Anger
von Aenigma Vitae
Kurzbeschreibung
Ein kleines Gedankenspiel, was nach dem Ende der zweiten Staffel zwischen Eric und Adam passieren könnte. EricxAdam (Sex Education, Netflix)
KurzgeschichteAllgemein / P16 / MaleSlash
Adam Groff
Eric Effiong
01.03.2020
01.03.2020
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4.035
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01.03.2020
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Vorwort: Das ist eine etwas längere Kurzgeschichte und spielt nach der zweiten Staffel von Sex Education. Irgendwie hatte ich die Idee dazu und wollte zu den beiden mal was schreiben, da ich bisher allgemein nichts auf Fanfiktion.de gefunden habe. Es ist jetzt nicht perfekt und eigentlich innerhalb von drei Tagen entstanden, also erwartet nicht zuviel. Ansonsten wünsch ich noch viel Spaß beim Lesen : )
Es war einer dieser Tage. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Tage wurden kürzer, die Nächte wurden länger. Und Adam saß mit gespreizten Beinen auf dem Stuhl vor dem Büro des Direktors. Oder für alle Neuen die neue Direktorin. Sein Vater wurde aus seinem Job entlassen, dennoch musste er vor dem Schuloberhaupt antanzen und ihr den letzten Vorfall erklären. Ein weiteres Mal. Aber er wusste genau, dass er nicht zum Reden kam, sondern nur mit Vorwürfen bombardiert werden würde. Wie dumm konnte er nur sein und sich von seiner Wut übermannen lassen. Obwohl der Abend so gut begonnen hat…
Da stand er. Auf der Tanzfläche. Er trug dieses breite, weiße Lächeln mit sich, als der Song >> I wanna Dance with somebody << gespielt wurde und hatte seitdem nicht mehr die Tanzfläche verlassen. Er drehte sich, bewegte sich, sprang hin und her zu allen Liedern, die aus den Lautsprechern tönten. In seiner bunten Kleidung mit den verschiedensten Formen tanzte er. Eric war nicht mehr zu bremsen.
Adam beobachtete zufrieden seinen Freund, der mitten in der Menschenmenge ohne Tanzpartner die Hüften schwang. Es kümmerte ihn wenig, was andere über ihn dachten: Eric hatte Spaß. Als Abschlussfeier für dieses Schuljahr schmissen einige Lehrkräfte eine Tanzfeier, die von der neuen Rektorin bewilligt wurde. Neben Snacks wurde auch alkoholfreier Punsch angeboten. Nur einige Schüler wussten mit welchen Mitteln man das Getränk verfeinern konnte, um aus einer langweiligen Tanzfeier DIE Party des Jahres zu machen.
Adam griff eifrig mit der Kelle zu und schüttete sich etwas vom hochprozentigem Gemisch in den roten Plastikbecher. Natürlich war er sich dessen bewusst, dass er gerade Alkohol trank. Aber nachdem er das Jahr gerade noch bestanden hat, wollte er dies feiern.
Als Adam gerade einen Schluck vom Punsch nahm, spürte er plötzlich eine Hand an seinem Arm, die ihn versuchte von dem Buffet wegzuziehen. Eine Stimme sprach in sein Ohr: „Komm schon! Jetzt geht es los!“. Es war Eric, der versuchte seinen Freund auf die Tanzfläche zu bewegen. Aber daraus wurde nichts und verzweifelt zog Adam die Augenbrauen in die Höhe: „Nein.“, „Doch! Jetzt komm schon! Das geht ganz einfach!“. Wie peinlich Eric war, konnte er nicht selbst miterleben, als er spielerisch mit den Beinen wackelte. Zwar hatte sein einstiges Mobbingopfer echt gute Moves drauf, aber er konnte durchaus mit seinen Tanzschritten in der Menschenmenge auffallen und war ein Hingucker für alle Beteiligten. Wie ein Papagei stach er unter den Normalos heraus und genau das machte Eric so besonders, der ihn mit seinen großen, braunen Augen anguckte und seine vollen Lippen zu einer Schnute verzog.
Adam drehte sich weg und holte tief nach Luft. Er hatte wirklich nicht vor zu tanzen. Das war überhaupt nicht sein Ding. Verzweifelt flog sein Blick durch die Partygäste. Am anderen Ende entdeckte er Ola, seine ehemalige Arbeitskollegin und neue Freundin, die ihm freudig zuwinkte. Ihre Begleitung war diese verrückte Alien-Tante mit den Saugnäpfen und den großen Augen. Er glaubte sich an ihren Namen zu erinnern, aber wurde von Eric zurück in die Realität gerissen. „Tubertunte“ nahm ihm den Becher aus der Hand und trank den Inhalt leer, woraufhin er angeekelt das Gesicht verzog und lachend jaulte: „Ieww. Das ist kein Punsch mehr.“. Irgendwie brachte es den Schulverweiger zum Lächeln, als sein Freund angewidert den Mund verzog und den Becher beiseite warf. Adam griff nach seiner Hand und flüsterte: „Hast du noch nie Alkohol getrunken?“, woraufhin Eric die Augen weitete und entsetzt entgegnete: „Hallo? Sehe ich für dich wie ein Abstinenzler aus?! Ich vertrage vielleicht nicht viel, aber es wird an der Zeit etwas Spaß zu haben!“. Unerwartet griff er nach seinen Händen und zog den Sohn des Direktors inmitten auf die Tanzfläche, wo die bunten Scheinwerfer auf sie gerichtet waren.
Sofort versteifte sich sein Körper. Sein Gesicht starrte ausdruckslos Eric an, als dieser im Takt der Musik seinen Körper bewegte. Nur als Adam bemerkte, dass auch alle anderen um ihn herum komische Bewegungen ausführten, fühlte er sich nicht länger verloren. Irgendwie schenkten ihm die anderen keine Aufmerksamkeit, sondern waren nur auf sich und den Rhythmus der Songs fokussiert. Auf einmal tanzte Eric ihn an und schnipste willkürlich mit den Fingern vor seinen Augen: „Das ist nicht schwer! Komm! Ich zeig´s dir!“. Der Mitschüler, mit dem er vor einem Jahr nachsitzen musste, zeigte ihm einfache Tanzschritte. Im Hintergrund begann man >> Footlose << von Kenny Loggins zu spielen und Adam spürte einen nie zuvor dagewesenen Drang sich zu bewegen. Langsam steppte er mit dem Fuß zum Takt des Songs und hauchte überrascht: „Das Lied kenne ich…“. Als er hilfesuchend einen Blick zu Eric warf, war dieser mit sich selbst beschäftigt und drehte sich geschmeidig auf den eigenen Absatz. Schließlich ertönte die Stimme des Sängers, woraufhin Adam unsicher nach unten blickte und seine Füße beim Tanzen beobachtete. Das blieb von Eric nicht unbemerkt, welcher begeistert lachte: „Siehst du? Du kannst es!“. Das bestärkte den verklemmten Oberstufenschüler in seinem Tun und zur Überraschung aller Anwesenden schwang Adam Groff das Tanzbein auf einer Schulparty. Der Draufgänger entdeckte seine Liebe zum Tanzen, wo er zu Beginn noch kleine Schritte von links nach rechts setzte und unsanft seine Schultern schüttelte. Aber mit der Zeit wirkten seine Schritte nicht mehr unsicher, sondern in Adam steppte wortwörtlich der Bär. Bei jeder weiteren Sekunde des Songs fühlte er sich befreiter.
