Wrong hand
von DeepSilence
Kurzbeschreibung
[„1917“] Lieutenant Blake hatte gesagt, er solle sich etwas zu essen holen, aber... [Lance Corporal William Schofield; mentions of: Lieutenant Joseph Blake, Lance Corporal Thomas Blake, General Erinmore, Colonel Mackenzie][Spoiler!]
OneshotDrama, Humor / P18 / Gen
Lance Corporal William Schofield
26.02.2020
26.02.2020
1
1.422
4
26.02.2020
1.422
Disclaimer: Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte und besitze auch keine Rechte an allem, was aus dem Film 1917 übernommen wurde. Ähnlichkeiten zu lebenden (oder mittlerweile verstorbenen) Personen sind nicht beabsichtigt.
Der Titel ist ein Zitat von Lance Corporal William Schofield aus dem Film.
Kurzbeschreibung: [„1917“] Lieutenant Blake hatte gesagt, er solle sich etwas zu essen holen, aber... [Lance Corporal William Schofield; mentions of: Lieutenant Joseph Blake, Lance Corporal Thomas Blake, General Erinmore, Colonel Mackenzie][Spoiler!]
A/N: Es handelt sich hierbei um noch einen Oneshot und meinen dritten Beitrag zu Sam Mendes’ Film 1917.
Dieser Oneshot kann als Fortsetzung von Come back to us gelesen werden, muss es aber nicht.
Den zweiten Beitrag zu 1917 findet ihr bei Interesse hier: Bottle of wine
Im Oneshot selbst werden zwei weitere Zitate aus dem Film folgen, die ich zum Erhalt ihrer Wirkung auf Englisch übernommen habe. Sie werden sich, da kursiv geschrieben und in doppelte Anführungszeichen gesetzt, vom Rest des Textes abheben und mit einem Sternchen am Ende gekennzeichnet sein. Eine weitere Quellenangabe befindet sich unter diesem Oneshot.
Er blinzelte, brauchte einen Moment, um sich zu orientieren und festzustellen, dass sich eigentlich nichts verändert hatte, zumindest abgesehen davon, dass er sich trockener fühlte. Trockener als noch vor… vor… dem Zeitpunkt, an dem er sich hingesetzt hatte, beschloss er. Das musste als Zeitangabe genügen, bis… Ach, so lange konnte er nicht eingenickt gewesen sein. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand nicht einmal erreicht, wie ihm schien und hinter ihm im Lazarett wurde auch jetzt noch geschrien.
Langsam und mit steifen Gliedern raffte er sich auf, nur um es sofort zu bereuen. Die Brise, die über die Wiese strich, machte ihm unmissverständlich klar, dass die Sonne überhaupt nur seine Vorderseite hatte antrocknen lassen. Die Rückseite war auch weiterhin feucht, und er hatte Kopfschmerzen.
Wieder.
Oder vielleicht auch immer noch.
Sicher war er nicht.
Es spielte eigentlich auch keine Rolle. Er war diese Treppe hinuntergestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen, hatte sein eigenes klebriges Blut auf dem Absatz, in seinem Haar und auf seiner Haut ertastet.
Kein Wunder, dass der Kopf ihm wehtat!
Hunger hatte er auch, doch das… Das war längst alltäglich und… Aber Lieutenant Blake hatte gesagt, er solle sich etwas zu essen holen, er solle… Als ob das wichtig gewesen wäre! Nun gut, das war es auch. Irgendwie. Immer. Besonders hier, aber… Er würde es tun, so oder so, nur zuerst…
Zuerst sollte er selbst einmal dem Lazarett einen Besuch abstatten und sich wenigstens eine saubere Mullbinde für seine Hand geben lassen, denn die, mit der er seine Hand vor zig Stunden verbunden hatte, war verdreckt, durchnässt und eigentlich nicht mehr als ein Stück zerfetzter Stoff, den wohl nur noch einzelne Fäden zusammenhielten. Vielleicht sollte er auch gleich nach etwas Iod fragen, nur zur Sicherheit, immerhin… Das faulige Innenleben des toten Soldaten war eher nicht das, was einer guten Wundheilung zuträglich war, einmal ganz davon abgesehen, dass allein jeder Kratzer, den man sich am Stacheldraht zuzog, schon unschön und schmerzhaft war. Eben ganz so, wie es gedacht war. Aber er hatte sich nicht nur einen Kratzer zugezogen. Der Draht war zurückgeschnellt und in seine Handfläche geschlagen und vielleicht… Ach, er wollte eigentlich gar nicht so genau wissen, ob Teile von ihm noch daran festhingen wie letzte Reste einer menschlichen Girlande.
Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, als er auf das Lazarett zukam. Was vorhin noch wild und ungeordnet erschienen war, als aus mehr oder minder jeder erdenklichen Richtung Verwundete gekommen und gebracht worden waren, hatte sich nun etwas beruhigt und sortiert. Mittlerweile waren auch Lastwagen eingetroffen, auf die man Verwundete verlud, um sie wegzubringen, weg von der Front, in ein anderes Lazarett oder vielleicht sogar ein richtiges Krankenhaus. Die Toten konnten warten.
Ebenso wie die leicht Verletzten, also auch er, kam ihm in den Sinn, als er sich hinter einem Soldaten mit blutigem Kopfverband einreihte. Der Mann schien jedoch nicht im Mindesten mitgenommen zu sein, stattdessen rauchte er und war unüberhörbar damit beschäftigt, einem anderen zu erzählen, dass er nur ein Stück des Ohrs verloren hatte. Nicht weiter wild sei es, das bisschen Fleisch und Blut, und wenn es nach ihm ginge, stünde er gar nicht hier an. Sein Vorgesetzter habe ihn hergeschickt und nur deswegen würde er hier herumstehen und Maulaffen feilhalten.
Schofield seufzte lautlos. Nur ein Stück des Ohrs… Vielleicht war der Mann noch nicht so lange hier oder schon viel zu lange, doch was ging es ihn an? Was ging ihn hier nun überhaupt noch etwas an? Er, sie – Blake und er – hatten General Erinmores Befehl erfolgreich ausgeführt und die Botschaft an Colonel Mackenzie überbracht, zumindest so einigermaßen erfolgreich, und nun?
Nun gab es hier für ihn nicht mehr viel zu tun.
Seine Einheit war schließlich nicht hier. Zu ihr musste er zurückkehren und seinem Vorgesetzten Bericht erstatten. Das musste er tun.
Vielleicht konnte er auf einem der Lastwagen, die die Verwundeten wegbrachten, ein paar Meilen mitfahren? Eine Frage würde nichts kosten, wenn er sie direkt an den Fahrer richtete und sich nicht erst mit irgendwelchen höherrangigen Offizieren aufhielt. Es war ja im Grunde genommen nur eine Kleinigkeit, um die er bitten würde. Eine Kleinigkeit, die seiner Pflicht, seinem Vorgesetzten sobald wie möglich Bericht zu erstatten, sehr zuträglich sein würde. Wer konnte also etwas dagegen einzuwenden haben…? Nachdenklich begann er, den verdreckten, durchweichten Verband von seiner Hand abzuwickeln.
Hinter ihm reihte sich noch jemand ein. Jemand, der von jemand anderem gestützt werden musste. Er hatte die beiden aus dem Augenwinkel schon näherkommen sehen und machte sich jetzt gar nicht mehr die Mühe, sich aus reiner Neugier kurz zu ihnen umzudrehen. Wozu denn auch? Es gab nichts zu sehen. Nichts, das er nicht schon mindestens einmal gesehen hätte, konstatierte er ihm Stillen.
Es ging zügig voran. Er hatte es anders erwartet, sich insgeheim auf eine längere Wartezeit eingestellt als sie nun wurde. Tatsächlich konnte es kaum eine halbe Stunde gedauert haben, als er unter der Plane angekommen war, die man über dem Feldlazarett aufgespannt hatte. Der Soldat vor ihm bekam nichts weiter als einen neuen Kopfverband und den saloppen Rat, beim nächsten Mal das andere Ohr hinzuhalten, dann sähe es auf beiden Seiten wieder gleichmäßig aus und er sei die Segelohren auch noch los. Der Mann zog lauthals lachend von dannen. Vielleicht, mutmaßte er stumm, wurde der andere einfach nur verrückt. Manchmal geschah das in den Gräben. An der Somme war es passiert. Da hatte er es miterlebt. Und warum sollte es hier anders sein?
