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Die Piratenbraut

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFamilie, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Audrey Parker Duke Crocker Nathan Wuornos
13.03.2020
16.03.2020
3
5.415
2
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14.03.2020 2.035
 
Paige war überstürzt aus Nathans Wohnung geflohen. Sie hatte sich ihre dünne Jacke und die kleine Tasche geschnappt und war einfach nur weg. Nathan hatte ihr zwar hinterher gerufen, allerdings war er ihr nicht gefolgt, was sie sehr zu schätzen wusste. Immerhin war er verrückt.

Schon als er angefangen hatte, zu erklären, was die Unruhen waren, hatte Paige Bauchschmerzen bekommen, doch als er ihr dann eröffnet hatte, dass sie selbst Audrey war, die schon mehrere hundert Jahre alt war, er James Vater war und sie keine Miete zahlen musste, weil der verstorbene Besitzer des Grey Gull ihr alles hinterlassen hatte, war bei ihr eine Sicherung durchgebrannt.

Angeblich sollte ihr auch der Herald gehören, aber man wollte ihr angeblich nicht zu viel auf einmal zumuten. Tja, nun, das war gehörig schief gelaufen.

Jetzt lief sie am Hafen entlang und der Wind pustete ihr kräftig um die Ohren. Das konnte sie gut gebrauchen. Einfach diesen Schwachsinn aus ihrem Kopf gepustet zu bekommen. Dann würde sie zu Laverne fahren, James abholen und in ein paar Stunden wäre sie schon weit von Haven entfernt und würde nie wieder zurückkehren.

Der Anlegesteg, den sie betreten hatte, war von der ganzen Gischt etwas rutschig geworden und nur mit Mühe hielt Paige sich in der Mitte und auf den Beinen. Ihre Gedanken wirbelten so, wie ihre ursprünglich sorgsam frisierten braunen Haare um ihr Gesicht herum. In ihrem Kopf hörte sie immer noch Nathans Stimme, der ihr verkündete: „Audrey konnte nicht als sie selbst bleiben, also ist sie als du wieder gekommen. Du bist Audrey.“

„So ein Schwachsinn!“, schimpfte sie und achtete für einen kurzen Moment nicht auf den Wind, den rutschigen Steg oder ihre Füße. Und da war es passiert. Sie rutschte aus, prallte mit der Schulter auf den Steg und wurde von einer Welle überspült, die sie mit sich und ins Meer riss. Paige schrie auf, doch alles was sie erreichte, war ein Mund voll mit Wasser.

Dann verlor sie das Bewusstsein.

~o~

Es war warm. Paige kuschelte sich ein wenig tiefer in die flauschige Decke, die um sie gewickelt war und genoss das Schaukeln. Der Stoff schmiegte sich an ihre Haut und glücklich seufzend atmete sie den Geruch von Lavendel ein.

Dann riss sie die Augen auf. Lavendel war nicht richtig. In ihrer Wohnung roch es ausschließlich nach Babypuder und Nathan wusch seine Sachen mit einem Waschmittel, das nach Zitronen duftete.

Nathan. Als ihre Erinnerung zurückkam, verflog das geborgene, gemütliche Gefühl gleich wieder. Er hielt sie für seine Exfreundin.

Die wundersamer Weise wieder gekehrt war. Verrückt. Komplett durchgedreht, war dieser Typ. Sie sollte so schnell von hier weg, wie nur möglich. Aber hatte sie das nicht schon gestern Abend vorgehabt?

Erst bei diesem Gedanken fiel ihr auf, dass die Sonne hell durch ein rundes Fenster in den Raum fiel. Wenn es schon der nächste Tag war, wo war dann James? Panisch blickte sie sich nach ihren Sachen um, denn ihre Nerven sagten ihr, dass sie nur in Unterwäsche unter der Decke lag. Doch alles was sie sehen konnte, war ein gefaltetes Hemd auf dem Nachttisch und ein Paar Gummistiefel davor. Also zog sie diese Sachen an, die eindeutig nicht ihr gehörten und machte sich auf den Weg herauszufinden, was passiert war, nachdem sie ins Wasser gefallen war. Und wo James war.

Ihr Weg führte sie eine Treppe nach oben und langsam dämmerte ihr, dass sie sich auf einem Boot befinden musste. Das erklärte das runde Fenster und das leichte Schaukeln, dass sie im Bett eingelullt hatte.

An Deck stellte sie fest, dass sie glücklicherweise immer noch im Hafen von Haven lagen. Immerhin könnte sie sofort zu James, wenn sie ihre Sachen wieder hatte. Er war bestimmt noch bei Laverne. Doch war er da sicher? Immerhin hatte Nathan gesagt, dass die ganze Stadt von den Unruhen wusste. Also war auch die ganze Stadt verrückt.

Dann bemerkte sie allerdings das nächste Problem. Hier war niemand. Der Besitzer des Schiffes war nirgendwo zu sehen, genauso wenig wie ihre Sachen. Als ob man sie einfach so hier alleine gelassen hatte, nachdem man sie gerettet hatte. Empört blickte sie sich um.