Für einen Moment hielt Eric inne und beobachtete seinen Freund. Er hatte den Sohn des Direktors lange nicht mehr so unbeschwert gesehen, als er seine Gliedmaßen zur Musik rührte. Und das gar nicht mal so schlecht. Begeistert klatschte Tubertunte in die Hände und jubelte Adam zu, sodass auch andere Mitschüler auf ihn aufmerksam wurden und ihn verwundert zuguckten. Das war eine ganz andere Seite von Groff Junior, der eigentlich dafür bekannt war ein talentloses, aggressives und emotionsloses Stück Elend zu sein. Aber in ihm steckten doch noch Wunder und Adam schnappte sich gedankenlos die Hände von Eric, mit dem er sich lachend in den Kreis drehte. Mit Sicherheit spielte der Alkohol eine große Rolle, aber Adam musste zugeben, dass er in diesen wenigen Minuten äußerst glücklich war.
Die Musik wurde leiser. Das schwule Paar verlangsamte seine Schritte. Adam und Eric sahen einander an. Niemand anderes zählte in diesen einmaligen Moment, bis der feminine Dunkelhäutige einen Schritt auf ihn zumachte und sich an dem Kragen seines Liebhabers festhielt. Er verlor sich in seinen schmalen Augen, in die er schon so oft gesehen hat, aber von denen er nie genug kriegen konnte. Zwar wirkten Adam´s Gefühle wie die eines Steines, aber Eric konnte genau aus seinem Gesicht herauslesen, wie er sich gerade fühlte.
Sie waren gerade einmal einen Monat zusammen. Zumindest glaubten das beide. Es gab keine offizielle Bekanntgabe, aber der Auftritt am Schwanz-Musical reichte Eric als Bestätigung der gegenseitigen Zuneigung aus. Auch wenn er ein schlechtes Gewissen wegen Rahim hatte, glaubte er dennoch die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und je länger sie im Zentrum der Tanzfläche standen, desto näher kamen sie sich. Aus dem Moment heraus stellte sich Eric auf die Zehnspitzen, drückte seine großen Lippen gegen die seinen und küsste ihn unbedacht vor allen anderen Menschen. Es fühlte sich großartig an, ihre Liebe in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Es war das erste Mal. Ein Kuss vor anderen. Davor geschah es immer nur in aller Heimlichkeit (in einem geschlossenen Raum oder auch in der Nacht), aber es wurde an der Zeit ihre Beziehung öffentlich zu machen und den Mitschülern das zu geben, was sie sehen wollten: Das Schwulenpaar.
Aber Adam wurde es Zuviel. Er drückte Eric von sich weg und starrte ihn fassungslos. Ohne Vorwarnung hatte er ihn geküsst, was ihn vollkommen aus dem Konzept brachte. Als er hierbei seinen Freund erschrocken zurückgestoßen hatte, wurden andere auf die beiden aufmerksam und erlebten eine ihrer ersten Beziehungskrisen mit. „Was stimmt nicht mit dir?!“, brüllte Eric in seiner Ehre verletzt. Bei jeder Art der körperlichen Zuneigung reagierte der gefühlskalte Rüpel mit Abneigung und distanzierte sich von seinem Freund.
Es war bereits ein großer Schritt endlich Händchenzuhalten, aber ein Kuss?! Auf diese Weise hatte Adam es sich nicht vorgestellt. Er hatte Eric schon oft geküsst. Im Inneren hat es ihn gefreut, aber alle anderen haben es mitangesehen. Mittlerweile galt er nicht weniger als Schwuchtel. Und dieser Kuss hatte das nur noch bestätigt. Ganz entgeistert blickte der Oberstufenschüler herum und drehte hilfesuchend den Kopf zu seinen Mitschülern, die peinlich berührt die Lippen zusammenpressten oder belustigt die Handys zückten. Er wusste ja selbst nicht, was mit ihm nicht stimmte. Wie von der Tarantel gestochen machte Adam kehrt und flüchtete vor einer weiteren Auseinandersetzung mit Eric.
Jener blieb in der Menschenmenge stehen. In seinem Herzen verspürte er einen stechenden Schmerz, als hätte Adam beim Abgang einen Dolch in seiner Brust hinterlassen. Es war ein beklemmendes Gefühl ihn so zu sehen, wie er aus der Sporthalle rannte. Adam schämte sich. Für sich selbst. Und das konnte Eric einfach nicht ertragen.
Vor dieser ganzen Peinlichkeit hätte Adam die Augen verschließen wollen. Sein Gesicht versank in seinen Händen, als er noch immer auf die Sekretärin wartete, die ihn in das Büro hereinbitten würde. Wieso ist er nur davongelaufen? Er hätte diesen Kuss zulassen sollen. Dann wäre nicht Folgendes passiert und er würde hier nicht sitzen.
Seine Füße trugen ihn aus der Sporthalle zum Hinterhof der Schule. Zwar hätte er noch ruhig weiterlaufen können, aber er blieb bei den Mülltonnen stehen und trat mit dem Fuß einen Kübel um, sodass sich der stinkende Inhalt auf dem asphaltierten Boden ausbreitete. Adam liebte Eric.
Er hatte noch nie ein solches Gefühl erlebt. Wenn er bei Eric war, fühlte er sich irgendwie angekommen.
Zuhause. Das war Eric für ihn. Er wollte ihn nicht verlieren. Aber das hatte er jetzt geschafft. Mit seinen Händen fuhr er sich über das Gesicht und wollte nicht wahrhaben, was gerade geschehen ist. Er ist einfach durchgedreht. Bloß weil ihn sein Freund geküsst hat. Irgendetwas konnte nicht mit ihm stimmen. Eine unerwartete Angst durchfuhr seinen Körper, ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken und seine Nackenhaare stellten sich zu Berge. Der Gedanke, dass er diesen wundervollen Jungen durch sein Verhalten vergrault hatte, machte den gestörten Schüler zu schaffen. Zwar haben sich seine Noten in den letzten Monaten verbessert, aber leider hatte sich nichts an seinem psychischen Zustand verändert.
Im Inneren war Adam sehr unsicher. Auch wenn er das nicht zeigte. Seit dem Auszug seines Vaters konnte er endlich etwas mehr Freiheiten genießen. Dennoch zeichnete ihn eine unbegründete Angst aus, die sich in Trauer und Wut zeigte. Enttäuscht über seinen Gefühlsausbruch lehnte er seine Stirn gegen die raue Mauer des Schulhauses und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Nur schoss ihm immer und immer wieder dieser enttäuschte Gesichtsausdruck von Eric hoch, nachdem er seinen Freund unsanft weggestoßen hatte. Adam konnte sich gut an seine Worte erinnern: „Was stimmt nicht mit dir?!“.
Wenn der Sohn vom ehemaligen Direktor das nur wüsste. Er hatte keinen blassen Schimmer und suchte stets die Schuld bei sich. Irgendwie war er in nichts gut. Der Schulverweigerer hatte keine guten Noten in der Schule, keine Lieblingsschulfächer, keine Hobbys. Früher hatte er noch in dem Shop von Rahim´s Onkel gearbeitet, aber nach der Verwüstung im Laden konnte er diese Stelle vergessen. Er war ein Nichtsnutz. Für nichts zu gebrauchen. Eine Enttäuschung.
Wütend schlug er seine Stirn gegen die Betonwand und spürte den pochenden Schmerz in der vorderen Gehirnhälfte. Eine Träne entsprang seinen glasigen Augen und er drehte sich mit dem Rücken zur Wand, um ein vorbeifahrendes Auto auf der Straße zu entdecken. Schließlich blieb der grüne Audi stehen und die Autotür ging auf. Herausstieg der französische Austauschschüler Rahim. Sein Onkel hatte ihn zur Abschlussfeier gebracht, um am vorletzten Abend vor seiner Abreise noch etwas zu erleben.