Wortlos streckte er dem Sanitäter seine Hand über den Behandlungstisch zwischen ihnen hin, als er an der Reihe war. Erst die Hand und dann der Kopf, er durfte seinen Kopf nicht vergessen, rief er sich ins Gedächtnis, als der Sanitäter seine Hand griff und mit einem Ruck näher zu sich heranzog.
„Wo zur Hölle sind Sie damit gewesen, Lance Corporal? Im Stacheldraht oder in einem Saustall?“
„In einem toten Deutschen“, antwortete er.
„Fast dasselbe.“
Der Sanitäter ließ seine Hand los und griff nach einer Flasche Iod. Das Etikett war blutfleckig. Es spielte keine Rolle. Der Mann arbeitete schnell und routiniert, sodass ihn nicht mehr wundern konnte, warum die Wartezeit so überschaubar war. Es konnte keine fünf Minuten gedauert haben, bis die Verletzungen sauber und seine Hand frisch verbunden war. Für seinen Kopf hingegen hatte der Sanitäter nur einen kurzen Blick und ein Schulterzucken übrig.
„Blutet nicht mehr, kann so bleiben. Wenn Ihnen in den nächsten Stunden schwindlig wird oder Sie erbrechen müssen, kommen Sie wieder. Nützt niemandem, wenn Sie im Graben in ’ner Pfütze ersaufen, und was die Hand betrifft…“ Erneutes Schulterzucken. „You’ll be wanking again in no time.“ *
„Wrong hand.“ **
„Glück gehabt. Der nächste!“
Er trat zur Seite, um Platz zu machen, fasste auch noch mit an, um dem Mann hinter sich, zusammen mit dem, der ihn bis hierher gestützt hatte, auf den Behandlungstisch zu helfen, dann wandte er sich ab und trottete davon. Wünschte sich, der Sanitäter wäre mehr so gewesen wie die, denen er bis jetzt begegnet war, steifer, wortkarger, ernster. Dann hätte er nämlich mit Sicherheit nicht exakt Blakes Worte wiederholt!
Blake, der…
Er musste sich von irgendwoher eine Feldpostkarte beschaffen, so schnell wie möglich. Er musste tun, wofür er sich von Lieutenant Blake die Erlaubnis erbeten hatte und Blakes Mutter schreiben.
Das war er seinem Kameraden schuldig.
Das.
Das geringste von allem.
* Zitat aus dem Film, von Lance Corporal Thomas Blake
** Zitat aus dem Film, von Lance Corporal William Schofield
Bei Interesse findet ihr meine vierte Geschichte zu 1917 hier: Lost in thoughts
Der Titel ist ein Zitat von Lance Corporal William Schofield aus dem Film.
Kurzbeschreibung: [„1917“] Lieutenant Blake hatte gesagt, er solle sich etwas zu essen holen, aber... [Lance Corporal William Schofield; mentions of: Lieutenant Joseph Blake, Lance Corporal Thomas Blake, General Erinmore, Colonel Mackenzie][Spoiler!]
A/N: Es handelt sich hierbei um noch einen Oneshot und meinen dritten Beitrag zu Sam Mendes’ Film 1917.
Dieser Oneshot kann als Fortsetzung von Come back to us gelesen werden, muss es aber nicht.
Den zweiten Beitrag zu 1917 findet ihr bei Interesse hier: Bottle of wine
Im Oneshot selbst werden zwei weitere Zitate aus dem Film folgen, die ich zum Erhalt ihrer Wirkung auf Englisch übernommen habe. Sie werden sich, da kursiv geschrieben und in doppelte Anführungszeichen gesetzt, vom Rest des Textes abheben und mit einem Sternchen am Ende gekennzeichnet sein. Eine weitere Quellenangabe befindet sich unter diesem Oneshot.
Wrong hand
Er blinzelte, brauchte einen Moment, um sich zu orientieren und festzustellen, dass sich eigentlich nichts verändert hatte, zumindest abgesehen davon, dass er sich trockener fühlte. Trockener als noch vor… vor… dem Zeitpunkt, an dem er sich hingesetzt hatte, beschloss er. Das musste als Zeitangabe genügen, bis… Ach, so lange konnte er nicht eingenickt gewesen sein. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand nicht einmal erreicht, wie ihm schien und hinter ihm im Lazarett wurde auch jetzt noch geschrien.