Hinter einer Kiste ganz in der Nähe wurde sie fündig. Ein schwarzhaariger Mann in ihrem Alter blickte ihr zu und hielt sich den Zeigefinger vor den Mund, ehe er zwinkerte und wieder ganz hinter der Kiste verschwand. Paige blickte verdutzt auf die Stelle. Sekunden später ertönte die Stimme eines jungen Mädchens von der anderen Seite des Deckes her: „Daddy, wo bist du? Du weißt genau, dass ich dich finden werde!“

Sie war ein Ebenbild ihres Vaters mit dem sie offenbar verstecken spielte. Sie hatte schwarze Locken, die ihr bis auf die Schultern fielen, ein längliches Gesicht und war etwa fünf oder sechs. Der Moment in dem sie Paige bemerkte war eindeutig festzustellen. Ihr Mund ging auf und sie starrte die fremde Frau, die nur das Hemd ihres Vaters und ein Paar zu große Gummistiefel trug, erstaunt an. Dann lief sie schnell auf sie zu.

„Du bist wach! Daddy und ich haben uns schon Sorgen gemacht. Hast du ihn gesehen? Er wird dich bestimmt begrüßen wollen.“
Die Kleine war aufgeweckt, das gefiel Paige. Sie hatte eine lebensfrohe Art, die sie ein wenig an sie selbst erinnerte. Freundlich lächelte sie das Mädchen an. Ihr James würde bestimmt auch mal so ein Sonnenschein werden. Falls sie je zu ihm zurückkam. Nicht, dass ihr diese Leute hier nicht nett vorkamen, aber Nathan war immer noch da draußen und seine Verrücktheiten waren bestimmt nicht weniger geworden.

„Hallo! Ich bin Paige. Deinen Daddy habe ich zwar gesehen, aber ich denke, er würde lieber wollen, dass du ihn findest.“, da der Mann nicht widersprach, obwohl er jedes Wort gehört haben musste, war das wohl in seinem Sinne.

Das Mädchen nickte umständlich und sah sich dann in der Nähe um. Offensichtlich wählte ihr Vater das Versteck öfter, denn als sie die Kiste erblickte, schlich sie direkt darauf zu, kletterte darauf und meinte „Buh!“ als sie hinunter blickte. Ihr Vater fing laut an zu lachen, schnappte sie sich von der Kiste weg und wirbelte sie einmal im Kreis herum, ehe er sich Paige zuwandte, die das Ganze amüsiert beobachtet hatte.

„Hi, ich bin Duke Crocker und diese kleine unhöfliche Miss ist meine Tochter Jean.“ Jean streckte ihrem Vater, der sie immer noch auf dem Arm hielt die Zunge raus. Er lachte darauf nur.

Paige lächelte ihn an. Es wirkte so normal, wie er mit seiner Tochter umging und genau das konnte sie jetzt gebrauchen. „Paige Cross.“, wiederholte sie nochmal und stellte dann die Frage, die sie die ganze Zeit schon beschäftigte. „Wo sind denn meine Sachen? Ich muss dringend zurück, mein Sohn ist immer noch beim Babysitter. Zumindest hoffe ich das.“

„Da kann ich dir helfen. Deine Sachen waren komplett nass, als ich dich aus dem Wasser gezogen habe- offensichtlich. Also haben Jean und ich sie gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Bei der Brücke ist die Wäscheleine. Ich hab‘ auch deine Handtasche rausgefischt, aber die Autoschlüssel wirst du wohl nicht mehr gebrauchen können, tut mir leid. Wenn du möchtest fahren wir dich zu deinem Sohn.“

„Oh, das wäre wunderbar!“, erleichtert drehte Paige sich auf der Stelle um, stiefelte eine Treppe hinauf und erblickte tatsächlich ein Stück vor dem Kommandohäuschen eine Wäscheleine, auf der ihr Rock und ihre Bluse trockneten. Ihre Schuhe standen direkt darunter, im Sonnenschein.

Als Paige fünf Minuten später komplett angezogen wieder aufs Deck kam, hatte Duke seine Tochter abgesetzt und die Autoschlüssel schon in der Hand. „Wo ist denn dein Sohn?“

Paige setzte an zu erklären, wie man zu Laverne kam, doch sobald sie den Namen erwähnte hatte, winkte Duke ab. „Die kenn ich, keine Sorge. Wahrscheinlich ist sie schon bei der Arbeit und noch viel wahrscheinlicher hat sie deinen Sohn mitgenommen.“ Die Erleichterung war ihr offenbar anzusehen, denn Duke lachte kurz auf. „Ich kenn das. Immer wenn ich mir nicht sicher bin, wo Jean ist, drehe ich fast durch. Ich bin eine richtige Glucke, was?“, der letzte Satz war an Jean gerichtet, die auf der Rückbank des Autos saß und lebhaft nickte.