Zum Leideswesen von Adam. Er verabscheute diese Schwuchtel, der einst mit Eric zusammen gewesen ist und wohl noch immer in ihn verliebt war. Wie sehr er diesen gutaussehenden Pisser verabscheute. Nachdem Rahim die Autotür zuschlug und sein Onkel weiterfuhr, steckte er die Hände in seine graue Jacke und bewegte sich mit gesenktem Kopf in die Richtung der Sporthalle. Das ließ Adam nicht zu, der sich entrüstet von der Wand wegstieß und wie ein wilder Stier auf den Austauschschüler zuraste. Der Regelbrecher rief: „Hey!“, woraufhin sich Rahim umdrehte und seine großen, dunklen Augen zu Adam wandte. Ehe er sich versah, schnellte seine geballte Faust auf sein Gesicht zu und traf seine Nase. Der Draufgänger wusste selbst nicht, was in ihn gefahren ist. Aber der Verflossene von Eric sollte nicht in diesen Moment die Party besuchen, wo er sich gerade mit seinem Freund zerstritten hat. Ein weiteres Mal holte Adam aus und brachte den Austauschschüler zu Boden, wo er sich über ihn kniete und ihn am Kragen packte: „Lass die Finger von Eric, klar?“.
Rahim blutete über das ganze Gesicht. Anscheinend hatte es der Neue von Eric geschafft seine Nase zu brechen. Aber das machte ihm wenig aus. In Frankreich wurde er schon oft zusammengeschlagen. Da war das hier das geringste Übel. Der Austauschschüler lachte erheitert und grinste feixe: „Du wirst ihn nicht halten können. Niemals. Früher oder später wird Eric erkennen, dass du nichts für ihn bist.“. Das brachte Adam zur Weißglut. Er konnte seine Wut nicht länger kontrollieren und ließ seinen gesamten Frust an Rahim aus, der allmählich unter den heftigen Schlägen und Stößen begann zu röcheln. Als sein Opfer begann die Augen zu verdrehen, zuckte Adam zusammen und sprang zurück auf seine zwei Beine.
Der Zusammengeschlagene war nach der Prügelei schwerst verletzt. Aber ohne ein weiteres Wort drehte sich Groff weg und holte eine Zigarette aus der weißen Packung heraus. Er steckte das Röllchen zwischen seine Lippen, als er auf dem Rückweg zur Sporthalle war. Irgendwie war er nach diesem Gefühlsausbruch erleichtert und brauchte noch eine Zigarette, ehe er wieder vor Eric treten könnte.
Nachdem Adam den Tabakstängel vor dem Eingang ausgetreten hat, drückte er die Türen auf und steuerte schnurstracks in die Richtung seines Freundes, der noch eben an einem Tisch zusammen mit Otis saß. Eric stand mit geschwollener Brust von dem einfachen Plastikstuhl auf und hob arrogant den Kopf an, um in die Augen seines großgewachsenen Freundes zu sehen. Sein bester Freund machte es ihm gleich, aber versuchte die Situation zu entschärfen und meinte zur Deeskalation: „Es ist nicht gerade förderlich sich in dieser Umgebung vor allen anderen Mitschülern zu streiten. Zur Aufklärung sollen wir eher einen sicheren Ort suchen, um ruhig miteinander reden zu können. Wir sollten gemeinsam nach draußen gehen und…“, nur schon längst umfasste Adam mit seinen Beiden Händen den Hals seines Freundes und er drückte sehnsüchtig seine Lippen auf die seinen. Ihre Münder verschmolzen zu einem innigen Kuss und Eric konnte gar nicht glauben, dass er sich etwas derartiges in der Öffentlichkeit traute.
Noch immer stand Ottis fassungslos zwischen dem Paar und hob immer wieder den Finger, um etwas zu sagen. Aber aus seinem Mund ertönte nur bedeutungsloses Gestammel, ehe der Sextherapeut zu sich selbst meinte: „Dann gehe ich alleine nach draußen…“. Das kümmerte Adam und Eric nicht, sondern nur sie zählten in diesen einmaligen Moment. Nur ahnten sie nicht, welche Folgen der Abend in dieser Sommernacht mit sich trug.
Endlich ging die Tür auf. Aufrecht stand die Direktorin vor ihm und hatte diesen ernsten Ausdruck auf dem Gesicht sitzen. Adam steckte die Hände in seine Jackentasche, stand von dem Plastikstuhl auf und drückte sich an der Direktorin vorbei, die hinter ihm die Tür schloss. Auf den Stühlen hinter dem Schreibtisch saßen seine Eltern. Seine Mutter drehte sich mit dem Oberkörper um und schenkte ihrem einzigen Sohn ein aufmunterndes Lächeln. Aber als ihr noch Ehemann sie mit dem Ellbogen anrempelte, versteckte sie sofort das Gesicht hinter ihrer braunen Lockenpracht. Mr. Groff schenkte Adam keinerlei Aufmerksamkeit, sondern richtete stur den Kopf geradeaus und starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen in die Leere. Nicht einmal nachdem sich Adam auf den freien Stuhl neben ihn setzte. Manchmal wünschte er sich, er hätte einen Platz in einer anderen Familie. In einer verständnisvollen Familie wie die von Eric…
Mit einer Flasche Rotwein und einem Blumenstrauß stand Adam vor der Haustüre der Effiongs. Eric hatte ihn bereits vorgewarnt, dass seine Familie etwas außergewöhnlich war. Aber welche Familie war das nicht?
Noch nie hatte er eine solche Aufregung erlebt, als er sich jemanden vorstellen sollte. Unsicher drückte er den Knopf der Türklingel und hinter der Haustür zischte eine aufgebrachte Frau mit der Zunge, die die aufgedrehten Stimmen der Geschwister zum Schweigen brachte. Nach einer anhaltenden Stille ertönten schwere Schritte, bis die Tür aufging und das Familienoberhaupt mit griesgrämiger Mimik den Besucher empfing. Adam zwang sich zu einem Lächeln und überreichte ihm ohne Weiteres die Weinflasche: „Guten Abend, Mr. Effiong.“. Diesen Satz hatte er etliche Male zuhause vor dem Spiegel eingeübt und dabei seine Gesichtsausdrücke durchgespielt. Schließlich zählte der erste Eindruck.
Aber der Familienvater verzog keinen einzigen Gesichtsmuskel und meinte emotionslos: „Wir trinken keinen Wein.“. Mr. Effiong drehte sich um und ging zurück ins Haus, wo Adam an der Wohnzimmertür hervorlugende Gesichter sehen konnte. Anscheinend haben ihn die Familienmitglieder gespannt erwartet.
Aus der Küche trat Mrs. Effiong mit einem breiten Lächeln und begrüßte ihren zukünftigen Schwiegersohn mit einer breiten Umarmung: „Willkommen, Adam. Komm doch rein.“. Sie nahm ihrem Mann die Weinflasche ab und stellte sie auf die Kommode im Gang. Ganz befangen streckte der Schulverweigerer seinen Arm aus und meinte zur fünffachen Mutter: „Die Blumen sind für Sie.“. Das erweckte in ihr ein begeistertes Strahlen und sie packte den Blumenstrauß am Ende, um ihn in die Küche zu tragen und in eine Vase zu stellen.