Langsam und mit steifen Gliedern raffte er sich auf, nur um es sofort zu bereuen. Die Brise, die über die Wiese strich, machte ihm unmissverständlich klar, dass die Sonne überhaupt nur seine Vorderseite hatte antrocknen lassen. Die Rückseite war auch weiterhin feucht, und er hatte Kopfschmerzen.
Wieder.
Oder vielleicht auch immer noch.
Sicher war er nicht.
Es spielte eigentlich auch keine Rolle. Er war diese Treppe hinuntergestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen, hatte sein eigenes klebriges Blut auf dem Absatz, in seinem Haar und auf seiner Haut ertastet.
Kein Wunder, dass der Kopf ihm wehtat!
Hunger hatte er auch, doch das… Das war längst alltäglich und… Aber Lieutenant Blake hatte gesagt, er solle sich etwas zu essen holen, er solle… Als ob das wichtig gewesen wäre! Nun gut, das war es auch. Irgendwie. Immer. Besonders hier, aber… Er würde es tun, so oder so, nur zuerst…
Zuerst sollte er selbst einmal dem Lazarett einen Besuch abstatten und sich wenigstens eine saubere Mullbinde für seine Hand geben lassen, denn die, mit der er seine Hand vor zig Stunden verbunden hatte, war verdreckt, durchnässt und eigentlich nicht mehr als ein Stück zerfetzter Stoff, den wohl nur noch einzelne Fäden zusammenhielten. Vielleicht sollte er auch gleich nach etwas Iod fragen, nur zur Sicherheit, immerhin… Das faulige Innenleben des toten Soldaten war eher nicht das, was einer guten Wundheilung zuträglich war, einmal ganz davon abgesehen, dass allein jeder Kratzer, den man sich am Stacheldraht zuzog, schon unschön und schmerzhaft war. Eben ganz so, wie es gedacht war. Aber er hatte sich nicht nur einen Kratzer zugezogen. Der Draht war zurückgeschnellt und in seine Handfläche geschlagen und vielleicht… Ach, er wollte eigentlich gar nicht so genau wissen, ob Teile von ihm noch daran festhingen wie letzte Reste einer menschlichen Girlande.
Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, als er auf das Lazarett zukam. Was vorhin noch wild und ungeordnet erschienen war, als aus mehr oder minder jeder erdenklichen Richtung Verwundete gekommen und gebracht worden waren, hatte sich nun etwas beruhigt und sortiert. Mittlerweile waren auch Lastwagen eingetroffen, auf die man Verwundete verlud, um sie wegzubringen, weg von der Front, in ein anderes Lazarett oder vielleicht sogar ein richtiges Krankenhaus. Die Toten konnten warten.
Ebenso wie die leicht Verletzten, also auch er, kam ihm in den Sinn, als er sich hinter einem Soldaten mit blutigem Kopfverband einreihte. Der Mann schien jedoch nicht im Mindesten mitgenommen zu sein, stattdessen rauchte er und war unüberhörbar damit beschäftigt, einem anderen zu erzählen, dass er nur ein Stück des Ohrs verloren hatte. Nicht weiter wild sei es, das bisschen Fleisch und Blut, und wenn es nach ihm ginge, stünde er gar nicht hier an. Sein Vorgesetzter habe ihn hergeschickt und nur deswegen würde er hier herumstehen und Maulaffen feilhalten.
Schofield seufzte lautlos. Nur ein Stück des Ohrs… Vielleicht war der Mann noch nicht so lange hier oder schon viel zu lange, doch was ging es ihn an? Was ging ihn hier nun überhaupt noch etwas an? Er, sie – Blake und er – hatten General Erinmores Befehl erfolgreich ausgeführt und die Botschaft an Colonel Mackenzie überbracht, zumindest so einigermaßen erfolgreich, und nun?
Nun gab es hier für ihn nicht mehr viel zu tun.
Seine Einheit war schließlich nicht hier. Zu ihr musste er zurückkehren und seinem Vorgesetzten Bericht erstatten. Das musste er tun.