„Duke, kommst du von hier? Weil du Laverne kennst?“, fragte Paige wenig später. Bis vorhin hatte sie noch gedacht, er und seine Tochter wären halbe Nomaden, die mit ihrem Schiff überall hinreisten, aber vielleicht war das ja jetzt vorbei.

Duke, den Blick vorbildlich auf die Straße gerichtet, antwortete in einem lockeren Tonfall: „Ja, auf jeden Fall. Diese Stadt lässt einen nicht mehr los, wenn man sich einmal in ihre Fänge begeben hat. Egal was man auch tut.“ Der letzte Satz klang ein wenig traurig, doch darüber würde sie sich den Kopf zerbrechen, wenn sie James wieder hatte.

„Kennst du dann auch einen Nathan Wuornos? Ihr müsstet etwa im selben Alter sein.“

Dukes plötzliches, trockenes Lachen überraschte Paige und sie warf einen verwunderten Blick über ihre Schulter zu Jean zurück, die nur mit den Schultern zuckte. „Und ob ich Nathan kenne. Wir haben eine komplizierte Beziehung zueinander, aber wir kennen uns sogar ziemlich gut.“

Darauf hatte Paige zugleich gehofft, als auch Angst davor gehabt. Wie sie jetzt weiter vorgehen würde, könnte eine Menge beeinflussen. Sollte sie ihn fragen, ob er etwas über diese Audrey und die Unruhen wusste oder wollte sie ihn lieber fragen, ob sie Nathan aus dem Weg gehen könnten, wenn sie an der Polizeistation angekommen wären?

Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als Duke in eine Parklücke fuhr, den Motor ausschaltete und den beiden Frauen in seinem Auto verkündete: „Wir sind da, alle Mann aussteigen.“

Zögerlich verließ Paige den Truck und drückte die Tür zu. Ein Blick zur Polizeistation genügte, um das ungute Gefühl in ihrem Magen wieder auferstehen zu lassen. Doch ein Blick zu Duke und Jean sowie ein Seufzen und der Gedanke an James, brachten sie dazu, sich in Bewegung zu setzen und die Stufen zu dem Gebäude zu erklimmen. Duke, ganz der Gentleman, hielt ihr und Jean die Tür auf und trat dann nach ihnen ein.

Das Kabuff auf der rechten Seite, wo Laverne normalerweise saß, war leer. Paige war schon ein paar mal hier gewesen, um Nathan abzuholen und immer hatte Laverne dort gesessen und Neuankömmlinge weiter geschickt. Sie konnte nicht anders, als es für ein schlechtes Zeichen zu halten, dass sie nun nicht da war.

Doch es half alles nichts. Sie ging den Flur ein Stück weiter und erreichte den Hauptraum der Polizeistation, in dem es von Polizisten nur so wimmelte. Die Polizistinnen standen alle zusammen an der Kaffeemaschine um Laverne rum, die James auf dem Arm hatte. Erleichtert atmete Paige aus und eilte auf ihren Sohn zu, den Laverne ihr gerne gab und den sie sofort fest an sich drückte.

Die plötzliche Stille hinter ihr brachte sie dazu, sich umzudrehen. Alle starrten Duke an, hinter dem Jean sich versteckte und seine Hand hielt. Nathan stand Duke genau gegenüber und starrte ihn an. Zumindest vermutete Paige das, stand sie selbst doch in Nathans Rücken. Leise flüsterte er: „Duke?“

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Ihr seht, ich konnte nicht bis morgen warten :D Dieses Kapitel hat mich vor eine kleine Schwierigkeit gestellt, die ich gerade richtig schön ausformuliert hatte, nur um dann festzustellen, dass ich euch damit eigentlich das dritte Kapitel total spoiler... Also folgt die Erklärung erst mit dem Abschluss der Geschichte. Ich glaube übrigens, das hier mit den Abschnitten was schief gelaufen ist, falls euch also was auffällt, sagt Bescheid.

Inhaltlich habe ich mir gedacht, dass Nathan Paige auf jeden Fall irgendwann die Wahrheit sagen würde, alles andere wäre irgendwie nicht anständig und wahrscheinlich auch schlecht zu verheimlichen, kannte doch praktisch die ganze Stadt Audrey. Umso schlimmer, dass ich ihm hier einen Strick daraus drehe, dass er es dann tatsächlich getan hat - muhaha! Denn wie sonst sollte man auf so eine Enthüllung reagieren, als nicht mit: der ist komplett verrückt!
Außerdem: erster Auftritt Duke! Wow. Eigentlich ist der doch in der vorletzten Folge gestorben, oder? Das finden wir wohl im dritten Kapitel "Die letzte Unruhe" heraus ;)
Es ist euch wahrscheinlich allen klar, aber Paiges Nachname, ist der Nachname ihrer Mutter. Wenn das Maras letzte Inkarnation ist (was sie in dieser Geschichte eindeutig ist), fand ich den Gedanken schön, dass Audrey/Croatoan/Vince ihr ihren "echten" Familiennamen mitgeben. Obwohl Charlotte den ja auch nur geklaut hatte, oder?

Liebe Grüße,
PhoenixSchweif :)
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