Keine Sekunde später düsten aus dem Wohnzimmer die unzähligen Schwestern, die ganz erstaunt mit ihren großen, dunklen Augen den neuen Freund ihres einzigen Bruders bewunderten. Unter den interessierten Beobachtern verlor Adam die Ruhe und faltete aufgeregt seine Hände zusammen, um das Zittern seiner Extremitäten nicht erkenntlich zu machen. Schließlich legte ihm die Älteste eine Hand auf die Schulter und sprach: „Es freut uns, dich kennenzulernen.“. Irgendwie wusste der Besucher nicht, wie er sich im Zentrum der Aufmerksamkeit verhalten sollte. Deswegen lächelte er vorsichtshalber, so komisch es auch kommen mag.
Plötzlich ertönten Schritte von der hölzernen Treppe. Alle Köpfe schnellten in die Richtung der knarzenden Stufen und am Treppengeländer stand Eric, der gerade aus seinem Zimmer gekommen ist. Sein Vater hat ihn benachrichtigt, dass Adam eingetroffen ist, der sich anlässlich des Abends herausgeputzt hat und ein Hemd aus der hintersten Ecke seines Schranks herausgefischt hat. Ihm stieß der Geruch von Aftershave entgegen, je näher er an seinen Freund herantrat und ihn in seinem Haus begrüßen durfte. Durch die Menge seiner Schwestern bahnte sich Eric eine Schneise und stand unmittelbar vor Adam, der überglücklich nach seiner Hand griff. Beide grinsten verliebt.
Eric hatte sich Zeit lassen. Sage und schreibe 1 ½ Stunden hatte er in seinem Zimmer verbracht und sich für das bevorstehende Abendessen aufgetakelt und dabei die verschiedensten Szenarien in seiner Fantasie durchgespielt. Neben einem knallroten Lippenstift und glitzerndem Lidschatten, der bis zu seinen Augenbrauen aufgetragen wurde, zierten seine Ohrläppchen goldene Ohrringe. Ganz übermannt von seinem Auftreten hauchte Adam: „Du siehst gut aus.“, „Wann tu ich das nicht?“, stellte Eric sarkastisch eine Gegenfrage. Am liebsten hätte er seinen Freund geküsst, wenn da nicht sein Vater gewesen wäre, welcher sich durch ein Räuspern bemerkbar machte und grummelte: „Das Essen ist gleich fertig. Deckst du den Tisch, Eric?“. Für ihn war die gesamte Situation noch immer sehr neu und ungewöhnlich. Ein Mann mit seiner Herkunft hatte sich in all der Zeit seines Lebens an die Umstände anpassen müssen. Nun hatte sein einziger Sohn solche Anpassungsschwierigkeiten und stach wie ein bunter Papagei aus der Menge heraus. Mit seiner Vorliebe für Männer machte es Eric ihm nicht leichter. Mr. Effiong war es wichtig, dass Eric lernt nie im Leben etwas ohne Anstrengung geschenkt zu bekommen. Dabei konnte er durchaus etwas streng zu ihm sein, aber das war auch gut so – Disziplin.
Aus der Küche ertönte Mrs. Effiong enthusiastisch: „Das haben unsere Töchter bereits erledigt. Kommt. Das Essen steht schon auf dem Tisch.“. Da sagte Adam nicht Nein und bewegte sich zusammen mit Eric in die Küche, wo sie sich gemeinsam einen Platz nebeneinander aussuchten. Aufgrund der beengten Räumlichkeiten gestaltete sich die Platzanordnung als schwierig, aber jeder Anwesende fand einen Stuhl und ein Tischgedeck. Schwungvoll schenkte sie jedem etwas vom Abendessen auf den Teller, wobei sie zum Ehrengast meinte: „Hast du schon einmal >>Waatje<< gegessen?“. Adam wollte nicht unhöflich sein, aber er hatte keinerlei Schimmer, um was es sich hier handeln sollte. Hilfesuchend blickte er kurz zu Eric, ehe er die Frage kopfschüttelnd verneinte. Daraufhin lachte Mrs. Effiong und fuhr mit der abendlichen Porzedur fort, während sie erzählte: „Waatje ist ein traditionelles Gericht aus unserer Heimat – Ghana.“, „Oder einfach Reis mit Bohnen.“, sprach die jüngste Schwester vorlaut dazwischen.
Mit einem Räuspern meldete sich das Familienoberhaupt zu Wort und breitete bereitwillig seine Hände aus. Auch Mrs. Effiong setzte sich zu Tisch und verschloss mit einem zufriedenen Lächeln die Augen. Alle nahmen sich an den Händen, bis die älteste Schwester meinte: „Soll Adam vielleicht heute einmal beten?“, aber Eric wusste, dass das bei den fehlenden, religiösen Kenntnissen ein gefundenes Fressen für seinen Vater sein könnte, und versuchte eine solche Situation abzuwenden: „Das ist keine gute Idee… er kommt nicht aus einer gläubig…“, „Warum nicht.“, stimmte Mr. Effiong diesem Vorschlag seiner Tochter zu.
Verwirrt hob Adam seinen Kopf an. Vor lauter Aufregung wurde sein Mund ganz trocken, bis er schwer schluckte und nachdenklich auf seinen Teller blickte: „Na gut… ich bin aber nicht gut in so was. >> Lieber Gott… wir danken dir für das Essen, das uns Mrs. Effiong heute gemacht hat…“, das brachte die Tischgesellschaft zum Lachen. Peinlich berührt presste Adam seine Lippen zusammen, bis er einen Druck an seiner rechten Hand spürte. Es war Eric, der ihm mit einem festeren Händedruck Mut zusprach. Schließlich ergriff der Besucher ein weiteres Mal das Wort und setzte das laienhafte Gebet fort: „…Besonders ich danke dir, dass ich heute etwas Selbstgekochtes essen darf, weil mein Vater seit dem Auszug meiner Mutter nur noch Fast-Food bestellt. Ich danke dir, dass ich hier mit am Tisch sitzen darf, weil ich mich seit langer Zeit nicht mehr so willkommen gefühlt habe. Und ich danke dir, dass du Eric und mir erlaubst zusammen zu sein. Amen.<<“, „Amen.“, stimmten alle dem einfachen, aber berührenden Tischgebet zu und stürzten gierig über das Essen her. Von Stolz erfüllt hielt Eric weiterhin die Hand seines Freundes, der bei seiner Familie einige Sympathiepunkte gesammelt hat. Selbst sein Vater lächelte bei den letzten Sätzen seines Gebets, wo man merkte, dass er es ernst meinte. Irgendwie hatte Eric das Gefühl, dass alles noch gut werden würde.
Das hatte Adam auch gedacht. Alles könnte gut werden. Wenn er nicht alles kaputt gemacht hätte. Wäre er nur auf der Party geblieben und hätte Eric´s Kuss zugelassen, wäre er niemals in den Hinterhof gekommen und hätte Rahim entdeckt. Wäre Rahim nie zur Party gekommen, hätte er ihn gar nicht verprügeln können. Oder wäre er einfach nur nicht ausgerastet…
Aber Adam ist ausgerastet. Schweigend saß er vor dem Tisch der Direktorin und blickte erfüllt von Schuld auf den Kugelschreiberhalter, der einst seinem Vater gehört hatte. Er hätte seine Gefühle besser unter Kontrolle halten sollen. Er hätte besser die gesamte Party verlassen sollen. Er hätte besser niemals Eric kennenlernen sollen. Dann hätte Adam all diese Probleme nicht, sondern wäre einfach wegen seinen Noten von der Schule geflogen und hätte einen Job in der Hundeerziehungsschule angenommen.