Vielleicht konnte er auf einem der Lastwagen, die die Verwundeten wegbrachten, ein paar Meilen mitfahren? Eine Frage würde nichts kosten, wenn er sie direkt an den Fahrer richtete und sich nicht erst mit irgendwelchen höherrangigen Offizieren aufhielt. Es war ja im Grunde genommen nur eine Kleinigkeit, um die er bitten würde. Eine Kleinigkeit, die seiner Pflicht, seinem Vorgesetzten sobald wie möglich Bericht zu erstatten, sehr zuträglich sein würde. Wer konnte also etwas dagegen einzuwenden haben…? Nachdenklich begann er, den verdreckten, durchweichten Verband von seiner Hand abzuwickeln.
Hinter ihm reihte sich noch jemand ein. Jemand, der von jemand anderem gestützt werden musste. Er hatte die beiden aus dem Augenwinkel schon näherkommen sehen und machte sich jetzt gar nicht mehr die Mühe, sich aus reiner Neugier kurz zu ihnen umzudrehen. Wozu denn auch? Es gab nichts zu sehen. Nichts, das er nicht schon mindestens einmal gesehen hätte, konstatierte er ihm Stillen.
Es ging zügig voran. Er hatte es anders erwartet, sich insgeheim auf eine längere Wartezeit eingestellt als sie nun wurde. Tatsächlich konnte es kaum eine halbe Stunde gedauert haben, als er unter der Plane angekommen war, die man über dem Feldlazarett aufgespannt hatte. Der Soldat vor ihm bekam nichts weiter als einen neuen Kopfverband und den saloppen Rat, beim nächsten Mal das andere Ohr hinzuhalten, dann sähe es auf beiden Seiten wieder gleichmäßig aus und er sei die Segelohren auch noch los. Der Mann zog lauthals lachend von dannen. Vielleicht, mutmaßte er stumm, wurde der andere einfach nur verrückt. Manchmal geschah das in den Gräben. An der Somme war es passiert. Da hatte er es miterlebt. Und warum sollte es hier anders sein?
Wortlos streckte er dem Sanitäter seine Hand über den Behandlungstisch zwischen ihnen hin, als er an der Reihe war. Erst die Hand und dann der Kopf, er durfte seinen Kopf nicht vergessen, rief er sich ins Gedächtnis, als der Sanitäter seine Hand griff und mit einem Ruck näher zu sich heranzog.
„Wo zur Hölle sind Sie damit gewesen, Lance Corporal? Im Stacheldraht oder in einem Saustall?“
„In einem toten Deutschen“, antwortete er.
„Fast dasselbe.“
Der Sanitäter ließ seine Hand los und griff nach einer Flasche Iod. Das Etikett war blutfleckig. Es spielte keine Rolle. Der Mann arbeitete schnell und routiniert, sodass ihn nicht mehr wundern konnte, warum die Wartezeit so überschaubar war. Es konnte keine fünf Minuten gedauert haben, bis die Verletzungen sauber und seine Hand frisch verbunden war. Für seinen Kopf hingegen hatte der Sanitäter nur einen kurzen Blick und ein Schulterzucken übrig.
„Blutet nicht mehr, kann so bleiben. Wenn Ihnen in den nächsten Stunden schwindlig wird oder Sie erbrechen müssen, kommen Sie wieder. Nützt niemandem, wenn Sie im Graben in ’ner Pfütze ersaufen, und was die Hand betrifft…“ Erneutes Schulterzucken. „You’ll be wanking again in no time.“ *
„Wrong hand.“ **
„Glück gehabt. Der nächste!“
Er trat zur Seite, um Platz zu machen, fasste auch noch mit an, um dem Mann hinter sich, zusammen mit dem, der ihn bis hierher gestützt hatte, auf den Behandlungstisch zu helfen, dann wandte er sich ab und trottete davon. Wünschte sich, der Sanitäter wäre mehr so gewesen wie die, denen er bis jetzt begegnet war, steifer, wortkarger, ernster. Dann hätte er nämlich mit Sicherheit nicht exakt Blakes Worte wiederholt!
Blake, der…
Er musste sich von irgendwoher eine Feldpostkarte beschaffen, so schnell wie möglich. Er musste tun, wofür er sich von Lieutenant Blake die Erlaubnis erbeten hatte und Blakes Mutter schreiben.
Das war er seinem Kameraden schuldig.
Das.
Das geringste von allem.
***
* Zitat aus dem Film, von Lance Corporal Thomas Blake
** Zitat aus dem Film, von Lance Corporal William Schofield
Bei Interesse findet ihr meine vierte Geschichte zu 1917 hier: Lost in thoughts