flehte Moser, doch es war gar nicht sein Kollege am anderen der Leitung, sondern eine leise, zaghafte, fast schon zitternde Frauenstimme.
„Hallo? Si-sind Sie der Herr Moser? Richard Moser?“
Moser stutzte.
„Jaaa“, sagte er gedehnt. „Und Sie?“
Einen Moment herrschte Stille am Telefon, als würde die Dame am anderen Ende entweder aufatmen oder überlegen, ob sie nicht besser wieder auflegen sollte.
„Mein Name is Marina Kowalski. I bin die Frau vom Johann Kowalski. I hab‘ Ihre Nummer in saanem Adressbuch g’funden. Sie sind doch amal befreundet g’wesen mit dem Joe, richtig? Sie erinnern sich doch hoffentlich an ihn?“, brachte sie schnell hervor, als hätte sie Angst, Moser könne das Gespräch jeden Augenblick wieder beenden.
„Jaaa“, sagte Moser wieder. „Wir ham uns zufällig getroffen, is noch gar nicht so lang her...“
Er wusste noch sehr genau, wie sein ehemaliger Schulfreund eines Abends völlig überraschend vor seiner Tür gestanden und ihm eine bestellte Pizza geliefert hatte. Kurz nach seinem Umzug war das gewesen. Obwohl Joe sich äußerlich kaum verändert hatte – er war immer noch dieser große, schlaksige Blonde von einst gewesen, nur von den langen Haaren hatte er sich verabschiedet – hatte Moser ihn kaum wiedererkannt. Als er Joe zuletzt gesehen hatte, war er ein arbeitsloser Herumtreiber gewesen, auf dem besten Weg, in die Drogensucht abzurutschen und gerade dabei, mit den anderen Typen aus ihrem Viertel ein richtig krummes Ding zu drehen. Nun, 16 Jahre danach, hatte er einen Job und Fotos von einer Frau, einem Stiefsohn und seinen eigenen kleinen Zwillings-Mädchen im Portmonee gehabt. Und vor allem war er weg von den Drogen gewesen – nur ein wenig unter Zeitdruck an jenem Tag, weshalb es bei einem kurzen Smalltalk an der Haustür und dem Versprechen geblieben war, sich später mal in Ruhe auf einen Kaffee zu verabreden.
Natürlich war daraus nie was geworden, aber wann immer Moser an dieses unerwartete Wiedersehen zurückgedacht hatte, so hatte er das mit einem guten Gefühl getan was Joe betraf... Dieses Gefühl begann jedoch langsam zu schwinden, als er schließlich in die eingetretene Pause hinein fragte: „Is was mit’m Joe? Hat er wieder was ausgefressen?“
Immer noch Stille. Dann war ein leises Schluchzen zu vernehmen. Das gefiel Moser nicht. Er wusste nicht wieso, aber sein Herz klopfte plötzlich ganz aufgeregt. Auch wenn er mit seinem einstigen Schulfreund schon jahrelang nichts mehr zu tun gehabt und auch ihre kurze Begegnung im Sommer fast wieder vergessen hatte – dass Joe’s Frau, die er überhaupt nicht kannte, plötzlich ausgerechnet bei ihm anrief und am Telefon weinte, gefiel ihm ganz und gar nicht.
„Der Joe hat aan schlimmen Unfall g’habt“, sagte Marina Kowalski schließlich, „und ich… wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Tut mer leid, dass ich Sie jetz so damit überfalle, aber I waaß net, an wen ich mich sonst noch wenden soll…Könnten wir uns vielleicht amal treffen, Sie und ich? Bitte!“