Alles könnte so einfach sein. Wenn da nicht Eric wäre. Aber Adam war nunmal hoffnungslos in Eric verliebt. Da konnte nicht einmal sein Vater etwas unternehmen, der sich vorwurfsvoll wie eine Sturmwolke in seinem ehemaligen Büro aufbäumte und sich über das verantwortungslose Verhalten seines Sohnes beschwerte. Seine Mutter saß schweigend daneben und wartete nur noch das Inkrafttreten der Scheidungspapiere ab. Die Direktorin schenkte ihrem Vorgänger keine Beachtung, sondern sah nur noch auf den Problemschüler:
„Adam.“.
Es war einer dieser Tage. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Tage wurden kürzer, die Nächte wurden länger. Und Adam saß mit gespreizten Beinen auf dem Stuhl vor dem Büro des Direktors. Oder für alle Neuen die neue Direktorin. Sein Vater wurde aus seinem Job entlassen, dennoch musste er vor dem Schuloberhaupt antanzen und ihr den letzten Vorfall erklären. Ein weiteres Mal. Aber er wusste genau, dass er nicht zum Reden kam, sondern nur mit Vorwürfen bombardiert werden würde. Wie dumm konnte er nur sein und sich von seiner Wut übermannen lassen. Obwohl der Abend so gut begonnen hat…
Da stand er. Auf der Tanzfläche. Er trug dieses breite, weiße Lächeln mit sich, als der Song >> I wanna Dance with somebody << gespielt wurde und hatte seitdem nicht mehr die Tanzfläche verlassen. Er drehte sich, bewegte sich, sprang hin und her zu allen Liedern, die aus den Lautsprechern tönten. In seiner bunten Kleidung mit den verschiedensten Formen tanzte er. Eric war nicht mehr zu bremsen.
Adam beobachtete zufrieden seinen Freund, der mitten in der Menschenmenge ohne Tanzpartner die Hüften schwang. Es kümmerte ihn wenig, was andere über ihn dachten: Eric hatte Spaß. Als Abschlussfeier für dieses Schuljahr schmissen einige Lehrkräfte eine Tanzfeier, die von der neuen Rektorin bewilligt wurde. Neben Snacks wurde auch alkoholfreier Punsch angeboten. Nur einige Schüler wussten mit welchen Mitteln man das Getränk verfeinern konnte, um aus einer langweiligen Tanzfeier DIE Party des Jahres zu machen.
Adam griff eifrig mit der Kelle zu und schüttete sich etwas vom hochprozentigem Gemisch in den roten Plastikbecher. Natürlich war er sich dessen bewusst, dass er gerade Alkohol trank. Aber nachdem er das Jahr gerade noch bestanden hat, wollte er dies feiern.
Als Adam gerade einen Schluck vom Punsch nahm, spürte er plötzlich eine Hand an seinem Arm, die ihn versuchte von dem Buffet wegzuziehen. Eine Stimme sprach in sein Ohr: „Komm schon! Jetzt geht es los!“. Es war Eric, der versuchte seinen Freund auf die Tanzfläche zu bewegen. Aber daraus wurde nichts und verzweifelt zog Adam die Augenbrauen in die Höhe: „Nein.“, „Doch! Jetzt komm schon! Das geht ganz einfach!“. Wie peinlich Eric war, konnte er nicht selbst miterleben, als er spielerisch mit den Beinen wackelte. Zwar hatte sein einstiges Mobbingopfer echt gute Moves drauf, aber er konnte durchaus mit seinen Tanzschritten in der Menschenmenge auffallen und war ein Hingucker für alle Beteiligten. Wie ein Papagei stach er unter den Normalos heraus und genau das machte Eric so besonders, der ihn mit seinen großen, braunen Augen anguckte und seine vollen Lippen zu einer Schnute verzog.
Adam drehte sich weg und holte tief nach Luft. Er hatte wirklich nicht vor zu tanzen. Das war überhaupt nicht sein Ding. Verzweifelt flog sein Blick durch die Partygäste. Am anderen Ende entdeckte er Ola, seine ehemalige Arbeitskollegin und neue Freundin, die ihm freudig zuwinkte. Ihre Begleitung war diese verrückte Alien-Tante mit den Saugnäpfen und den großen Augen. Er glaubte sich an ihren Namen zu erinnern, aber wurde von Eric zurück in die Realität gerissen. „Tubertunte“ nahm ihm den Becher aus der Hand und trank den Inhalt leer, woraufhin er angeekelt das Gesicht verzog und lachend jaulte: „Ieww. Das ist kein Punsch mehr.“. Irgendwie brachte es den Schulverweiger zum Lächeln, als sein Freund angewidert den Mund verzog und den Becher beiseite warf. Adam griff nach seiner Hand und flüsterte: „Hast du noch nie Alkohol getrunken?“, woraufhin Eric die Augen weitete und entsetzt entgegnete: „Hallo? Sehe ich für dich wie ein Abstinenzler aus?! Ich vertrage vielleicht nicht viel, aber es wird an der Zeit etwas Spaß zu haben!“. Unerwartet griff er nach seinen Händen und zog den Sohn des Direktors inmitten auf die Tanzfläche, wo die bunten Scheinwerfer auf sie gerichtet waren.
Sofort versteifte sich sein Körper. Sein Gesicht starrte ausdruckslos Eric an, als dieser im Takt der Musik seinen Körper bewegte. Nur als Adam bemerkte, dass auch alle anderen um ihn herum komische Bewegungen ausführten, fühlte er sich nicht länger verloren. Irgendwie schenkten ihm die anderen keine Aufmerksamkeit, sondern waren nur auf sich und den Rhythmus der Songs fokussiert. Auf einmal tanzte Eric ihn an und schnipste willkürlich mit den Fingern vor seinen Augen: „Das ist nicht schwer! Komm! Ich zeig´s dir!“. Der Mitschüler, mit dem er vor einem Jahr nachsitzen musste, zeigte ihm einfache Tanzschritte. Im Hintergrund begann man >> Footlose << von Kenny Loggins zu spielen und Adam spürte einen nie zuvor dagewesenen Drang sich zu bewegen. Langsam steppte er mit dem Fuß zum Takt des Songs und hauchte überrascht: „Das Lied kenne ich…“. Als er hilfesuchend einen Blick zu Eric warf, war dieser mit sich selbst beschäftigt und drehte sich geschmeidig auf den eigenen Absatz. Schließlich ertönte die Stimme des Sängers, woraufhin Adam unsicher nach unten blickte und seine Füße beim Tanzen beobachtete. Das blieb von Eric nicht unbemerkt, welcher begeistert lachte: „Siehst du? Du kannst es!“. Das bestärkte den verklemmten Oberstufenschüler in seinem Tun und zur Überraschung aller Anwesenden schwang Adam Groff das Tanzbein auf einer Schulparty. Der Draufgänger entdeckte seine Liebe zum Tanzen, wo er zu Beginn noch kleine Schritte von links nach rechts setzte und unsanft seine Schultern schüttelte. Aber mit der Zeit wirkten seine Schritte nicht mehr unsicher, sondern in Adam steppte wortwörtlich der Bär. Bei jeder weiteren Sekunde des Songs fühlte er sich befreiter.
Für einen Moment hielt Eric inne und beobachtete seinen Freund. Er hatte den Sohn des Direktors lange nicht mehr so unbeschwert gesehen, als er seine Gliedmaßen zur Musik rührte. Und das gar nicht mal so schlecht. Begeistert klatschte Tubertunte in die Hände und jubelte Adam zu, sodass auch andere Mitschüler auf ihn aufmerksam wurden und ihn verwundert zuguckten. Das war eine ganz andere Seite von Groff Junior, der eigentlich dafür bekannt war ein talentloses, aggressives und emotionsloses Stück Elend zu sein. Aber in ihm steckten doch noch Wunder und Adam schnappte sich gedankenlos die Hände von Eric, mit dem er sich lachend in den Kreis drehte. Mit Sicherheit spielte der Alkohol eine große Rolle, aber Adam musste zugeben, dass er in diesen wenigen Minuten äußerst glücklich war.
Die Musik wurde leiser. Das schwule Paar verlangsamte seine Schritte. Adam und Eric sahen einander an. Niemand anderes zählte in diesen einmaligen Moment, bis der feminine Dunkelhäutige einen Schritt auf ihn zumachte und sich an dem Kragen seines Liebhabers festhielt. Er verlor sich in seinen schmalen Augen, in die er schon so oft gesehen hat, aber von denen er nie genug kriegen konnte. Zwar wirkten Adam´s Gefühle wie die eines Steines, aber Eric konnte genau aus seinem Gesicht herauslesen, wie er sich gerade fühlte.
Sie waren gerade einmal einen Monat zusammen. Zumindest glaubten das beide. Es gab keine offizielle Bekanntgabe, aber der Auftritt am Schwanz-Musical reichte Eric als Bestätigung der gegenseitigen Zuneigung aus. Auch wenn er ein schlechtes Gewissen wegen Rahim hatte, glaubte er dennoch die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und je länger sie im Zentrum der Tanzfläche standen, desto näher kamen sie sich. Aus dem Moment heraus stellte sich Eric auf die Zehnspitzen, drückte seine großen Lippen gegen die seinen und küsste ihn unbedacht vor allen anderen Menschen. Es fühlte sich großartig an, ihre Liebe in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Es war das erste Mal. Ein Kuss vor anderen. Davor geschah es immer nur in aller Heimlichkeit (in einem geschlossenen Raum oder auch in der Nacht), aber es wurde an der Zeit ihre Beziehung öffentlich zu machen und den Mitschülern das zu geben, was sie sehen wollten: Das Schwulenpaar.
Aber Adam wurde es Zuviel. Er drückte Eric von sich weg und starrte ihn fassungslos. Ohne Vorwarnung hatte er ihn geküsst, was ihn vollkommen aus dem Konzept brachte. Als er hierbei seinen Freund erschrocken zurückgestoßen hatte, wurden andere auf die beiden aufmerksam und erlebten eine ihrer ersten Beziehungskrisen mit. „Was stimmt nicht mit dir?!“, brüllte Eric in seiner Ehre verletzt. Bei jeder Art der körperlichen Zuneigung reagierte der gefühlskalte Rüpel mit Abneigung und distanzierte sich von seinem Freund.
Es war bereits ein großer Schritt endlich Händchenzuhalten, aber ein Kuss?! Auf diese Weise hatte Adam es sich nicht vorgestellt. Er hatte Eric schon oft geküsst. Im Inneren hat es ihn gefreut, aber alle anderen haben es mitangesehen. Mittlerweile galt er nicht weniger als Schwuchtel. Und dieser Kuss hatte das nur noch bestätigt. Ganz entgeistert blickte der Oberstufenschüler herum und drehte hilfesuchend den Kopf zu seinen Mitschülern, die peinlich berührt die Lippen zusammenpressten oder belustigt die Handys zückten. Er wusste ja selbst nicht, was mit ihm nicht stimmte. Wie von der Tarantel gestochen machte Adam kehrt und flüchtete vor einer weiteren Auseinandersetzung mit Eric.
Jener blieb in der Menschenmenge stehen. In seinem Herzen verspürte er einen stechenden Schmerz, als hätte Adam beim Abgang einen Dolch in seiner Brust hinterlassen. Es war ein beklemmendes Gefühl ihn so zu sehen, wie er aus der Sporthalle rannte. Adam schämte sich. Für sich selbst. Und das konnte Eric einfach nicht ertragen.
Vor dieser ganzen Peinlichkeit hätte Adam die Augen verschließen wollen. Sein Gesicht versank in seinen Händen, als er noch immer auf die Sekretärin wartete, die ihn in das Büro hereinbitten würde. Wieso ist er nur davongelaufen? Er hätte diesen Kuss zulassen sollen. Dann wäre nicht Folgendes passiert und er würde hier nicht sitzen.
Seine Füße trugen ihn aus der Sporthalle zum Hinterhof der Schule. Zwar hätte er noch ruhig weiterlaufen können, aber er blieb bei den Mülltonnen stehen und trat mit dem Fuß einen Kübel um, sodass sich der stinkende Inhalt auf dem asphaltierten Boden ausbreitete. Adam liebte Eric.
Er hatte noch nie ein solches Gefühl erlebt. Wenn er bei Eric war, fühlte er sich irgendwie angekommen.
Zuhause. Das war Eric für ihn. Er wollte ihn nicht verlieren. Aber das hatte er jetzt geschafft. Mit seinen Händen fuhr er sich über das Gesicht und wollte nicht wahrhaben, was gerade geschehen ist. Er ist einfach durchgedreht. Bloß weil ihn sein Freund geküsst hat. Irgendetwas konnte nicht mit ihm stimmen. Eine unerwartete Angst durchfuhr seinen Körper, ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken und seine Nackenhaare stellten sich zu Berge. Der Gedanke, dass er diesen wundervollen Jungen durch sein Verhalten vergrault hatte, machte den gestörten Schüler zu schaffen. Zwar haben sich seine Noten in den letzten Monaten verbessert, aber leider hatte sich nichts an seinem psychischen Zustand verändert.
Im Inneren war Adam sehr unsicher. Auch wenn er das nicht zeigte. Seit dem Auszug seines Vaters konnte er endlich etwas mehr Freiheiten genießen. Dennoch zeichnete ihn eine unbegründete Angst aus, die sich in Trauer und Wut zeigte. Enttäuscht über seinen Gefühlsausbruch lehnte er seine Stirn gegen die raue Mauer des Schulhauses und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Nur schoss ihm immer und immer wieder dieser enttäuschte Gesichtsausdruck von Eric hoch, nachdem er seinen Freund unsanft weggestoßen hatte. Adam konnte sich gut an seine Worte erinnern: „Was stimmt nicht mit dir?!“.
Wenn der Sohn vom ehemaligen Direktor das nur wüsste. Er hatte keinen blassen Schimmer und suchte stets die Schuld bei sich. Irgendwie war er in nichts gut. Der Schulverweigerer hatte keine guten Noten in der Schule, keine Lieblingsschulfächer, keine Hobbys. Früher hatte er noch in dem Shop von Rahim´s Onkel gearbeitet, aber nach der Verwüstung im Laden konnte er diese Stelle vergessen. Er war ein Nichtsnutz. Für nichts zu gebrauchen. Eine Enttäuschung.
Wütend schlug er seine Stirn gegen die Betonwand und spürte den pochenden Schmerz in der vorderen Gehirnhälfte. Eine Träne entsprang seinen glasigen Augen und er drehte sich mit dem Rücken zur Wand, um ein vorbeifahrendes Auto auf der Straße zu entdecken. Schließlich blieb der grüne Audi stehen und die Autotür ging auf. Herausstieg der französische Austauschschüler Rahim. Sein Onkel hatte ihn zur Abschlussfeier gebracht, um am vorletzten Abend vor seiner Abreise noch etwas zu erleben.
Zum Leideswesen von Adam. Er verabscheute diese Schwuchtel, der einst mit Eric zusammen gewesen ist und wohl noch immer in ihn verliebt war. Wie sehr er diesen gutaussehenden Pisser verabscheute. Nachdem Rahim die Autotür zuschlug und sein Onkel weiterfuhr, steckte er die Hände in seine graue Jacke und bewegte sich mit gesenktem Kopf in die Richtung der Sporthalle. Das ließ Adam nicht zu, der sich entrüstet von der Wand wegstieß und wie ein wilder Stier auf den Austauschschüler zuraste. Der Regelbrecher rief: „Hey!“, woraufhin sich Rahim umdrehte und seine großen, dunklen Augen zu Adam wandte. Ehe er sich versah, schnellte seine geballte Faust auf sein Gesicht zu und traf seine Nase. Der Draufgänger wusste selbst nicht, was in ihn gefahren ist. Aber der Verflossene von Eric sollte nicht in diesen Moment die Party besuchen, wo er sich gerade mit seinem Freund zerstritten hat. Ein weiteres Mal holte Adam aus und brachte den Austauschschüler zu Boden, wo er sich über ihn kniete und ihn am Kragen packte: „Lass die Finger von Eric, klar?“.
Rahim blutete über das ganze Gesicht. Anscheinend hatte es der Neue von Eric geschafft seine Nase zu brechen. Aber das machte ihm wenig aus. In Frankreich wurde er schon oft zusammengeschlagen. Da war das hier das geringste Übel. Der Austauschschüler lachte erheitert und grinste feixe: „Du wirst ihn nicht halten können. Niemals. Früher oder später wird Eric erkennen, dass du nichts für ihn bist.“. Das brachte Adam zur Weißglut. Er konnte seine Wut nicht länger kontrollieren und ließ seinen gesamten Frust an Rahim aus, der allmählich unter den heftigen Schlägen und Stößen begann zu röcheln. Als sein Opfer begann die Augen zu verdrehen, zuckte Adam zusammen und sprang zurück auf seine zwei Beine.
Der Zusammengeschlagene war nach der Prügelei schwerst verletzt. Aber ohne ein weiteres Wort drehte sich Groff weg und holte eine Zigarette aus der weißen Packung heraus. Er steckte das Röllchen zwischen seine Lippen, als er auf dem Rückweg zur Sporthalle war. Irgendwie war er nach diesem Gefühlsausbruch erleichtert und brauchte noch eine Zigarette, ehe er wieder vor Eric treten könnte.
Nachdem Adam den Tabakstängel vor dem Eingang ausgetreten hat, drückte er die Türen auf und steuerte schnurstracks in die Richtung seines Freundes, der noch eben an einem Tisch zusammen mit Otis saß. Eric stand mit geschwollener Brust von dem einfachen Plastikstuhl auf und hob arrogant den Kopf an, um in die Augen seines großgewachsenen Freundes zu sehen. Sein bester Freund machte es ihm gleich, aber versuchte die Situation zu entschärfen und meinte zur Deeskalation: „Es ist nicht gerade förderlich sich in dieser Umgebung vor allen anderen Mitschülern zu streiten. Zur Aufklärung sollen wir eher einen sicheren Ort suchen, um ruhig miteinander reden zu können. Wir sollten gemeinsam nach draußen gehen und…“, nur schon längst umfasste Adam mit seinen Beiden Händen den Hals seines Freundes und er drückte sehnsüchtig seine Lippen auf die seinen. Ihre Münder verschmolzen zu einem innigen Kuss und Eric konnte gar nicht glauben, dass er sich etwas derartiges in der Öffentlichkeit traute.
Noch immer stand Ottis fassungslos zwischen dem Paar und hob immer wieder den Finger, um etwas zu sagen. Aber aus seinem Mund ertönte nur bedeutungsloses Gestammel, ehe der Sextherapeut zu sich selbst meinte: „Dann gehe ich alleine nach draußen…“. Das kümmerte Adam und Eric nicht, sondern nur sie zählten in diesen einmaligen Moment. Nur ahnten sie nicht, welche Folgen der Abend in dieser Sommernacht mit sich trug.
Endlich ging die Tür auf. Aufrecht stand die Direktorin vor ihm und hatte diesen ernsten Ausdruck auf dem Gesicht sitzen. Adam steckte die Hände in seine Jackentasche, stand von dem Plastikstuhl auf und drückte sich an der Direktorin vorbei, die hinter ihm die Tür schloss. Auf den Stühlen hinter dem Schreibtisch saßen seine Eltern. Seine Mutter drehte sich mit dem Oberkörper um und schenkte ihrem einzigen Sohn ein aufmunterndes Lächeln. Aber als ihr noch Ehemann sie mit dem Ellbogen anrempelte, versteckte sie sofort das Gesicht hinter ihrer braunen Lockenpracht. Mr. Groff schenkte Adam keinerlei Aufmerksamkeit, sondern richtete stur den Kopf geradeaus und starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen in die Leere. Nicht einmal nachdem sich Adam auf den freien Stuhl neben ihn setzte. Manchmal wünschte er sich, er hätte einen Platz in einer anderen Familie. In einer verständnisvollen Familie wie die von Eric…
Mit einer Flasche Rotwein und einem Blumenstrauß stand Adam vor der Haustüre der Effiongs. Eric hatte ihn bereits vorgewarnt, dass seine Familie etwas außergewöhnlich war. Aber welche Familie war das nicht?
Noch nie hatte er eine solche Aufregung erlebt, als er sich jemanden vorstellen sollte. Unsicher drückte er den Knopf der Türklingel und hinter der Haustür zischte eine aufgebrachte Frau mit der Zunge, die die aufgedrehten Stimmen der Geschwister zum Schweigen brachte. Nach einer anhaltenden Stille ertönten schwere Schritte, bis die Tür aufging und das Familienoberhaupt mit griesgrämiger Mimik den Besucher empfing. Adam zwang sich zu einem Lächeln und überreichte ihm ohne Weiteres die Weinflasche: „Guten Abend, Mr. Effiong.“. Diesen Satz hatte er etliche Male zuhause vor dem Spiegel eingeübt und dabei seine Gesichtsausdrücke durchgespielt. Schließlich zählte der erste Eindruck.
Aber der Familienvater verzog keinen einzigen Gesichtsmuskel und meinte emotionslos: „Wir trinken keinen Wein.“. Mr. Effiong drehte sich um und ging zurück ins Haus, wo Adam an der Wohnzimmertür hervorlugende Gesichter sehen konnte. Anscheinend haben ihn die Familienmitglieder gespannt erwartet.
Aus der Küche trat Mrs. Effiong mit einem breiten Lächeln und begrüßte ihren zukünftigen Schwiegersohn mit einer breiten Umarmung: „Willkommen, Adam. Komm doch rein.“. Sie nahm ihrem Mann die Weinflasche ab und stellte sie auf die Kommode im Gang. Ganz befangen streckte der Schulverweigerer seinen Arm aus und meinte zur fünffachen Mutter: „Die Blumen sind für Sie.“. Das erweckte in ihr ein begeistertes Strahlen und sie packte den Blumenstrauß am Ende, um ihn in die Küche zu tragen und in eine Vase zu stellen.
Keine Sekunde später düsten aus dem Wohnzimmer die unzähligen Schwestern, die ganz erstaunt mit ihren großen, dunklen Augen den neuen Freund ihres einzigen Bruders bewunderten. Unter den interessierten Beobachtern verlor Adam die Ruhe und faltete aufgeregt seine Hände zusammen, um das Zittern seiner Extremitäten nicht erkenntlich zu machen. Schließlich legte ihm die Älteste eine Hand auf die Schulter und sprach: „Es freut uns, dich kennenzulernen.“. Irgendwie wusste der Besucher nicht, wie er sich im Zentrum der Aufmerksamkeit verhalten sollte. Deswegen lächelte er vorsichtshalber, so komisch es auch kommen mag.
Plötzlich ertönten Schritte von der hölzernen Treppe. Alle Köpfe schnellten in die Richtung der knarzenden Stufen und am Treppengeländer stand Eric, der gerade aus seinem Zimmer gekommen ist. Sein Vater hat ihn benachrichtigt, dass Adam eingetroffen ist, der sich anlässlich des Abends herausgeputzt hat und ein Hemd aus der hintersten Ecke seines Schranks herausgefischt hat. Ihm stieß der Geruch von Aftershave entgegen, je näher er an seinen Freund herantrat und ihn in seinem Haus begrüßen durfte. Durch die Menge seiner Schwestern bahnte sich Eric eine Schneise und stand unmittelbar vor Adam, der überglücklich nach seiner Hand griff. Beide grinsten verliebt.
Eric hatte sich Zeit lassen. Sage und schreibe 1 ½ Stunden hatte er in seinem Zimmer verbracht und sich für das bevorstehende Abendessen aufgetakelt und dabei die verschiedensten Szenarien in seiner Fantasie durchgespielt. Neben einem knallroten Lippenstift und glitzerndem Lidschatten, der bis zu seinen Augenbrauen aufgetragen wurde, zierten seine Ohrläppchen goldene Ohrringe. Ganz übermannt von seinem Auftreten hauchte Adam: „Du siehst gut aus.“, „Wann tu ich das nicht?“, stellte Eric sarkastisch eine Gegenfrage. Am liebsten hätte er seinen Freund geküsst, wenn da nicht sein Vater gewesen wäre, welcher sich durch ein Räuspern bemerkbar machte und grummelte: „Das Essen ist gleich fertig. Deckst du den Tisch, Eric?“. Für ihn war die gesamte Situation noch immer sehr neu und ungewöhnlich. Ein Mann mit seiner Herkunft hatte sich in all der Zeit seines Lebens an die Umstände anpassen müssen. Nun hatte sein einziger Sohn solche Anpassungsschwierigkeiten und stach wie ein bunter Papagei aus der Menge heraus. Mit seiner Vorliebe für Männer machte es Eric ihm nicht leichter. Mr. Effiong war es wichtig, dass Eric lernt nie im Leben etwas ohne Anstrengung geschenkt zu bekommen. Dabei konnte er durchaus etwas streng zu ihm sein, aber das war auch gut so – Disziplin.
Aus der Küche ertönte Mrs. Effiong enthusiastisch: „Das haben unsere Töchter bereits erledigt. Kommt. Das Essen steht schon auf dem Tisch.“. Da sagte Adam nicht Nein und bewegte sich zusammen mit Eric in die Küche, wo sie sich gemeinsam einen Platz nebeneinander aussuchten. Aufgrund der beengten Räumlichkeiten gestaltete sich die Platzanordnung als schwierig, aber jeder Anwesende fand einen Stuhl und ein Tischgedeck. Schwungvoll schenkte sie jedem etwas vom Abendessen auf den Teller, wobei sie zum Ehrengast meinte: „Hast du schon einmal >>Waatje<< gegessen?“. Adam wollte nicht unhöflich sein, aber er hatte keinerlei Schimmer, um was es sich hier handeln sollte. Hilfesuchend blickte er kurz zu Eric, ehe er die Frage kopfschüttelnd verneinte. Daraufhin lachte Mrs. Effiong und fuhr mit der abendlichen Porzedur fort, während sie erzählte: „Waatje ist ein traditionelles Gericht aus unserer Heimat – Ghana.“, „Oder einfach Reis mit Bohnen.“, sprach die jüngste Schwester vorlaut dazwischen.
Mit einem Räuspern meldete sich das Familienoberhaupt zu Wort und breitete bereitwillig seine Hände aus. Auch Mrs. Effiong setzte sich zu Tisch und verschloss mit einem zufriedenen Lächeln die Augen. Alle nahmen sich an den Händen, bis die älteste Schwester meinte: „Soll Adam vielleicht heute einmal beten?“, aber Eric wusste, dass das bei den fehlenden, religiösen Kenntnissen ein gefundenes Fressen für seinen Vater sein könnte, und versuchte eine solche Situation abzuwenden: „Das ist keine gute Idee… er kommt nicht aus einer gläubig…“, „Warum nicht.“, stimmte Mr. Effiong diesem Vorschlag seiner Tochter zu.
Verwirrt hob Adam seinen Kopf an. Vor lauter Aufregung wurde sein Mund ganz trocken, bis er schwer schluckte und nachdenklich auf seinen Teller blickte: „Na gut… ich bin aber nicht gut in so was. >> Lieber Gott… wir danken dir für das Essen, das uns Mrs. Effiong heute gemacht hat…“, das brachte die Tischgesellschaft zum Lachen. Peinlich berührt presste Adam seine Lippen zusammen, bis er einen Druck an seiner rechten Hand spürte. Es war Eric, der ihm mit einem festeren Händedruck Mut zusprach. Schließlich ergriff der Besucher ein weiteres Mal das Wort und setzte das laienhafte Gebet fort: „…Besonders ich danke dir, dass ich heute etwas Selbstgekochtes essen darf, weil mein Vater seit dem Auszug meiner Mutter nur noch Fast-Food bestellt. Ich danke dir, dass ich hier mit am Tisch sitzen darf, weil ich mich seit langer Zeit nicht mehr so willkommen gefühlt habe. Und ich danke dir, dass du Eric und mir erlaubst zusammen zu sein. Amen.<<“, „Amen.“, stimmten alle dem einfachen, aber berührenden Tischgebet zu und stürzten gierig über das Essen her. Von Stolz erfüllt hielt Eric weiterhin die Hand seines Freundes, der bei seiner Familie einige Sympathiepunkte gesammelt hat. Selbst sein Vater lächelte bei den letzten Sätzen seines Gebets, wo man merkte, dass er es ernst meinte. Irgendwie hatte Eric das Gefühl, dass alles noch gut werden würde.
Das hatte Adam auch gedacht. Alles könnte gut werden. Wenn er nicht alles kaputt gemacht hätte. Wäre er nur auf der Party geblieben und hätte Eric´s Kuss zugelassen, wäre er niemals in den Hinterhof gekommen und hätte Rahim entdeckt. Wäre Rahim nie zur Party gekommen, hätte er ihn gar nicht verprügeln können. Oder wäre er einfach nur nicht ausgerastet…
Aber Adam ist ausgerastet. Schweigend saß er vor dem Tisch der Direktorin und blickte erfüllt von Schuld auf den Kugelschreiberhalter, der einst seinem Vater gehört hatte. Er hätte seine Gefühle besser unter Kontrolle halten sollen. Er hätte besser die gesamte Party verlassen sollen. Er hätte besser niemals Eric kennenlernen sollen. Dann hätte Adam all diese Probleme nicht, sondern wäre einfach wegen seinen Noten von der Schule geflogen und hätte einen Job in der Hundeerziehungsschule angenommen.
Alles könnte so einfach sein. Wenn da nicht Eric wäre. Aber Adam war nunmal hoffnungslos in Eric verliebt. Da konnte nicht einmal sein Vater etwas unternehmen, der sich vorwurfsvoll wie eine Sturmwolke in seinem ehemaligen Büro aufbäumte und sich über das verantwortungslose Verhalten seines Sohnes beschwerte. Seine Mutter saß schweigend daneben und wartete nur noch das Inkrafttreten der Scheidungspapiere ab. Die Direktorin schenkte ihrem Vorgänger keine Beachtung, sondern sah nur noch auf den Problemschüler:
„Adam.“.